Entscheidungsstichwort (Thema)
Redlicher Erwerb. Wohnraumversorgung für Angehörige der NVA-Grenztruppen. Zuweisung eines Eigenheims. Verordnung über die Lenkung des Wohnraums vom 14. September 1967 (GBl der DDR II S. 733) Ordnung Nr. 010/9/006 des Ministers für Nationale Verteidigung über die Wohnraumversorgung der Berufsoffiziere usw. vom 18. Dezember 1980 – Anordnungs- und Mitteilungsblatt des Ministeriums für Nationale Verteidigung Nr. 04/81
Leitsatz (amtlich)
Für die Zuweisung von Wohnraum an Berufsoffiziere der NVA-Grenztruppen war die Ordnung Nr. 010/9/006 des Ministers für Nationale Verteidigung und nicht die Wohnraumlenkungsverordnung vom 14. September 1967 maßgebend.
An der die Unredlichkeit des Erwerbs kennzeichnenden gezielten manipulativen Einflußnahme auf den Erwerbsvorgang fehlt es auch dann, wenn der Rat des Kreises bei der Entscheidung über die Vergabe von Wohnraum an einen NVA-Angehörigen im Zusammenhang mit einem Ausreisefall möglicherweise unter Abweichung von den Vorschriften der Wohnraumversorgungsordnung des MfNV eingeschaltet war.
Normenkette
VermG § 1 Abs. 3, § 4 Abs. 2 S. 1, Abs. 3
Verfahrensgang
VG Cottbus (Entscheidung vom 15.04.1998; Aktenzeichen 1 K 8/95) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 15. April 1998 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Zuziehung des Bevollmächtigten der Beigeladenen für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen jedoch mit Ausnahme ihrer erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten.
Tatbestand
I.
Die Kläger beanspruchen die Rückübertragung des 543 qm großen Hausgrundstücks I. in Sch. Ursprünglich war die Klägerin seit 1984 aufgrund eines Schenkungsvertrages in ehelicher Vermögensgemeinschaft mit dem Kläger im Grundbuch eingetragen. Das um 1935 errichtete Wohnhaus enthält drei Wohn- und kleinere Nebenräume mit einer Gesamtwohnfläche von ca. 54 qm.
Seit Februar 1984 verlangten die Kläger von den DDR-Stellen unter Berufung auf die von der DDR unterzeichneten internationalen Abkommen ihre ständige Ausreise aus der DDR, um ihre jeweiligen in West-Berlin lebenden Mütter betreuen zu können. Im Anschluß an die entsprechende Antragstellung sind die Kläger massiver behördlicher Willkür ausgesetzt gewesen. Gleichwohl ließen sie von ihrem Ausreiseverlangen nicht ab. Mit Urkunde vom 10. Mai 1985, ausgestellt vom Rat des Bezirkes Potsdam und den Klägern zehn Tage später ausgehändigt, wurden sie aus der Staatsbürgerschaft der DDR entlassen. Zugleich wurde ihr Antrag auf Ausreise aus der DDR durch die Hauptabteilung Innere Angelegenheiten des Ministeriums des Innern der DDR genehmigt.
Vor der am 21. Mai 1985 erfolgten Ausreise war den Klägern aufgegeben worden, ihre Angelegenheiten in der DDR zu regeln, insbesondere das streitbefangene Hausgrundstück zu veräußern. Nach Ablehnung ihres Wunsches, das Anwesen auf eine in der DDR verbliebene Verwandte des Klägers zu übertragen, schlossen die Kläger einen notariell beurkundeten Kaufvertrag mit den Eheleuten B., der im Juni 1985 im Grundbuch vollzogen wurde. Herr B. war ursprünglich Offizier bei den DDR-Grenztruppen und in der Dienststelle in P. tätig. Gegen ihn wurde wegen unerlaubter Westkontakte ein Disziplinarverfahren durchgeführt, das zu seiner Entlassung aus dem NVA-Dienst führte. Herrn B. ist durch die DDR-Dienststellen „aus moralischen Gründen” nahegelegt worden, das streitbefangene Haus wieder zu verkaufen. Unter dem 18. Juni 1985 schlossen die Eheleute B. daraufhin mit den Beigeladenen einen Kaufvertrag bezüglich des streitbefangenen Grundstücks, wobei die Bedingungen des alten, im April 1985 geschlossenen Kaufvertrages zugrunde gelegt wurden. Die erforderliche Grundstücksverkehrsgenehmigung erteilte der Rat des Bezirks Potsdam unter dem 29. Juli 1985.
