Leitsatz (amtlich)
1. Ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen, das seine Pflicht verletzt, ein Stilllegungsverfahren einzuleiten, hat gegenüber Übernahmeinteressenten für Verschlechterungen der Eisenbahninfrastruktur einzustehen, die auf einem Verstoß gegen die in diesem Zeitraum ebenso wie im Stilllegungsverfahren bestehenden Erhaltungspflichten beruhen.
2. Die Pflicht eines Eisenbahninfrastrukturunternehmens, im Stilllegungsverfahren darzulegen, dass ihm der Betrieb der Infrastruktureinrichtung nicht mehr zugemutet werden kann, ist nicht drittschützend.
3. Mit der Genehmigung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 3 AEG wird einem Eisenbahninfrastrukturunternehmen der Betrieb einer bestimmten Eisenbahninfrastruktur genehmigt und die Betriebspflicht begründet. Die Betriebspflicht setzt nicht voraus, dass der Betrieb tatsächlich aufgenommen wurde.
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 22.07.2019; Aktenzeichen 22 B 18.186) |
VG München (Urteil vom 01.12.2016; Aktenzeichen M 24 K 16.1172) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Juli 2019 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin wendet sich gegen die der beigeladenen Stadt erteilte Genehmigung zur Stilllegung einer Eisenbahnstrecke.
Rz. 2
Die 1902 in Betrieb genommene Strecke verbindet den im Ortsteil Reitmehring gelegenen Bahnhof mit der Altstadt der Beigeladenen (sog. Altstadtbahn). Nach einem durch ein Hochwasser verursachten Dammrutsch im März 1987 wurde die Strecke mangels Befahrbarkeit gesperrt. Der Schaden wurde nicht behoben und die Strecke in der Folgezeit auch sonst nicht instandgehalten. Im Zuge eines Stilllegungsverfahrens erwarb die Beigeladene die Strecke von der DB Netz AG und erhielt für sie Anfang 2004 die eisenbahnrechtliche Genehmigung. Nachdem ein Betriebskonzept für die Strecke Wasserburg - Ebersberg - Grafing - München vorlag, ließ die Beigeladene ein Gutachten zur Wirtschaftlichkeit einer Reaktivierung der Altstadtbahn fertig stellen. Dieses kam im Dezember 2010 zu dem Ergebnis, es sei mit Kosten in Höhe von über 9 Millionen Euro zu rechnen. Die Beigeladene leitete hierauf ein Stilllegungsverfahren ein. Nach der Bekanntmachung der Stilllegungsabsicht im August 2012 forderte die Klägerin die Beigeladene zu einem Angebot für die Übernahme der Strecke auf. Die Beigeladene legte ihr einen Vertragsentwurf mit dem Angebot vor, die Strecke an sie zu verpachten. Über den Vertragsentwurf wurde in mehreren Sondierungsgesprächen verhandelt. Dabei forderte die Klägerin von der Beigeladenen einen Ausgleich für die unterlassene Instandsetzung und Instandhaltung der Strecke in Form eines Finanzierungsbeitrags in Höhe von über 1,4 Millionen Euro der auf einen von ihr erstellten, deutlich günstigeren Kostenrahmen für die Reaktivierung abgestimmt war. Dieser Forderung stand zuletzt das Angebot der Beigeladenen gegenüber, der Klägerin die Strecke gegen einen symbolischen Pachtzins von einem Euro zu überlassen und sich an den Kosten mit einem Beitrag in Höhe von 440 000 € zu beteiligen. Der angebotenen Kostenbeteiligung legte die Beigeladene den Betrag zugrunde, den sie ihrer Schätzung nach seit der Übernahme der Strecke von der DB Netz AG für den Unterhalt hätte aufbringen müssen. Die Klägerin nahm dieses Angebot nicht an. Hierauf betrachtete die Beigeladene die Verhandlungen als gescheitert und beantragte im November 2015 die Genehmigung der Stilllegung. Der Beklagte erteilte sie mit Bescheid vom 12. Februar 2016.
Rz. 3
Die gegen die Genehmigung erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 1. Dezember 2016 als unzulässig abgewiesen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung mit Urteil vom 22. Juli 2019 zurückgewiesen. Zwar sei die Klage entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zulässig. Sie sei jedoch unbegründet. Die Voraussetzungen der Stilllegung gemäß § 11 AEG, die drittschützend seien, lägen vor. Die Stilllegungsvoraussetzung der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit habe keine drittschützende Wirkung. Abgesehen davon, dass der zuständige Aufgabenträger die Bestellung von Fahrleistungen ausgeschlossen habe, komme es daher auf die von der Klägerin geltend gemachten Zweifel an dem Gutachten und ihre verkehrspolitischen Überlegungen nicht an. Das Übernahmeangebot habe den in diesem Bereich üblichen Bedingungen entsprochen. Eine stillzulegende Strecke dürfe so angeboten werden, wie sie stehe und liege. Da es keinen allgemeinen Markt gebe, komme es für die Üblichkeit auf die Umstände des Einzelfalls an. Die Beigeladene habe bei der Übernahme der bereits damals reparaturbedürftigen Strecke keinen Ausgleich erhalten. Zwar sei sie zum Betrieb verpflichtet. Die Aufsichtsbehörde müsse die Reparatur schadhafter Strecken aber nicht zwingend durchsetzen, sondern habe ein Ermessen. Das Stilllegungsverfahren dürfe mit der Durchsetzung der Betriebspflicht nicht vermengt werden. Es sei kein Werkzeug dafür, die Betriebspflicht nachträglich durchzusetzen. Daher habe die Klägerin keinen Anspruch auf die Finanzierung der Reparatur. Verboten sei lediglich, eine Strecke vor der Übergabe auszuschlachten. Danach wäre bereits das Angebot, die Strecke zu einem symbolischen Zins zu verpachten, als üblich anzuerkennen. Darüber sei die Beigeladene sogar hinausgegangen. Das Angebot sei auch nicht deshalb unzureichend, weil nur eine Verpachtung angeboten worden sei. Anzubieten sei Verkauf oder Verpachtung. Es habe kein Anlass bestanden, der Klägerin auch einen Kaufvertrag anzubieten. Im Übrigen habe die Beigeladene auch ihrer Verhandlungspflicht genügt. Die Verhandlungen seien nach vier Sondierungsgesprächen gescheitert, nachdem sich die Klägerin auf das zuletzt unterbreitete Angebot nicht eingelassen und einen weitergehenden Ausgleich gefordert habe.
