Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 21.04.2005; Aktenzeichen 5 S 1423/04) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 21. April 2005 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
I
Der Kläger ist ein anerkannter Verband für die Belange behinderter Menschen. Er begehrt die Feststellung, dass eine von der Beklagten erteilte Plangenehmigung für den Umbau von Bahnsteigen in der Station Oberkochen gegen § 2 Abs. 3 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) verstößt.
Die Beigeladene ist das innerhalb des Deutsche-Bahn-Konzerns zuständige Eisenbahninfrastrukturunternehmen für den Betrieb von Personenbahnhöfen. Anlässlich einer Modernisierung der Bahnstrecke Ulm – Aalen lässt sie die Station Oberkochen umbauen. Vorgesehen ist, den Bahnsteig 1 (Hausbahnsteig) sowie den bisher ebenerdig erreichbaren Bahnsteig 2 (Mittelbahnsteig) zurückzubauen und einen neuen, 120 m langen und 55 cm über Schienenoberkante gelegenen Mittelbahnsteig nebst dem üblichen Zubehör, Fußgängerunterführung, Blindenleitsystem, Treppen und zwei Aufzugsschächten zu errichten. Letztere sollen später bei Bedarf mit Aufzügen nachgerüstet werden. Der bisherige schienengleiche Übergang für Reisende zum alten Mittelbahnsteig soll entfallen, weil eine Querung der Gleisanlagen aus sicherheitstechnischen und betrieblichen Gründen nicht mehr zugelassen werden soll. Nach einer Fahrgasterhebung im zweiten Halbjahr 2003 wird die Station Oberkochen von ca. 514 Reisenden pro Tag benutzt.
In dem Verfahren auf Erteilung einer Plangenehmigung für diesen Umbau beteiligte das Eisenbahn-Bundesamt unter anderem den Kläger und zwei weitere Behindertenverbände. In seiner Stellungnahme rügte der Kläger, dass das Vorhaben nicht barrierefrei gestaltet werde. Über ein Viertel der Einwohner von Oberkochen sei mobilitätsbehindert.
Das Eisenbahn-Bundesamt erteilte unter dem 7. Mai 2004 die begehrte Plangenehmigung. Dass keine barrierefreie Zuwegung zum Mittelbahnsteig vorgesehen sei, widerspreche nicht § 8 Abs. 2 des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG). Die dort genannte Verpflichtung, Einrichtungen des öffentlichen Personenverkehrs barrierefrei zu gestalten, werde durch § 2 Abs. 3 EBO konkretisiert. Die Beigeladene habe dargelegt, dass ein konkreter Bedarf derzeit nicht bestehe. Gemäß einer von der Beigeladenen als Planungsgrundlage verwandten Konzernrichtlinie sei bei Bahnhöfen mit niedriger Frequentierung, d.h. mit weniger als 1 000 Reisenden pro Tag und Station, ein behindertengerechter Zugang nicht erforderlich. Es würden lediglich bauliche Vorkehrungen dafür geschaffen, dass bei einem späteren Bedarf die Nachrüstung mit einem behindertengerechten Zugang ohne wesentliche Mehrkosten möglich sei. Die von den beteiligten Verbänden geltend gemachten Umstände wie die demografische Situation in Oberkochen, vorhandene soziale Einrichtungen sowie die kulturelle und touristische Attraktivität des Ortes stünden dem nicht entgegen.
Der Kläger hat mit seiner gemäß der Rechtsbehelfsbelehrung ohne vorherige Durchführung eines Vorverfahrens erhobenen Klage geltend gemacht, dass die Plangenehmigung gegen das Abwägungsgebot in Verbindung mit § 2 Abs. 3 EBO verstoße. Die Abwägung sei defizitär, weil sie ausschließlich auf die in der Konzernrichtlinie genannte Zahl von 1 000 Reisenden pro Tag abstelle, die ein rein interner Wirtschaftlichkeitsvorbehalt sei. Die Belange Behinderter seien nicht konkret erhoben und gewichtet worden. Die Plangenehmigung müsse sich im Übrigen an Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG messen lassen; es fehle an der danach erforderlichen Rechtfertigung dafür, den vorhandenen barrierefreien Zugang zu beseitigen.
Die Beklagte hat die Plangenehmigung verteidigt.
Die Beigeladene ist der Klage ebenfalls entgegengetreten: § 2 Abs. 3 Satz 1 EBO selbst stelle keine Anforderungen an Bahnanlagen, sondern enthalte lediglich einen Programmsatz sowie eine Auslegungsregel für andere Vorschriften der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung. Dabei gehe der Gesetzgeber von einem erheblichen Spielraum der Eisenbahnunternehmen aus. Selbst wenn man die Vorschrift vorhabenbezogen anwenden wollte, liege hier kein Verstoß vor, weil sie wie schon ihre 1991 in Kraft getretene erste Fassung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliege. Dieser werde von der erwähnten Konzernrichtlinie 813.0202 konkretisiert. Es wäre unverhältnismäßig, bei jedem Umbau einer Bahnstation eine Verpflichtung zur Herstellung von Barrierefreiheit anzunehmen. Dazu sei sie mit den ihr verfügbaren Finanzmitteln nur schrittweise in der Lage. Deshalb habe sie in der Richtlinie festgelegt, um des größten Nutzens willen vorrangig Stationen mit mehr als 1 000 Reisenden pro Tag barrierefrei zu erschließen. Es sei ein sachgerechtes Kriterium, sich am Wirkungsgrad der Maßnahme zu orientieren und typisierend auf die Zahl der Reisenden abzustellen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Klage mit dem angegriffenen Urteil abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: § 2 Abs. 3 Satz 1 EBO enthalte kein umfassendes Gebot der Herstellung von Barrierefreiheit für Bahnanlagen und Fahrzeuge, sondern nur soweit dies in anderen Vorschriften der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung angeordnet werde. Eine solche Verpflichtung, Zugänge zu Bahnsteigen barrierefrei herzustellen oder einen barrierefreien Zugang zu erhalten, enthalte die Verordnung indes nicht. Mit der unvollkommenen Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 1 EBO habe es der Gesetzgeber den Eisenbahnunternehmen weiterhin überlassen, über die Frage eines barrierefreien Zugangs zu Bahnanlagen im Einzelfall abwägend zu entscheiden und dabei den nach typisierenden Merkmalen ermittelten Bedarf, die Herstellungskosten und die Erreichbarkeit anderer, barrierefreier Bahnanlagen zu berücksichtigen.
Mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Feststellungsbegehren weiter: Der Verwaltungsgerichtshof beziehe den Normanwendungsbefehl des § 2 Abs. 3 Satz 1 EBO zu Unrecht nur auf die nachfolgenden Spezialvorschriften der Verordnung, nicht jedoch auf die vorangestellte Generalklausel des § 2 Abs. 1 EBO. Anforderungen an die Barrierefreiheit seien – wie in anderen ordnungsrechtlichen Regelwerken – ein wesentlicher Teilaspekt der in dieser Generalklausel geforderten Sicherheit und Ordnung. Jedenfalls führe Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG aufgrund seines objektiv-rechtlichen Gehalts zu einer Auslegung im Sinne des Klagebegehrens.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 21. April 2005 – 5 S 1423/04 – aufzuheben und festzustellen, dass die Plangenehmigung des Eisenbahn-Bundesamtes vom 7. Mai 2004 für den Neubau eines Mittelbahnsteigs und einer Fußgängerunterführung im Bahnhof Oberkochen gegen § 2 Abs. 3 EBO verstößt.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil im Ergebnis, meint aber, dass die Bedeutung von § 2 Abs. 3 Satz 1 EBO sich nicht in einer Bezugnahme auf andere Vorschriften der Verordnung beschränke. Vielmehr sei schon zur früheren Fassung der Vorschrift anerkannt gewesen, dass sie eine Verpflichtung zur behindertengerechten Ausgestaltung von Bahnanlagen und Fahrzeugen begründe, die allerdings dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliege. Nach dem Willen des Gesetzgebers habe mit der Neufassung von § 2 Abs. 3 EBO die Situation für den betroffenen Personenkreis verbessert werden sollen. Doch habe den Eisenbahnunternehmen im Rahmen ihrer Planungsverantwortung ein Ermessensspielraum unter Beachtung der örtlichen Verhältnisse sowie des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingeräumt werden sollen. Dem entspreche die Konzernrichtlinie 813.0202, deren rechtsfehlerfreie Vorgaben mit der Plangenehmigung umgesetzt worden seien.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Revision zurückzuweisen.
Sie weist darauf hin, dass die während des Klageverfahrens noch laufenden Arbeiten zur Erstellung eines Programms i.S.v. § 2 Abs. 3 Satz 2 bis 6 EBO unter Beteiligung der Behindertenverbände inzwischen mit dem im Juni 2005 vorgestellten Programm zur Herstellung von Barrierefreiheit im Bereich der Deutschen Bahn abgeschlossen seien. Der mit der Klage allein behauptete Verstoß gegen § 2 Abs. 3 Satz 1 EBO liege nicht vor. Aus der Vorschrift selbst folgten keine Anforderungen an den barrierefreien Neu- oder Umbau von Bahnanlagen. Dafür könne auch nicht auf die Generalklausel des § 2 Abs. 1 Satz 1 EBO zurückgegriffen werden. Diese wiederhole lediglich gemäß der höherrangigen Vorgabe des § 4 Abs. 1 AEG Anforderungen an die Anlagen- und Betriebssicherheit. Nur dies sei von der Verordnungsermächtigung in § 26 Abs. 1 Nr. 1a AEG gedeckt. Die Barrierefreiheit von Bahnsteigzugängen sei kein solcher Sicherheitsbelang. Selbst wenn man der Vorschrift Anforderungen an die Ausgestaltung von Bahnsteigzugängen entnehmen wolle, bedeute dies keine strikte Verpflichtung, Bahnsteigzugänge stets barrierefrei zu gestalten. Bereits zu der Vorgängernorm sei anerkannt gewesen, dass die aus ihr folgenden Direktiven dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterlägen. Dies müsse auch für die Neufassung gelten, zumal der Gesetzgeber des Behindertengleichstellungsgesetzes einen ausfüllungsbedürftigen Spielraum der Eisenbahnunternehmen anerkannt habe. Dieser Spielraum sei mit der 1 000-Personen-Regel der erwähnten Richtlinie rechtsfehlerfrei ausgefüllt worden.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist nicht begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Feststellungsklage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
1. Zutreffend hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, dass die Klage zulässig ist, insbesondere dass es nicht der vorherigen Durchführung eines Vorverfahrens bedurfte.
a) Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen (Behindertengleichstellungsgesetz – BGG) vom 27. April 2002 (BGBl I S. 1468) kann der Kläger als ein nach Absatz 3 dieser Vorschrift anerkannter Verband für die Belange behinderter Menschen, ohne in eigenen Rechten verletzt zu sein, Klage nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung erheben auf Feststellung eines Verstoßes gegen die in dem Katalog des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BGG enumerativ aufgezählten Vorschriften. Zu den danach rügefähigen Vorschriften gehört u.a. (Nr. 2) ein Verstoß gegen die Vorschriften des Bundesrechts zur Herstellung der Barrierefreiheit in § 2 Abs. 3 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) vom 8. Mai 1967 (BGBl II S. 1563), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Juni 2005 (BGBl I S. 1818). Dass der Kläger durch den mit der angegriffenen Plangenehmigung zugelassenen Umbau des Bahnhofs Oberkochen ohne einen barrierefreien Bahnsteigzugang in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt wird (§ 13 Abs. 2 Satz 1 BGG), ist nicht zweifelhaft. Es liegt auch ein Fall von allgemeiner Bedeutung i.S.v. § 13 Abs. 2 Satz 2 BGG vor. Es geht dem Kläger nicht lediglich um einzelne Betroffene; er macht vielmehr geltend, dass die hier umstrittene Frage über den Streitfall hinaus sich regelmäßig beim Umbau von kleineren Bahnstationen mit einem Fahrgastaufkommen von unter 1 000 Personen pro Tag stellt.
