Entscheidungsstichwort (Thema)

Beihilfe nach anderen als beamtenrechtlichen Vorschriften. Vergleichbarkeit einer Regelung über. Berücksichtigungsfähigkeit als Angehöriger bei eigener Beihilfeberechtigung. Fortbestehen der – bei nicht gleichwertiger eigener Beihilfeberechtigung

 

Leitsatz (amtlich)

Der dem teilzeitbeschäftigten Angehörigen eines Beamten aufgrund Tarifvertrags zustehende Anspruch auf Beihilfe in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen verdrängt den Anspruch des Beamten auf Beihilfe zu den Aufwendungen dieses Angehörigen nicht, wenn der tarifvertragliche Anspruch lediglich auf eine Leistung gerichtet ist, die entsprechend der Verminderung seiner Wochenarbeitszeit auf ein Sechstel gekürzt ist.

 

Normenkette

BhV § 4 Abs. 3 S. 2, Abs. 5, § 5 Abs. 4 Nr. 7

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches OVG (Urteil vom 10.02.1998; Aktenzeichen 5 L 2971/96)

VG Braunschweig (Urteil vom 05.03.1996; Aktenzeichen 7 A 7222/95)

 

Tenor

Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 10. Februar 1998 wird aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 5. März 1996 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

 

Tatbestand

I.

Der klagende Ruhestandsbeamte beantragte zu Beginn des Jahres 1995 bei dem Beklagten eine Beihilfe zu den Kosten einer zahnärztlichen Behandlung seiner Ehefrau. Diese war damals aufgrund Arbeitsvertrages mit einer Arbeitszeit von einem Sechstel der wöchentlichen Arbeitszeit eines vergleichbaren vollbeschäftigten Angestellten bei der Universität H. tätig und gesetzlich krankenversichert. Außerdem hatte sie einen tariflichen Anspruch auf Beihilfe nach Maßgabe der im Lande Niedersachsen geltenden Beihilfevorschriften, der sich entsprechend der Reduktion ihrer Arbeitszeit auf ein Sechstel des nach den Beihilfevorschriften errechneten Betrages belief.

Der Beklagte lehnte die begehrte Beihilfe zu den von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erstatteten beihilfefähigen Aufwendungen ab und wies den Widerspruch des Klägers zurück.

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, die Aufwendungen nach Maßgabe der §§ 6 bis 13 der Beihilfevorschriften als dem Grunde nach beihilfefähige Aufwendungen eines berücksichtigungsfähigen Angehörigen der Beihilfeberechnung zugrunde zu legen. Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt:

Die Ehefrau des Klägers sei nach § 4 Abs. 3 Satz 2 BhV wegen ihres eigenen tariflichen Anspruchs auf Beihilfe nicht als Angehörige berücksichtigungsfähig. Der tarifliche Anspruch sei eine Beihilfeberechtigung nach anderen als beamtenrechtlichen Vorschriften im Sinne der Definition des § 4 Abs. 5 BhV. Dem Erfordernis der Vergleichbarkeit der tariflichen Regelung mit den Beihilfevorschriften sei genügt. Die tarifliche Regelung sehe ebenfalls eine finanzielle Beihilfe zu krankheitsbedingten Aufwendungen vor. Auf die Höhe des im Einzelfall zustehenden Betrages komme es nicht an.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision beantragt der Kläger,

das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 10. Februar 1998 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 5. März 1996 zurückzuweisen.

Er rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Der Beklagte tritt der Revision entgegen und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Der Oberbundesanwalt hält die Auslegung der Beihilfevorschriften durch das Berufungsgericht für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Beihilfe zu den Aufwendungen für die zahnärztliche Behandlung seiner Ehefrau. Diese ist ungeachtet ihres eigenen tariflichen Anspruchs auf Beihilfe als Angehörige des Klägers berücksichtigungsfähig. Bei dem Anspruch der Ehefrau handelt es sich nicht um einen Anspruch auf Beihilfe nach einer den Beihilfevorschriften des Bundes im wesentlichen vergleichbaren Regelung.

