Entscheidungsstichwort (Thema)
Abkömmlinge. Aufnahmebescheid. Aussiedler. Familienangehörige. Familienzusammenführung. Spätaussiedler. Vertrauensschutz. Zuzugsgenehmigung
Leitsatz (amtlich)
Die Regelung des § 94 BVFG a.F. über den Zuzug von Angehörigen Vertriebener ist nach Aufhebung der Vorschrift durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz ab dem 1. Januar 1993 nicht mehr für den unter §§ 1 bis 3 BVFG fallenden Personenkreis anzuwenden.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; AuslG §§ 22-23; BVFG § § 1 ff., §§ 6, 8 Abs. 2, §§ 27, 100, 94 a.F.
Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Entscheidung vom 23.05.2000; Aktenzeichen 10 S 3032/98) |
VG Stuttgart (Entscheidung vom 08.07.1998; Aktenzeichen 7 K 6334/97) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 23. Mai 2000 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin, die 1990 aus Kasachstan ins Bundesgebiet gekommen ist und 1991 einen Vertriebenenausweis erhalten hat, erstrebt die Genehmigung des Zuzugs ihrer Tochter V.S. und ihres Enkels A.R., die sich beide in Kasachstan aufhalten.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragte mit Schreiben vom 17. September 1996 namens ihrer Familie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung gemäß § 94 BVFG a.F für ihre Tochter und ihren Enkel. Zur Begründung brachte er vor, nach § 100 BVFG sei § 94 BVFG a.F. auf Personen im Sinne der §§ 1 bis 3 BVFG weiterhin anwendbar. Diesem Personenkreis seien die Klägerin und ihr Ehemann zuzurechnen. Beide seien hilfsbedürftig.
Die Ausländerbehörde der Beklagten lehnte mit Bescheid vom 16. Oktober 1996 unter der Kopfzeile „Ausländerangelegenheit V.S. und A.R.” den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, § 94 BVFG a.F. sei durch das am 1. Januar 1993 in Kraft getretene Kriegsfolgenbereinigungsgesetz ersatzlos abgeschafft worden. Den gegen den Bescheid eingelegten Widerspruch, den das Regierungspräsidium Stuttgart der Tochter und dem Enkel der Klägerin zuordnete, wies dieses mit Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 1997 unter Bestätigung der Rechtsauffassung der Beklagten zurück. Mit Schreiben vom 16. Mai und 15. August 1997 wies der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte darauf hin, dass der auf Familienzusammenführung gerichtete Antrag der Klägerin lediglich für deren Tochter und Enkel beschieden worden sei. Er bat darum, auch den Antrag der Klägerin – deren Ehemann war inzwischen verstorben – zu bescheiden. Anderenfalls müsse – wie bereits bezüglich des an die Tochter und den Enkel gerichteten Widerspruchsbescheids geschehen – Klage erhoben werden.
Mit ihrer im Oktober 1997 erhobenen Klage hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verpflichten, ihrer Tochter und ihrem Enkel eine Zuzugsgenehmigung gemäß § 94 BVFG a.F. zur Familienzusammenführung zu erteilen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, da es an der Passivlegitimation der Beklagten fehle.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Klägerin durch Urteil vom 23. Mai 2000 zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage scheitere nicht bereits an der fehlenden Passivlegitimation der Beklagten. Der um Rechtsschutz nachsuchende Vertriebene, der nach § 94 BVFG a.F. befugt gewesen sei, die Erlaubnis zur Einreise und zum Aufenthalt seiner Angehörigen zu beantragen, sei im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes berechtigt, die Weitergeltung der bisherigen materiellen Rechtsgrundlage gegenüber jeder der bisher am Verfahren beteiligten Behörden, d.h. neben dem Bundesverwaltungsamt auch gegenüber der Ausländerbehörde geltend zu machen.