b) Gemäß § 13 Abs. 2 Satz 4 BGG gelten für Klagen nach Satz 1 die Vorschriften des 8. Abschnitts der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend mit der Maßgabe, dass es eines Vorverfahrens auch dann bedarf, wenn die angegriffene Maßnahme von einer obersten Bundesbehörde oder einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist. Mit der Anordnung der entsprechenden Anwendung der §§ 68 ff. VwGO hat der Gesetzgeber auch auf § 68 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 VwGO verwiesen, wonach es keines Vorverfahrens bedarf, wenn ein Gesetz dies bestimmt. Eine solche ausdrückliche Bestimmung enthält § 18 Abs. 2 Satz 4 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG). Danach bedarf es vor Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Klage gegen eine Plangenehmigung keiner Nachprüfung in einem Vorverfahren. Wortlaut und Systematik des Gesetzes führen somit eindeutig zu dem Schluss, dass es bei der angegriffenen Plangenehmigung vor Erhebung der Feststellungsklage nach § 13 BGG der Durchführung eines Vorverfahrens nicht bedarf. Dem steht nicht entgegen, dass es in den Gesetzesmaterialien heißt, die Verbandsklage setze “immer voraus, dass zuvor ein Widerspruchsverfahren erfolglos durchgeführt worden ist, damit die Widerspruchsbehörde die Möglichkeit hat, die Angelegenheit im Vorfeld zu überprüfen” (BTDrucks 14/7420, S. 30, r.Sp.). Die Vorschrift will erkennbar wie etwa § 126 Abs. 3 des Beamtenrechtsrahmengesetzes (BRRG) die Durchführung eines Vorverfahrens über den Bereich der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage hinaus, für den die §§ 68 ff. VwGO grundsätzlich nur gelten, auch für die Feststellungsklage nach § 13 Abs. 1 BGG vorschreiben; doch weist dieser Normanwendungsbefehl nicht ähnlich differenzierte Maßgaben wie § 126 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRRG auf. Es mag sein, dass – wie der Verwaltungsgerichtshof angenommen hat – der Gesetzgeber bei der Formulierung von § 13 Abs. 2 Satz 4 BGG nicht bedacht hat, dass durch die generelle Verweisung auf die §§ 68 ff. VwGO auch die dortige spezialgesetzliche Ausnahme für bestimmte Verfahren mit in Bezug genommen wurde. Selbst wenn die in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommende Annahme, dass die Behindertenverbandsklage stets ein Vorverfahren voraussetze, der wirkliche Wille des Gesetzgebers gewesen wäre, könnte dies nicht zu einer entsprechenden Auslegung der Norm führen. Denn der historische Wille des Gesetzgebers ist nur eines von mehreren Kriterien bei der Auslegung unklarer gesetzlicher Regelungen. Er kann nur dann für deren Auslegung Bedeutung erlangen, wenn der Wortlaut des Gesetzes, sein systematischer Zusammenhang oder sein objektiv erkennbarer Zweck Anlass geben, ihn so zu verstehen, und dem nicht entgegenstehen. Bei einer Diskrepanz zwischen dem (tatsächlichen oder vermutlichen) Willen des Gesetzgebers und dem Gesetzeswortlaut gebührt Letzterem der Vorrang. Vorliegend hat der Wille des Gesetzgebers, generell ein Vorverfahren vorzuschreiben, im Gesetzestext keinen vollständigen Niederschlag gefunden, weil der Gesetzgeber es versäumt hat, die Einschränkung des § 68 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO (“wenn ein Gesetz dies bestimmt”) von der Bezugnahme auf die §§ 68 ff. VwGO auszunehmen. Hätte der Gesetzgeber für alle Alternativen des § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO das Vorverfahren anordnen wollen, hätte es sich angeboten, die Vorschrift insgesamt von der Verweisung auf die §§ 68 ff. VwGO auszunehmen; stattdessen knüpft die gewählte Formulierung der Maßgabe allein an § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO an. Gestützt wird diese Auslegung schließlich durch den Umstand, dass das Rechtsinstitut der Plangenehmigung dem Ziel dient, Planungsverfahren zu beschleunigen (vgl. Vallendar, in: Sellner/Hermes, AEG, 2006, § 18 Rn. 234, 14 f.). Diesem Sinn und Zweck würde ein Vorverfahren zuwiderlaufen.
2. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat der Verwaltungsgerichtshof den Rügeumfang der Behindertenverbandsklage nach § 13 BGG bestimmt. Diese ist ein besonders ausgestalteter Rechtsbehelf, der vom herkömmlichen, auf eine Verletzung in eigenen Rechten abstellenden Rechtsschutzsystem der Verwaltungsgerichtsordnung abweicht und Beschränkungen unterliegt. Dabei können – soweit die Gesetzeslage vergleichbar ist – Parallelen zur naturschutzrechtlichen Vereinsklage (§ 61 BNatSchG) gezogen werden. Wie diese (vgl. das Urteil des Senats vom 9. Juni 2004 – BVerwG 9 A 11.03 – Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 5 S. 50) ist auch die altruistische Verbandsklage nach § 13 BGG ein objektives Beanstandungsverfahren, das dazu dient, den mit dem Gesetz verfolgten Zielen in der Rechtswirklichkeit zur Durchsetzung zu verhelfen (vgl. BTDrucks 14/7420, S. 20 l.Sp., S. 30 l.Sp.). Anders als die Vereinsklage nach § 61 BNatSchG ist die Verbandsklage nach § 13 BGG ausdrücklich als Feststellungsklage i.S.v. § 43 Abs. 1 VwGO ausgestaltet. Ebenso wie der Rügeumfang eines Naturschutzvereins beschränkt ist (vgl. zuletzt Beschluss des Senats vom 1. April 2005 – BVerwG 9 VR 7.05 – NuR 2005, 709), kann auch ein Behindertenverband nicht jeden Verfahrens- oder Abwägungsmangel rügen, sondern nur die Feststellung eines Verstoßes gegen bestimmte, enumerativ aufgezählte Rechtsvorschriften begehren. Daraus folgt, dass zum zulässigen Rügeumfang einer Verbandsklage nach § 13 BGG nicht gehört, ob ein angegriffener Planfeststellungsbeschluss oder eine Plangenehmigung dem Abwägungsgebot des § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG genügt. Ebenso wenig kann der Behindertenverband mit einer solchen Verbandsklage rügen, dass er in dem Verwaltungsverfahren, das zu dem Planfeststellungsbeschluss oder zu der Plangenehmigung geführt hat, nicht oder unzureichend beteiligt worden ist oder dass das Verwaltungsverfahren aus anderen Gründen rechtsfehlerhaft war. Deshalb ist hier auch nicht auf die – vom Kläger im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof thematisierte – Frage einzugehen, ob anstelle des Plangenehmigungs- ein Planfeststellungsverfahren hätte durchgeführt werden müssen.