Rz. 4
Mit der durch den Verwaltungsgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie führt aus, die Stilllegungsgenehmigung setze voraus, dass der Betrieb der Strecke dem bisherigen Betreiber nicht mehr zumutbar sei. Auch diese Voraussetzung schütze Dritte, denn es handele sich um ein einheitliches Verfahren. Übernahmeinteressierte Dritte hätten im Falle des Scheiterns der Übernahme regelmäßig ein Interesse daran, die Eisenbahninfrastruktur weiter nutzen zu können. Der Weiterbetrieb sei der Beigeladenen auch nicht unzumutbar. Die dem Gutachten zugrundeliegende Nutzen-Kosten-Schätzung sei fehlerhaft. Zudem habe das zuständige Landesministerium die ungünstigen Randbedingungen geschaffen und Interessen eines anderen Unternehmens berücksichtigt. Das Übernahmeangebot der Beigeladenen habe nicht den üblichen Bedingungen entsprochen. Die Beigeladene sei aufgrund ihrer Betriebspflicht verpflichtet gewesen, die für die Wiederherstellung und den Erhalt der Strecke notwendigen Investitionen zu tätigen. Die Durchsetzung der Betriebspflicht stehe zwar im Ermessen der Aufsichtsbehörde und sei nicht in das Stilllegungsverfahren inkorporiert. Abgesehen davon, dass das Ermessen jedenfalls nicht fehlerfrei ausgeübt worden sei, verstoße die Nichterfüllung der Betriebspflicht aber gegen § 11 AEG. Aus dieser Vorschrift ergebe sich, dass es unbefahrene und schadhafte Strecken nicht geben dürfe. Dies müsse zur Konsequenz haben, dass sich das Unterlassen der Instandhaltung einschließlich notwendiger Reparaturen auf die üblichen Bedingungen auswirke. Die daraus folgenden Kosten seien im Übernahmeangebot auszugleichen. Sie, die Klägerin, habe der Beigeladenen angeboten, einen Ausgleich in Höhe von 1,5 bis 1,68 Millionen Euro zu akzeptieren. Das entspreche nicht den vollen Reparatur- und Instandhaltungskosten und sei der Beigeladenen zumutbar gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof habe seine Aufklärungspflicht verletzt, indem er die Üblichkeit der Bedingungen auf den vorliegenden Fall stütze. Es seien mehrere Fälle unbefahrbarer Strecken bekannt. Das Übernahmeangebot der Beigeladenen sei zudem mangelhaft, weil der Klägerin nicht auch angeboten worden sei, die Strecke zu kaufen. Die Verpflichtung, ein Angebot für die Übernahme durch Verkauf oder Verpachtung zu machen, sei nach ihrem Sinn und Zweck so zu verstehen, dass Verkauf und Verpachtung anzubieten seien. Der Altbetreiber werde hierdurch nur gering belastet. Schließlich sei aufgrund des fehlerhaften Übernahmeangebots auch die Verhandlungspflicht verletzt. Hinzu komme, dass die Verhandlungstermine zeitlich knapp bemessen gewesen seien, Wünsche der Klägerin nicht diskutiert worden seien und der Bitte um eine Gesprächsrunde mit betroffenen Unternehmen nicht nachgekommen worden sei.
Rz. 5
Der Beklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil. Der Verwaltungsgerichtshof habe zu Recht eine Ausgleichspflicht der Beigeladenen verneint. Die Üblichkeit der Bedingungen eines Angebots sei faktisch zu bestimmen. Daher habe das Gericht den Übernahmevertrag der Beigeladenen mit der DB Netz AG zum Vergleich heranziehen dürfen. Das Angebot, 440 000 € zu zahlen, sei über das Übliche hinausgegangen. Der Verwaltungsgerichtshof sei auch zu Recht davon ausgegangen, dass es unbefahrbare schadhafte Strecken geben dürfe. Das Stilllegungsverfahren ermögliche die Stilllegung gerade dann, wenn sich die Wiederherstellung als unwirtschaftlich erweise. Etwas anderes gelte auch nicht für die laufende Instandhaltung. Die Durchsetzung der Betriebspflicht obliege der Aufsichtsbehörde. Deren Befugnisse dienten nicht dem Schutz Dritter. Es sei auch nicht fehlerhaft gewesen, dass die Eisenbahnaufsicht nach dem Dammrutsch keine Anordnungen getroffen habe, da dies unverhältnismäßig gewesen wäre.
Rz. 6
Auch die Beigeladene tritt der Revision entgegen. Zutreffend habe der Verwaltungsgerichtshof die Üblichkeit des Angebots nach den Umständen des Einzelfalls bejaht. Im Stilllegungsverfahren dürfe die Strecke so, wie sie stehe und liege, angeboten werden. Es bestehe lediglich ein Ausschlachtungsverbot.
Rz. 7
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren. Er trägt im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur vor: Die Unzumutbarkeit des weiteren Betriebs diene nicht dem Drittschutz. Allerdings sei der Betrieb nicht unzumutbar, wenn die geltend gemachten Umstände auf einer Verletzung der Unterhaltungspflicht beruhten. Voraussetzung der Stilllegung einer Strecke sei nicht, dass diese betriebsfähig sei. Anderenfalls müsste ein Altbetreiber auch eine Strecke, an der kein Übernahmeinteresse bestehe, vor der Stilllegung in einen betriebsfähigen Zustand versetzen. Der Betreiber eines Schienenwegs sei zwar grundsätzlich verpflichtet, eine Strecke betriebsbereit und betriebssicher vorzuhalten. Hier sei von Maßnahmen jedoch aufgrund der Besonderheit abgesehen worden, dass die Strecke im Zeitpunkt der Übernahme durch die Beigeladene bereits über 25 Jahre nicht mehr betriebsbereit gewesen sei. Die sich daran anschließende Frage, ob das Übernahmeangebot einen Ausgleich für erforderliche Reparaturen hätte enthalten müssen, sei zu verneinen. Zu prüfen sei, ob das Angebot aus dem üblichen Rahmen falle, ob es nachvollziehbar oder missbräuchlich unattraktiv gestaltet sei. In der Praxis seien notwendige Reparaturen zwar beim Kauf wertmindernd berücksichtigt worden. Der übliche Pachtzins lasse dafür aber keinen Raum. Weitergehende Ausgleichszahlungen seien nicht üblich. Es liege auch kein Missbrauch vor, da die Instandsetzungskosten überwiegend auf eine Naturkatastrophe zurückzuführen seien. Die Beigeladene habe sie im Wesentlichen nicht verursacht. Einer Ausgleichspflicht stehe die Systematik der Stilllegung entgegen, nach der eine dauernde Einstellung erfolge, wenn Investitionen nicht mehr gedeckt seien. Der Betreiber habe die Wahl zwischen Investition und Stilllegung. Eine Verpflichtung, sowohl die Übernahme durch Kauf als auch durch Pacht anzubieten, bestehe nicht.
Entscheidungsgründe
Rz. 8
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Der Verwaltungsgerichtshof ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die der Beigeladenen erteilte Genehmigung zur Stilllegung der so genannten Altstadtbahn die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rz. 9
1. Beabsichtigt ein öffentliches Eisenbahninfrastrukturunternehmen die dauernde Einstellung des Betriebs bestimmter Eisenbahninfrastruktureinrichtungen, namentlich einer Strecke, so hat es ein Stilllegungsverfahren nach § 11 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes durchzuführen. Maßgeblich ist hier das Allgemeine Eisenbahngesetz in der bei Erlass der Stilllegungsgenehmigung noch geltenden Fassung vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378; berichtigt BGBl. 1994 I S. 2439), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. Mai 2015 (BGBl. I S. 824 - im Folgenden: AEG). Mit der Genehmigung der Stilllegung endet die Pflicht, die Eisenbahninfrastruktur zu betreiben.
Rz. 10
2. Der Verwaltungsgerichtshof ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beigeladene als öffentliches Eisenbahninfrastrukturunternehmen zum Betrieb der Altstadtbahn verpflichtet war und zum Zwecke der Stilllegung ein Stilllegungsverfahren durchführen musste. Dabei ist unstreitig, dass es sich um eine Strecke im Sinne des Eisenbahnrechts handelt. Denn der - jedenfalls rechtlich noch -vorhandene Schienenweg der Altstadtbahn ist dazu bestimmt, den im Ortsteil Reitmehring gelegenen Bahnhof mit der Altstadt der Beigeladenen zu verbinden (zum Streckenbegriff, vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Mai 2016 - 3 C 2.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:250516U3C2.15.0] - BVerwGE 155, 218 Rn. 17).