Der mit Wirkung vom 1. Januar 1993 aufgehobene § 94 BVFG a.F. gehöre nicht zu den Vorschriften, deren weitere Anwendung § 100 Abs. 1 BVFG anordne. Der Zweck des § 100 Abs. 1 BVFG bestehe darin, für die Personen im Sinne der §§ 1 bis 3 BVFG auch künftig das bisherige Vertriebenenrecht – mit den aus den nachfolgenden Absätzen sich ergebenden Einschränkungen – weiter gelten zu lassen. Bei § 94 BVFG a.F. handle es sich aber nicht ausschließlich um eine Bestimmung des Vertriebenenrechts. Die Vorschrift habeauch ausländerrechtlichen Charakter. Ausweislich der Gesetzesbegründung zur Aufhebung des § 94 BVFG sei diese Bestimmung in Bezug auf Spätaussiedler u.a. deshalb entbehrlich geworden, weil durch das am 1. Januar 1991 in Kraft getretene neue Ausländergesetz eine bundeseinheitliche Regelung über den Nachzug ausländischer Familienangehöriger von Deutschen getroffen worden sei. Hieraus folge, dass ab dem In-Kraft-Treten des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes das vertriebenenrechtlich bestimmte Sonderausländerrecht des § 94 BVFG a.F. in das allgemeine Ausländerrecht überführt werden sollte. Mit dieser Zielsetzung sei eine Fortgeltung des § 94 BVFG a.F. nicht nur für Spätaussiedler, sondern auch für den Personenkreis der §§ 1 bis 3 BVFG und damit für einen faktisch unüberschaubaren Zeitraum nicht vereinbar. Art. 3 Abs. 1 GG gebiete keine andere Auslegung. Denn es sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten habe, indem er den Familiennachzug, auch soweit er den Personenkreis der §§ 1 bis 3 BVFG betreffe, einer einheitlichen Regelung durch das Ausländerrecht zugeordnet habe.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Aus dem Wortlaut des § 100 BVFG ergebe sich eindeutig, dass § 94 BVFG a.F. auf den Personenkreis im Sinne von §§ 1 bis 3 BVFG anzuwenden sei. Der in dem klaren Gesetzeswortlaut zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers beruhe nicht auf einem Irrtum, sondern entspreche seinem tatsächlichen Wollen. Es komme nicht darauf an, dass § 94 BVFG a.F. in Zukunft zunehmend in Anspruch genommen würde, wenn die hier lebenden Personen im Sinne von §§ 1 bis 3 BVFG älter und hilfsbedürftig würden. Auch ergebe sich aus der Aufhebung des § 94 BVFG a.F. keine Vereinheitlichungstendenz. Während für Spätaussiedler und deren Abkömmlinge eine Regelung geschaffen worden sei, die den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ermögliche und damit eine Familienzusammenführung auf Grund des § 94 BVFG a.F. entbehrlich mache, sei der ursprünglich von dieser Vorschrift erfasste Personenkreis weiter auf sie angewiesen. Darüber hinaus vertrete das Berufungsgericht zu Unrecht die Auffassung, Art. 3 Abs. 1 GG sei hier irrelevant. Schließlich ergebe sich die Anwendbarkeit des § 94 BVFG a.F. aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes.
Die Beklagte und der Oberbundesanwalt treten der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Berufungsurteil beruht nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht.
1. Die Klage ist als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig.
Die Klägerin kann im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen, durch die Unterlassung der Erteilung der begehrten Genehmigung in dem von ihr behaupteten Recht aus § 94 BVFG in der Fassung des Eingliederungsanpassungsgesetzes vom 22. Dezember 1989 (BGBl I S. 2398)– im Folgenden: § 94 BVFG a.F. – verletzt zu sein, da dieses nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise nicht bestehen oder ihr nicht zustehen kann (vgl. auch Urteil vom 27. August 1996 – BVerwG 1 C 8.94 – BVerwGE 102, 12 ≪15≫).
