Entscheidungsstichwort (Thema)
Referenzmengenübergang bei Rückgabe ganzer Betriebe. Referenzmengenberechnung der Molkereien (Käufer). Bescheinigungsverfahren, Abgabenerhebungsverfahren, Landesstellen. Bundesfinanzverwaltung. Pächterschutz
Leitsatz (amtlich)
1. Die Landesstellen haben bei den von ihnen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MGV a.F. auszustellenden Bescheinigungen von der Referenzmengenhöhe auszugehen, die für den abgebenden Milcherzeuger zuvor von seinem Käufer (= Molkerei) errechnet und ihm mitgeteilt worden war.
2. Die deutsche Pächterschutzregelung steht mit Art. 7 Abs. 2 der VO (EWG) Nr. 3950/92 auch insoweit in Einklang, als sie dem Pächter bei Rückgabe eines ganzen Betriebs keine Referenzmenge belässt.
Normenkette
MGV § 7 Abs. 1 a.F., Abs. 4 a.F., § 9 Abs. 1 Nr. 1 a.F., § 10 a.F.; EWGV 3950/92 Art. 7 Abs. 2
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Entscheidung vom 29.06.1999; Aktenzeichen 9 A 1745/9) |
VG Düsseldorf (Entscheidung vom 06.02.1997; Aktenzeichen 15 K 4076/95) |
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. September 1999 wird geändert.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 6. Februar 1997 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens einschließlich der Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Referenzmenge, die bei Rückgabe des vom Kläger gepachteten Hofes an die Beigeladene übergegangen ist.
Der Kläger pachtete im Jahre 1981 zu seinem in E. gelegenen Hof von der Beigeladenen deren in der Gemeine K. betriebenen Hof hinzu. Den 22,74 ha großen Pachthof, der steuerlich unter seinem Namen lief, ließ er durch seinen Sohn Nico B. verwalten. Im April 1994 wurde der Kläger zur Räumung und Herausgabe des gepachteten Hofes an die Beigeladene verurteilt; die Vollstreckung des Urteils erfolgte am 25. November 1994.
Mit Bescheid vom 7. Januar 1995 bescheinigte der Beklagte der Beigeladenen, dass mit Wirkung zum 31. Oktober 1993 (später geändert auf den 25. November 1994) durch Rückgewähr eines ganzen Betriebes eine Referenzmenge von 239 225 kg von Niko B. und dem Kläger auf sie übergegangen sei. Dabei legte er die dem Sohn Niko B. seinerzeit aufgrund einer den Pachthof betreffenden Ausbaumaßnahme behördlich bescheinigte Zielmenge von 405 270 kg Milch zugrunde und ließ den Hof des Klägers in E. unberücksichtigt.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat der Kläger Klage erhoben und geltend gemacht, ihm stünde Pächterschutz zu. Der Bescheid sei aufzuheben, soweit der Beigeladenen darin der Übergang einer Referenzmenge von mehr als 56 850 kg bescheinigt werde.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat der Kläger sein Klageziel weiterverfolgt.
Der Beklagte hat vorgetragen, er sei bei der Ausstellung der Bescheinigung davon ausgegangen, dass der Sohn Niko B. den Pachtbetrieb selbständig geführt habe. Dazu habe beigetragen, dass beide Betriebe unter verschiedenen Liefernummern an verschiedene Molkereien Milch geliefert hätten. Inzwischen habe er festgestellt, dass der Pachtbetrieb in K. bei der Molkerei schon seit 1989 nicht mehr unter dem Namen des Sohnes, sondern des Klägers geführt werde. Seit der Fusion beider Molkereien im Jahre 1992 würden beide Referenzmengen nur noch für den Kläger geführt.
