Entscheidungsstichwort (Thema)
Postulationsfähigkeit. Prozessvertretung für juristische Personen des öffentlichen Rechts. Diplomjurist im gehobenen Dienst
Leitsatz (amtlich)
Ein Diplomjurist, der im gehobenen Dienst einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer Behörde steht, kann diese nicht gemäß § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO vor dem Bundesverwaltungsgericht vertreten (wie Beschluss vom 30. August 2001 – BVerwG 9 VR 6.01).
Normenkette
VwGO § 67 Abs. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
I.
Die klagende Stadt wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss der Beklagten zur Beseitigung des Bahnübergangs km 91,7 (Ortslage Genthin, Poststraße) der Eisenbahnstrecke 6110 (Eilsleben) – Magdeburg – Berlin. Dieser Bahnübergang war bereits Gegenstand eines anderen Planfeststellungsbeschlusses, den die Beklagte am 1. Dezember 1994 für das Bauvorhaben Ausbaustrecke Helmstedt – Magdeburg – Berlin (Ausbau und Elektrifizierung) erließ. Darin hieß es u.a.:
„Aus Gründen der Sicherheit und der Abwicklung des Verkehrs ist es erforderlich, den Bahnübergang (km 91,730) durch eine Verbindungsstraße zur B 1 für den Kfz-Verkehr sowie durch eine Eisenbahnüberführung über einen Fuß- und Radweg zu ersetzen.
Ersatzmaßnahmen zur Vorbereitung der Schließung des Bahnübergangs sind Bestandteil der Kreuzungsvereinbarung zwischen der DB AG, vertreten durch die Planungsgesellschaft Deutsche Einheit mbH, dem Straßenbauamt Magdeburg und der Stadt Genthin vom 04.07.1994/01.09.1994/07.10.1994.
Der Bahnübergang Poststraße (km 91,730) ist bis zur Fertigstellung der unten aufgeführten Ersatzmaßnahme mit einer EBÜT-80-Anlage als Zwischenlösung auszurüsten.”
Als Ersatzmaßnahmen nannte der Planfeststellungsbeschluss vom 1. Dezember 1994 den Neubau einer Eisenbahnüberführung über einen Fuß- und Radweg am Streckenkilometer 91,820, den Bau von beiderseitigen Rampen, die Verlängerung der Eisenbahnüberführung (km 91,820) durch eine Straßenüberführung des Schwarzen Weges, den Bau einer Verbindungsstraße zwischen B 107 und B 1, die Anbindung der alten B 107 und den Bau von Gehwegen beiderseits der zu bauenden Verbindungsstraße zwischen B 107 und B 1. Diese Ersatzmaßnahmen waren Gegenstand der erwähnten Kreuzungsvereinbarung.
Im Oktober 1998 beantragte die Beigeladene die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens für die Beseitigung des Bahnübergangs Poststraße. Innerhalb der bis zum 18. Februar 1999 laufenden Einwendungsfrist erhob die Klägerin Einwendungen. Dabei wies sie darauf hin, dass aufgrund veränderter Verkehrsverhältnisse für die Stadt Genthin der Generalverkehrsplan der Stadt angepasst worden sei. Die Schließung der Bahnübergänge sei in die Untersuchungen zum Generalverkehrsplan einbezogen worden. Dabei sei festgestellt worden, dass die Nutzungsmöglichkeit eines niveaugleichen Bahnübergangs in der Poststraße aus verkehrsplanerischer und städtebaulicher Sicht sinnvoll erscheine. Als Belange gegen die Schließung seien anzuführen:
- kurze Wegstrecken für den Binnenverkehr zwischen dem südlichen Wohngebiet und dem Innenstadtbereich,
- Aufrechterhaltung und Ausbau eines attraktiven ÖPNV,
- Bündelungseffekte und Minimierung der Transportleistungen bei der Versorgung des Einzelhandels,
- Reduzierung der Fahrtzeiten für medizinischen Rettungsdienst, Feuerwehr- und Polizeischutz,
- Vermeidung von Steigungswiderständen für den Rad- und Fußgängerverkehr unter Berücksichtigung des subjektiven Sicherheitsgefühls der Betroffenen.