3. Die somit zu Recht als alleiniger Prüfungsgegenstand vom Kläger begehrte Feststellung, dass die angegriffene Plangenehmigung gegen § 2 Abs. 3 EBO verstößt, hat der Verwaltungsgerichtshof im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
a) § 2 Abs. 3 EBO hat seine hier maßgebliche Fassung durch Art. 52 des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze (nachfolgend BGG-Artikelgesetz) vom 27. April 2002 (BGBl I S. 1467) erhalten. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 EBO sind die Vorschriften dieser Verordnung so anzuwenden, dass die Benutzung der Bahnanlagen und Fahrzeuge durch behinderte Menschen und alte Menschen sowie Kinder und sonstige Personen mit Nutzungsschwierigkeiten ohne besondere Erschwernis ermöglicht wird. In engem Zusammenhang damit bestimmt § 2 Abs. 3 Satz 2 EBO, dass die Eisenbahnen verpflichtet sind, zu diesem Zweck Programme zur Gestaltung von Bahnanlagen und Fahrzeugen zu erstellen mit dem Ziel, eine möglichst weitreichende Barrierefreiheit für deren Nutzung zu erreichen. Die Sätze 3 bis 6 befassen sich näher mit diesen Programmen: Während Satz 3 Fahrzeuge betrifft, bestimmt Satz 4, dass die Aufstellung der Programme nach Anhörung der Spitzenorganisationen der Behindertenverbände erfolgt. Die Eisenbahnen müssen die Programme über ihre Aufsichtsbehörden an das für das Zielvereinbarungsregister zuständige Bundesministerium übersenden (Satz 5). Die Aufsichtsbehörden können von den Sätzen 2 und 3 Ausnahmen zulassen (Satz 6).
Während die Sätze 2 bis 6 erst durch das erwähnte BGG-Artikelgesetz eingefügt wurden, geht die bis dahin geltende (erste) Fassung von Satz 1 auf die Dritte Verordnung zur Änderung der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung vom 8. Mai 1991, BGBl I S. 1098 (nachfolgend EBO 1991), zurück. Nach dieser allein aus einem Satz bestehenden Fassung des § 2 Abs. 3 EBO 1991 waren die Vorschriften der Verordnung so anzuwenden, dass die Benutzung der Bahnanlagen und Fahrzeuge für den genannten Personenkreis “erleichtert” – anstatt heute “ohne besondere Erschwernis ermöglicht” – wird. In den Gesetzesmaterialien des BGG-Artikelgesetzes (BTDrucks 14/8331 S. 52) heißt es zu dieser Änderung, dass sie im Sinne der behindertenpolitischen Grundaussage des Gesetzes, in der die Herstellung von Barrierefreiheit als “Kernstück” angesehen werde, zwingend (d.h. gesetzestechnisch konsequent) sei. Insoweit übernimmt § 2 Abs. 3 Satz 1 EBO die Formulierung aus der Definition der Barrierefreiheit in § 4 BGG.
b) § 2 Abs. 3 Satz 1 EBO kommt auf dem Hintergrund dieser Entstehungsgeschichte ein mehrfacher Sinngehalt zu:
Die Vorschrift ist – erstens – eine Auslegungsregel für die (wie zu ergänzen wäre: nachfolgenden) Vorschriften der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung, soweit sie die Belange behinderter Menschen berühren. Sie enthält – zweitens – eine Zweckvorgabe für die gemäß den nachfolgenden Sätzen 2 bis 6 zu erstellenden Programme der Eisenbahnen, indem sie als deren Zweck die Ermöglichung der erschwernisfreien Benutzung der Bahnanlagen und Fahrzeuge beschreibt. Schließlich kommt ihr – drittens – in der Zeit bis zur Erstellung eines Programms i.S.v. Satz 2 die Bedeutung einer Generalklausel zu, die die Eisenbahnen verpflichtet, schon vor dieser Erstellung auf die Ermöglichung einer erschwernisfreien Benutzung von Bahnanlagen und Fahrzeugen durch behinderte Menschen hinzuwirken, insoweit aber keine konkreten Rechtsfolgen benennt, so dass sich Inhalt und Umfang dieser Pflicht allein aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben. Im Einzelnen:
aa) § 2 Abs. 3 Satz 1 EBO enthält – erstens – eine Auslegungsregel für andere Vorschriften der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung, soweit sie die Belange behinderter Menschen berühren. Dies folgt unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm, wonach “die Vorschriften dieser Verordnung (…) so anzuwenden” sind, dass die erschwernisfreie Benutzung der Bahnanlagen und Fahrzeuge durch behinderte und alte Menschen sowie Kinder und sonstige Personen mit Nutzungsschwierigkeiten ermöglicht wird. Gegenstand dieser Auslegungsregel können – wie der Verwaltungsgerichtshof zutreffend angenommen hat – nur “die Vorschriften dieser Verordnung” sein. Darunter sind, wie sich aus der wortgleichen Verwendung dieses Begriffs in Absatz 1 Satz 2 ergibt, nur die nachfolgenden Vorschriften der Verordnung zu verstehen. Allein diese sind so anzuwenden, wie es die Auslegungsregel vorschreibt. Solche Vorschriften sind – wie der Verwaltungsgerichtshof zutreffend erkannt hat – in der Verordnung nicht enthalten. § 13 EBO, der die Anforderungen an Bahnsteige und Rampen regelt, bestimmt nur, dass bei Neubauten oder umfassenden Umbauten von Personenbahnsteigen die Bahnsteigkanten in der Regel auf eine Höhe von 0,76 m über Schienenoberkante gelegt werden sollen (Abs. 1), dass feste Gegenstände auf Personenbahnsteigen bestimmte Abstände von der Gleismitte einzuhalten haben (Abs. 2), dass bei Übergängen für Reisende für deren Schutz zu sorgen ist (Abs. 4 Satz 1), sofern Übergänge nicht ohnehin bei Gleisen, die mit mehr als 160 km/h befahren werden, unzulässig sind (Abs. 4 Satz 2), und andere Details. Aus § 13 Abs. 4 Satz 1 EBO mag sich die Anforderung ergeben, dass ein solcher Übergang barrierefrei auszugestalten ist, nicht aber die Pflicht, einen solchen Übergang überhaupt einzurichten. § 11 EBO, der Anforderungen an Bahnübergänge festlegt, gilt nur für höhengleiche Kreuzungen von Eisenbahnen mit Straßen, nicht aber für Übergänge für Reisende (§ 11 Abs. 1 Satz 2 EBO). Auch die Gesetzesmaterialien gehen davon aus, dass erst die sich im Entwurfsstadium befindenden technischen Spezifikationen für die Interoperabilität (TSI) Regelungen für den behindertengerechten Zugang enthalten werden, die noch in deutsches Recht umgesetzt werden müssten (BTDrucks 14/7420 S. 38).