Mit Urteil vom 29. September 1999 hat das Berufungsgericht unter Abänderung des angefochtenen Gerichtsbescheids die Bescheinigungen des Beklagten in Bezug auf die Person des Klägers insoweit aufgehoben, als darin zu Gunsten der Beigeladenen der Übergang einer Referenzmenge vom Kläger auf die Beigeladene von mehr als 144 833 kg bescheinigt worden ist. Dazu hat es ausgeführt:
Infolge der Rückgabe des insgesamt für die Milcherzeugung genutzten Pachthofes am 25. November 1994 sei eine Referenzmenge von 144 833 kg vom Kläger auf die Beigeladene übergegangen. Bei dem Pachthof habe es sich um einen ganzen Betrieb im Sinne von § 7 Abs. 1 MGV gehandelt. Bei der Rückgabe ganzer Betriebe sei Pächterschutz ausgeschlossen. Der Pachtbetrieb habe in der ausschließlichen Nutzung des Klägers gestanden. Daher richte sich die diesem Betrieb entsprechende Referenzmenge nach dem Verhältnis, in dem die Milcherzeugungsfläche dieses Hofes (22,74 ha) zu den für Milcherzeugung verwendeten Flächen des Gesamtbetriebes des Klägers (ca. 79 ha) stünde. Entgegen der Annahme aller Beteiligten habe dem Kläger für seinen gesamten Betrieb zur fraglichen Zeit nur eine ihm erteilte und bescheinigte Referenzmenge von 503 221 kg zugestanden. Die dem Sohn Niko B. aufgrund der Zuteilung einer Zielmenge bescheinigte Referenzmenge sei dem Kläger nicht zuzurechnen. Die Molkerei habe zwar am 27. November 1992 die beiden Referenzmengen zusammengerechnet und dem Kläger die Milchanlieferung auf die Gesamtmenge gestattet, jedoch sei dadurch kein Referenzmengenübergang eingetreten. Die diesbezügliche Mitteilung der Molkerei, die für den Kläger eine höhere Referenzmenge ausweise als ihm tatsächlich zustehe, sei für den allgemeinen Rechtsverkehr ohne Bindungswirkung. Der Beklagte hätte dem angefochtenen Bescheid die Referenzmenge des Klägers vor der unberechtigten Zusammenrechnung mit derjenigen des Sohnes zu Grunde legen und diese Menge zwischen ihm und der Beigeladenen nach dem Flächenverhältnis aufteilen müssen. Der von anderen Werten ausgehende und daher einen überhöhten Referenzmengenübergang ausweisende Bescheid des Beklagten sei dementsprechend zu ändern. Soweit darin zugleich verlautbart werde, dass auch von Niko B. eine Referenzmenge auf die Beigeladene übergegangen sei, sei der Kläger durch diesen Teil der Bescheinigung nicht in seinen Rechten verletzt, denn ihm stehe die seinem Sohn zuzurechnende Referenzmenge nicht zu.
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung gerichtete Revision der Beigeladenen. Sie vertritt die Ansicht, dass bei der Berechnung des Referenzmengenübergangs auszugehen sei von der am 27. November 1992 erfolgten Neuberechnung der Gesamtreferenzmenge durch die Molkerei. Diese Berechnung habe entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und des Beklagten gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 MGV bindende Wirkung für die Landesstellen.
Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung, die nach seiner Ansicht auch aus Gründen des Pächterschutzes gerechtfertigt sei. Art. 7 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3950/92 vom 28. Dezember 1992 verlange nämlich, dass die Referenzmengenübertragung bei Beendigung landwirtschaftlicher Pachtverträge „unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Beteiligten” vorzunehmen sei. Hiermit sei die deutsche Regelung, der zufolge bei Rückgabe ganzer Betriebe die gesamte Referenzmenge auf den Verpächter übergeht, nicht vereinbar.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren und äußert sich wie folgt: Den Landesstellen stehe es nicht zu, bei Ausstellung der Übertragungsbescheinigung nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MGV a.F. eine eigene Berechnung der Referenzmenge vorzunehmen. Die Landesstellen müssten vielmehr auf die Referenzmengenberechnungen der Bundesfinanzverwaltung – einschließlich der in ihrem Auftrag handelnden Molkereien – zurückgreifen. Dies gelte auch für den Fall der Unrichtigkeit der Referenzmengenneuberechnung.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Beigeladenen hat Erfolg und führt zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Das angefochtene Urteil verstößt gegen Bundesrecht. Das Berufungsgericht hätte bei der Bestimmung der auf die Beigeladene übergegangenen Referenzmenge von derjenigen Menge ausgehen müssen, die für den Kläger von dessen Molkerei im November 1992 errechnet worden war.