Mit Beschluss vom 26. Februar 2001 stellte das Eisenbahn-Bundesamt den Plan für die Beseitigung des Bahnübergangs Poststraße fest. Zu den Einwendungen der Klägerin wurde ausgeführt, dass ihre Rechte durch die Planung nicht verletzt würden. Sämtliche eingebrachten Belange seien in die Abwägung mit dem Ergebnis eingestellt worden, dass sie der Beseitigung des Bahnübergangs nicht entgegenständen. Unabhängig hiervon sei auf die Kreuzungsvereinbarung zu verweisen, die von der Klägerin nicht gekündigt worden sei. Es sei deshalb davon auszugehen, dass die von der Klägerin vorgetragenen Belange nicht auf einer wesentlichen, nachteiligen Änderung der Verkehrsverhältnisse in ihrem Gebiet basierten. Jedenfalls seien solche Änderungen nicht dargelegt worden. Im Übrigen habe die Klägerin selbst im Anhörungsverfahren zur Planfeststellung für den Ausbau und die Elektrifizierung der Eisenbahnstrecke ausdrücklich die Beseitigung des Bahnübergangs Poststraße und weiterer Bahnübergänge in ihrem Stadtgebiet einschließlich der Schaffung von Ersatzmaßnahmen gefordert. Dieser Planungswille sei auch im Generalverkehrsplan der Klägerin niedergelegt worden und Anlass für den Abschluss der den Bahnübergang Poststraße und zwei weitere Bahnübergänge betreffenden Kreuzungsvereinbarungen gewesen. Eine Beeinträchtigung der Selbstverwaltungsgarantie der Klägerin sei nicht erkennbar.
Gegen den ihr am 20. März 2001 zugestellten Planfeststellungsbeschluss hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 17. April 2001 – per Fax eingegangen am selben Tage – Klage erhoben. Die Klageschrift ist von der Stadtoberamtsrätin Dipl.-Jur. P. unterzeichnet. Ein von einem beauftragten Rechtsanwalt eingereichter Schriftsatz zur Begründung der Klage ist am 29. Mai 2001 eingegangen.
Zur Begründung ihrer Klage führt die Klägerin aus, der Planfeststellungsbeschluss enthalte eine offensichtliche und ergebnisrelevante Verletzung des Abwägungsgebots nach § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG. Die Initiative zur Beseitigung der innerstädtischen Bahnübergänge sei nicht von der Klägerin ausgegangen. Für sie gebe es keinen Grund für eine solche Schließung. Die vorhandenen Bahnübergänge hätten bisher eine Teilung der Stadt durch die Bahnstrecke verhindert. Sicherheitsgründe sprächen nicht für die Beseitigung der Bahnübergänge. Bei einer optimalen Anpassung der Geschwindigkeit der Züge hätten die Bahnübergänge auch sicherheitstechnisch ausgereicht, zumal hier im Notfall auch Rettungsfahrzeuge die Bahnstrecke queren könnten. Da die Poststraße nicht in ihrer Baulast gestanden habe, habe sie keine Möglichkeit gehabt, die Schließung der Bahnübergänge zu verhindern. Für sie sei es beim Abschluss der Kreuzungsvereinbarung lediglich darum gegangen, ihre städteplanerischen Interessen möglichst weitgehend abzusichern. Im Übrigen gehe aus dem überarbeiteten Generalverkehrsplan der planerische Wille zur Beseitigung des Bahnübergangs nicht mehr hervor. Aufgrund geänderter Verkehrsverhältnisse sei im Endbericht die Nutzungsmöglichkeit eines niveaugleichen Bahnübergangs in der Poststraße vom beauftragten Planungsbüro empfohlen worden. Diese Einschätzung werde durch Stadtratsbeschlüsse bestätigt und auf diese Weise zum Inhalt des Generalverkehrsplans. Die Ersatzmaßnahmen führten nicht zu angemessenen Querungsmöglichkeiten. Nachteile ergäben sich insbesondere für behinderte Menschen und für Kraftfahrzeuge. Transport- und Versorgungswege verlängerten sich, die Notfall- und Katastrophenversorgung sei nicht mehr gewährleistet. Der öffentliche Personennahverkehr werde durch die Schließung stark beeinträchtigt. Darüber hinaus komme es zu Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil der innerstädtischen Einzelhändler zu Gunsten großflächiger Einkaufscenter am Stadtrand. Die Innenstadt drohe zu veröden.