bb) § 2 Abs. 3 Satz 1 EBO enthält – zweitens – eine Zweckvorgabe für die Programme, die die Eisenbahnen gemäß den nachfolgenden Sätzen 2 bis 6 zu erstellen haben. Dies folgt aus der Formulierung “zu diesem Zweck” in § 2 Abs. 3 Satz 2 EBO, durch den die beiden Sätze miteinander verknüpft sind und durch die der Programmerstellungsauftrag gemäß Satz 2 unmittelbar aus Satz 1 seine Zweckbeschreibung erfährt. Danach muss mit den Programmen gemäß Satz 2 der Zweck verfolgt werden, die Benutzung der Bahnanlagen und Fahrzeuge durch behinderte und alte Menschen sowie Kinder und sonstige Personen mit Nutzungsschwierigkeiten ohne besondere Erschwernis zu ermöglichen. In Satz 2 wird dieser Zweck in konkretisierender Wiederholung dahingehend beschrieben, dass die Programme dem Ziel dienen, eine möglichst weitreichende Barrierefreiheit für die Nutzung von Bahnanlagen und Fahrzeugen zu erreichen. Da dieses Ziel “möglichst weitreichend” verwirklicht werden soll, stellt sich diese Zweckvorgabe als ein Planungsgrundsatz dar, der sich als objektivrechtliches Gebot an die zur Programmerstellung verpflichteten Eisenbahnen wendet. Seine Bedeutung besteht darin, der damit normierten Zweckvorgabe ein besonderes Gewicht beizumessen. Er kann jedoch überwunden werden, wenn und soweit entgegenstehende Belange mit hohem Gewicht dies erfordern. Denn die Norm enthält keine konkreten Angaben zu Art, Umfang und zeitlicher Verwirklichung der anzustrebenden barrierefreien Nutzung der Bahnanlagen und Fahrzeuge.
Dies steht in systematischer Übereinstimmung mit § 8 BGG: Eine Pflicht zur barrierefreien Gestaltung hat der Gesetzgeber in der Sollvorschrift des § 8 Abs. 1 BGG nur für zivile Neubauten und große zivile Um- oder Erweiterungsbauten des Bundes einschließlich der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts vorgesehen. Es handelt sich um eine Selbstverpflichtung der Bundesverwaltung (vgl. BTDrucks 14/7420 S. 27 r.Sp.). Den Bereich der Eisenbahnen, zu denen auch die Anlagen der Beigeladenen gehören, umfasst diese Selbstverpflichtung nicht. Für diese gilt nach § 8 Abs. 2 Satz 1 BGG nur, dass sie nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften des Bundes barrierefrei zu gestalten sind und dass weitergehende (hier nicht vorhandene) landesrechtliche Vorschriften unberührt bleiben (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 2 BGG).
Diese Bedeutung von § 2 Abs. 3 Satz 1 EBO wird bestätigt durch den in den Gesetzesmaterialien dokumentierten Sinn und Zweck der Vorschrift. Danach war es der erklärte Wille des Gesetzgebers, den Eisenbahnunternehmen einen Spielraum zu lassen, wie im Rahmen der unter Beteiligung der Spitzenorganisationen der Behindertenverbände zu erstellenden Programme die gesetzliche Zweckvorgabe zu erreichen sei. Der Gesetzgeber hat angenommen, dass die Eisenbahnunternehmen finanziell überfordert würden, wenn sie zu einer generellen und alsbaldigen Herstellung von Barrierefreiheit verpflichtet würden. So heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs des BGG-Artikelgesetzes (BTDrucks 14/7420) zu den finanziellen Auswirkungen der Regelung, dass “auf Grund der offenen Gestaltung des Gesetzes … keine unmittelbaren Kostenbelastungen” entstünden, vielmehr hätten “es die Beteiligten selbst in der Hand, ob, in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt kostenwirksame Maßnahmen zur Barrierefreiheit umgesetzt werden” (a.a.O., S. 2); der Gesetzgeber wollte “niemanden überfordern, vor allem, was die finanziellen Möglichkeiten betrifft” (a.a.O., S. 39 r.Sp.). Die gesetzlichen Vorschriften eröffneten den Eisenbahnunternehmen einen “Spielraum”, der durch die Programme i.S.v. § 2 Abs. 3 Satz 2 EBO konkret ausgefüllt werden und “nicht eingeschränkt” werden solle (a.a.O., S. 38 r.Sp.). Danach beschränkt sich das BGG-Artikelgesetz ersichtlich darauf, allgemeine Vorgaben zu machen, vermeidet es aber, konkrete Pflichten mit finanziellen Auswirkungen zu begründen. Das Gesetz setzt vielmehr auf konsensuales Verhalten der Beteiligten. Das zeigt sich vor allem in den gemäß § 5 BGG anzustrebenden Zielvereinbarungen zwischen den Behindertenverbänden und betroffenen Unternehmen und Unternehmensverbänden und den gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 bis 6 EBO nach Anhörung der Spitzenorganisationen der Behindertenverbände zu erstellenden Programmen der Eisenbahnen.