Der Beigeladene war ebenfalls Offizier bei den Grenztruppen der NVA in P. 1980 hatte er bei seiner Dienststelle einen Antrag auf Zuweisung einer größeren Wohnung für seine damals insgesamt fünfköpfige Familie gestellt. Anfang Mai 1985 erfuhr er von dem Vorsitzenden der Wohnungskommission seiner Dienststelle, daß das streitbefangene Haus wegen des Fortzugs der Kläger erworben werden könne. Die Besichtigung des Hauses durch den Beigeladenen erfolgte am 18. Mai 1985 in Anwesenheit der Kläger. Den Beigeladenen wurde unter dem 18. Juli 1985 eine Wohnraumzuweisung für vier Personen erteilt. Zuvor bewohnten die Beigeladenen mit ihren drei Kindern eine „2 2/2”-Zimmer-Wohnung mit einer Gesamtwohnfläche von 56 qm. Im März 1986 erfolgte die Eintragung der Beigeladenen als Eigentümer in ehelicher Vermögensgemeinschaft in das Grundbuch.
Die Kläger beantragten im Mai 1990 die Rückübertragung des streitbefangenen Grundstücks. Mit Bescheid vom 29. Januar 1992 lehnte das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen den Antrag ab, da von einem redlichen Erwerb des Grundstücks durch die Beigeladenen auszugehen sei. Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch der Kläger erging im Oktober 1992 ein Abhilfebescheid, durch den der Erstbescheid aufgehoben und das Eigentum an dem Grundstück an die Kläger zurückübertragen wurde. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, daß die Kläger Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes seien, da sie von einer schädigenden Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG betroffen seien. Der Erwerb des Hausgrundstücks durch die Beigeladenen sei zudem unredlich erfolgt, da die Vergabekriterien der Wohnraumlenkungsverordnung der DDR nicht eingehalten worden seien. Auf den Widerspruch der Beigeladenen hob das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen den Abhilfebescheid mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 1994 auf und änderte den Ausgangsbescheid dahin gehend ab, daß ein Entschädigungsanspruch der Kläger festgestellt wurde. Zur Begründung führte das Amt u.a. aus, daß ein etwaiger Verstoß gegen die übliche Vergabepraxis nicht den Beigeladenen zuzurechnen sei, da dieser Verstoß in der Sphäre der Kommunalverwaltung anzusiedeln sei.
Der auf Aufhebung des Widerspruchsbescheides gerichteten Klage der Kläger gab das Verwaltungsgericht statt. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, es liege kein Ausschlußtatbestand für die Rückübertragung des Grundstücks vor. Ein redlicher Erwerb seitens der Beigeladenen sei zu verneinen. Es lägen greifbare Anhaltspunkte für eine Unredlichkeit im Sinne des § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG vor. Die einschlägigen Bestimmungen der Wohnraumlenkungsverordnung der DDR seien nicht eingehalten worden. Es sei auch keine Bedarfsprüfung durch die Gemeinde erfolgt, sondern die Veräußerung nachträglich und ohne Würdigung der in der Wohnraumlenkungsverordnung genannten Dringlichkeitskriterien getätigt worden. Zwar lasse sich nicht abschließend aufklären, ob den Beigeladenen die Verstöße gegen die Wohnraumlenkungsverordnung bekannt gewesen seien oder sie diese hätten kennen müssen. Die Unerweislichkeit dieser Tatsachen gehe aber zu ihren Lasten, da greifbare Anhaltspunkte tatsächlicher Art für die Unredlichkeit des Erwerbs gegeben seien. Die Beigeladenen hätten nämlich von der bevorstehenden Ausreise der Kläger gewußt und auch erkennen müssen, daß der Hauserwerb aus wohnungspolitischen Gründen nicht hätte genehmigt werden dürfen, zumal zur damaligen Zeit in Sch. ein großer Mangel an Wohnraum geherrscht habe.
Gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil haben die Beigeladenen die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Sie rügen die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Eine sittlich anstößige Manipulation bei dem Erwerbsvorgang liege nicht vor. Für den Tatbestand der Unredlichkeit reiche ein objektiver Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften der Wohnraumlenkungsverordnung der DDR und die bloße Annahme nicht aus, daß der Beigeladene hiervon Kenntnis erlangt habe. Die Wohnraumlenkungsverordnung sei nicht einschlägig gewesen. Vielmehr habe sich die Wohnraumvergabe für die Angehörigen der Grenztruppen nach der „Ordnung Nr. 010/09/006 des Ministeriums für Nationale Verteidigung über die Wohnraumversorgung der Berufsoffiziere, Fähnriche, Berufsunteroffiziere und Zivilbeschäftigten – Wohnraumversorgungsordnung – vom 18. Dezember 1980” (Anordnungs- und Mitteilungsblatt des Ministeriums für Nationale Verteidigung – AMBl. des MfNV – Nr. 4/81) gerichtet.