Die Klägerin beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss der Beklagten vom 26. Februar 2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klage sei – wie der Senat in seinem Beschluss vom 30. August 2001 – BVerwG 9 VR 6.01 – zutreffend entschieden habe – bereits unzulässig. Jedenfalls sei sie unbegründet. Die geltend gemachten Belange der Stadt seien im Planfeststellungsbeschluss berücksichtigt. Beeinträchtigte Planungen seien nicht erkennbar. Auch im Endbericht zum Generalverkehrsplan werde die Nutzungsmöglichkeit des Bahnübergangs lediglich als sinnvoll bezeichnet. Die Einwendungen seien auch in der Sache nicht berechtigt: Eine Teilung der Stadt werde nicht bewirkt, da durch die Westtangente sowie zwei Übergänge für Fußgänger und Radfahrer in unmittelbarer Nähe des Bahnübergangs ausreichende Querungsmöglichkeiten zur Verfügung ständen. Auch behinderte Menschen seien wegen vorhandener Rampen und Aufzüge nicht beeinträchtigt. Für den Rettungsdienst entfalle das Risiko geschlossener Bahnschranken. Die befürchteten Wettbewerbsverzerrungen und Existenzgefährdungen des Einzelhandels gründeten sich lediglich auf Annahmen und Vermutungen. Etwaige Veränderungen hätten die Gewerbetreibenden jedenfalls hinzunehmen, da ihr Kontakt nach außen nicht abgeschnitten werde.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
Sie habe frühzeitig die fehlende Postulationsfähigkeit der Dipl.-Jur. P. und damit die Unzulässigkeit der Klage gerügt. Die Klage sei jedenfalls unbegründet. Hinsichtlich der nicht im Einwendungsschreiben der Klägerin enthaltenen Einwendungen sei sie präkludiert. Seit dem Abschluss der Kreuzungsvereinbarungen seien rechtserhebliche Veränderungen nicht eingetreten. Die Klägerin handele deswegen rechtsmissbräuchlich, wenn sie einerseits die Schließung des Bahnübergangs befürworte und mit erheblichen Mitteln des Bundes ein neues Straßenverkehrssystem erhalte, nach dessen Erstellung jedoch die Schließung des Bahnübergangs verhindern wolle. Die Darstellung der Klägerin zur Anpassung des Generalverkehrsplans sei substanzlos und nicht Gegenstand ihres Einwendungsschreibens gewesen. Einen abwägungserheblichen Konflikt, der nur dadurch gelöst werden könne, dass der streitbefangene Bahnübergang bestehen bleibe, habe die Klägerin jedenfalls nicht aufgezeigt.
Die Klägerin erwidert, sie halte es für erforderlich, § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO verfassungskonform so auszulegen, dass auch Diplom-Juristen im gehobenen Dienst postulationsfähig seien, wenn sie in einem Amt mit Funktionen des höheren Dienstes verwendet würden. Gegen den Senatsbeschluss vom 30. August 2001 habe sie im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG Verfassungsbeschwerde eingelegt.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Klage ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der in § 74 Abs. 1 VwGO bestimmten Frist wirksam erhoben wurde. Die während dieser Frist eingegangene Klageschrift kann insoweit nicht berücksichtigt werden, weil die Stadtoberamtsrätin P., die sie unterzeichnet hat, nicht zu dem Personenkreis gehört, der gemäß § 67 Abs. 1 VwGO für die Klägerin vor dem Bundesverwaltungsgericht postulationsfähig ist. Der am 29. Mai 2001 eingegangene Schriftsatz des anwaltlichen Prozessbevollmächtigten wahrte die am 20. April 2001 abgelaufene Klagefrist nicht.