Dass § 2 Abs. 3 Satz 1 EBO als Zweckvorgabe für Programme nach Satz 2 derart offen ist, stellt die Verbände nach § 13 Abs. 3 BGG nicht rechtsschutzlos. Die Programme gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 EBO sind, wie andere Maßnahmen, die (Planungs- oder Ermessens-)Spielräume eröffnen, gerichtlich darauf überprüfbar, ob dieser Spielraum entsprechend dem in § 2 Abs. 3 Satz 1 EBO vorgegebenen Zweck ausgeübt und die gesetzlichen Grenzen eingehalten worden sind (vgl. § 40 VwVfG, § 114 VwGO). Dass dies nur ein eingeschränkter gerichtlicher Kontrollmaßstab ist, liegt in der Natur solcher (Planungs- oder Ermessens-)Spielräume. Im Übrigen unterliegen die Eisenbahnen bei der Aufstellung von Programmen i.S.v. § 2 Abs. 3 Satz 2 EBO der Kontrolle ihrer Aufsichtsbehörden (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 5 und 6, Abs. 4 EBO). Auch an sie kann sich ein Behindertenverband wenden mit dem durch § 13 Abs. 3 Nr. 2 BGG auch prozessual bewehrten Vorwurf, dass ein Eisenbahnunternehmen seiner Programmerstellungspflicht schuldhaft nicht nachkomme oder dass ein vorgelegtes Programm (im oben dargestellten, gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Sinne) inhaltlich zu beanstanden sei.
Ohne Rechtsfehler hat der Verwaltungsgerichtshof sich mit diesem Sinngehalt des § 2 Abs. 3 Satz 1 EBO nicht näher befasst, zum einen weil zum Zeitpunkt seiner Entscheidung ein Programm der Beigeladenen i.S.v. Satz 2 noch nicht vorlag, zum anderen weil der Kläger auch nicht etwa gerügt hat, die Beigeladene komme ihrer Programmerstellungspflicht schuldhaft säumig nicht nach.
cc) § 2 Abs. 3 Satz 1 EBO kommt – drittens – die Bedeutung einer Generalklausel zu, die die Eisenbahnen verpflichtet, schon in der Zeit bis zur Erstellung eines Programms i.S.v. § 2 Abs. 3 Satz 2 EBO auf die Ermöglichung einer erschwernisfreien Benutzung von Bahnanlagen und Fahrzeugen durch behinderte und alte Menschen sowie Kinder und sonstige Personen mit Nutzungsschwierigkeiten hinzuwirken. Da sie insoweit aber keine konkreten Rechtsfolgen benennt, ergeben sich Inhalt und Umfang dieser Pflicht allein aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Dass sich aus § 2 Abs. 3 Satz 1 EBO selbst Anforderungen an die Barrierefreiheit von Bahnanlagen und Fahrzeugen ergeben, war schon zu der Vorgängerregelung in § 2 Abs. 3 EBO 1991 anerkannt, wonach die Vorschriften dieser Verordnung so anzuwenden waren, dass die Benutzung der Bahnanlagen und Fahrzeuge durch Behinderte erleichtert wird. Der Verordnungsgeber hat seinerzeit der Norm einen eigenständigen Regelungsgehalt beigemessen. Er hat in der damaligen amtlichen Begründung darauf verwiesen, dass dem genannten Personenkreis die Benutzung der Eisenbahn Schwierigkeiten bereite; die Neuregelung solle sicherstellen, dass diese Erschwernisse “unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit behoben oder gemildert werden” (BRDrucks 27/91 S. 81). Auch wenn die Verordnung keine Hinweise enthielt, wie dies im Einzelnen tatsächlich zu verwirklichen wäre, wurden als Beispiele für ihren Anwendungsbereich die Einrichtung von Fahrstühlen und Rampen als Bahnsteigzugänge angesehen (vgl. Thoma/Pätzold/Wittenberg, EBO, 3. Aufl. 1996, § 2 Rn. 10, S. 37). Da mit dem BGG-Artikelgesetz eine Verbesserung der Rechtsstellung behinderter Menschen angestrebt war, kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber hinter dem bisherigen Regelungsgehalt zurückbleiben wollte. Dem entsprechend heißt es in der Begründung des Entwurfs des BGG-Artikelgesetzes (zu § 8 Abs. 2 BGG), dass § 2 Abs. 3 EBO Anforderungen an die Barrierefreiheit stelle (BTDrucks 14/7420 S. 28 l.Sp.). Dieses Verständnis der Norm entspricht auch der bisherigen Verwaltungspraxis der Beklagten und der Rechtsauffassung der Beigeladenen zur Vorgängernorm.
Dieser Bedeutungsgehalt überschreitet nicht den durch die Verordnungsermächtigung in § 26 Abs. 1 AEG gesteckten Rahmen. Entgegen der Ansicht der Beigeladenen stellt die Ermöglichung von Barrierefreiheit einen Teilaspekt des Begriffs der Sicherheit und Ordnung i.S. der Verordnungsermächtigung dar.
c) Die danach gebotene Prüfung führt zu dem Ergebnis, dass ein Verstoß der angegriffenen Plangenehmigung gegen § 2 Abs. 3 Satz 1 EBO nicht festgestellt werden kann.
aa) Im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs war die Beigeladene, da eine Konkretisierung ihrer Verpflichtung aus § 2 Abs. 3 Satz 1 EBO durch das erst im Juni 2005 erstellte Programm i.S.v. Satz 2 noch nicht erfolgt war, allein aufgrund ihrer in Satz 1 generalklauselartig umschriebenen, in den konkreten Rechtsfolgen offenen Verpflichtung gehalten, auf die Ermöglichung einer erschwernisfreien Benutzung der Bahnanlagen und Fahrzeuge durch behinderte Menschen hinzuwirken, wobei Inhalt und Umfang dieser Pflicht lediglich durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit näher bestimmt werden. Danach war die Beigeladene verpflichtet, bei der Planung des Umbaus der Bahnsteige in der Station Oberkochen geeignete, erforderliche und angemessene (verhältnismäßige) Maßnahmen zur Ermöglichung einer erschwernisfreien Benutzung der Bahnanlagen und Fahrzeuge zu ergreifen.
Die Beigeladene hat die Entscheidung über die Gestaltung des Zugangs zu dem neuen Bahnsteig der Station Oberkochen anhand der Kriterien ihrer Konzernrichtlinie 813.0202 getroffen. Die Beklagte hat sich diese Kriterien in der angegriffenen Plangenehmigung zu Eigen gemacht. Danach soll bei Neubauten und umfassenden Umbauten von Bahnhöfen ab 1 000 Fahrgästen pro Tag und Station ein barrierefreier Zugang zu Bahnsteigen (durch den Bau von Aufzügen oder Rampen) sofort verwirklicht werden, bei kleineren Bahnhöfen dagegen in der Regel nicht, sondern nur bei tatsächlichem und nachgewiesenem Bedarf (laut Programm 2005: bei besonderem Bedarf). Andernfalls sollen lediglich Vorkehrungen getroffen werden, damit eine spätere Nachrüstung möglich bleibt und nicht zu vermeidbaren Mehrkosten führt.
Die Beigeladene hat dazu vorgetragen, dass sie derzeit 5 430 Stationen betreibe. Von diesen seien etwa 2 420 mit Aufzügen, Rampen und mit niveaugleichen Reisendenübergängen ausgestattet; weitere 1 500 Stationen verfügten über einen nur teilweise barrierefreien Zugang zu Bahnsteigen, wiederum weitere 1 500 Stationen über keinerlei Zugang dieser Art. Von den 1 500 größeren Stationen mit mehr als 1 000 Reisenden pro Tag seien etwa 900 barrierefrei erschlossen. Eine umfassende Barrierefreiheit der Bahnsteigzugänge könne nur schrittweise, abhängig von der Finanzierbarkeit der Maßnahmen, bewerkstelligt werden. Öffentliche Hilfen erhalte sie grundsätzlich nur für neue Anlagen. Die Kosten des laufenden Betriebs einschließlich der Instandhaltung müssten über die Stationspreisentgelte oder über Zuschüsse abgedeckt werden. Deshalb habe sie sich entschlossen, um des größten Nutzens willen vorrangig Stationen mit einer hohen Frequentierung barrierefrei zu erschließen. Wenn diese nachgerüstet seien, wären zwei Drittel aller Stationen barrierefrei und würden 95 Prozent aller Reisenden erfasst.
Hiervon ausgehend ist nicht zu erkennen, dass die Beigeladene mit den genannten Kriterien ihrer generalklauselartigen Verpflichtung aus § 2 Abs. 3 Satz 1 EBO unzureichend nachgekommen ist. Dass dieses Vorgehen geeignet und erforderlich ist, das nach § 2 Abs. 3 Satz 1 EBO anzustrebende Ziel einer erschwernisfreien Benutzung der Bahnanlagen schrittweise zu erreichen, steht außer Zweifel. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte, dass die Maßnahmen nicht angemessen wären, d.h. im Sinne eines Untermaßverbotes hinter dem von § 2 Abs. 3 Satz 1 EBO Gebotenen zurückblieben (zum Untermaßverbot vgl. Isensee, in: Isensee/Kirchhof, HdbStR V, § 111, Rn. 165 f.). Es ist ohne weiteres einsichtig, dass die Beigeladene finanziell überfordert würde, wenn sie bei jedem Neubau oder Umbau von Bestandsanlagen zwingend, ausnahmslos und in baldiger Frist einen barrierefreien Zugang zu allen Bahnsteigen herstellen müsste. Dabei gibt der vorliegende Fall keinen Anlass, etwa die Finanzplanung der Beigeladenen daraufhin zu untersuchen, wie groß der für Maßnahmen nach § 2 Abs. 3 Satz 1 EBO vorgesehene Finanzmitteleinsatz im Verhältnis zu dem ihr verfügbaren Gesamtvolumen ist. Der Kläger selbst macht nicht geltend, dass die Finanzmittel, die die Beigeladene für diese Zwecke bereitstellt, zu gering veranschlagt seien; im Übrigen ist dies eine unternehmerische Entscheidung, bei der verschiedene Aspekte von Einfluss sind und die nur beschränkt einer gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist. Der Vortrag des Klägers zielt vielmehr der Sache nach darauf, dass die Beigeladene jedenfalls beim Umbau von Stationen, die bislang über einen barrierefreien Zugang verfügten, wieder einen solchen herstellen müsse. Eine dahingehende Rechtspflicht ist der generalklauselartigen Vorgabe aus § 2 Abs. 3 Satz 1 EBO indes ebenfalls nicht zu entnehmen. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mit seinen weiten Konturen gibt dafür nichts her.
bb) Dass im konkreten Fall der Station Oberkochen Besonderheiten bestünden, denen die Beklagte bzw. die Beigeladene durch Anwendung der 1000er-Regel nicht gerecht geworden wären, ist nicht ersichtlich.