Nach § 1 Abs. 4 der Beihilfevorschriften des Bundes – BhV –, die gemäß § 87 Abs. 3 Nr. 1 NBG auch auf Beamte und Ruhestandsbeamte des Landes Anwendung finden, werden Beihilfen gewährt zu den beihilfefähigen Aufwendungen der beihilfeberechtigten Personen und ihrer Angehörigen. Der Kläger ist als Ruhestandsbeamter nach § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BhV Beihilfeberechtigter. Seine Ehefrau ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BhV eine berücksichtigungsfähige Angehörige. Ihre Berücksichtigungsfähigkeit entfällt nicht nach § 4 Abs. 3 Satz 2 BhV. Nach dieser Bestimmung geht die Beihilfeberechtigung nach anderen als beamtenrechtlichen Vorschriften der Berücksichtigungsfähigkeit als Angehöriger vor. Dies bedeutet, daß zu den Aufwendungen des Angehörigen Beihilfe nicht gewährt wird, gemäß § 5 Abs. 4 Nr. 7 BhV auch nicht insoweit, als Aufwendungen durch Leistungen aufgrund der vorgehenden anderweitigen Beihilfeberechtigung des Angehörigen nicht gedeckt sind.

Die Ehefrau des Klägers ist nicht nach anderen als beamtenrechtlichen Vorschriften beihilfeberechtigt. Ihr Anspruch aus § 40 Abs. 2 BAT in Verbindung mit den Beihilfevorschriften des Bundes erfüllt nicht die Anforderungen an eine derartige Berechtigung nach der maßgebenden Definition des § 4 Abs. 5 BhV. Der Anspruch ist kein Anspruch nach einer den Beihilfevorschriften des Bundes im wesentlichen vergleichbaren Regelung.

Zwar bestimmt sich nach § 40 Abs. 1 BAT die Gewährung von Beihilfen nach den Beihilfevorschriften des Bundes; denn diese sind die in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen bei dem Arbeitgeber der Ehefrau geltenden Bestimmungen. Jedoch steht ihr als nichtvollbeschäftigter Angestellter gemäß § 40 Abs. 2 BAT von der errechneten Beihilfe nur der Teil zu, der dem Verhältnis ihrer vertraglich vereinbarten regelmäßigen Wochenarbeitszeit zur Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Angestellten entspricht. Damit fehlt es an der Vergleichbarkeit der tarifrechtlichen Beihilferegelung mit den Beihilfevorschriften des Bundes.

Mit der Regelung in § 4 Abs. 3 BhV, wonach der Beihilfeberechtigte zu Aufwendungen eines Angehörigen, der selbst nach beamtenrechtlichen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 BhV) oder nach sonstigen (§ 4 Abs. 3 Satz 2 BhV) Vorschriften beihilfeberechtigt ist, von seinem Dienstherrn keine Beihilfe erhält, soll erreicht werden, daß der Dienstherr oder die Versorgungsbehörde mit der Pflicht zur Gewährung einer Beihilfe nicht belastet ist, soweit es sich bei dem Angehörigen um eine Person handelt, für die beihilferechtlich ohnehin gesorgt ist (Urteil vom 23. September 1971 – BVerwG 2 C 15.70 – ≪Buchholz 238.925 Nr. 2; BVerwGE 56, 349; BVerwGE 64, 293 ≪295≫). Indem der Dienstherr den Beamten wegen der Aufwendungen dieses Familienmitglieds auf dessen Anspruch gegen einen Dritten verweist, nimmt er diesen Angehörigen von der Erfüllung seiner Fürsorgepflicht aus, die sich grundsätzlich auch auf die Familie des Beamten erstreckt. Das ist aber nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur gerechtfertigt, wenn die anderweitige Behilfeberechtigung des Angehörigen dem beihilferechtlichen Anspruch des Beamten – bei zu unterstellender Berücksichtigungsfähigkeit dieses Angehörigen – i n s g e s a m t entspricht. Die beiden konkurrierenden Beihilfesysteme „entsprechen” ungeachtet von Unterschieden in Einzelheiten, insbesondere bei der Konkretisierung der beihilfefähigen Aufwendungen einander immer dann, wenn sie inhaltlich insgesamt gleichwertig sind (BVerwGE 64, 293 ≪295≫). Dies wiederum beurteilt sich anhand eines wertenden Vergleichs der aus der Beihilfeberechtigung des Angehörigen fließenden Ansprüche einerseits und der beihilferechtlichen Rechtsposition des Beamten hinsichtlich der Erstattung krankheitsbedingter Aufwendungen für seinen Angehörigen andererseits. Zu vergleichen sind Voraussetzungen, Umfang sowie die Art der jeweiligen Beihilfeberechtigung; unerheblich ist, ob die im konkreten Einzelfall zu beanspruchenden Beträge gleich groß sind.