Wie der erkennende Senat bereits in seinem im einstweiligen Rechtsschutzverfahren derselben Beteiligten ergangenen Beschluss vom 30. August 2001 – BVerwG 9 VR 6.01 – ausgeführt hat, besteht der sich aus § 67 Abs. 1 VwGO ergebende Vertretungszwang vor dem Bundesverwaltungsgericht, auf den die Rechtsmittelbelehrung des Planfeststellungsbeschlusses zutreffend hingewiesen hat, grundsätzlich für alle Prozesshandlungen, insbesondere für die (fristwahrende) Einleitung eines Verfahrens. Die Klägerin kann sich zwar vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht nur in der von § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorgeschriebenen Weise durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule, sondern als juristische Person des öffentlichen Rechts gemäß § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen. Das ist jedoch innerhalb der Frist des § 74 Abs. 1 VwGO nicht geschehen. Frau P. gehört vielmehr dem gehobenen Dienst an. Eine solche Laufbahnzugehörigkeit reicht nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes für Diplomjuristen nicht aus.
Auch Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Regelung des § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO stehen der von der Klägerin vertretenen Ausweitung des Wortlautes dieser Vorschrift entgegen. Der Bundestag hat zwar auf Anregung des Bundesrates die im Entwurf der Bundesregierung vorgesehene Regelung, wonach lediglich Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt zur Vertretung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts bzw. Behörden befugt sein sollten, im Interesse der neuen Länder, die noch nicht über genügend Mitarbeiter mit dieser Befähigung verfügten, erweitert. Er hat aber von einer Gleichstellung von zum Richteramt Befähigten mit Diplomjuristen abgesehen und ausdrücklich nur Diplomjuristen im höheren Dienst die Vertretungsberechtigung zuerkannt (BTDrucks 13/5098, S. 22 f. und 13/3993 S. 17). Damit hat er eine zusätzliche Qualifikation verlangt, die darin besteht, dass der Diplomjurist ein Amt einer Laufbahn innehat, der als einziger aufgrund der Laufbahnvoraussetzungen solche Tätigkeiten zugeordnet sein können, die eine eigenständige und abschließende Bearbeitung juristischer Fragestellungen verlangen und deren Ausübung die Prozessvertretung in den Fällen des § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO rechtfertigt. Diese Qualifikation wird typischer Weise weder durch eine vereinzelte oder ausschnittsweise Befassung mit juristischen Fragen, wie sie entsprechende Tätigkeiten in anderen Laufbahnen kennzeichnen mag, noch durch eine besoldungsmäßige Gleichstellung erfüllt, wie sie zwischen dem Endamt des gehobenen und dem Eingangsamt des höheren Dienstes besteht. Danach ist es ohne Bedeutung, welchen Dienstposten des gehobenen Dienstes Frau P. innehat und wie sie besoldet wird. Ebenso wenig spielt es eine Rolle, ob bei der Klägerin die Absicht besteht, Frau P. künftig ein Amt des höheren Dienstes zu übertragen.