Rz. 11
a) Nach der Rechtsprechung des Senats ergibt sich die Betriebspflicht auf der Grundlage der hier maßgeblichen Fassung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes aus einer Zusammenschau mehrerer Bestimmungen (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2007 - 3 C 51.06 [ECLI:DE:BVerwG:2007:251007U3C51.06.0] - BVerwGE 129, 381 Rn. 13 ff.). Sie liegt der netzzugangsrechtlichen Bereitstellungspflicht der Betreiber von Schienenwegen zugrunde (§ 14 Abs. 1 Satz 1 und 3 AEG), umfasst den Bau und die Unterhaltung der Eisenbahninfrastruktur mit sämtlichen Betriebsanlagen und gebietet, diese in einem den Anforderungen an die Sicherheit entsprechenden Zustand bereit zu halten (§ 2 Abs. 3 und 3a, § 4 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 und Abs. 7 AEG). Für das Stilllegungsverfahren selbst ist geregelt, dass der Betrieb bis zur Entscheidung aufrecht zu halten ist (§ 11 Abs. 2 Satz 3 AEG). Der Gesetzgeber hat die Betriebspflicht zwischenzeitlich ausdrücklich geregelt und als neuen § 11 Abs. 1 Satz 1 in das Allgemeine Eisenbahngesetz aufgenommen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. April 2019 - 3 C 19.16 [ECLI:DE:BVerwG:2019:110419U3C19.16.0] - Buchholz 442.09 § 5a AEG Nr. 2 Rn. 24).
Rz. 12
b) Mit der Genehmigung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 3 AEG wurde der Beigeladenen der Betrieb der Altstadtbahn genehmigt und damit ihre Betriebspflicht begründet. Die Betriebspflicht setzt nicht voraus, dass der Betrieb tatsächlich aufgenommen wurde (Wachinger, in: Hermes/Sellner, AEG, 2. Aufl. 2014, § 6 Rn. 53 m.w.N.; vgl. BVerwG, Urteil vom 11. April 2019 - 3 C 8.16 [ECLI:DE:BVerwG:2019:110419U3C8.16.0] - Buchholz 442.09 § 6 AEG Nr. 1 Rn. 20; OVG Schleswig, Urteil vom 28. Januar 2016 - 4 LB 2/15 [ECLI:DE:OVGSH:2016:0128.4LB2.15.0A] - juris Rn. 58 ff. m.w.N.).
Rz. 13
Dem steht nicht entgegen, dass Eisenbahninfrastrukturunternehmen gemäß § 2 Abs. 1 AEG Unternehmen sind, die eine Eisenbahninfrastruktur betreiben, und dass diese Eigenschaft und damit die Betriebspflicht die tatsächliche Aufnahme des Betriebs voraussetzen würden (OVG Münster, Urteil vom 7. Juli 2008 - 20 A 802/07 [ECLI:DE:OVGNRW:2008:0707.20A802.07.00] - juris Rn. 9 f.). Zwar ist gemäß § 7f AEG (zuvor § 7a AEG in der Fassung vom 21. Juni 2002, BGBl. I 2191) für die Aufnahme des Betriebs neben der Genehmigung eine (Sicherheits-)Erlaubnis erforderlich. Im Sinne dieser Vorschrift wird eine Eisenbahninfrastruktur erst betrieben, wenn sie am Eisenbahnbetrieb teilnimmt, die jeweilige Infrastrukturleistung mithin tatsächlich erbracht wird (vgl. Wachinger, in: Hermes/Sellner, AEG, 2. Aufl. 2014, § 7f Rn. 19 und § 7a Rn. 39). Dieses Verständnis ist jedoch auf die Legaldefinition des Eisenbahninfrastrukturunternehmens und die Begründung der Betriebspflicht nicht zu übertragen. Mit ihm wäre bereits unvereinbar, dass sich die Betriebspflicht vorgelagert auf den Bau der Eisenbahninfrastruktur erstreckt. Es genügt, dass ein Unternehmen mit der Unternehmensgenehmigung den Betrieb der jeweiligen Eisenbahninfrastruktur zum Gegenstand seines Unternehmens macht und sich damit als Eisenbahninfrastrukturunternehmen konstituiert (vgl. die Legaldefinition des Betreibers der Schienenwege in § 2 Abs. 3a AEG). Mit der für eine bestimmte Eisenbahninfrastruktur erteilten Unternehmensgenehmigung geht die eisenbahnrechtliche Verantwortung für deren Betrieb auf den Inhaber der Genehmigung über. Sie ist - erforderlichenfalls - auch Grundlage des neben der Genehmigung (vgl. § 6 Abs. 6 AEG in der Fassung vom 29. August 2016, BGBl. I S. 2082) notwendigen zivilrechtlichen Zugriffs auf die Eisenbahninfrastruktur. Die das Eigentumsrecht beschränkende Widmung und die damit einhergehende Zweckbindung rechtfertigen eine entsprechende Anwendung von § 11 AEG; der Inhaber der Unternehmensgenehmigung einer Strecke kann verlangen, dass der Berechtigte ihm ein Übernahmeangebot unterbreitet (BGH, Urteil vom 19. Juni 2020 - V ZR 83/18 [ECLI:DE:BGH:2020:190620UVZR83.18.0] - BGHZ 226, 49 Rn. 24 ff., 29 und 31 f.). Damit wäre nicht vereinbar, die Betriebspflicht von der tatsächlichen Aufnahme des Betriebs oder einer sonstigen zusätzlichen Tätigkeit (vgl. OVG Magdeburg, Urteil vom 19. Juli 2012 - 1 L 67/11 [ECLI:DE:OVGST:2012:0719.1L67.11.0A] - juris Rn. 46 ff. und 52 f.) abhängig zu machen und auf diese Weise die zweckentsprechende Nutzung der Eisenbahninfrastruktur dem Belieben des Inhabers der Unternehmensgenehmigung zu überlassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. April 2019 - 3 C 8.16 - Buchholz 442.09 § 6 AEG Nr. 1 Rn. 18). Auf die Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs, dass die Beigeladene die Altstadtbahn von der DB Netz AG gekauft und mittels Kooperationsvertrag Personal vorgehalten hat, kommt es daher für das Entstehen der Betriebspflicht nicht an.
Rz. 14
c) Aus dem Gegenstand der Unternehmensgenehmigung und den mit ihr verbundenen Pflichten ergibt sich, dass die Beigeladene öffentliches Eisenbahninfrastrukturunternehmen ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 AEG). Das folgt unabhängig von ihrer Eigenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts daraus, dass sie als Betreiberin eines Schienenweges verpflichtet ist, den Schienenweg Netzzugangsberechtigten bereitzustellen (§ 14 Abs. 1 Satz 3 AEG).