Die Beigeladenen beantragen,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 15. Mai 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten der Beigeladenen für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil und treten der Rechtsauffassung der Beigeladenen entgegen. Zwar sei dem Beigeladenen zuzugeben, daß im vorliegenden Fall die Wohnraumversorgungsordnung des MfNV anzuwenden sei. Da aber der Rat der Gemeinde die Wohnraumzuweisung vorgenommen habe, hätte sich den Beigeladenen aufdrängen müssen, daß es bei der Zuweisung „nicht mit rechten Dingen” zugegangen sei.
Der Beklagte stellt keinen Antrag und teilt die Auffassung der Revision.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist zulässig und begründet.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht.
Die entscheidungstragende Ansicht des Verwaltungsgerichts, das streitbefangene Grundstück sei den Klägern zurückzuübertragen, da der Ausschlußtatbestand des § 4 Abs. 2 VermG mangels Feststellbarkeit der Redlichkeit der Beigeladenen nicht eingreife, entspricht nicht der Rechtslage.
Nachdem die Berechtigung der Kläger im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG zwischen den Beteiligten außer Streit steht, ist Gegenstand der revisionsgerichtlichen Überprüfung allein die Frage, ob das Verwaltungsgericht zutreffend im Wege einer Beweislastentscheidung von der Unredlichkeit der Beigeladenen ausgegangen und deshalb den Restitutionsausschluß des § 4 Abs. 2 und 3 VermG zu Recht verneint hat. Das ist nicht der Fall.
Zu Unrecht ist das Verwaltungsgericht aufgrund des von ihm ermittelten Sachverhalts und der Aktenlage davon ausgegangen, daß kein redlicher Erwerb des Beigeladenen im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 VermG vorliegt. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG ist eine Rückübertragung ausgeschlossen, wenn u.a. natürliche Personen nach dem 8. Mai 1945 in redlicher Weise an dem Vermögenswert Eigentum erworben haben. In § 4 Abs. 3 VermG ist anhand der unter den Buchstaben a bis c aufgeführten Regelbeispielen vom Gesetzgeber näher erläutert, wann ein Fall der Unredlichkeit vorliegt. Nach dem hier allein in Betracht zu ziehenden § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG ist der Rechtserwerb regelmäßig unredlich, wenn er nicht in Einklang mit den zum Zeitpunkt des Erwerbs in der Deutschen Demokratischen Republik geltenden allgemeinen Rechtsvorschriften, Verfahrensgrundsätzen und einer ordnungsgemäßen Verwaltungspraxis stand und der Erwerber dies wußte oder hätte wissen müssen. In ständiger Rechtsprechung wird diese Bestimmung dahin gehend verstanden, daß nicht jede dem Erwerber bekannte oder fahrlässig nicht bekannte Abweichung von allgemeinen Rechtsvorschriften, Verfahrensgrundsätzen oder einer ordnungsgemäßen Verwaltungspraxis die Voraussetzungen dieser Norm erfüllt. Vielmehr ist es für die Unredlichkeit eines Erwerbs kennzeichnend, daß eine dem Erwerber zurechenbare sittlich anstößige Manipulation beim Erwerbsvorgang vorliegt (Beschluß vom 2. April 1993 – BVerwG 7 B 22.93 – Buchholz 112 § 4 VermG Nr. 1; Urteil vom 27. Januar 1994 – BVerwG 7 C 4.93 – Buchholz 112 § 4 VermG Nr. 7 = BVerwGE 95, 108 ≪113≫; Urteil vom 19. Januar 1995 – BVerwG 7 C 42.93 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 12). Damit versagt das Vermögensgesetz dem Erwerber des Vermögensgegenstandes den Schutz nur, wenn er in vorwerfbarer Weise an der Manipulation beteiligt war. Bei der Fallgruppe des § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG muß allerdings der Erwerber im Gegensatz zu den in Buchst. b genannten Fällen nicht aktiv an der Manipulation mitwirken. Es reicht aus, daß er diese kannte oder hätte kennen müssen. Der eigentliche manipulative Vorgang liegt in dem mit dem Erwerbsvorgang verbundenen Verstoß gegen die Rechtsordnung der DDR selbst. Entgegen der Auffassung der Kläger erfüllt aber nicht schon jede aus einem solchen Verstoß resultierende Fehlerhaftigkeit des Erwerbsgeschäftes den Tatbestand des § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG. Vielmehr muß die Abweichung von der Rechtsordnung der DDR die Absicht erkennen lassen, den Erwerbsvorgang gezielt zu beeinflussen (vgl. Urteil vom 19. Januar 1995 – BVerwG 7 C 42.93 – a.a.O.; Beschluß vom 13. März 2000 – BVerwG 8 B 14.00 –). Das Verwaltungsgericht hat das Merkmal der gezielten Einflußnahme auf den Erwerbsvorgang bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt und somit verkannt, daß dieser Gesichtspunkt für die Annahme der Unredlichkeit entscheidende Bedeutung hat.