Mit diesem Regelungsgehalt ist § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht verfassungswidrig. Der in § 67 Abs. 1 VwGO für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht normierte Vertretungszwang steht insbesondere in Einklang mit Art. 19 Abs. 4 GG, der den Rechtsweg nur im Rahmen der jeweils geltenden Prozessordnung garantiert und durch deren Normen erst dann verletzt ist, wenn sie den Weg zu den Gerichten in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. BVerfGE 10, 264 ≪267 f.≫; stRspr). Eine solche unzumutbare Erschwerung des Rechtsschutzes liegt nicht vor, wenn der Gesetzgeber im Interesse einer geordneten und konzentrierten Verfahrensführung vor einem obersten Gerichtshof des Bundes die Vertretung der Beteiligten durch einen in besonderer Weise rechtskundigen Bevollmächtigten vorschreibt und dabei nicht nur Rechtsanwälten und Rechtslehrern an deutschen Hochschulen die Postulationsfähigkeit zuerkennt, sondern zugunsten von juristischen Personen des öffentlichen Rechts und Behörden auch solchen Bediensteten, die in gleicher Weise wie ein Rechtsanwalt eine sachgerechte und verfahrensfördernde Vertretung dieser Beteiligten vor Gericht gewährleisten (vgl. BVerfGE 74, 78 ≪93≫). Dass der Gesetzgeber dabei nicht bereits allen an den juristischen Hochschulen der Deutschen Demokratischen Republik ausgebildeten Juristen, deren Studium mit einem Diplom abgeschlossen wurde, diese besondere Qualifikation zuerkannt hat, sondern in typisierender Betrachtungsweise zusätzlich die formale Zugehörigkeit zum höheren Dienst der staatlichen oder kommunalen Verwaltung fordert, verletzt auch nicht das sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergebende Willkürverbot, das zugunsten der an einem gerichtlichen Verfahren beteiligten öffentlich-rechtlichen Körperschaft zu beachten ist (vgl. BVerfGE 76, 130 ≪139≫). Ein von der Klägerin insoweit gefordertes Abstellen auf die konkreten Aufgaben und Erfahrungen des jeweiligen Bediensteten wäre mit dem für die Regeln über den Zugang zu den Gerichten geltenden Bestimmtheitsgebot (vgl. BVerfGE 54, 277 ≪292 f.≫) nicht zu vereinbaren.
Eine Heilung der mithin fehlenden Postulationsfähigkeit im Wege einer rückwirkenden Genehmigung der fristgebundenen Prozesshandlungen von Frau P. durch die jetzigen, erst nach Fristablauf bestellten anwaltlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist ausgeschlossen (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 8. April 1960 – BGA 4 RJ 47/59 – NJW 1960, 1493).
2. Abgesehen davon kann die Klage aber auch in der Sache keinen Erfolg haben. Denn der angefochtene Planfeststellungsbeschluss verletzt das Abwägungsgebot (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG) im Hinblick auf die Belange der Klägerin nicht. Alle Einwendungen der Klägerin wurden im Planfeststellungsbeschluss aufgegriffen und sachlich beschieden. So wurden die Umwege für Kraftfahrzeuge, Radfahrer und Fußgänger angesichts der Ersatzmaßnahmen als unwesentlich bezeichnet, unzumutbare Bedingungen insbesondere für Kranke und Behinderte wegen der behindertengerechten Gestaltung der Ersatzmaßnahmen verneint, auf die Zuständigkeit anderer Behörden für den Zustand der Tunnel und der Aufzüge sowie die Sicherheit und Strafverfolgung verwiesen, Beeinträchtigungen für den Rettungsdienst insbesondere unter Hinweis auf den Wegfall des Risikos geschlossener Schranken bestritten und Verschlechterung der Bedingungen für den öffentlichen Personennahverkehr sowie den Einzelhandel verneint. Dass das Eisenbahn-Bundesamt insoweit von unrichtigen Sachverhaltsannahmen ausgegangen wäre, wie die Klägerin meint, ist nicht erkennbar. Vielmehr hat es die Auswirkungen des Vorhabens lediglich anders gewertet. Soweit die Klägerin weitergehende Begründungen der Auffassung des Eisenbahn-Bundesamtes vermisst, ist darauf hinzuweisen, dass ihre Einwendungen im Wesentlichen auf Behauptungen und Mutmaßungen beruhen, denen – wie es das Eisenbahn-Bundesamt getan hat – ebenfalls weitgehend nur in sehr allgemeiner Form entgegengetreten werden kann.