Rz. 15
d) Die Betriebspflicht hat zum Inhalt, dass das öffentliche Eisenbahninfrastrukturunternehmen die Eisenbahninfrastruktur in einem betriebssicheren Zustand für den Eisenbahnverkehr vorzuhalten und nicht betriebssichere Strecken wieder in einen betriebssicheren Zustand zu versetzen hat. Ein Stilllegungsverfahren ist dann durchzuführen, wenn die dauernde Einstellung des Betriebs beabsichtigt wird (§ 11 Abs. 1 Satz 1 AEG). Eine im Gegensatz dazu nur vorübergehende Einstellung liegt vor, wenn die Wiederinbetriebnahme in kurzer Frist zu erwarten ist, wie dies etwa bei üblichen Reparaturen der Fall ist. Entscheidend ist, dass sich die Betriebsunterbrechung durch die Notwendigkeit der Wiederherstellung eines betriebssicheren Zustands und die dafür erforderliche Zeit rechtfertigt (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2007 - 3 C 51.06 - BVerwGE 129, 381 Rn. 13 ff.). Bei Übernahme einer nicht betriebsfähigen Strecke - wie hier der Altstadtbahn - bedeutet das, dass die Strecke in der nach den Umständen des Einzelfalls angemessenen Zeit betriebssicher wiederherzustellen ist (zur Übernahme einer zuvor förmlich stillgelegten Strecke, vgl. BVerwG, Urteil vom 11. April 2019 - 3 C 8.16 - Buchholz 442.09 § 6 AEG Nr. 1 Rn. 2 und 18). Die Betriebspflicht, deren Überwachung und Durchsetzung Aufgabe der Eisenbahnaufsicht ist (§ 5 Abs. 1, § 5a Abs. 1 und 2 AEG), hat damit tatsächlich zur Folge, dass eine stillzulegende Eisenbahninfrastruktur den an einer Übernahme interessierten Dritten in der Regel in einem betriebsbereiten und betriebssicheren Zustand angeboten wird.
Rz. 16
3. Eigene Rechte gegenüber der Genehmigung der Stilllegung kann die Klägerin allerdings nur insoweit geltend machen, wie ihr solche durch das Stilllegungsverfahren vermittelt werden.
Rz. 17
Der Verwaltungsgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Stilllegungsverfahren nach § 11 AEG einem Dritten, der ernsthaft an einer Übernahme einer Eisenbahninfrastruktur interessiert ist, subjektive Rechte vermittelt. Der Dritte hat im Falle der beabsichtigten Stilllegung des Betriebs der Strecke eines öffentlichen Eisenbahninfrastrukturunternehmens einen Anspruch auf Durchführung des Stilllegungsverfahrens und in diesem Verfahren sowohl einen Anspruch auf ein Übernahmeangebot zu den in diesem Bereich üblichen Bedingungen als auch auf Verhandlungen (§ 11 Abs. 1 Satz 2 AEG). Diese Regelungen dienen dem Ziel, den Wettbewerb zu nutzen und Dritten im Interesse des Erhalts der Eisenbahninfrastruktur die Übernahme der Infrastruktur zu ermöglichen (BVerwG, Urteil vom 25. Mai 2016 - 3 C 2.15 - BVerwGE 155, 218 Rn. 24). Die sich aus der genannten Vorschrift darüber hinaus ergebende Pflicht eines Eisenbahninfrastrukturunternehmens, im Stilllegungsverfahren darzulegen, dass ihm der Betrieb der Infrastruktureinrichtung nicht mehr zugemutet werden kann, ist hingegen nicht drittschützend. Auch davon ist der Verwaltungsgerichtshof zutreffend ausgegangen.
Rz. 18
a) Beabsichtigt ein öffentliches Eisenbahninfrastrukturunternehmen die dauernde Einstellung des Betriebs einer Strecke, so hat es dies bei der zuständigen Aufsichtsbehörde zu beantragen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 AEG) und seine Absicht zu veröffentlichen (§ 11 Abs. 1a Satz 1 AEG). Die Gründe, weshalb das Unternehmen den Betrieb dauernd einstellen möchte, sind dabei zunächst ohne Bedeutung. Auch dann, wenn das Unternehmen sich aus anderen Gründen als der Wirtschaftlichkeit von seiner Betriebspflicht befreien möchte und es damit nicht auf eine Streckenstilllegung, sondern auf eine Abgabe an Dritte zielt, ist die Veröffentlichung der Stilllegungsabsicht vorgesehen (BT-Drs. 14/8176 S. 4 ≪§ 11 Abs. 1a≫). Nach der Veröffentlichung können Dritte das Eisenbahninfrastrukturunternehmen binnen einer Frist von drei Monaten zur Abgabe eines Angebots auffordern (§ 11 Abs. 1a Satz 3 AEG). Ihnen ist dann ein Angebot für die Übernahme zu den in diesem Bereich üblichen Bedingungen zu machen und hierüber zu verhandeln (§ 11 Abs. 1 Satz 2 AEG). Die Frage, ob dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen der Betrieb nicht mehr zugemutet werden kann, spielt dabei keine Rolle. Sie wird erst dann bedeutsam, wenn die Übernahme durch einen Dritten scheitert. Nur in diesem Fall hat das Eisenbahninfrastrukturunternehmen darzulegen, dass die Verhandlungen mit den Dritten, denen ein Angebot für die Übernahme zu den in diesem Bereich üblichen Bedingungen gemacht wurde, erfolglos geblieben sind und ihm der Betrieb der Infrastruktureinrichtung nicht mehr zugemutet werden kann (§ 11 Abs. 1 Satz 2 AEG). Das gesetzgeberische Ziel, den Wettbewerb im Interesse der Erhaltung der Eisenbahninfrastruktur fruchtbar zu machen, bleibt folglich unberührt von der Frage, ob der Betrieb dem bisherigen Betreiber noch zugemutet werden kann. Entsprechend besteht kein Anlass dafür, die drittschützende Wirkung der Vorschrift hierauf zu erstrecken.
Rz. 19
b) Ein weitergehender Drittschutz ergibt sich auch nicht daraus, dass mit der Stilllegungsgenehmigung die Betriebspflicht beendet wird. Denn sie dient dem Allgemeinwohl und vermittelt Dritten keinen Schutz gegen die Stilllegung einer Eisenbahninfrastruktur. Zwar haben Eisenbahnverkehrsunternehmen das Recht, Eisenbahninfrastruktur diskriminierungsfrei zu nutzen (§ 14 AEG); Betreiber von Schienenwegen sind verpflichtet, die von ihnen betriebenen Schienenwege bereitzustellen (§ 14 Abs. 1 Satz 3 AEG). Ein fortdauernder Betrieb der Infrastruktur ist damit aber nicht geschuldet. Das Stilllegungsverfahren ermöglicht den Eisenbahninfrastrukturunternehmen, sich von der Bereitstellungspflicht zu befreien (vgl. BT-Drs. 15/3280 S. 18). Nichts anderes gilt für den Anspruch der Eisenbahninfrastrukturunternehmen, ihre Infrastruktur an eine angrenzende Infrastruktur anzuschließen (§ 13 AEG).
