Entscheidungsstichwort (Thema)
Investitionsbescheinigung. Abtretung des Rückübertragungsanspruchs. Anfechtung der Bescheinigung durch den Erwerber des Rückübertragungsanspruchs. Klagebefugnis. Anwendbarkeit des Investitionsvorranggesetzes. materieller Einwendungsausschluß. Eigentumsschutz. Rechtsschutzgarantie. Anspruch auf rechtliches Gehör
Leitsatz (amtlich)
Der Erwerber eines vermögensrechtlichen Rückübertragungsanspruchs, der kein Angehöriger des Anmelders ist, kann mangels eigener Abwehrrechte einen den restitutionsbelasteten Vermögenswert betreffenden Investitionsvorrangbescheid nicht anfechten.
Der in § 4 Abs. 5 InVorG zu Lasten des Erwerbers eines Rückübertragungsanspruchs angeordnete materielle Einwendungsausschluß ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
Der Rückübertragungsanspruch steht nicht unter dem Schutz der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1; VwGO § 42 Abs. 2; InVorG § 4 Abs. 5, § 5 Abs. 1-2; 2. VermRÄndG Art. 14 Abs. 4 S. 1, Abs. 5 S. 1
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 10. November 1993 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
I.
Der Kläger wendet sich gegen eine das Grundstück S.straße 13 in L. betreffende Investitionsbescheinigung der Beklagten.
Das Grundbuch wies dieses Grundstück seit 1988 als „Eigentum des Volkes” (Rechtsträger: VEB Gebäudewirtschaft L.) aus. Zuvor waren als Eigentümer Herr M. und Frau Oe. verzeichnet. Herr M. und die Erbin nach Frau Oe. meldeten im September 1990 bei der Beklagten einen Anspruch auf Rückübertragung des Eigentums an dem Grundstück an. Bevor über diesen Anspruch von der Beklagten entschieden worden war, schloß die L. Wohnungs- und Baugesellschaft mbH als Rechtsnachfolgerin der VEB Gebäudewirtschaft L. im Mai 1991 mit der Beigeladenen einen Mietvertrag, der sich auf gewerblich genutzte Räume von 131 qm Fläche in dem auf dem Grundstück befindlichen Gebäude bezog. Für diesen Mietvertrag erteilte der Beklagte nach Anhörung der Anmelder eine Investitionsbescheinigung nach dem Gesetz über besondere Investitionen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Investitionsgesetz – BInvG –) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. April 1991. Die Anmelder erhoben gegen die Bescheinigung Widerspruch. Während des Widerspruchsverfahrens veräußerten sie mit notariellem Vertrag vom 15. September 1992 den angemeldeten Rückübertragsanspruch an den Kläger, der diese Veräußerung der Beklagten mit Schreiben vom 6. Oktober 1992 anzeigte. Das Regierungspräsidium L. hatte zu diesem Zeitpunkt den Widerspruch der Erbin nach Frau Oe. bereits zurückgewiesen; es übersandte aber daraufhin den entsprechenden, an Herrn M. gerichteten Bescheid vom 14. Oktober 1992 unter dem 16. Oktober 1992 auch an den Kläger.
Der Kläger hat sodann gegen den Bescheid vom 1. April 1992 Anfechtungsklage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, er sei infolge der Abtretung des Rückübertragungsanspruchs an die Stelle der bisherigen Anspruchsinhaber getreten und daher zur Anfechtung des Bescheids berechtigt. Der Bescheid stehe weder verfahrensrechtlich noch in materieller Hinsicht mit dem Investitionsgesetz im Einklang.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 10. November 1993 als unzulässig abgewiesen, weil dem Kläger die erforderliche Klagebefugnis fehle. Er werde durch den angefochtenen Bescheid unter keinem rechtlichen Gesichtpunkt in seinen Rechten verletzt. Das ergebe sich aus der im Streitfall bereits anzuwendenden Vorschrift des § 4 Abs. 5 des Gesetzes über den Vorrang für Investitionen bei Rückübertragungsansprüchen nach dem Vermögensgesetz (Investitionsvorranggesetz – InVorG) vom 14. Juli 1992. Nach dieser Vorschrift sei der Erwerber eines Rückübertragungsanspruchs nicht an dem Verfahren nach dem Investitionsvorranggesetz beteiligt. Gegen diese Regelung bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision des Klägers, mit der er die Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht erstrebt. Zur Begründung trägt er vor: Er sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zur Klage gegen den Bescheid vom 1. April 1992 berechtigt, weil er durch diesen Bescheid in seinem verfassungsrechtlich geschützten Eigentum verletzt werde. Der mit Vertrag vom 15. September 1992 erworbene Rückübertragunganspruch, der dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG unterfalle, sei durch den Abschluß des im Bescheid vom 1. April 1992 zugelassenen Mietvertrags in seinem Wert nachhaltig gemindert. Der vereinbarte Mietzins liege weit unter dem Marktpreis; ferner sei er, der Kläger, durch die Vermietung an beabsichtigten Investitionen gehindert. § 4 Abs. 5 InVorG lasse sich allenfalls dahin auslegen, daß der Zessionar eines Rückübertragungsanspruchs nicht über ein dem Recht des Alteigentümers entsprechendes Recht auf Anhörung und Vorrang seines Investitionsvorhabens verfüge. Dagegen sei die Auffassung des Verwaltungsgerichts, daß der Zessionar Verletzungen seines Eigentums rechtsschutzlos hinzunehmen habe, mit der Verfassung, insbesondere mit Art. 14 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG, unvereinbar. Die vom Verwaltungsgericht vermißte Klagebefugnis ergebe sich auch daraus, daß die Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 1992 ihm, dem Kläger, übersandt und ihn so zum Beteiligten des Verwaltungsverfahrens gemacht habe.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, und verteidigt das angefochtene Urteil.