Soweit sich die Klägerin auf ihren Generalverkehrsplan bezieht, ist bereits nicht erkennbar, dass dieser in Widerspruch zu der mit dem Planfeststellungsbeschluss bewirkten Situation steht. Aus dem mit der Klagebegründung vorgelegten Endbericht des Planungsbüros ergibt sich, dass das Verkehrskonzept von einem Netzzustand mit geschlossenen Bahnübergängen in der Poststraße und Magdeburger Straße ausgeht. Lediglich als „Variante” wird ein Netzzustand bei Offenhaltung des Bahnübergangs Poststraße erörtert. Der insoweit ausgesprochenen „Empfehlung”, den Bahnübergang aufrechtzuerhalten, hat sich der Stadtrat der Klägerin angeschlossen. Auch insoweit wird aber zugrunde gelegt, dass „die in der Vergangenheit unterzeichneten Verträge zwischen der Stadt Genthin, Land Sachsen-Anhalt und der Deutschen Bahn AG … eine dauerhafte Offenhaltung der Bahnübergänge nicht” zulassen. Die Nutzungsmöglichkeit des Bahnübergangs Poststraße wird lediglich als „aus verkehrsplanerischer Sicht sinnvoll” angesehen. Auf dieser Grundlage ist eine hinreichend bestimmte Planung der Gemeinde, die durch das Vorhaben nachhaltig gestört werden könnte, nicht erkennbar. Die Stadt erklärt vielmehr die Absicht, die bisherige verbindliche Planung zu ändern. Dem ist angesichts der zuvor bis 1998/1999 einvernehmlichen Planung kein gesteigertes Gewicht beizumessen. Die Klägerin will offenbar den Versuch unternehmen, die für sie günstigen, verwirklichten Ersatzmaßnahmen in Anspruch zu nehmen, jedoch die noch ausstehende und als belastend empfundene Maßnahme der Schließung des Bahnübergangs Poststraße abzuwehren.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht erkennbar, dass hierfür eine Veränderung der Sachlage angeführt werden könnte. Dass es sich bei der Eisenbahnstrecke nicht um eine Hochgeschwindigkeitsstrecke, sondern um eine solche mit maximalen Geschwindigkeiten von 160 km/h handeln sollte, was eine Schließung höhengleicher Bahnübergänge nicht zwingend erfordert, ergibt sich bereits aus dem Planfeststellungsbeschluss von 1994. Auf dieser Grundlage ist es nicht zu beanstanden, wenn das Eisenbahn-Bundesamt dem Interesse der Beigeladenen an einer vollständigen Umsetzung der Kreuzungsvereinbarung und der Erhöhung der Sicherheit durch die Abschaffung des Bahnübergangs Vorrang eingeräumt hat.
Auch der Hinweis auf die von der Klägerin befürchtete Verödung der Innenstadt vermag einen Abwägungsfehler nicht zu begründen. Zwar macht die Klägerin insoweit geltend, die Schließung des Bahnübergangs bewirke eine Entwicklung, die mit einem Kerngebiet nach § 7 BauNVO nichts mehr gemein habe. Diese Argumentation erschöpft sich schon deswegen in einer bloßen Behauptung, weil nicht erkennbar ist, warum die fortdauernde Existenz eines Kerngebietes voraussetzt, dass es vom Durchgangsverkehr gequert werden muss, zumal wenn es – wie hier – von allen Seiten zugänglich ist. Da sich die Klägerin in Form der Kreuzungsvereinbarung selbst zu dieser Planung verbindlich bekannt hat, musste sich der Beklagten die jetzt von der Klägerin geltend gemachte Konsequenz der Bahnübergangsschließung jedenfalls nicht aufdrängen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Hien, Dr. Storost, Kipp, Vallendar, Gatz
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 05.12.2001 durch Oertel Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 706628 |
DÖV 2003, 130 |
DVBl. 2002, 1062 |
SächsVBl. 2002, 133 |