2. Die Klage ist aber unbegründet.
Das Klagebegehren ist wie der bei der Ausländerbehörde gestellte Antrag ausdrücklich auf § 94 BVFG a.F. beschränkt. Andere sonst denkbare Anspruchsgrundlagen (vgl. § 23 Abs. 4 i.V.m. § 22 AuslG) sind daher nicht Gegenstand der Klage. Es spricht vieles für die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Klage schon deshalb keinen Erfolg haben kann, weil die Beklagte als Rechtsträgerin der Ausländerbehörde für den geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer sog. Zuzugsgenehmigung nach § 94 BVFG a.F. (vgl. Urteil vom 12. Mai 1992 – BVerwG 1 C 54.89 – BVerwGE 90, 173 ≪179≫) nicht zuständig und schon aus diesem Grunde nicht passiv legitimiert ist. Die Klage muss aber jedenfalls auch aus den folgenden Gründen erfolglos bleiben.
a) Die Klägerin kann den von ihr geltend gemachten Anspruch nicht aus § 94 BVFG a.F. herleiten. Diese Vorschrift sieht zwar vor, dass, sofern die Einreise in den oder der Aufenthalt in dem Geltungsbereich des Gesetzes von einer Erlaubnis abhängt, diese nicht verweigert werden darf, wenn sie ein in § 1 Abs. 1 oder 2 BVFG genannter Vertriebener für seine in § 94 Abs. 2 BVFG a.F. genannten Angehörigen zum Zweck der Familienzusammenführung beantragt. Nach § 94 Abs. 2 BVFG a.F. gilt als Familienzusammenführung im Sinne des Absatzes 1 der Vorschrift u.a. die Zusammenführung von volljährigen Kindern zu hilfsbedürftigen Eltern (Nr. 4) und von minderjährigen Enkelkindern zu den Großeltern, falls die Eltern nicht mehr leben oder sich der Kinder nicht annehmen können (Nr. 6). § 94 BVFG a.F. ist aber durch Art. 1 Nr. 32 des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S. 2094) – KfbG – mit Wirkung zum 1. Januar 1993 aufgehoben und durch eine Vorschrift mit anderem Regelungsinhalt ersetzt worden.
b) Die weitere Anwendbarkeit des § 94 BFVG a.F. ergibt sich nicht aus § 100 Abs. 1 BVFG. Nach dieser durch Art. 1 Nr. 40 KfbG eingeführten Übergangsbestimmung finden auf Personen im Sinne der §§ 1 bis 3 BVFG, zu denen die Klägerin gehört, die vor dem 1. Januar 1993 geltenden Vorschriften mit gewissen – hier nicht einschlägigen Ausnahmen – Anwendung. § 100 BVFG ist indessen entgegen der Auffassung der Revision nur scheinbar eindeutig. Aus dem Umstand, dass das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz einerseits in Art. 1 Nr. 32 § 94 BVFG a.F. aufhebt, andererseits aber gleichzeitig in Art. 1 Nr. 40 durch § 100 BVFG grundsätzlich die Weitergeltung des bisherigen Rechts für Personen im Sinne der §§ 1 bis 3 BVFG anordnet, bedarf es einer Auslegung in der Weise, dass sowohl Art. 1 Nr. 32 KfbG als auch § 100 BVFG ein Sinn zukommt (vgl. Urteil vom 21. Oktober 1997 – BVerwG 9 C 46.96 – Buchholz 412.3 § 1 BVFG Nr. 54 = NVwZ-RR 1998, 400 ≪401≫ zu § 18 BVFG a.F.). Dabei ist primär auf die Zwecke abzustellen, die nach dem Willen des Gesetzgebers mit der Einführung der Übergangsvorschrift des § 100 Abs. 1 BVFG einerseits und der Aufhebung der die Familienzusammenführung regelnden Bestimmung des § 94 BVFG a.F. andererseits verfolgt worden sind.