Nach den zum Zeitpunkt der Hofrückgabe (November 1994) geltenden und daher für die vom Beklagten ausgestellte Referenzmengenübergangsbescheinigung zu Grunde zu legenden Vorschriften ruhten die Referenzmengen – abgesehen von Sonderregelungen – grundsätzlich auf den sog. Milcherzeugungsflächen (Prinzip der Flächen- oder Betriebsakzessorietät) und gingen bei deren Übertragung auf einen anderen Erzeuger – also auch bei Rückgewähr vom Pächter an den Verpächter – mit über (vgl. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 VO (EWG) Nr. 3950/92 – ABl Nr. L 405 vom 31. Dezember 1992). Die gemeinschaftsrechtliche Bestimmung räumt den Mitgliedstaaten allerdings die Möglichkeit ein, zwischen einem Referenzmengenübergang nach Maßgabe der vorhandenen Milcherzeugungsflächen oder nach anderen objektiven Kriterien zu wählen. Der deutsche Verordnungsgeber hat sich – abgesehen von der Sonderregelung in § 7 Abs. 5 MGV i.d.F. der Bekanntmachung vom 21. März 1994 (BGBl I S. 587) – für die erste Alternative entschieden. Danach geht bei der Rückgabe einer zur Milcherzeugung genutzten Fläche ein Referenzmengenanteil, der dem Verhältnis der zurückgewährten Fläche zu derjenigen des gesamten Betriebes des Pächters entspricht, auf den Verpächter mit über (§ 7 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 2 MGV). Voraussetzung hierfür ist weiter, dass die Rückgabe nach dem 30. September 1984 und aufgrund eines auslaufenden (Alt-)Pachtvertrages erfolgt ist, der vor dem 2. April 1984 abgeschlossen war, sowie das Nichteingreifen der Pächterschutzregelung des § 7 Abs. 4 Satz 2 MGV. Die genannten Voraussetzungen liegen hier vor.
Dementsprechend hat das Berufungsgericht zu Recht entschieden, dass die Referenzmenge des Klägers im Verhältnis von 22,74 ha (zurückgegebene Milcherzeugungsfläche) zu 79,0098 ha (Gesamtmilcherzeugungsfläche des Klägers) auf die Beigeladene übergegangen ist. Dies erweist sich als die notwendige Konsequenz aus der tatsächlichen Feststellung, dass beide hier in Rede stehenden Betriebe allein vom Kläger bewirtschaftet wurden und somit in referenzmengenmäßiger Hinsicht eine Einheit bildeten. Unvereinbar hiermit ist die dem Bescheid des Beklagten zu Grunde gelegte Berechnung, die allein auf den zurückgegebenen Pachthof und die ihm (bzw. dem Sohn Nico B.) zugeordnete Referenzmenge abstellt, und somit den Hof in E. und den diesbezüglichen Referenzmengenanteil außer Acht lässt.
Die Höhe der aufzuteilenden Referenzmenge des Klägers bemisst sich jedoch – anders als das Oberverwaltungsgericht angenommen hat – nach der Molkereiberechnung vom 27. November 1992. Die Landesstellen haben nämlich bei den von ihnen gemäß § 9 Abs. 1 MGV a.F. auszustellenden Bescheinigungen von den Referenzmengenberechnungen der Bundesfinanzverwaltung – einschließlich derjenigen der Käufer (also der Molkereien) – auszugehen. Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat aufgrund folgender Erwägungen:
Für die Durchführung der Milch-Garantiemengen-Verordnung ist gemäß Art. 108 Abs. 1 Satz 1 GG, § 2 MGV a.F. grundsätzlich die Bundesfinanzverwaltung zuständig. Die Landesstellen – also auch der Beklagte – sind nur zuständig, soweit ihnen in der Verordnung Aufgaben ausdrücklich übertragen werden. Dabei handelt es sich um Tatbestände, für deren Beurteilung besonderer landwirtschaftlicher Sachverstand erforderlich ist. Dementsprechend wird in der Verordnung zwischen dem von den Landesstellen durchgeführten Bescheinigungsverfahren gemäß § 9 MGV a.F. und dem der Bundesfinanzverwaltung obliegenden Abgabenerhebungsverfahren unterschieden.
Aufgrund der gesetzlichen Aufgaben- und Zuständigkeitsregelung in den beiden Verfahren entfalten die aus ihnen resultierenden Entscheidungen Tatbestandswirkung für die jeweils andere Behörde. Die beteiligten Behörden sind daher gehalten, solche Entscheidungen wechselseitig zu beachten und sich insoweit eigener Entscheidungen zu enthalten. So stellen die Bescheinigungen der Landesstellen für die Bundesfinanzverwaltung verbindliche Grundlagenbescheide i.S.v. § 171 Abs. 10 AO dar. Soweit der Zuständigkeitsbereich der Bundesfinanzverwaltung reicht, haben die Landesstellen ihrerseits deren amtliche Festlegungen zu respektieren und ihren eigenen Entscheidungen zu Grunde zu legen.