Rz. 20
c) Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass der Verwaltungsgerichtshof die Kritik der Klägerin an dem von der Beigeladenen eingeholten Gutachten zur Wirtschaftlichkeit einer Reaktivierung der Altstadtbahn nicht als entscheidungserheblich angesehen hat. Die Frage, ob der Betrieb der Altstadtbahn der Beigeladenen nicht mehr zugemutet werden konnte, bedurfte keiner abschließenden Beantwortung. Unbeschadet des Umstandes, dass das Gutachten im Falle eines günstigen Kosten-Nutzen-Verhältnisses eventuell eine öffentliche Förderung hätte ermöglichen können, ist allerdings nicht zu übersehen, dass der regionale Aufgabenträger, die Bayerische Eisenbahngesellschaft, die Bestellung von Leistungen des Schienenpersonennahverkehrs mangels hinreichenden Fahrgastpotentials ausgeschlossen hat. Vor diesem Hintergrund ist schwerlich zu erkennen, dass der Beigeladenen ein wirtschaftlich zumutbarer Betrieb der Strecke möglich gewesen sein sollte. Das gilt zumal mit Blick auf das von ihr verfolgte Interesse, Schienenpersonennahverkehr zu ermöglichen, dessen Aufrechterhaltung der Gesetzgeber als Ziel besonders vor Augen hatte (BT-Drs. 12/5014 S. 17 f.). Auch die Klägerin geht in ihrer Konzeption davon aus, dass notwendiger Ausgangspunkt eines Betriebs nur ein touristischer Verkehr wäre (zur Unzumutbarkeit, vgl. insbesondere Spoerr, DVBl 1997, 1309 ≪1311≫ und Kunz/Kramer, Eisenbahnrecht, Stand November 2020, § 11 AEG Rn. 42 f. einerseits sowie Hermes, in: Hermes/Sellner, AEG, 2. Aufl. 2014, § 11 Rn. 41 ff. andererseits).
Rz. 21
4. Zu Recht nimmt der Verwaltungsgerichtshof an, dass die Beigeladene nicht verpflichtet war, in ihrem Übernahmeangebot einen Ausgleich für die Kosten der Instandsetzungsmaßnahmen vorzusehen, die aufgrund der vorhandenen, bei Übernahme der Strecke von der DB Netz AG im Jahr 2004 vorgefundenen Schäden zur Wiederherstellung einer betriebsfähigen und betriebssicheren Strecke erforderlich gewesen wären.
Rz. 22
a) Ein öffentliches Eisenbahninfrastrukturunternehmen, das beabsichtigt, den Betrieb einer Eisenbahninfrastruktur dauernd einzustellen, ist verpflichtet, ernsthaft interessierten Dritten die Übernahme der Infrastruktureinrichtung zu in diesem Bereich üblichen Bedingungen anzubieten (§ 11 Abs. 1 Satz 2 AEG).
Rz. 23
Welche Bedingungen bei der Übernahme von Eisenbahninfrastruktur üblich sind, ist zunächst eine tatsächliche Frage. Eine Anknüpfung an die eher wenigen Fälle, in denen bereits vor der Bahnreform 1994 und damit vor dem Inkrafttreten der Regelung Strecken übertragen wurden, begegnet insofern Bedenken, als ein entsprechender Rechtsrahmen für eine Folgenutzung damals nicht geregelt war (vgl. Kunz/Kramer, Eisenbahnrecht, Stand November 2020, § 11 AEG Rn. 53). Der Begriff ist allerdings entwicklungsoffen. Einzubeziehen und zugrunde zu legen sind die Üblichkeiten, die sich nach der Privatisierung der Eisenbahnen des Bundes zwischen den privaten Eisenbahninfrastrukturunternehmen herausgebildet haben. Geprägt war und ist der Markt jedoch von der bis Ende 1993 bestehenden Monopolstellung der Deutschen Bundesbahn, zu deren Rechtsnachfolgern die DB Netz AG gehört. In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird bis heute davon ausgegangen, dass sich noch kein wirklich funktionierender Markt entwickelt habe (Spoerr, DVBl 1997, 1309 ≪1312≫; Kunz/Kramer, Eisenbahnrecht, Stand November 2020, § 11 AEG Rn. 53; Hermes, in: Hermes/Sellner, AEG, 2. Aufl. 2014, § 11 Rn. 52; Hellriegel/Brukwicki, in: Kühling/Otte, AEG/ERegG, 1. Aufl. 2020, § 11 AEG Rn. 51).
Rz. 24
Der Gesetzgeber hat deshalb wesentliche Aspekte der Vertragsbedingungen näher geregelt. Durch das zweite Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2191) ist die Gegenleistung für die abzugebenden Grundstücke und Eisenbahninfrastruktureinrichtungen präziser gefasst worden. Bei der Preisbildung ist die Bestimmung der Infrastruktur für Eisenbahnzwecke angemessen zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 1a Satz 4 AEG). Mit dem dritten Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 27. April 2005 (BGBl. I S. 1138) hat der Gesetzgeber weitere Klarstellungen vorgenommen. Als preisbildender Faktor ist der Ertragswert angemessen zu berücksichtigen, im Falle der Verpachtung maßgeblich. Unter dem Begriff der Übernahme sind die Vertragstypen Kauf und Pacht zu verstehen und darüber hinaus muss das Angebot den Anschluss an die angrenzende Schieneninfrastruktur umfassen (§ 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 1a Satz 4 bis 6 AEG; BT-Drs. 15/4419 S. 17).
Rz. 25
Jenseits dieser Regelungen ist die Üblichkeit jedoch bedeutsam geblieben. Sie bestimmt die Grenze zwischen dem Kontrahierungszwang, der sich aus der eisenbahnrechtlichen Bindung des Eigentums rechtfertigt, und der unternehmerischen Vertragsfreiheit. Eine Grenzziehung, die die Bestimmung des Üblichen mangels eines funktionierenden Marktes einzelnen privaten Akteuren überließe (vgl. Hermes, in: Hermes/Sellner, AEG, 2. Aufl. 2014, § 11 Rn. 52), würde erheblichen Bedenken begegnen. Der Üblichkeit in der Praxis einzelner Unternehmen, namentlich der DB Netz AG, kann daher nur indizielle Bedeutung zukommen. Sie bedarf wertender Kontrolle und einer Konkretisierung, die sich an den Wertungen des Eisenbahnrechts, namentlich dem Zweck des Stilllegungsverfahrens, zu orientieren hat. Bedingungen sind als üblich nur anzuerkennen, wenn sie sich auf der Grundlage des Eisenbahnrechts als angemessen erweisen (vgl. Spoerr, DVBl 1997, 1309 ≪1312≫; Kunz/Kramer, Eisenbahnrecht, Stand November 2020, § 11 AEG Rn. 53; VG Kassel, Beschluss vom 10. Mai 2000 - 2 G 604/00 [ECLI:DE:VGKASSE:2000:0510.2G604.00.0A] - NVwZ 2001, 112 ≪114≫).
Rz. 26
b) Auf dieser Grundlage entspricht ein Übernahmeangebot auch dann den üblichen Bedingungen, wenn es keinen Ausgleich für die unterlassene Beseitigung von Schäden der Strecke vorsieht, die ein betriebspflichtiges Eisenbahninfrastrukturunternehmen bei Übernahme der Strecke selbst vorgefunden hat. Um derartige Schäden handelt es sich bei dem durch ein Hochwasser 1987 verursachten Dammrutsch und den Schäden, die durch die anschließende faktische Stilllegung seitens der DB Netz AG und ihrer Rechtsvorgängerin entstanden sind.
Rz. 27
Das Stilllegungsverfahren regelt die Stilllegung mit dem Ziel der Erhaltung der Eisenbahninfrastruktur. Eine Eisenbahninfrastruktur, die ein Betreiber aus wirtschaftlichen Gründen einstellen will, soll für den Schienenverkehr möglichst erhalten werden, wenn ein anderer Betreiber dazu in der Lage ist (BT-Drs. 15/4419 S. 17). Ist die Grenze der Unzumutbarkeit (§ 11 Abs. 1 Satz 2 AEG) überschritten, die - wie ausgeführt - im Interesse des Allgemeinwohls Voraussetzung der Stilllegungsgenehmigung ist, steht es in der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit eines öffentlichen Eisenbahninfrastrukturunternehmens, sich von seiner Betriebspflicht zu befreien. Es hat die Wahl, seiner Betriebspflicht nachzukommen oder unter den Voraussetzungen des § 11 AEG den Betrieb einer unwirtschaftlichen Eisenbahninfrastruktur dauernd einzustellen (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2007 - 3 C 51.06 - BVerwGE 129, 381 Rn. 23 ff.).
Rz. 28
Dieses Recht würde unterlaufen, hätte das Eisenbahninfrastrukturunternehmen gegenüber einem übernahmewilligen Dritten für die Übergabe einer betriebsbereiten und betriebssicheren Infrastruktur beziehungsweise die entsprechenden Kosten einzustehen. Stehen zur Aufrechterhaltung eines sicheren Betriebs Investitionen an, weil beispielsweise das Gleis oder das Gleisbett erneuert werden muss, so erlaubt das Stilllegungsverfahren dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen, den Betrieb aus diesem Anlass und unter der Prämisse der Unzumutbarkeit einzustellen. Dasselbe gilt, wenn etwa aufgrund eines Hochwasserschadens eine Strecke gesperrt werden muss und sich der Weiterbetrieb unter Berücksichtigung der erforderlichen Wiederherstellungskosten als unwirtschaftlich und damit unzumutbar erweist (vgl. Hermes, in: Hermes/Sellner, AEG, 2. Aufl. 2014, § 11 Rn. 78). Schließlich gilt dies auch für ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen, das - wie die Beigeladene - eine faktisch stillgelegte, nicht betriebsfähige Strecke übernimmt. Stellt es fest, dass zur Erfüllung der Betriebspflicht Wiederherstellungskosten anfallen werden, die ihr den Betrieb unzumutbar machen, so hat auch dieses Unternehmen die Möglichkeit, seine Betriebspflicht im Rahmen eines Stilllegungsverfahrens zu beenden. Zwar hat es mit der Eisenbahninfrastruktur und der diesbezüglichen Genehmigung die Betriebspflicht und die damit verbundenen Lasten übernommen (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2007 - 3 C 51.06 - BVerwGE 129, 381 Rn. 33). Das führt aber nicht dazu, im Stilllegungsverfahren gegenüber übernahmewilligen Dritten nunmehr für eine wiederhergestellte Strecke einstehen zu müssen.
Rz. 29
c) Ausgehend hiervon konnte die Klägerin von der Beigeladenen einen Ausgleich für die unterlassene Beseitigung der Altschäden nicht als üblich verlangen; das Übernahmeangebot musste einen solchen Ausgleich nicht vorsehen. Darauf, dass in wenigen, nicht näher erläuterten Fällen eine Anschubfinanzierung gewährt worden sein soll (vgl. Kunz/Kramer, Eisenbahnrecht, Stand November 2020, § 11 AEG Rn. 53, 54), kommt es ebenso wenig an wie auf die Bedingungen bei der Übernahme durch die Beigeladene. Soweit die Klägerin rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe sich unzulässig auf diese Bedingungen gestützt und damit seine Aufklärungspflicht (§ 86 VwGO) verletzt, wäre zudem ein Verfahrensfehler nicht hinreichend dargelegt (§ 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO). Sie macht geltend, es seien mehrere Übernahmefälle unbefahrbarer Strecken bekannt, die sich allerdings aus anderen Gründen erledigt hätten. Deshalb sei es nicht zu einer Überprüfung der Übernahmeangebote gekommen. Selbst wenn sich anderenfalls die Frage einer Ausgleichspflicht gestellt hätte, kann sich daraus eine tatsächliche Üblichkeit der von der Klägerin geforderten Ausgleichszahlung nicht ergeben.
Rz. 30
5. Mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) nicht vereinbar ist hingegen die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, § 11 AEG führe lediglich zu einem Ausschlachtungsverbot, weshalb ungeachtet des weitergehenden Angebots der Beigeladenen bereits ein Angebot der Verpachtung zu einem symbolischen Preis der Üblichkeit genügt habe. Ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen, das seine Pflicht verletzt, ein Stilllegungsverfahren einzuleiten, hat gegenüber Übernahmeinteressenten für Verschlechterungen der Eisenbahninfrastruktur einzustehen, die auf einem Verstoß gegen die in diesem Zeitraum ebenso wie im Stilllegungsverfahren bestehende Erhaltungspflicht beruhen. Das Urteil erweist sich jedoch auch unter Berücksichtigung eines hieraus folgenden Ausgleichsanspruchs als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).
Rz. 31
a) Ein öffentliches Eisenbahninfrastrukturunternehmen muss die Stilllegung beantragen, wenn es beabsichtigt, den Betrieb einer Strecke dauernd einzustellen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 AEG). Es ist damit verpflichtet, das Stilllegungsverfahren durchzuführen und - falls es nicht zu einer Übernahme kommt - die Stilllegungsgenehmigung abzuwarten, bevor es den Betrieb einstellt. Wird eine Strecke gesperrt, so ist die damit verbundene Betriebseinstellung nicht bereits dann lediglich vorübergehend, wenn sich das Eisenbahninfrastrukturunternehmen die Entscheidung über die weitere Verwendung der Strecke noch vorbehält (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2007 - 3 C 51.06 - BVerwGE 129, 381 Rn. 34).
Rz. 32
Die Beigeladene war - wie ausgeführt - aufgrund des von ihr bei der Übernahme vorgefundenen Zustandes der Strecke zwar nur verpflichtet, die Strecke in der nach den Umständen des Falles angemessenen Zeit betriebssicher wiederherzustellen. Mit der Übernahme im Jahr 2004 war es ihr aber verwehrt, die Einleitung der für die Wiederaufnahme des tatsächlichen Betriebs erforderlichen Schritte zurückzustellen und von künftigen Entwicklungen abhängig zu machen. Gleichwohl hat die Beigeladene das Stilllegungsverfahren erst im Jahr 2012 eingeleitet. Nach dem von ihr in Auftrag gegebenen und im Dezember 2010 vorgelegten Gutachten war die Entscheidung für die Fortführung des Betriebs mit der Übernahme nicht getroffen. Das Gutachten führt aus, die Beigeladene sei bemüht gewesen, möglichst rasch eine Entscheidungsgrundlage zu schaffen. Dies sei aber erst möglich gewesen, nachdem die Bayerische Eisenbahngesellschaft ihr Betriebskonzept für die Strecke Wasserburg - Ebersberg - Grafing - München "nun" - das heißt im Jahr 2009 - vorgelegt habe.
Rz. 33
Zwar spricht manches dafür, dass das Abwarten der Beigeladenen sinnvoll gewesen sein könnte, um die Strecke zu erhalten. Auch dieses "Liegenlassen" könnte dem Ziel eines Erhalts der Infrastruktur durchaus dienlich gewesen sein (vgl. Kramer, in: FS Frotscher, 2007, S. 529 ≪554≫). Das ändert aber nichts daran, dass die Beigeladene sich die Entscheidung über das Schicksal der Strecke nicht für einen späteren Zeitpunkt hätte vorbehalten dürfen; sie hätte entweder mit der Wiederherstellung beginnen oder ein erneutes Stilllegungsverfahren einleiten müssen.