Wie sich aus der Begründung des Regierungsentwurfs ergibt, soll § 100 Abs. 1 BVFG sicherstellen, dass „für Personen im Sinne der §§ 1 bis 3 auch künftig das bisherige Vertriebenenrecht – mit den aus Absatz 2 folgenden Einschränkungen zu § 15 – uneingeschränkt weiterhin anzuwenden ist” (BTDrucks 12/3212 S. 27). § 100 BVFG will also dem Personenkreis der §§ 1 bis 3 BVFG den Bestand an vertriebenenrechtlichen Rechtspositionen erhalten, den ihm das Bundesvertriebenengesetz alter Fassung eingeräumt hatte. Nicht zu diesem aufrechterhaltenen Bestand zählt indes § 94 BVFG a.F., unabhängig davon, welche Rechtsansprüche die Bestimmung im Einzelnen verliehen hat.
§ 94 BVFG a.F. bezweckte die Zusammenführung getrennter Familien, die Vertriebenen schon vor dem In-Kraft-Treten des Grundgesetzes ermöglicht und auch danach fortgeführt worden ist, selbst wenn die zuziehenden Familienangehörigen noch nicht Deutsche waren und einen eigenen Anspruch auf Einreise noch nicht geltend machen konnten (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zur Änderung des § 94 BVFG durch das Eingliederungsanpassungsgesetz, BTDrucks 11/5110 S. 18). Antragsberechtigt waren dabei, wie bereits dargelegt, Vertriebene i.S.v. § 1 Abs. 2 oder 3 BVFG. Nach der Begründung zum Regierungsentwurf des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes ging der Gesetzgeber davon aus, dass § 94 BVFG a.F. durch die Rechtsentwicklung entbehrlich geworden war. Der weitaus größte Teil der hier begünstigten Angehörigen erfülle ohnehin selbst die Voraussetzungen für die Feststellung der Spätaussiedlereigenschaft; insoweit bedürfe es keiner weiteren Regelung (BTDrucks 12/3212 S. 27). Bezogen auf die Neuregelung hielt der Gesetzgeber danach eine dem § 94 BVFG a.F. vergleichbare Vorschrift nicht mehr für erforderlich; für den früher begünstigten Personenkreis sollte auch eine übergangsweise Fortgeltung des § 94 BVFG a.F. ausgeschlossen sein.
Das Revisionsvorbringen ändert hieran nichts. Der Hinweis des Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat, der Gesetzgeber sei sich hinsichtlich des die Voraussetzungen für die Feststellung der Spätaussiedlereigenschaft erfüllenden Personenkreises nicht des Umstands bewusst gewesen, dass in der späteren Rechtsprechung der Beherrschung der deutschen Sprache stärkeres Gewicht zukommen würde, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Dieses Vorbringen übersieht, dass bereits in der Begründung des Regierungsentwurfs zur Neufassung des § 6 BVFG die wesentliche Bedeutung der Beherrschung der deutschen Sprache für die Feststellung der deutschen Volkszugehörigkeit hervorgehoben wird (BTDrucks 12/3212, S. 23) und die in Rede stehende Rechtsprechung zu § 6 BVFG n.F. nur die Vorstellungen des Gesetzgebers nachvollzogen hat (vgl. Urteil vom 12. November 1996 – BVerwG 9 C 8.96 – BVerwGE 102, 214 ≪216, 220≫). Im Übrigen beziehen sich die oben wiedergegebenen Darlegungen aus der Entwurfsbegründung allgemein auf alle Angehörigen von Vertriebenen und nicht nur auf solche aus den Republiken der ehemaligen Sowjetunion.