Der hier maßgebliche Rechtserwerb ist der Kauf des Wohnhauses durch die Beigeladenen von den Eheleuten B. Denn maßgeblich für die Beurteilung der Redlichkeit des Erwerbs ist jeweils die Person des gegenwärtigen Rechtsinhabers (Beschluß vom 23. Juni 1995 – BVerwG 7 PKH 2.94 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 20). Auf den von den Klägern angesprochenen Kaufvertrag zwischen ihnen und den Eheleuten B. kommt es daher nicht an. Der zwischen den Beigeladenen und den Eheleuten B. getätigte Rechtserwerb stand weitgehend mit der zum Zeitpunkt des Erwerbs in der DDR geltenden Rechtsordnung in Einklang. In Übereinstimmung mit der Auffassung aller Beteiligten im Revisionsverfahren geht auch der Senat davon aus, daß entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kein Anwendungsfall der Verordnung über die Lenkung des Wohnraums vom 14. September 1967 (GBl 1967, II S. 733) – Wohnraumlenkungsverordnung – vorliegt, sondern daß die Wohnraumversorgungsordnung des MfNV einschlägig ist. Schon aus § 19 Abs. 1 Buchst. b der Wohnraumlenkungsverordnung ist zu entnehmen, daß den Leitern der Dienststellen der bewaffneten Organe Aufgaben der Wohnraumlenkung entsprechend einer speziellen Ordnung des Ministers für Nationale Verteidigung übertragen waren und daß demgemäß die Dienststellenleiter nach § 19 Abs. 2 der Wohnraumlenkungsverordnung als Organe der Wohnraumlenkung angesehen wurden. Die Verfahrensvorschriften der Wohnraumversorgungsordnung des MfNV hatten erkennbar die Zielrichtung, die Wohnraumversorgung einer Vielzahl von Beschäftigten in den jeweiligen militärischen Dienststellen einheitlich zu regeln. Nach Ziffer I.1. Wohnraumversorgungsordnung des MfNV ist diese für die Wohnraumversorgung u.a. der Berufsoffiziere der Grenztruppen – wie im vorliegenden Fall – anzuwenden. Nach Ziffer I.2.(1) der Wohnraumversorgungsordnung waren in den Dienststellen der NVA Wohnungskommissionen zu bilden, deren Vorsitzende nach Ziffer II.4.(6) Organe der Wohnraumlenkung waren. Die Versorgung der NVA-Angehörigen erfolgte aus dem Wohnungsfonds der jeweiligen Dienststellen, der u.a. aus Dienstwohnungen in Rechtsträgerschaft des MfNV oder der jeweiligen kommunalen Wohnungsverwaltung und „dienststellengebundenen Wohnungen” (vgl. Ziffer III.5.(2)) bestand. Die Belegungsnorm für eine möglichst effektive Belegung des vorhandenen Wohnraums ergab sich aus Ziffer IV.9.(1) der Wohnraumversorgungsordnung des MfNV. Diese Belegungsnorm der militärischen Wohnraumversorung stimmte mit jenen überein, die allgemein als Richtschnur für die Wohnraumvergabe galten und die sich aus den gesetzlichen Verteilerschlüsseln für Genossenschaftswohnungen ergaben (vgl. Verwaltungsrecht, Lehrbuch, Hrsg. Akademie für Staats- und Staatswissenschaft der DDR, Potsdam-Babelsberg, Gesamtredaktion Willi Büchner-Uhder, Günter Duckwitz, Doris Machalz-Urban, Siegfried Petzold, Gerhard Schulze (Leiter der Redaktion), Berlin 1979, 1. Aufl. S. 421).