Die Beigeladenen haben sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat dem Kläger zu Recht die Klagebefugnis abgesprochen. Der Kläger kann nicht im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen, durch den Bescheid vom 1. April 1992 in seinen Rechten verletzt zu sein. Das ergibt sich aus § 4 Abs. 5 InVorG; diese Vorschrift enthält einen materiellen Einwendungsausschluß, der zu Lasten des Erwerbers eines Rückübertragungsanspruchs wirkt.
Auf den angefochtenen Bescheid ist das Investitionsvorranggesetz anzuwenden. Dieses Gesetz ist als Art. 6 des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes – 2. VermRÄndG – vom 14. Juli 1992 (BGBl I S. 1257) erlassen worden. Nach der Übergangsregelung in Art. 14 Abs. 5 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 4 Satz 1 des 2. VermRÄndG ist das Investitionsvorranggesetz auch auf Verfahren anzuwenden, die vor dem Inkrafttreten des 2. VermRÄndG am 22. Juli 1992 (Art. 15 des 2. VermRÄndG) begonnen, aber noch nicht durch eine abschließende Entscheidung abgeschlossen worden sind. Nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 12. November 1993 – BVerwG 7 C 7.93 – (BVerwGE 94, 279) ist unter dem Begriff der „abschließenden Entscheidung” in Art. 14 Abs. 4 Satz 1 des 2. VermRÄndG die letzte Verwaltungsentscheidung, gegebenenfalls also die Widerspruchsentscheidung, zu verstehen. Da am 22. Juli 1992 über die Widersprüche gegen den Bescheid vom 1. April 1992 noch nicht entschieden war, unterlag dieser Bescheid seit dem genannten Zeitpunkt nicht mehr dem Investitionsgesetz, auf dessen Grundlage er ergangen war, sondern dem an die Stelle des Investitionsgesetzes getretenen Investitionsvorranggesetz. Die Vorschrift des Art. 14 Abs. 5 Satz 2 des 2. VermRÄndG, wonach Investitionsbescheinigungen nach dem Investitionsgesetz Investitionsvorrangbescheiden nach dem Investitionsvorranggesetz gleichstehen, ist in solchen Fällen nicht anwendbar; sie betrifft nur Bescheide, bei denen das Verwaltungsverfahren am 22. Juli 1992 bereits abgeschlossen war und deren Rechtmäßigkeit sich daher nach dem bisherigen Recht bestimmt (vgl. dazu das Urteil des Senats vom 18. Dezember 1992 – BVerwG 7 C 16.92 – BVerwGE 91, 334 ≪340≫).
Da der Kläger den Anspruch auf Rückübertragung des in dem Bescheid vom 1. April 1992 bezeichneten Grundstücks erst nach dem Inkrafttreten des 2. VermRÄndG erworben hat, findet im vorliegenden Fall insbesondere auch die Vorschrift des § 4 Abs. 5 InVorG Anwendung (vgl. Art. 14 Abs. 5 Satz 4 des 2. VermRÄndG). Danach ist derjenige, der einen vermögensrechtlichen Anspruch durch Rechtsgeschäft oder in der Zwangsvollstreckung erwirbt, am Verfahren nach dem Investitionsvorranggesetz nicht beteiligt, wenn er kein Angehöriger des Anmelders ist. § 4 Abs. 5 InVorG trifft insoweit eine Sonderregelung gegenüber § 5 InVorG. Nach dieser Vorschrift ist der Anmelder vor dem Erlaß des Investitionsvorrangbescheids über die vorgesehene Inanspruchnahme des Vermögenswerts für investive Zwecke unter Beifügung des Vorhabenplans zu unterrichten (§ 5 Abs. 1 InVorG); sodann hat er binnen zwei Wochen Gelegenheit, sich zu dem Vorhaben und dazu zu äußern, ob er selbst eine Zusage investiver Maßnahmen beabsichtigt (§ 5 Abs. 2 InVorG). Diese Beteiligung des Anmelders am Investitionsvorrangverfahren wird demjenigen, der den Rückübertragungsanspruch vom Anmelder durch Abtretung erwirbt, in § 4 Abs. 5 InVorG vorenthalten, obwohl er der Rechtsnachfolger des Anmelders ist. Der Zweck dieser Regelung liegt auf der Hand: Der Zessionar soll nicht in der Lage sein, das Investitionsvorhaben, dessen zügige Verwirklichung im öffentlichen Interesse liegt, durch Einwendungen zu verhindern oder zu verzögern. Aus diesem Zweck des § 4 Abs. 5 InVorG folgt zugleich, daß der Vorschrift nicht nur verfahrensrechtliche, sondern darüber hinaus auch materiellrechtliche Bedeutung zukommt. Denn das Investitionsvorhaben wäre nicht wirksam gegen Einwendungen des Zessionars abgesichert, wenn dieser zwar vom Verwaltungsverfahren ausgeschlossen, aber imstande wäre, den das Vorhaben ermöglichenden Investitionsvorrangbescheid vor Gericht zu bekämpfen. § 4 Abs. 5 InVorG ist darum so zu verstehen, daß der Zessionar mangels eigener, durch den Investitionsvorrangbescheid berührter Rechte weder am Verwaltungsverfahren beteiligt noch zur Anfechtung des Bescheids berechtigt ist. Dem Zessionar ist also nicht nur das Recht des Anmelders genommen, dem mitgeteilten Vorhaben ein eigenes, nach Maßgabe von § 7 Abs. 1 Sätze 2 und 3 InvorG vorrangig zu berücksichtigendes Vorhaben entgegenzusetzen; vielmehr fehlt ihm – ebenfalls im Gegensatz zum Anmelder, der innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 5 Abs. 2 Satz 1 InVorG auch sonstige Einwendungen gegen das Vorhaben erheben kann – jedes Recht zur Abwehr des Investitionsvorrangbescheids. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber ihn schlechthin, nicht etwa nur mit bestimmten Einwendungen, vom Verfahren ausgeschlossen.
Diese Regelung verstößt entgegen der Annahme der Revision nicht gegen das Grundgesetz.
§ 4 Abs. 5 InVorG ist nicht, wie die Revision meint, am Eigentumsgrundrecht des Art. 14 Abs. 1 GG zu messen. Zwar kann der Erlaß eines Investitionsvorrangbescheids dazu führen, daß der Anspruch auf Rückübertragung des für die Investition benötigten Vermögenswerts entfällt (§ 11 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 InVorG). Der Rückübertragungsanspruch wird jedoch nicht durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt. Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 23. April 1991 – 1 BvR 1170, 1174, 1175/90 – (BVerfGE 84, 90 ≪122 ff.≫) ausgeführt hat, stand den von einer Enteignung in der früheren sowjetischen Besatzungszone und in der DDR Betroffenen bis zur Wiedervereinigung und dem damit verbundenen Erlaß des Vermögensgesetzes keine vermögenswerte Rechtsposition mehr zu, die dem Schutz der Eigentumsgarantie hätte unterfallen können. Infolgedessen dient das Vermögensgesetz nicht der Wahrung und Durchsetzung fortbestehender Eigentumsrechte, sondern der Wiedergutmachung erlittenen Unrechts, die nicht Ausfluß einzelner Grundrechte ist, sondern auf dem Rechts- und Sozialstaatsgedanken beruht (BVerfG a.a.O. S. 126). Diese verfassungsrechtliche Bewertung trifft auch auf den mit dem Vermögensgesetz zugunsten der ehemaligen Eigentümer oder ihrer Rechtsnachfolger geschaffenen Rechtsanspruch auf Restitution zu. Inhalt dieses Anspruchs ist – dem dargelegten Zweck des Gesetzes entsprechend – die Wiederherstellung der rechtsstaatswidrig entzogenen Eigentumsrechte durch staatlichen Hoheitsakt (§ 3 Abs. 1 Satz 1, § 34 Abs. 1 Satz 1 VermG). Er ist demnach auf die öffentlich-rechtliche Neubegründung von Eigentum zwecks Wiedergutmachung eines früheren Eigentumsentzugs gerichtet, verschafft aber dem Berechtigten noch nicht die Rechtsstellung eines Eigentümers, die durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Vermögensgegenstand gekennzeichnet ist (vgl. BVerfGE 69, 272 ≪299 ff.≫). Als staatlich eingeräumter, vom Wiedergutmachungsgedanken geprägter Anspruch beruht er weder auf einer eigenen Leistung des Berechtigten, die als besonderer Schutzgrund für die Eigentümerposition anerkannt ist, noch dient er dem Zweck der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie, dem Träger des Grundrechts einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern. Der öffentlich-rechtliche Anspruch knüpft also an das entzogene private Recht des Berechtigten an, aber nur wegen der Art und Weise des Entzugs; das reicht für eine eigentumsrechtliche Prägung nicht aus. Daher wird der verfassungsrechtlich wesentliche personale Bezug des Anspruchsinhabers erst durch die Nutzung des Vermögensgegenstands hergestellt, auf dessen Rückübertragung der Anspruch zielt. Demgemäß setzt der Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG erst dann ein, wenn der jeweilige Vermögensgegenstand in Erfüllung des Restitutionsanspruchs an den Berechtigten zurückübertragen ist; vor diesem Zeitpunkt besteht nur ein in Art. 20 GG wurzelnder Anspruch gegen den Staat auf Durchführung der Wiedergutmachung. Die gesetzliche Übertragbarkeit des Restitutionsanspruchs (§ 3 Abs. 1 Satz 2 VermG) muß in diesem Zusammenhang außer Betracht bleiben, weil sie ebenfalls das Wesen des Anspruchs nicht prägt. Allein der Umstand, daß ein nach öffentlichem Recht Berechtigter seine Rechtsstellung durch Abtretung zu verwerten vermag, ist nicht geeignet, den Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 GG zu eröffnen.
Der Gesetzgeber war indes beim Erlaß des Investitionsvorranggesetzes an den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und – weil er die Ansprüche nach dem Vermögensgesetz aus Gemeinwohlgründen einschränkte – an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. Diesen Anforderungen wird der Einwendungsausschluß zu Lasten des Zessionars in § 4 Abs. 5 InVorG gerecht:
Der Abtretung des Rückübertragungsanspruchs an einen Erwerber, der kein Angehöriger des Anmelders ist, liegen regelmäßig sowohl auf Seiten des Anmelders als auch auf Seiten des Erwerbers wirtschaftliche Motive zugrunde (vgl. die Begründung zum Entwurf des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes BTDrucks 12/2480, S. 66). Das Ziel des Anspruchs, die Wiedergutmachung geschehenen Unrechts, setzt sich mithin in der Person des Zessionars nicht fort, sondern entfällt mit der Abtretung. Soweit der Zessionar mit dem Erwerb des Anspruchs das Ziel verfolgt, nach der Rückgabe des Vermögensgegenstands selbst Investitionen vorzunehmen, unterscheidet sich sein Interesse nicht wesentlich von dem Interesse jedes anderen Investors, der den Gegenstand zu Investitionszwecken nutzen will. Das rechtfertigt es, den Zessionar wegen seines Vorhabens auf den allgemeinen Wettbewerb der Investoren und damit auf die Möglichkeit zu verweisen, einen Investitionsvorrangbescheid zu seinen Gunsten zu erwirken. Für die bevorzugte Berücksichtigung des eigenen Investitionsvorhabens, auf die der Anmelder wegen seiner besonderen persönlichen Nähe zu dem zu restituierenden Vermögensgegenstand im Verfahren über ein anderes Investitionsvorhaben Anspruch hat, fehlt bei dem an dem Gegenstand nur wirtschaftlich interessierten Zessionar die Grundlage.
Der wirtschaftliche Hintergrund der Abtretung bietet zugleich eine ausreichende Rechtfertigung dafür, daß dem Zessionar über den Ausschluß des sog. Anmelderprivilegs hinaus jede Einwendung gegen den ein fremdes Investitionsvorhaben gestattenden Investitionsvorrangbescheid versagt ist. Denn solche Einwendungen führen mindestens zur Verzögerung des Vorhabens; das läuft dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck der Förderung von Investitionen im Beitrittsgebiet unmittelbar zuwider. Auf den für die Rechtsverteidigung des Anmelders charakteristischen Wiedergutmachungszweck des Rückübertragungsanspruchs kann sich der Zessionar, wie bereits festgestellt, nicht berufen. Seine wirtschaftlichen Interessen sind nach der Durchführung der Investition durch die in § 16 Abs. 1 und 2 InVorG dem Berechtigten (einschließlich dem Erwerber des Rückübertragungsanspruchs) gewährten Ansprüche auf Herausgabe des Verkaufserlöses bzw. auf Zahlung des Verkehrswerts oder – im Falle der Vermietung oder Verpachtung – auf Herausgabe des Miet- oder Pachtzinses und dessen Anpassung an die Marktverhältnisse angemessen gewahrt. Unter diesen Umständen ist die getroffene Regelung nicht nur, gemessen am Ziel des Investitionsvorranggesetzes, geeignet und erforderlich, sondern darüber hinaus auch für den Zessionar zumutbar.
Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG wird durch § 4 Abs. 5 InVorG ebenfalls nicht verletzt. Denn der Investitionsvorrangbescheid regelt nicht die Rechtsstellung des Rückübertragungsberechtigten, sondern ermächtigt den Verfügungsberechtigten, den Vermögensgegenstand abweichend von dem Verbot des § 3 Abs. 3 VermG für den festgestellten Investitionszweck dem Investor zur Verfügung zu stellen (§ 8 Abs. 1 InVorG). Der Berechtigte ist mithin durch den Bescheid nur als Dritter, nämlich insofern betroffen, als das zu seinem Schutz erlassene Verbot des § 3 Abs. 3 VermG entfällt. In derartigen Fällen ist der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 83, 182 ≪198≫) und des erkennenden Senats (Urteil vom 13. Oktober 1994 – BVerwG 7 C 15.94 – VIZ 1995, 36) auch in Anbetracht der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht gehindert, bereits an den Erlaß des Verwaltungsakts unabhängig von dessen Rechtmäßigkeit nachteilige Rechtsfolgen für den Dritten zu knüpfen, sofern dies – wie in den Fällen des § 4 Abs. 5 InVorG – aus sachgerechten Gründen geschieht.
Eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) scheidet schon deswegen aus, weil dieser Anspruch nicht davor schützt, daß der Sachvortrag eines Betroffenen aus Gründen des materiellen Rechts außer Betracht bleibt (vgl. BVerfGE 84, 34 ≪58≫).
Schließlich ergeben sich keine verfassungsrechtlichen Bedenken daraus, daß der Einwendungsausschluß nach § 4 Abs. 5 InVorG, der in dem bis zum Erlaß des Investitionsvorranggesetzes geltenden Investitionsgesetz noch nicht enthalten war, die Abtretung der schon bestehenden Rückübertragungsansprüche nach dem Vermögensgesetz nachträglich erschwerte. Seit dem Inkrafttreten des Investitionsvorranggesetzes am 22. Juli 1992 konnten sich die an der Abtretung eines Rückübertragungsanspruchs Beteiligten auf die veränderte Rechtslage einstellen. Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes lassen sich mithin gegen die erstmalige Einführung des Einwendungsausschlusses im Investitionsvorranggesetz nicht anführen. Ein Recht der Anmelder der Rückübertragungsansprüche auf unveränderte Beibehaltung der bisherigen Abtretungsbedingungen bestand nicht. Ob der Gesetzgeber die Geltung des § 4 Abs. 5 InVorG auch auf Abtretungen vor dem 22. Juli 1992 erstrecken durfte (vgl. dazu Art. 14 Abs. 5 Satz 4 des 2. VermRÄndG), bedarf keiner Entscheidung, weil der Kläger den Rückübertragungsanspruch nach diesem Zeitpunkt erworben hat.
Als von dem Einwendungsausschluß nach § 4 Abs. 5 InVorG Betroffener kann der Kläger mangels eigener Abwehrrechte nicht die Aufhebung des angefochtenen Bescheids verlangen. Er ist auch nicht berechtigt, anstelle der früheren Inhaber des Rückübertragungsanspruchs deren Rechte zur Abwehr des Bescheids geltend zu machen, weil diese Rechte mit der Abtretung ersatzlos entfallen sind. Allein der Umstand, daß dem Kläger der den Bescheid vom 1. April 1992 bestätigende Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 1992 zur Kenntnisnahme übersandt worden ist, reicht zur Begründung seiner Klagebefugnis nicht aus.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Dr. Franßen, Dr. Paetow, Dr. Bardenhewer, Kley, Herbert
Fundstellen
Haufe-Index 1603348 |
BVerwGE, 147 |