Darüber hinaus handelt es sich bei § 94 BVFG a.F., wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, nicht um eine ausschließlich vertriebenenrechtliche Bestimmung. § 94 BVFG a.F. hat vielmehr auch ausländerrechtlichen Charakter, weil er die Einreise und den Aufenthalt von Familienangehörigen Vertriebener – unter gegenüber dem allgemeinen Ausländerrecht erleichterten Voraussetzungen – zum Gegenstand hat. Damit hat die Vorschrift eine – von dem oben erwähnten Schutzzweck des § 100 BVFG nicht umfasste – Steuerungsfunktion hinsichtlich des Zuzugs der in Rede stehenden Familienangehörigen, die als Ausländer in das Bundesgebiet einreisen wollen.
Mit der Aufhebung des § 94 BVFG a.F. durch Art. 1 Nr. 32 KfbG wollte der Gesetzgeber deshalb ersichtlich auch dem Umstand Rechnung tragen, dass durch das am 1. Januar 1991 in Kraft getretene neue Ausländergesetz eine bundeseinheitliche Regelung über den Nachzug ausländischer Familienangehöriger von Deutschen getroffen worden ist (vgl. auch hierzu die Begründung des Regierungsentwurfs, BTDrucks 12/3212 S. 27). Soweit in der erwähnten Entwurfsbegründung weiter dargelegt wird, die im neuen Ausländergesetz enthaltene Regelung über den Nachzug ausländischer Familienangehöriger von Deutschen gelte uneingeschränkt „auch” für die Familienangehörigen eines Spätaussiedlers, der Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG ist, wird damit nicht zum Ausdruck gebracht, dass diese Regelung im Ausländergesetz nicht für den vor In-Kraft-Treten des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes von § 94 BVFG a.F. erfassten Personenkreis gelten soll. Die im Bundesvertriebenengesetz enthaltene ausländerrechtliche Spezialregelung, die – wie das Berufungsgericht dargelegt hat – rechtssystematisch schwer einzuordnen war, sollte vielmehr in das allgemeine Ausländerrecht (vgl. namentlich § 23 Abs. 1 bis 3 sowie Abs. 4 i.V.m. § 22 AuslG) übergeführt werden. Mit dieser Zielsetzung wäre eine praktisch unbegrenzte Fortgeltung des § 94 BVFG a.F. nicht vereinbar. Das Berufungsgericht hat hierzu dargelegt, dass gerade § 94 Abs. 2 Nr. 4 BVFG a.F. noch für lange Zeit und in Zukunft eher zunehmend in Anspruch genommen würde, da der begünstigte im Bundesgebiet lebende Personenkreis immer älter und ggf. auch hilfsbedürftig würde (vgl. auch § 94 Abs. 2 Nrn. 5 und 6 erste Alternative BVFG a.F., die ebenfalls auf Hilfsbedürftigkeit abstellen). Dies liefe den allgemeinen Intentionen des Bundesgesetzgebers hinsichtlich der Steuerung des Nachzugs ausländischer Familienangehöriger von Deutschen zuwider (vgl. auch die im Allgemeinen Teil der Entwurfsbegründung ≪BTDrucks 12/3212 S. 19 f.≫ enthaltenen grundsätzlichen Erwägungen hinsichtlich der weiteren Aussiedlung in die Bundesrepublik Deutschland; zum politischen Zusammenhang mit der Änderung des Grundrechts auf Asyl vgl. ferner etwa Alexy, NVwZ 1993, 1171).