Rz. 34
b) Das Stilllegungsverfahren zielt darauf, einem anderen Eisenbahninfrastrukturunternehmen die Übernahme der Eisenbahninfrastruktur zu ermöglichen. Dem entspricht, dass vor Durchführung des Stilllegungsverfahrens und der Genehmigung der Stilllegung die Anlage nicht ausgeschlachtet werden darf (Hermes, in: Hermes/Sellner, AEG, 2. Aufl. 2014, § 11 Rn. 54; vgl. auch BGH, Urteil vom 19. Juni 2020 - V ZR 83/18 - BGHZ 226, 49 Rn. 32). Davon ist auch der Verwaltungsgerichtshof zu Recht ausgegangen. Die Pflichten des Eisenbahninfrastrukturunternehmens sind darauf jedoch nicht beschränkt.
Rz. 35
Verletzt ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen seine Pflicht, ein Stilllegungsverfahren durchzuführen, so hat es gegenüber Übernahmeinteressenten für Verschlechterungen des Zustandes der Eisenbahninfrastruktur einzustehen. Es ist im Interesse des durchzuführenden Stilllegungsverfahrens, das den Erhalt der Infrastruktur durch eine Übernahme seitens Dritter ermöglichen soll, ebenso wie im Stilllegungsverfahren verpflichtet, den Zustand der bestehenden Eisenbahninfrastruktur zu erhalten. Das verbietet nicht nur, eine Strecke auszuschlachten, sondern auch jede andere Maßnahme, die zu einer (weiteren) Beeinträchtigung der Betriebsbereitschaft und -sicherheit führt. So ist es dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen beispielsweise verwehrt, auf dem vorhandenen Schienenweg einen Fuß- und Radweg anzulegen. Die bestehende Infrastruktur ist vielmehr vor Verschlechterungen zu schützen und zu erhalten. Treten infolge einer Verletzung dieser Pflicht Verschlechterungen ein, so hat das Eisenbahninfrastrukturunternehmen hierfür einzustehen. Nur so kann verhindert werden, dass der Erhalt der Eisenbahninfrastruktur mittels Übernahme durch einen Dritten entgegen dem Ziel und unter Verletzung des Stilllegungsrechts erschwert wird. Das Übernahmeangebot muss dementsprechend einen Ausgleich für derartige Verschlechterungen vorsehen. Nur dann entspricht es den in diesem Bereich üblichen Bedingungen.
Rz. 36
c) Für diesen Ausgleichsanspruch ist das Verhalten der zuständigen Aufsichtsbehörde hinsichtlich der Durchsetzung der Betriebspflicht ohne Bedeutung. Das Stilllegungsverfahren dient weder dazu, jeder in der Vergangenheit liegenden Verletzung der Betriebspflicht nachzugehen, noch Säumnisse der Aufsichtsbehörde aufzuarbeiten. Das Verhalten der Aufsichtsbehörde kann ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen nicht von seiner Verantwortung für die Erfüllung von Pflichten entlasten, die auch dem Schutz von übernahmeinteressierten Dritten dienen. Wird etwa auf die Anordnung von Instandhaltungsmaßnahmen verzichtet, weil sich diese nachfolgend mangels Übernahme als überflüssig erweisen könnten, so läge darin kein Grund, einen Ausgleichsanspruch des übernahmeinteressierten Dritten wegen einer Zustandsverschlechterung zu verneinen.
Rz. 37
d) Der danach gegebenenfalls von dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen in seinem Übernahmeangebot vorzusehende Ausgleich beschränkt sich auf die von ihm stilllegungsrechtlich zu verantwortenden Schäden. Für Schäden, die auf eine entsprechende Pflichtverletzung eines früheren Betreibers der Strecke zurückgehen, hat das Eisenbahninfrastrukturunternehmen unbeschadet der Übernahme der Betriebspflicht nicht einzustehen. Für eine diesbezügliche Inanspruchnahme besteht keine Grundlage. Folglich sind die Verschlechterungen der Strecke, die eingetreten sind, weil die DB Netz AG und deren Rechtsvorgängerin die Strecke nach dem Hochwasserschaden 1987 faktisch stillgelegt und bis zur Übernahme durch die Beigeladene nicht weiter unterhalten haben, hier nicht zu berücksichtigen. In Betracht kommt jedoch eine Ausgleichspflicht der Beigeladenen für seither eingetretene weitere Verschlechterungen der Strecke.
Rz. 38
e) Das Urteil erweist sich aufgrund des in dem Übernahmeangebot enthaltenen Ausgleichs im Ergebnis auch insoweit als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).
Rz. 39
Die Klägerin hat im Berufungsverfahren verschiedene Maßnahmen und Säumnisse der Beigeladenen geltend gemacht und sich hierauf im Revisionsverfahren berufen. So sei mit deren Billigung der Bahnkörper im Bereich eines anderen Unternehmens überschüttet und eingezäunt worden. Er sei zudem für eine Notzufahrt eines Kraftwerks überschüttet und zur Nutzung als Fußweg freigegeben worden. Darüber hinaus sei der Bahnkörper im Bereich einer Siedlung durch einen Wassergraben angeschnitten worden und schließlich seien dadurch, dass der Bewuchs nicht zurückgeschnitten und die Entwässerungsanlagen nicht gewartet worden seien, in den letzten Jahren massive Schäden am Ober- und Unterbau der Strecke eingetreten.
Rz. 40
Jenseits der in dem Übernahmeangebot der Beigeladenen vorgesehenen Abtretung von (Rückbau-)Ansprüchen hat die Beigeladene mit ihrem Angebot einem sich hieraus ergebenden Ausgleichsanspruch hinreichend Rechnung getragen. Wie sich aus den Akten ergibt, war sie der Auffassung, dass ein Übernahmeinteressent die mit einer Verschlechterung der Strecke verbundenen Mehrkosten verlangen könne. Der angebotene Ausgleich leitete sich allerdings aus ersparten Unterhaltskosten ab. Dieser Ansatz hat keinen unmittelbaren Bezug zu den Kosten der Schadensbeseitigung. Die Klägerin geht aber nicht davon aus, dass diese Kosten den angebotenen Betrag von 440 000 € übersteigen könnten. Sie hat in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat erklärt, dass sie insoweit einen höheren Anspruch nicht geltend mache und dementsprechend eine Zurückverweisung des Rechtsstreits zur weiteren tatsächlichen Aufklärung des Sachverhalts (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) nicht erforderlich sei.
Rz. 41
6. Der Verwaltungsgerichtshof ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Infrastruktur zum Kauf oder zur Pacht anzubieten ist und ein Angebot zum Kauf jedenfalls dann nicht gemacht werden muss, wenn die Verhandlungen hierzu keinen Anlass bieten.