Einbezogen in den Zuständigkeitsbereich der Bundesfinanzverwaltung sind im vorliegenden Zusammenhang auch die Käufer bzw. Molkereien, denn sie werden im „Auftrag” der Bundesfinanzverwaltung tätig, soweit ihnen durch die Milch-Garantiemengen-Verordnung Aufgaben zugewiesen sind (§ 2 MGV a.F.).
Die Mitwirkung der Molkereien bezieht sich vornehmlich auf die (Neu-)Berechnung der Anlieferungs-Referenzmengen (vgl. § 10 MGV a.F.), die auf Antrag des Milcherzeugers oder aus sonstigem Grund erfolgen kann. Diesen Berechnungen kommt für das Abgabenerhebungsverfahren ein eigener Rechtswert zu, solange sie nicht vom zuständigen Hauptzollamt, dem sie mitzuteilen sind, beanstandet oder durch eigene Entscheidungen ersetzt worden sind. Dies zeigt sich u.a. darin, dass eine Rücknahme der durch einen Käufer erfolgten Referenzmengenberechnung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nur im Wege des § 10 Abs. 1 MOG i.V.m. § 48 Abs. 2 und 4 VwVfG erfolgen kann (vgl. Urteile vom 13. Juli 1993 – VII R 92/92 – BFH/NV 1994, 137; sowie vom 14. Dezember 1993 – VII R 113/92 – BFH/NV 1994, 748). Dabei kann offen bleiben, ob in der stillschweigenden Entgegennahme der Käuferberechnung durch das Hauptzollamt ein Feststellungsbescheid zu sehen ist, durch den die Anlieferungs-Referenzmenge des Erzeugers entsprechend der Käuferberechnung hoheitlich festgesetzt wird (in diesem Sinne u.a. BFHE 162, 156 m.w.N.). Denn unabhängig von der rechtsdogmatischen Bewertung des Verhältnisses zwischen Molkerei und Hauptzollamt und des diesbezüglichen Verwaltungshandelns steht außer Frage, dass bis zu einem eventuellen Eingreifen der Hauptzollämter die Referenzmengenberechnungen der Molkereien die maßgebliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen darstellen.
Von den Referenzmengenberechnungen der Molkereien haben auch die Landesstellen bei den von ihnen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 MGV a.F. auszustellenden Bescheinigungen auszugehen. Das folgt aus der Begrenzheit der ihnen insoweit übertragenen Aufgaben, zu denen die Festlegung der Referenzmenge nur in einem eingeschränkten Umfang gehört. Die Landesstellen haben zwar u.a. zu bescheinigen, welche Referenzmengen zu welchem Zeitpunkt auf den Milcherzeugerübergegangen sind, jedoch ist ihnen damit nicht die Aufgabe zugewiesen worden, in eigener Verantwortung – also auch unter Abweichung von den Festlegungen der Molkereien – zu bestimmen, wie hoch die Ausgangsmenge – also die Referenzmenge vor dem Übergang – war. Da die dem Übergangszeitpunkt vorausgehende Molkereiberechnung Teil des Abgabenerhebungsverfahrens ist, in das die Landesstellen nicht einbezogen sind, müssen sie solche Berechnungen selbst dann ihren Bescheinigungen zu Grunde legen, wenn sie diese für unrichtig halten, es sei denn, sie veranlassen eine Korrektur durch die Bundesfinanzverwaltung. Beachten sie diese Kompetenzgrenzen nicht und nehmen abweichende Berechnungen vor, laufen sie Gefahr, dass ihre Bescheinigungen von der Bundesfinanzverwaltung insoweit nicht akzeptiert werden (vgl. BFH, Urteil vom 31. August 1993 – VII R 142/92 – NV 1994, 512).
Infolge der Nichtbeachtung der Molkereiberechnung vom 27. November 1992 hat das Berufungsgericht die auf die Beigeladene übergegangene Referenzmenge zu niedrig angesetzt. Bei richtiger Vorgehensweise hätte sich ergeben, dass der Beigeladenen zumindest eine Referenzmenge in der vom Beklagten bescheinigten Höhe zusteht.
Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Annahme des Klägers, der geringere Referenzmengenübergang auf die Beigeladene sei jedenfalls durch Pächterschutzerwägungen gerechtfertigt, geht fehl.