Eine andere Beurteilung rechtfertigen weder die von der Revision zugunsten einer Betreuung hilfsbedürftiger Vertriebener durch Familienangehörige angeführten rechtspolitischen Erwägungen noch die Darlegungen der Revision zu der seit dem 1. Januar 1993 geltenden Neuregelung des Vertriebenenrechts. Zwar enthält § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG eine Regelung zugunsten der Ehegatten und Abkömmlinge von Personen, die nach Verlassen der Aussiedlungsgebiete die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (vgl. auch § 4 Abs. 3, § 7 Abs. 2, § 15 Abs. 2 BVFG). Rechtssystematisch wird aber – insbesondere mit der Konstruktion der an einen entsprechenden Antrag gebundenen Einbeziehung in den Aufnahmebescheid – ein anderer Weg gewählt als im Falle des § 94 BVFG a.F. Auch ist der durch § 27 BVFG begünstigte Kreis der Familienangehörigen deutlich enger gezogen als nach § 94 BVFG a.F., so dass durchaus ein Anwendungsbereich für das allgemeine Ausländerrecht besteht, namentlich für die nicht nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG in den Aufnahmebescheid einbezogenen Familienangehörigen. Hinzu kommt, dass die Einbeziehung eines Ehegatten oder Abkömmlings in den Aufnahmebescheid grundsätzlich nicht mehr möglich ist, wenn die Bezugsperson die Aussiedlungsgebiete verlassen hat (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes, BTDrucks 12/3212 S. 26). Zu keinem anderen Ergebnis führen schließlich die Hinweise der Revision auf § 8 Abs. 2 BVFG, weil diese Vorschrift grundsätzlich keine dem in Rede stehenden Anspruch nach § 94 BVFG a.F vergleichbare Position verleiht.
Dass die Vorschrift des § 94 BVFG a.F. auch für den Personenkreis der §§ 1 bis 3 BVFG nicht fortgilt, ist entgegen der Ansicht der Revision weder gleichheitswidrig noch gar willkürlich (Art. 3 Abs. 1 GG). Der Gesetzgeber hat sich mit dieser Entscheidung innerhalb des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums gehalten. Die hierfür maßgeblichen Gründe sind von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die Folgen der gesetzlichen Neuregelung für den ursprünglich durch § 94 BVFG a.F. begünstigten Personenkreis rechtfertigen. Dass das Bundesvertriebenengesetz in der Fassung des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes für Familienangehörige von Spätaussiedlern teilweise günstigere Bestimmungen vorsieht (vgl. aber auch die Kontingentierung nach § 27 Abs. 3 und 4 BVFG), führt zu keinem abweichenden Ergebnis, zumal der Gesetzgeber – wie oben bereits ausgeführt – darauf abgestellt hat, dass der weitaus größte Teil der ursprünglich durch § 94 BVFG a.F. erfassten Angehörigen ohnehin selbst die Voraussetzungen für die Feststellung der Spätaussiedlereigenschaft erfüllt. Soweit dies nicht der Fall ist, liegt keine unangemessene Belastung in dem Umstand, dass die in Rede stehenden Personen auf die einschlägigen Bestimmungen des Ausländergesetzes verwiesen werden. Soweit im Übrigen Besserstellungen der Angehörigen von Spätaussiedlern bestehen, beziehen sie sich auf ein neues Regelungssystem, mit dem der Gesetzgeber den Veränderungen in den früheren Ostblockstaaten Rechnung getragen und die Aufnahme der dort lebenden deutschen Volkszugehörigen auf eine neue Grundlage gestellt hat (vgl. Urteil vom 3. März 1998 – BVerwG 9 C 3.97 – BVerwGE 106, 191 ≪193 ff.≫).
Zu Unrecht beruft sich die Klägerin schließlich auf verfassungsrechtliche Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes. Die Klägerin konnte nicht darauf vertrauen, dass der Gesetzgeber die in § 94 BVFG a.F. geregelten – im Übrigen bereits durch das Eingliederungsanpassungsgesetz vom 22. Dezember 1989 deutlich enger gefassten – Voraussetzungen des Familiennachzugs nicht für die Zukunft modifizieren würde (vgl. auch zum Fehlen von Vertrauensschutz hinsichtlich der durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz geänderten Voraussetzungen für den Erwerb eines Rechtsstatus nach dem Bundesvertriebenengesetz Urteil vom 29. August 1995 – BVerwG 9 C 391.94 – BVerwGE 99, 133 ≪138≫). Die Klägerin hat auch somit keine schützenswerten Vertrauensgesichtspunkte aufgezeigt.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Paetow, Dr. Mallmann, Dr. Hahn, Hund, Richter
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 05.12.2000 durch Battiege Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen