Entscheidungsstichwort (Thema)
Ehegatten, nichtdeutsche -, Erwerb des Vertriebenenstatus durch -. Kinder, nach der Vertreibung geborene, Erwerb des Vertriebenenstatus durch -. Vertriebenenstatus, Erwerb des - durch nichtdeutsche Ehegatten. durch nach der Vertreibung geborene Kinder
Leitsatz (amtlich)
Der Statuserwerb eines nichtdeutschen Ehegatten nach § 1 Abs. 3 BVFG ist von einem nach § 1 Abs. 1, 2 BVFG entstandenen Vertriebenenstatus des anderen Ehegatten abhängig und setzt die deutsche Volkszugehörigkeit und Vertreibung des anderen Ehegatten voraus (im Anschluss an BVerwGE 84, 23).
Ein Erwerb der Vertriebeneneigenschaft durch “nach der Vertreibung” geborene Kinder gemäß § 7 BVFG (F. 1991) setzt ein persönliches Vertreibungsschicksal des statusvermittelnden Elternteils voraus.
Normenkette
BVFG a.F. § 1 Abs. 2 Nrn. 2-3, Abs. 3, §§ 6-7; BVFG (F. 1993) § 100 Abs. 1; BVFG (F. 1993) § 100 Abs. 2
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 10.07.2001; Aktenzeichen 24 B 99.1391) |
VG Augsburg (Entscheidung vom 26.03.1999; Aktenzeichen 6 K 95.786) |
Tenor
Die Revision der Kläger zu 2 und 3 gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Juli 2001 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Das Verfahren betrifft die Fragen, ob eine gemäß § 7 BVFG a.F. erworbene Vertriebeneneigenschaft nach der Vertreibung geborener Kinder gemäß § 1 Abs. 3 BVFG auf deren Ehegatten und gemäß § 7 BVFG a.F. auf die Kinder weitergeleitet werden kann.
Die selbst nicht am Revisionsverfahren beteiligte Klägerin zu 1 wurde im Jahre 1946 in der früheren Sowjetunion geboren und ist seit 1967 mit dem Kläger zu 2 verheiratet; aus der Ehe stammt die 1972 geborene Klägerin zu 3.
Die Kläger sind am 27. Dezember 1991 in die Bundesrepublik Deutschland gekommen. Am 13. Januar 1992 wurde ihnen der Registrierschein erteilt, am 27. Februar 1992 beantragten sie die Ausstellung eines Vertriebenenausweises.
Die 1921 in Odessa geborene Mutter der Klägerin zu 1, nach eigenen Angaben eine Russin, war in erster Ehe mit Herrn F.… verheiratet und wurde im Jahre 1944 zusammen mit ihm aus der deutschen Ortschaft Kandel (Ukraine) in den Warthegau umgesiedelt. Herr F.… wurde zur Deutschen Wehrmacht eingezogen und soll auch eingebürgert worden sein, die Mutter der Klägerin zu 1 soll mit ihrer damals geborenen ersten Tochter eine eigene Urkunde erhalten haben. 1945 nach Thüringen evakuiert, wurde sie in die Sowjetunion verschleppt und soll zu 10 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden sein. Mit dem 1954 verstorbenen Herrn F.… hatte sie seit dessen Einberufung keinen Kontakt mehr und lebte seit Februar 1946 mit dem Vater der Klägerin zu 1, Herrn H.…, zusammen und ist mit ihm seit 1974 verheiratet.
Die Klägerin zu 1 führt von Geburt an den Namen ihres Vaters. Der 1905 geborene Herr H.… ist nach eigenen Angaben im Jahre 1944 ebenfalls aus der früheren UdSSR in den Warthegau umgesiedelt und zur Deutschen Wehrmacht einberufen worden; Unterlagen über eine Einbürgerung liegen nach Auskunft des Document Center in Berlin nicht vor. Die Klägerin zu 1 hat ihre Muttersprache in den Antragsunterlagen mit Deutsch angegeben und verstand ausweislich eines bei Entgegennahme des Antrags am 27. Februar 1992 gefertigten Aktenvermerks etwas Deutsch; die Verständigung erfolgte über einen Sprachmittler. In der vorgelegten Geburtsurkunde der Klägerin zu 1 vom 25. Juni 1954 ist ihr Vater mit deutscher, die Mutter mit ukrainischer Nationalität angeführt.
Der Kläger zu 2 stammt nach dem am 11. November 1991 ausgestellten Geburtsschein volkstumsmäßig von einem Ukrainer und von einer Deutschen ab; im Übernahmeantrag vom 25. Juli 1978 sind seine Nationalität und seine Muttersprache mit ukrainisch angegeben, die Volkszugehörigkeit von Vater und Mutter mit ukrainisch.
Die Klägerin zu 3 hat in den Antragsunterlagen ihre Muttersprache mit Deutsch angegeben; bei Entgegennahme des Antrags wurde festgestellt, dass sie zur Verständigung ausreichend Deutsch spreche.
Die nach Ablehnung der Anträge auf Ausstellung eines Vertriebenenausweises (Bescheid vom 19. Mai 1993, Widerspruchsbescheid vom 16. Mai 1995) erhobene Klage ist vom Verwaltungsgericht abgewiesen worden. Der Verwaltungsgerichtshof dagegen hat unter entsprechender Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und Aufhebung der angefochtenen Bescheide den Beklagten verpflichtet, der Klägerin zu 1 einen Vertriebenenausweis auszustellen; die Berufung des Klägers zu 2 und der Klägerin zu 3 ist zurückgewiesen worden. Zur Begründung hat der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen ausgeführt:
Da die Kläger am 27. Dezember 1991 in das Bundesgebiet gekommen seien und am 27. Februar 1992 den Antrag auf Ausstellung eines Vertriebenenausweises gestellt hätten, sei das Bundesvertriebenengesetz in der Fassung vom 3. September 1971 anzuwenden (§ 100 Abs. 1 und 2 BVFG n.F.). Der Anspruch der Klägerin zu 1 sei nach § 15 Abs. 1, § 7 BVFG a.F. gegeben. Gemäß § 7 BVFG sei der Status einer Vertriebenen als Umsiedlerin nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 BVFG auf sie übergeleitet worden. Maßgebliche Bezugsperson hierfür sei ihr Vater; die Mutter scheide als Bezugsperson aus, weil sie keine deutsche Volkszugehörige bzw. deutsche Staatsangehörige gewesen sei. Das Gericht sei überzeugt, dass der Vater der Klägerin zu 1 im Jahre 1944 als deutscher Volkszugehöriger umgesiedelt worden sei. Für seine Einbürgerung sei zwar kein Nachweis vorhanden, doch werde die Umsiedlung als deutscher Volkszugehöriger durch Zeugenaussagen und eine schriftliche Stellungnahme des Document Center Berlin vom 24. Juli 1978 bestätigt. Die Klägerin zu 1 habe den Status als Umsiedlerin gemäß §§ 7, 1 Abs. 2 Nr. 2 BVFG seit ihrer Geburt nach ihrem Vater erworben; der Umstand, dass dem Vater ein Vertriebenenausweis gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG a.F. (als Aussiedler) erteilt worden sei, binde das Gericht bei seiner rechtlichen Wertung nicht, da der einmal entstandene Umsiedlerstatus nicht untergegangen sei. Als Vertriebene gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG (Aussiedlerin) sei die Klägerin zu 1 jedoch nach der zutreffenden Begründung des Verwaltungsgerichts nicht anzuerkennen. Nach der vor der Berufungsinstanz durchgeführten Beweisaufnahme habe die Klägerin zu 1 seit der Übersiedlung nach Moldawien im Jahre 1956 nicht mehr viel Deutsch gesprochen; Anhaltspunkte dafür, dass ihr ohne die ausreichende Vermittlung der deutschen Sprache deutsche Erziehung und Kultur zuteil geworden seien, seien nicht erkennbar.
Für den Kläger zu 2, der selbst nicht deutscher Staatsangehöriger oder Volkszugehöriger sei, komme als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Ausstellung eines Vertriebenenausweises nur § 1 Abs. 3 BVFG in Betracht. Dessen Voraussetzungen lägen nicht vor, weil die Ehefrau des Klägers, die Klägerin zu 1, kein Vertreibungsschicksal erlitten habe. Sie sei keine Aussiedlerin aus eigenem Recht (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG), sondern habe, ohne selbst deutsche Staatsangehörige oder deutsche Volkszugehörige zu sein, aufgrund von § 7 BVFG die Vertriebeneneigenschaft ihres Vaters erworben, ohne ein eigenes Verfolgungsschicksal erlitten zu haben, das der Kläger zu 2 geteilt habe und das den inneren Grund für die Regelung des § 1 Abs. 3 BVFG darstelle. Als russische Staats- und Volkszugehörige könne sie bei der Entscheidung, 1991 ins Bundesgebiet überzusiedeln, unter keinem Vertreibungsdruck gestanden haben. Der Ausschluss des streitgegenständlichen Anspruchs ergebe sich auch unmittelbar aus §§ 7, 8 BVFG a.F. Die Ehefrau des Klägers zu 2 habe als “nach der Vertreibung geborenes Kind” ihre Vertriebeneneigenschaft im Zeitpunkt der Geburt erworben (§ 7 Satz 1 BVFG a.F.). Damit habe der Gesetzgeber eindeutig klargestellt, dass es sich bei der Vertreibung um einen vor der Geburt des Begünstigten liegenden Vorgang gehandelt habe. Ergänzend bestimme § 8 BVFG a.F., dass durch Heirat oder Annahme an Kindes statt “nach der Vertreibung” die Eigenschaft als Vertriebener nicht erworben werden könne. Der Begriff “nach der Vertreibung” sei in beiden Bestimmungen identisch. Da die Ehefrau ihren abgeleiteten Status erst “nach der Vertreibung” im Zeitpunkt ihrer Geburt (1946) erworben habe und die Eheschließung erst 1967 erfolgt sei, sei der Anspruch des Klägers zu 2 ausgeschlossen.
Auch die Klägerin zu 3 habe keinen Anspruch auf Ausstellung eines Vertriebenenausweises. Ein Anspruch nach § 1 Abs. 2 Nr. 3, § 6 BVFG scheide aus, weil sie sich in ihrem ersten, 1988 ausgestellten russischen Inlandspass zur ukrainischen Nationalität erklärt habe. Sie könne sich auch nicht auf einen übergeleiteten Anspruch nach ihrer Mutter, der Klägerin zu 1, gemäß § 7 BVFG berufen. Diese Bestimmung spreche von Kindern, nicht von Enkeln; entscheidend sei der Vertreibungstatbestand der Eltern, nicht der der Großeltern. Die Mutter der Klägerin zu 3 habe aber kein eigenes Vertreibungsschicksal erlitten, vielmehr sei der Status gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 BVFG von ihrem Vater auf sie übergeleitet worden. Der Fall verdeutliche, dass eine Überleitung eines vor Jahrzehnten entstandenen Vertriebenenstatus über Generationen hinweg an der Realität vorbeigehe. Für das Gericht stehe aufgrund der Aussagen der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 2 in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht fest, dass die Klägerin zu 3 in ihrem Elternhaus die deutsche Sprache nicht erlernt habe. Unabhängig davon erfülle sie das Tatbestandsmerkmal der “Geburt nach der Vertreibung” nicht, weil ihre Mutter kein eigenes Vertreibungsschicksal erlitten habe.
Mit der vom Verwaltungsgerichtshof für die Kläger zu 2 und 3 zugelassenen Revision rügen diese eine Verletzung des § 1 Abs. 3 und der §§ 7, 8 BVFG a.F. sowie der Art. 3 und 116 Abs. 1 GG.
Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Kläger zu 2 und 3 hat keinen Erfolg. Es verstößt nicht gegen Bundesrecht, dass der Verwaltungsgerichtshof für den Kläger zu 2 einen Erwerb des Vertriebenenstatus der Klägerin zu 1 als Umsiedlerin (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BVFG), den sie gemäß § 7 BVFG a.F. von ihrem Vater erworben hat, auf der Grundlage des § 1 Abs. 3 BVFG und für die Klägerin zu 3 auf der Grundlage des § 7 BVFG a.F. verneint hat. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht für die Klägerin zu 1 als Bezugsperson eines abgeleiteten Statuserwerbs durch die Kläger zu 2 und 3 die Voraussetzungen einer Vertriebeneneigenschaft aus eigenem Recht als Aussiedlerin (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG) verneint und für die Klägerin zu 3 einen originären Erwerb des Aussiedlerstatus wegen der Erklärung zur ukrainischen Nationalität in ihrem ersten, 1988 ausgestellten Inlandspass als ausgeschlossen angesehen hat.
1. Für den Kläger zu 2 als nichtdeutschen Ehegatten der Klägerin zu 1 kommt als Erwerbstatbestand für den geltend gemachten Vertriebenenstatus nur § 1 Abs. 3 BVFG in Betracht. Bei der Auslegung dieser Bestimmung ist der Verwaltungsgerichtshof in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon ausgegangen, dass der Statuserwerb durch den nichtdeutschen Ehegatten auf der Grundlage dieser Bestimmung von einem nach § 1 Abs. 1 und 2 BVFG entstandenen Vertriebenenstatus des anderen Ehegatten abhängt und die deutsche Volkszugehörigkeit und Vertreibung des anderen Ehegatten voraussetzt (vgl. Urteile vom 10. November 1976 – BVerwG 8 C 92.75 – BVerwGE 51, 298 ≪302≫, vom 17. Oktober 1989 – BVerwG 9 C 26.89 – BVerwGE 84, 23 ≪25 f.≫ und vom 12. Mai 1992 – BVerwG 1 C 37.90 – BVerwGE 90, 181 ≪183 f.≫). An dieser Rechtsprechung, die der Senat zuletzt in seinem den Beteiligten mitgeteilten Urteil vom 18. Dezember 2002 (BVerwG 5 C 40.01) bestätigt hat, ist festzuhalten. Danach kann der Kläger zu 2 den Vertriebenenstatus nicht nach § 1 Abs. 3 BVFG von seiner Ehefrau, der Klägerin zu 1, erworben haben, weil diese nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht die Voraussetzungen der deutschen Volkszugehörigkeit erfüllt, sondern russische Staats- und Volkszugehörige ist und als solche unter keinem Vertreibungsdruck stand, als sie sich im Jahre 1991 mit den Klägern zu 2 und 3 zur Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland entschloss; ein geteiltes Vertreibungsschicksal als Anknüpfungspunkt für einen Statuserwerb nach § 1 Abs. 3 BVFG durch den Kläger zu 2 scheidet danach aus.
Soweit die Revision vorbringt, die Klägerin zu 1 als Bezugsperson sei infolge des Statuserwerbs nach ihrem Vater gemäß § 7 BVFG a.F. zur Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit geworden und somit als deutsche Volkszugehörige und Vertriebene in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, verkennt sie, dass diese Bestimmung zwar den bereits bei einem Elternteil entstandenen Status, nicht aber dessen Lebens- und Vertreibungsschicksal und persönliche Volkszugehörigkeitsmerkmale auf das Kind überleitet oder als in dessen Person bestehend fingiert. Dass bei der Klägerin zu 1 neben dem derivativ erworbenen Umsiedlerstatus die Voraussetzungen der deutschen Volkszugehörigkeit und eines (originären) Erwerbs des Aussiedlerstatus gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3, § 6 BVFG a.F. vorliegen, ist auf der Grundlage der durch das Revisionsvorbringen nicht in Frage gestellten Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen ausgeschlossen.
2. Es ist revisionsgerichtlich auch nicht zu beanstanden, dass der Verwaltungsgerichtshof die Klägerin zu 3 mit der Begründung nicht als Aussiedlerin aus eigenem Recht gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG angesehen hat, sie erfülle das Bekenntniserfordernis des § 6 BVFG a.F. nicht, weil sie sich in ihrem ersten, 1988 ausgestellten russischen Inlandspass zur ukrainischen Nationalität erklärt habe und eine Zwangslage insoweit nicht erkennbar sei. Wenn die Revision hierzu vorbringt, die Klägerin zu 3 habe ein bloßes “Lippenbekenntnis” abgelegt und es sei deutschen Volkszugehörigen in der ehemaligen Sowjetunion auch 1988 nicht zumutbar gewesen, sich zum deutschen Volkstum zu bekennen, greift sie die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz an, ohne dass revisionsrechtlich beachtliche Verfahrensverstöße vorliegen. Zur Frage einer möglichen Zwangslage in der früheren Sowjetunion im maßgeblichen Zeitpunkt hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 13. Juni 1995 – BVerwG 9 C 392.94 – (Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 78) festgestellt, es könne nicht generell angenommen werden, die volksdeutsche Bevölkerung sei (noch) 1987 generell aus Gründen der Selbsterhaltung gezwungen gewesen, sich mit einer anderen Nationalität als der deutschen eintragen zu lassen, vielmehr komme es auf den Einzelfall an (Urteil vom 13. Juni 1995 – BVerwG 9 C 392.94 – a.a.O. S. 48 f.). Dies wird von der Klägerin zu 3 nicht mit revisionsrechtlich erheblichen Rügen in Frage gestellt.
Zu Recht hat die Vorinstanz für die Klägerin zu 3 auch einen
derivativen Erwerb des Umsiedlerstatus von ihrer Mutter nach § 7 BVFG a.F. verneint. § 7 BVFG a.F. schafft – wie § 1 Abs. 3 BVFG – keinen neben den §§ 1 bis 4 BVFG stehenden zusätzlichen Vertriebenenstatus, sondern leitet auf die nach der Vertreibung geborenen Kinder lediglich einen nach diesen Vorschriften entstandenen Vertriebenenstatus über (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1986 – BVerwG 9 C 16.86 – ≪Buchholz 412.3 § 7 BVFG Nr. 2≫).
Der Wortlaut der Bestimmung spricht deutlich dafür, dass die statusvermittelnde Bezugsperson die Vertriebeneneigenschaft originär erworben haben muss. Wenn das Gesetz anordnet, dass “Kinder, die nach der Vertreibung geboren sind”, die Eigenschaft als Vertriebene von dem “Elternteil” erwerben, dem im Zeitpunkt der Geburt das Recht der Personensorge zustand, impliziert dies, dass der vermittelnde Elternteil selbst von der “Vertreibung” betroffen gewesen sein muss. Es ist hier nicht die Vertreibung als zurückliegender historischer Vorgang im Sinne der “allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen” (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 BVFG) gegen die deutsche Bevölkerung in den Vertreibungsgebieten gemeint, sondern das individuelle Vertreibungsschicksal des statusvermittelnden Elternteils. Wenn § 5 BVFG a.F. für die Verwendung des Wortes “Vertreibung” klarstellt, dass “hierunter auch die Tatbestände der §§ 3 und 4 zu verstehen” sind, welche Sowjetzonenflüchtlinge und – in § 4 BVFG a.F. – gleichgestellte Personen betreffen bzw. betrafen, verdeutlicht dies, dass § 7 BVFG a.F. nicht an den historischen Vorgang der Vertreibung anknüpft, sondern an das individuelle Schicksal des maßgeblichen Elternteils nach §§ 1 und 2 BVFG a.F. bzw. – in den Fällen der §§ 3, 4 BVFG a.F – des Sowjetzonenflüchtlings. Da sich der Begriff “Kinder” auf Eltern und nicht auf Großeltern oder noch entferntere Bezugspersonen bezieht, kann sich auch das Erfordernis einer (zurückliegenden) Vertreibung nur auf Elternteile und nicht auf andere Verwandte beziehen, über deren Verwandtschaftsgrad das Gesetz nichts sagt.
Eine Auslegung im Sinne einer generationenübergreifenden Weiterleitung des derivativ erworbenen Status auch auf entferntere Abkömmlinge der volksdeutschen Bezugsperson, die ein Vertreibungsschicksal erlitten hat, ist entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (vgl. Schenckendorff, Anm. 1 zu § 7 BVFG, und Häußer/Kapinos/Christ, Die Statusfeststellung nach dem Bundesvertriebenengesetz, 1990, Rn. 5 zu § 7 BVFG) auch nicht durch die Motive zum Bundesvertriebenengesetz aus dem Jahre 1951 geboten. In dem Gesetzentwurf zum Bundesvertriebenengesetz (BTDrucks 2872 vom 26. November 1951, S. 25) heißt es zu § 6 des Gesetzentwurfs, der dem § 7 BVFG a.F. entsprach:
“Es ist nicht angängig, die Vertriebenen- und Flüchtlingseigenschaft nur Personen zuzuerkennen, die im Zeitpunkt der Vertreibung gelebt haben. In diesem Fall würde der Anspruch auf Rückkehr in die Heimat lediglich auf die Generation beschränkt werden, die vertrieben wurde. Durch die Bestimmung des § 6 wird aber die Erhaltung der Vertriebenen- und Flüchtlingseigenschaft durch Generationen gewährleistet.”
Soweit das mit der Erhaltung der Vertriebeneneigenschaft “durch Generationen” angesprochene Anliegen des noch unter dem unmittelbaren Eindruck der Vertreibung stehenden historischen Gesetzgebers, einen “Anspruch auf Rückkehr in die Heimat” festzuschreiben, dahin zu verstehen sein sollte, im Sinne eines zeitlich unbeschränkt geltenden Bluts- oder Abstammungsrechts auch nicht mehr dem deutschen Volkstum zuzurechnenden Personen ohne Vertreibungsschicksal den Vertriebenenstatus zu gewährleisten, hätte dies im maßgeblichen Gesetzeswortlaut Niederschlag finden müssen. Zum anderen ist auch bei einer Auslegung des § 7 BVFG dahin, er regele nur den Erwerb der Vertriebeneneigenschaft (bzw. Sowjetzonenflüchtlingseigenschaft) von einem Elternteil, der originär nach §§ 1, 2 BVFG a.F. Vertriebener (bzw. nach §§ 3, 4 BVFG Sowjetzonenflüchtling) ist, “die Erhaltung der Vertriebenen- und Flüchtlingseigenschaft durch Generationen” schon dadurch gewährleistet geblieben, dass auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 6 BVFG a.F. (vgl. nur Urteil vom 10. November 1976 – BVerwG 8 C 92.75 – ≪BVerwGE 51, 298 = Buchholz 412.3 § 1 BVFG Nr. 17≫) auch “Spätgeborene” den Status eines deutschen Volkszugehörigen und Vertriebenen originär erwerben konnten, so dass es für diese Personengruppe einer Statusüberleitung nach § 7 BVFG nicht bedurfte. Diese Statusüberleitung griff bzw. greift – für die noch nach altem Recht zu entscheidenden Fälle – vielmehr erst ein, wenn die für die Begründung eines originären Vertriebenenstatus erforderliche Weitergabe des Bekenntniszusammenhangs unterbrochen war, und erhält damit – anknüpfend an die Vertriebeneneigenschaft der Spätgeborenen – die Vertriebenen- und Flüchtlingseigenschaft für mehrere Generationen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Säcker, Schmidt, Dr. Rothkegel, Dr. Franke, Prof. Dr. Berlit
Fundstellen
DÖV 2003, 958 |
DVBl. 2003, 1283 |