Rz. 42
Nach der Veröffentlichung der Stilllegungsabsicht können Dritte das öffentliche Eisenbahninfrastrukturunternehmen zur Abgabe eines Angebots auffordern (§ 11 Abs. 1a Satz 3 AEG). Dabei steht ihnen frei, eigene Vorstellungen zu formulieren; es liegt jedoch in der Hand des Eisenbahninfrastrukturunternehmens, ein Angebot für die Übernahme durch Verkauf oder Verpachtung zu machen (§ 11 Abs. 1 Satz 2 AEG). Das dritte Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 27. April 2005 (BGBl. I S. 1138) hat mit dieser Formulierung die vertraglichen Formen einer Übernahme klargestellt, unbeschadet der Möglichkeit der Beteiligten, konsensual andere Wege zu gehen. Hingegen lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen, dass das Angebot sowohl eine Option für einen Kaufvertrag als auch für einen Pachtvertrag enthalten muss. Der Umstand, dass eine Übernahme nicht zugleich durch Verpachtung und Kauf erfolgen kann, rechtfertigt keinen anderen Schluss. Können sich die Beteiligten bei ihren Verhandlungen über Kauf oder Pacht nicht verständigen, so bedarf eine Verpflichtung des Eisenbahninfrastrukturunternehmens, dem Wunsch eines übernahmeinteressierten Dritten hinsichtlich Kauf oder Pacht zu folgen, der Rechtfertigung. Dabei sind das Eigentumsrecht und auch das Interesse einer Kommune zu beachten, sich - wie die Beigeladene - die Flächen langfristig und für den Fall einer künftigen Freistellung zu sichern (§ 23 AEG). Rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten, wie etwa ein Rückfallrecht, lassen sich dabei fruchtbar machen (vgl. Spoerr, DVBl 1997, 1309 ≪1312≫). Hingegen lässt sich ein Wahlrecht des Übernahmeinteressenten nicht schon darauf stützen, es stelle nur eine geringfügige Belastung des Altbetreibers dar. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Übernahmeinteressent die eine oder andere Form der Übertragung beanspruchen kann, bedarf jedoch keiner weiteren Vertiefung.
Rz. 43
Ist - wie ausgeführt - ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen jedenfalls nicht von vornherein zu einem Angebot verschiedener Übernahmeformen verpflichtet, so muss es sich dieser Frage nur im Rahmen der gebotenen Verhandlungen (§ 11 Abs. 1 Satz 2 AEG) stellen. Der Verwaltungsgerichtshof hat bindend festgestellt (§ 137 Abs. 2 VwGO), dass die Klägerin nicht zu erkennen gegeben habe, ein Verkaufsangebot zu wollen. Damit bestand für die Beigeladene kein Anlass, die Frage eines Verkaufs zum Gegenstand der Verhandlungen zu machen und möglicherweise ein Verkaufsangebot zu unterbreiten. Darüber hinaus besteht auch kein Anhalt dafür, dass sich der zum Scheitern der Verhandlungen führende Dissens, die Frage eines Ausgleichs für Kosten der Instandsetzung der Strecke, im Rahmen eines Kaufvertrags hätte auflösen lassen.
Rz. 44
7. Nichts anderes gilt für die Regelung in § 5a Abs. 2 des Vertragsentwurfs der Beigeladenen. Danach sollte sich die Klägerin verpflichten, die Befahrbarkeit der Strecke innerhalb von zwei Jahren ab Vorliegen aller erforderlichen Genehmigungen herzustellen. Gemeinsam mit der Verpflichtung, die erforderlichen Genehmigungen unverzüglich zu beantragen (§ 2 Abs. 1 Vertragsentwurf), entspricht dies - verstärkt durch die zeitliche Vorgabe - der mit der Unternehmensgenehmigung eisenbahnrechtlich einhergehenden Betriebspflicht.
Rz. 45
Die Klägerin hat dazu in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat die Frage aufgeworfen, ob die Beigeladene diese Nebenbestimmung in ihr Angebot aufnehmen durfte, nachdem sie die Strecke selbst über viele Jahre nicht wiederhergestellt habe. Die Berechtigung einer solchen Nebenbestimmung kann zwar nicht deshalb verneint werden, weil die Beigeladene selbst ihrer Betriebspflicht nicht nachgekommen ist und dies von dem Beklagten hingenommen wurde. Andererseits lässt sich fragen, ob die Beigeladene berechtigt ist, neben der eisenbahnrechtlich bestehenden Betriebspflicht gleichsam eine zusätzliche, vertragliche Betriebspflicht zu begründen. Das müsste sich als üblich und damit angemessen aus dem Eigentumsrecht der Beigeladenen oder ihren kommunalen Interessen rechtfertigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1988 - 4 C 48.86 - BVerwGE 81, 111 ≪118≫). Ob und inwieweit das der Fall ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Frage im Zusammenhang mit dem umstrittenen und zur Beendigung der Verhandlungen führenden finanziellen Ausgleich bedeutsam gewesen sein könnte, weshalb die - unterstellt unzulässige - Nebenbestimmung für die Erfolglosigkeit der Verhandlungen nicht ursächlich und damit für die Rechtmäßigkeit der Stilllegungsgenehmigung nicht erheblich war.
Rz. 46
8. Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof schließlich erkannt, dass die Stilllegungsgenehmigung die Klägerin auch nicht mit Blick auf die Verhandlungspflicht in ihren Rechten verletzt.
Rz. 47
Ein öffentliches Eisenbahninfrastrukturunternehmen hat im Stilllegungsverfahren darzulegen, dass Verhandlungen mit den übernahmeinteressierten Dritten erfolglos geblieben sind (§ 11 Abs. 1 Satz 2 AEG). Damit bringt das Gesetz die Verpflichtung zum Ausdruck, über das Angebot ernsthaft in Verhandlungen einzutreten und auf diesem Wege nach Möglichkeiten einer Verständigung zu suchen. Entspricht das Angebot in der Gestalt, wie es in den Verhandlungen zuletzt unterbreitet wurde, nicht den in diesem Bereich üblichen Bedingungen, so kann die Stilllegung bereits aus diesem Grund nicht genehmigt werden. Eigenständig bedeutsam kann die Verhandlungspflicht werden, wenn das Eisenbahninfrastrukturunternehmen sich weigert, sich jenseits seines Angebots mit den Vorstellungen der Dritten auseinanderzusetzen. Vereitelt es, dass die Möglichkeit geklärt wird, auf der Grundlage üblicher Bedingungen zu einer Verständigung zu kommen, so kann die Stilllegung nicht genehmigt werden. Hingegen endet die Verhandlungspflicht, wenn sich im Rahmen der Verhandlungen auch nur in einem entscheidenden Punkt eine unüberbrückbare Differenz ergibt.
Rz. 48
Nach den nicht mit Verfahrensrügen (§ 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO) angegriffenen und damit bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs (§ 137 Abs. 2 VwGO) sind in den Sondierungsgesprächen mehrere Entwürfe eines Pachtvertrags diskutiert worden, wobei zentraler Streitpunkt der von der Klägerin geforderte Ausgleich geblieben ist. Da sich die Beigeladene auf die (weitergehende) Ausgleichsforderung der Klägerin nicht einlassen musste und die Klägerin auf das letzte Angebot der Beigeladenen nicht eingegangen war, waren die Verhandlungen erfolglos geblieben.
Rz. 49
Soweit die Klägerin demgegenüber geltend macht, in den Sondierungsgesprächen seien die von ihr eingebrachten Wünsche nicht diskutiert worden, hat der Verwaltungsgerichtshof dazu keine Feststellungen getroffen. Ungeachtet dessen war die Beigeladene angesichts der unüberbrückbar gebliebenen Frage der Ausgleichsforderung nicht gehalten, weiteren Fragen und Wünschen nachzugehen - etwa dem Wunsch nach einer Gesprächsrunde mit außenstehenden Dritten.
Rz. 50
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.
Fundstellen
Haufe-Index 14357034 |
BVerwGE 2021, 293 |
DÖV 2021, 502 |
JZ 2021, 209 |
UPR 2021, 199 |