Allerdings könnte etwa ein überproportional hoher Bevölkerungsanteil des in § 2 Abs. 3 EBO angesprochenen Personenkreises ein Anlass dafür sein, in Abkehr von einer strikten Handhabung der 1000er-Regel bei einem Neu- oder Umbau von Bahnanlagen barrierefreie Bahnsteigzugänge sofort herzustellen, zumal wenn sich die Betroffenen darauf eingerichtet hätten (Gedanke des Vertrauensschutzes). Doch ist die erwähnte 1000er-Regel für die Berücksichtigung solcher Besonderheiten durchaus offen, weil auch unterhalb der 1000er-Grenze bei tatsächlichem und nachzuweisendem Bedarf aufwändigere Baumaßnahmen wie die Einrichtung von Aufzügen und Rampen sofort verwirklicht werden sollen. Die Beigeladene hat ausweislich des Erläuterungsberichts (dort S. 12) geprüft, ob vor Ort ein besonderer Bedarf besteht: Danach befindet sich in unmittelbarer Nähe des Bahnhofes kein Pflege- oder Seniorenheim; im weiter entfernt gelegenen Seniorenheim in der Jenaer Straße seien nach einer Auskunft der Heimleitung ca. 80 Prozent der Heimbewohner als schwerstbehindert bzw. immobil einzustufen. Diese Personen müssten bei Bahnreisen ohnehin mit dem Kraftfahrzeug zum Bahnhof gebracht werden und hätten somit die Möglichkeit, den nächsten barrierefreien Bahnhof in Aalen zu nutzen.
Die dagegen gerichteten Einwände des Klägers vermögen nicht zu überzeugen. Dass in Oberkochen eine besondere demografische Situation vorläge mit einem deutlich höheren Anteil des in § 2 Abs. 3 EBO angesprochenen Personenkreises, ist nicht substantiiert dargetan. Der Hinweis auf kulturelle und touristische Attraktionen (Ausflugsziele, ein Museum, ein Freizeitbad) in der Umgebung reicht dafür nicht, zum einen weil es solche in irgendeiner Form beinahe überall geben dürfte, zum anderen weil sich eine besondere Attraktivität in den Fahrgastzahlen niederschlagen müsste. Dass die Beklagte bzw. die Beigeladene weitergehende Ermittlungen hätte anstellen und diese auf einen größeren Einzugsbereich des Bahnhofs hätte ausweiten müssen, ist nicht ersichtlich; im Übrigen schlägt sich der Einzugsbereich des Bahnhofs in den Fahrgastzahlen nieder, die ihn aber gerade als niedrig frequentiert ausweisen. Nicht zu beanstanden ist auch, dass in der Plangenehmigung kein Bedingungszusammenhang des Inhalts aufgenommen wurde, dass der bislang barrierefreie Bahnsteigzugang in Oberkochen erst beseitigt werden dürfe, wenn im Zuge des geplanten Umbaus im Bahnhof Aalen dort ein barrierefreier Zugang hergestellt sei. Ein solches Junktim würde die Beigeladene in ihrer unternehmerischen Dispositionsfreiheit bei der Verwirklichung ihrer zahlreichen Umbaumaßnahmen unverhältnismäßig einschränken.
4. Zu einer anderen Beurteilung führt auch nicht das verfassungsrechtliche Verbot aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, wonach niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf.
Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG enthält ein subjektives Abwehrrecht für behinderte Menschen gegenüber staatlicher Benachteiligung und eine objektive Wertentscheidung, die vom Staat die Förderung behinderter Menschen sowie den Abbau von Benachteiligungen in der Gesellschaft verlangt. Bei der Umsetzung dieses Förderungsauftrags kommt dem Staat allerdings ein erheblicher Spielraum nach Maßgabe des finanziell, personell, sachlich und organisatorisch Möglichen zu (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 1997 – 1 BvR 9/97 – BVerfGE 96, 288 ≪308≫; Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art. 3 Rn. 147). Ob aus der Norm auch Leistungsansprüche folgen, hat das Bundesverfassungsgericht bislang offen gelassen (vgl. BVerfGE 96, 288 ≪304≫; BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. März 2000 – 1 BvR 1460/99 – NJW 2000, 2658 ≪2659≫), doch ist das zu verneinen (vgl. Osterloh, in: Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 3 Rn. 305 m.w.N.). Die Norm hat Ausstrahlungswirkung bei der Auslegung der Normen des einfachen Rechts, doch kommt ihr keine unmittelbare Drittwirkung gegenüber anderen Rechtssubjekten des Privatrechts zu (allg. Ansicht; vgl. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 5. Aufl. 2005, Art. 3 Rn. 422).
Danach liegt hier ein Verstoß gegen dieses Verfassungsgebot nicht vor. Denn der Gesetzgeber hat – wie dargelegt – bewusst davon abgesehen, konkrete Pflichten zur Herstellung von Barrierefreiheit in der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung festzuschreiben; er hat den Eisenbahnunternehmen Spielräume offen halten wollen, um sie nicht finanziell zu überfordern. Dies steht im Einklang mit der vorstehend dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die den Gehalt des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ebenfalls unter den Vorbehalt dessen gestellt hat, was von dem Verpflichteten vernünftigerweise geleistet werden kann und was finanziell möglich ist (vgl. BVerfGE 96, 288 ≪308≫; ähnlich VerfGH Berlin, Beschluss vom 18. Juni 1998 – VerfGH 104, 104 A/97 – LVerfGE 8, 62 ≪66≫).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO; die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind für erstattungsfähig zu erklären, weil sie einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
Unterschriften
Dr. Storost, Vallendar, Prof. Dr. Rubel, Domgörgen
Der Richter Prof. Dr. Eichberger ist aus dem Bundesverwaltungsgericht ausgeschieden und deshalb verhindert, seine Unterschrift beizufügen.
Dr. Storost
Fundstellen