Die Frage, ob die Versagung von Pächterschutz bei Rückgabe eines ganzen Betriebs an den Verpächter mit höherrangigem Recht vereinbar sei, ist vom erkennenden Senat in zahlreichen Entscheidungen bejaht worden (vgl. u.a. Urteil vom 24. März 1994 – BVerwG 3 C 5.93 – Buchholz 451.512 MGVO Nr. 91; Beschluss vom 17. Mai 1995 – BVerwG 3 B 34.95 – Buchholz 451.512 MGVO Nr. 108). In dieser Rechtsprechung sah sich der Senat bestätigt durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 24. März 1994 (C-2/92, Slg. 1994 – 3 I 955). Danach verpflichten die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen und die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts einen Mitgliedstaat nicht, wegen der einem Verpächter bei Ablauf des Pachtverhältnisses übertragenen Referenzmenge eine Regelung über eine vom Verpächter an den ausscheidenden Pächter zu zahlende Vergütung einzuführen und verleihen dem Pächter insoweit auch nicht unmittelbar einen Anspruch auf eine solche Vergütung.
Der Kläger hat freilich zu Recht darauf hingewiesen, dass dieser Rechtsprechung die auf den vorliegenden Fall nicht mehr anwendbaren Verordnungen (EWG) Nr. 857/84 und 1371/84 zu Grunde lagen. Die nunmehr einschlägige Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 führt jedoch zu demselben Ergebnis.
Art. 7 Abs. 2 dieser Verordnung sieht vor, dass nach Pachtende die Referenzmengen der betreffenden Betriebe „nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten oder festzulegenden Bestimmungen unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Beteiligten ganz oder teilweise auf die Erzeuger übertragen werden, die sie übernehmen”. Richtig ist, dass in den Vorläuferverordnungen eine Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen der Beteiligten nicht ausdrücklich normiert war. Gleichwohl liegt der oben angeführten Rechtsprechung des Senats die Annahme zu Grunde, dass die deutsche Pächterschutzregelung mit ihrer Differenzierung zwischen Stückland und Gesamtbetrieben auch aus der Sicht der Pächter als sach- und interessengerecht zu gelten hat. Im Urteil vom 10. Dezember 1992 (– BVerwG 3 C 29.90 – BVerwGE 91, 288, 291) wird hierzu u.a. ausgeführt: Der deutsche Verordnungsgeber habe sich bei der Versagung des Pächterschutzes bei Rückgabe ganzer Betriebe nicht in erster Linie von den Interessen des Verpächters leiten lassen, vielmehr habe er vornehmlich den Belangen der milcherzeugenden Landwirte ohne eigenen Grundbesitz Rechnung tragen wollen, die auf die Pachtung von Betrieben angewiesen seien, die in Hinblick auf ihre Referenzmengenausstattung eine rentable Bewirtschaftung ermöglichten. Ebenso wird in dem Beschluss vom 17. Mai 1995 (– BVerwG 3 B 34.95 – Buchholz 451.512 Nr. 108) hervorgehoben, dass die differenzierte deutsche Pächterschutzregelung auch die Interessen künftiger Pächter im Auge habe, bewirtschaftungsfähige Betriebseinheiten vorzufinden und anpachten zu können, so dass von einer willkürlichen Ungleichbehandlung keine Rede sein könne.
Der Senat hat keinen Zweifel, dass die für die deutsche Pächterschutzregelung maßgebliche Interessenabwägung mit der gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe, die berechtigten Interessen der Beteiligten zu berücksichtigen, vereinbar ist. Der Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs bedarf es daher nicht. Der Begründungserwägung Nr. 15 der VO (EWG) Nr. 3950/92 ist zu entnehmen, dass sich durch diese Verordnung in Hinblick auf die Referenzmengenübertragung inhaltlich gegenüber der ursprünglichen Regelung nichts geändert hat. Das wird bestätigt durch den Wortlaut von Art. 7 Abs. 2 der vorgenannten Verordnung, wonach die Referenzmenge „ganz oder teilweise” übertragen wird. Der europäische Verordnungsgeber geht somit gerade nicht davon aus, dass dem abziehenden Pächter stets zumindest ein Teil der Referenzmenge verbleiben müsse.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Borgs-Maciejewski, Kimmel, Dr. Brunn
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 05.07.2001 durch Riebe Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 637781 |
NVwZ-RR 2002, 28 |
AgrarR 2002, 222 |
DVBl. 2002, 419 |