Danach sind die Beihilferegelungen nach § 40 BAT in Verbindung mit den Beihilfevorschriften des Bundes sowie die Beihilferegelung nach diesen Vorschriften jedenfalls dann nicht insgesamt gleichwertig, wenn aufgrund der tariflichen Anspruchsvoraussetzungen die Beihilfe entsprechend dem Umfang der Arbeitszeit gequotelt wird.

Zwar sind die Beihilfeberechtigung des Klägers und die seiner Ehefrau ihrer Struktur nach insoweit gleich, als bei beiden die Beihilfevorschriften des Bundes die Grundlage für die Berechnung des zu leistenden Betrages sind. Die Regelungen unterscheiden sich jedoch wesentlich dadurch, daß die für die Ehefrau geltende, auf dem Tarifrecht fußende Beihilferegelung bei nichtvollbeschäftigten Angestellten eine Quotelung der errechneten Beihilfe entsprechend dem Umfang der Reduktion der Wochenarbeitszeit vorsieht. Dieser Unterschied macht die Beihilferegelung nach § 40 Abs. 2 BAT zu einer konzeptionell andersartigen Regelung. Die Beihilfevorschriften des Bundes kennen eine Quotelung der Beihilfe im Umfang der Verringerung der Wochenarbeitszeit nicht. Nach ihnen wird Teilzeitbeschäftigten Beihilfe in Krankheitsfällen, sofern ihnen diese Leistung zusteht (vgl. § 2 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b BhV), in derselben Höhe wie Vollzeitbeschäftigten gewährt. Damit behalten nach den Beihilfevorschriften des Bundes die krankheitsbedingten Aufwendungen ihre Bedeutung als entscheidende Größe für die Berechnung der Beihilfe; aufgrund dieser Anknüpfung bleiben Charakter und Funktion der Beihilfe als einer im Fürsorgeprinzip wurzelnden Hilfeleistung des Dienstherrn an den Beamten oder Versorgungsempfänger bei Krankheit, Geburt und Tod gewahrt. Demgegenüber ist die Beihilfe nach § 40 Abs. 2 BAT in Verbindung mit den Beihilfevorschriften nicht ausschließlich durch den krankheitsbedingten Bedarf geprägt, sondern auch maßgeblich vom Umfang der Wochenarbeitszeit bestimmt. Bezeichnenderweise entspricht auch § 40 Abs. 2 BAT nach Wortlaut und sachlichem Gehalt weitgehend der die Vergütung nichtvollbeschäftigter Arbeitnehmer regelnden Vorschrift des § 34 Abs. 1 BAT, wonach Teilzeitbeschäftigte von der Vergütung, die für entsprechende vollbeschäftigte Angestellte festgelegt ist, den Teil erhalten, der dem Maß der mit ihnen vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit entspricht. Dies macht deutlich, daß es Zweck des § 40 Abs. 2 BAT ist, den Arbeitgeber an den von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht gedeckten Kosten des Angestellten insoweit zu beteiligen, wie der Angestellte ihm seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt (BAG, Urteil vom 19. Februar 1998 – 6 AZR 460/96 – ≪AP § 40 BAT Nr. 12 = ZTR 1998, 378 ≪379≫). Aus diesem Grunde hat das Bundesarbeitsgericht die Beihilfe gemäß § 40 Abs. 2 BAT als „anlaßbezogenen” Zuschuß „zur laufenden Vergütung” qualifiziert, der bei Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen zusätzlich zur Vergütung zu zahlen ist und der selbst Arbeitsentgelt ist (BAG, Urteil vom 19. Februar 1998 ≪a.a.O.≫).

Der Umstand, daß die Ehefrau des Klägers bei der Deutschen Angestellten-Krankenkasse pflichtversichert ist, führt ebenfalls nicht dazu, daß der Beihilfeanspruch des Klägers entfällt. Ansprüche aus der gesetzlichen Krankenversicherung begründen keine Beihilfeberechtigung nach anderen als beamtenrechtlichen Vorschriften. Vielmehr wird der Zuschuß, den die Ehefrau des Klägers von der Krankenkasse erhalten hat, ebenso wie die Beihilfe nach § 40 Abs. 2 BAT nach Maßgabe des § 5 Abs. 3 BhV vor Berechnung der Beihilfe für den Kläger in voller Höhe von den beihilfefähigen Aufwendungen abgezogen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

 

Unterschriften

Dr. Franke, Dr. Silberkuhl, Dawin, Dr. Kugele, Dr. Bayer

 

Fundstellen

NVwZ-RR 1999, 388

ZBR 1999, 172

ZTR 1999, 188

DÖD 1999, 207

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