Angesichts des Akteninhalts und der Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist es für den Senat nicht zweifelhaft, daß kein Verstoß gegen die Regelung über die Antragstellung und Vergabe von Wohnraum nach der Wohnraumversorgungsordnung des MfNV, insbesondere auch deren Ziffer V vorliegt. Nach Ziffer V beantragten – wie vorliegend geschehen – die Kommandeure der Dienststellen auf der Grundlage der ihnen vorliegenden Wohnungsanträge bei den Standortältesten die Zuweisung des benötigten Wohnraums für die Angehörigen ihrer Dienststellen. Dabei hatten die Wohnungskommissionen der Dienststellen den Kommandeuren unter Beachtung der Dringlichkeit der Anträge Vorschläge über die Vergabe des zugewiesenen Wohnraums zur Entscheidung vorzulegen. Die Einhaltung dieses Verfahrens im Falle der Beigeladenen ist durch die Bekundungen der Zeugen, die mit der militärischen Wohnraumvergabe befaßt waren, bestätigt worden. Die Beigeladenen standen bereits seit 1980 als dringender Fall auf der entsprechenden Dringlichkeitsliste. Auch liegt der von den Klägern ins Spiel gebrachte Gesichtspunkt der Überversorgung der Beigeladenen erkennbar nicht vor. Am Maßstab des geltenden DDR-Rechts läßt sich die Zuweisung einer 2 1/2-Zimmer-Wohnung an die vierköpfige Familie des Beigeladenen nicht als eine unzulässige Überversorgung werten (vgl. Ziff. IV.9 der Wohnraumversorgungsordnung des MfNV).
Aus der Wohnraumversorgungsordnung des MfNV geht allerdings nicht hervor, ob bei einer Wohnraumvergabe im militärischen Bereich auch der Rat des Kreises als die für Ausreiseangelegenheiten zuständige Dienststelle einzuschalten war, was offenbar im Falle der Wohnraumvergabe zugunsten der Beigeladenen geschehen ist. Selbst wenn nämlich der Rat des Kreises zu Unrecht am Verfahren beteiligt und ihm möglicherweise sogar entgegen der Rechtsordnung der DDR bei der Wohnraumvergabe an einen Militärangehörigen eine Entscheidungsbefugnis eingeräumt worden sein sollte, so würde das nicht schon zur Unredlichkeit des Erwerbs führen. Denn eine insoweit möglicherweise erfolgte Abweichung von den Vorschriften der Wohnraumversorgungsordnung des MfNV läßt bei der gebotenen objektiven Betrachtung der Sache nicht die Absicht erkennen, daß hier der Erwerbsvorgang zwischen dem Beigeladenen und den Eheleuten B. von staatlicher Seite gezielt in manipulativer Weise beeinflußt worden ist. Dagegen spricht schon, daß der Kaufvertrag, der den maßgeblichen, erst durch die Eintragung im Grundbuch im Jahre 1986 abgeschlossenen Rechtserwerb zugrunde liegt, erst nach der Ausreise der Kläger abgeschlossen wurde. Erst nach dem Ausscheiden des Herrn B. aus dem Dienst der NVA erging an den Beigeladenen die Aufforderung der Wohnraumversorgungsstelle, sich um den freiwerdenden Wohnraum zu bewerben, nachdem dieser bereits seit Jahren einen bis dahin unbeschiedenen Antrag auf Zuweisung einer größeren Wohnung gestellt hatte. Die Unterbringung des Beigeladenen und seiner Familie erscheint mithin angesichts der Wohnraumvergabekriterien in der maßgeblichen Wohnraumversorgungsordnung des MfNV auch nicht als eine vorwerfbare Manipulation und läßt keine Absicht erkennen, daß der Erwerbsvorgang gezielt an den Gesetzen vorbei beeinflußt worden ist.
Fehlt es damit bereits an einer gezielten Beeinflussung des Erwerbsvorganges, so bedarf es keiner näheren Klärung, ob die Beigeladenen auch Kenntnis von etwaigen Rechts- oder Verfahrensverstößen hatten oder hätten haben müssen, wofür angesichts der Aktenlage keine greifbaren Anhaltspunkte bestehen.
Da auch die übrigen Regelbeispiele des § 4 Abs. 3 Buchst. b und c VermG nicht erfüllt sind und auch ansonsten nichts für die Unredlichkeit der Beigeladenen vorgetragen oder ersichtlich ist, ist damit von deren redlichem Rechtserwerb auszugehen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 und 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller ist an der Unterzeichnung verhindert. Krauß, Dr. Pagenkopf, Sailer, Krauß, Golze
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 05.04.2000 durch Grosser Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 558359 |
NJ 2000, 440 |
OVS 2000, 256 |