Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsverordnung. Ermächtigungsgrundlage. Gesetzesänderung. Außerkrafttreten. Übergangsvorschrift. Kaufpreissammlung. Einsicht. Auskunft. Sachverständige. Wertermittlung
Leitsatz (amtlich)
- Unbeschadet des Grundsatzes, daß die Gültigkeit einer Rechtsverordnung nicht von der Fortdauer ihrer Ermächtigungsgrundlage abhängig ist, tritt eine Rechtsverordnung – vorbehaltlich abweichender Übergangsbestimmungen – dann außer Kraft, wenn sie ihrem Inhalt nach mit einem späteren Gesetz nicht mehr in Einklang steht.
- Ebenso wie jetzt nach dem Baugesetzbuch bestand auch schon aufgrund des Bundesbaugesetzes keine Befugnis der Länder, Regelungen über ein Recht auf Einsicht in die Kaufpreissammlungen für öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige durch Rechtsverordnung zu schaffen.
Normenkette
BBauG § 143a Abs. 4, § 144 Abs. 2 Nr. 1; BauGB § 195 Abs. 2-3, § 199 Abs. 2 Nr. 4, § 243
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 10.02.1986; Aktenzeichen 14 B 84 A. 1629) |
VG München (Urteil vom 12.04.1984; Aktenzeichen 16 K 83 A. 1253) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Februar 1986 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von Grundstücken. Im Auftrag einer Erbengemeinschaft will er in einem Rechtsstreit über Enteignungsentschädigung ein Gutachten über den Wert in Anspruch genommener Grundstücke erstellen. Er beantragte bei der Geschäftsstelle des bei der Beklagten eingerichteten Gutachterausschusses, ihm Einsicht in verschiedene Blätter der Kaufpreissammlung zu gewähren. Dem Antrag wurde zum Teil entsprochen; im übrigen wurde er abgelehnt, weil die Einsichtnahme für die gutachterliche Tätigkeit nicht erforderlich sei. Nach erfolglosem Widerspruch hat der Kläger Verpflichtungsklage erhoben, die das Verwaltungsgericht abgewiesen hat. Auch die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat in seinem Urteil vom 10. Februar 1986 (BayVBl. 1986, 308) in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht dargelegt, § 11a Abs. 1 der (bayerischen) Gutachterausschußverordnung finde in der Ermächtigung des § 144 Abs. 2 Nr. 1 BBauG keine Grundlage und sei deshalb nichtig. Schon deshalb stehe dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Einsicht in die Kaufpreissammlung nicht zu.
Der Kläger hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Er hält die Auslegung des § 144 Abs. 2 Nr. 1 BBauG durch das Berufungsgericht für unzutreffend. Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Februar 1986 und das diesem zugrundeliegende Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 12. April 1984 aufzuheben,
2. die Bescheide der Beklagten – Geschäftsstelle des Gutachterausschusses – vom 11. November 1982 und vom 29. November 1982 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Regierung von Mittelfranken vom 7. Juli 1983 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Einsicht in die Kaufpreissammlung der Beklagten bezüglich der Blätter Nr. 22, 41, 51, 62, 35, 31, 24, 34, 42, 43, 44, 45, 52, 53, 54, 64 und 65 für den Zeitraum 1970 bis 1982 und bezüglich der Blätter Nr. 32 und 33 für den Zeitraum 1975 bis 1978 zu gestatten.
Die Beklagte tritt der Revision entgegen.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht und die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreterin des öffentlichen Interesses haben sich am Verfahren beteiligt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers, über die gemäß § 102 Abs. 2 VwGO trotz seiner Abwesenheit in der mündlichen Verhandlung entschieden werden konnte, hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat ohne revisiblen Rechtsverstoß den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Einsicht in die Kaufpreissammlung verneint.
1. Der Kläger stützt sein Begehren auf § 11a Abs. 1 der Verordnung der Bayerischen Staatsregierung über die Gutachterausschüsse, die Kaufpreissammlungen und die Bodenrichtwerte nach dem Bundesbaugesetz (GutachterausschußV) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 15. Juni 1982 (GVBl. S. 335). Diese aufgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 1 BBauG erlassene Vorschrift regelt unter der Überschrift “Zulässigkeit der Auswertung der Kaufpreissammlungen” Einsichtsrechte. In die Kaufpreissammlungen ist hiernach, soweit im Einzelfall zum Zwecke der Wertermittlung erforderlich, den Gerichten, den mit der Wertermittlung an bebauten und unbebauten Grundstücken sowie von Rechten an Grundstücken befaßten Behörden und ferner auch öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken sowie von Rechten an Grundstücken Einsicht zu gewähren.
a) Der Senat hat Zweifel, ob die genannte Vorschrift nicht jedenfalls zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die vom Kläger erhobene Verpflichtungsklage, bei dem auch während des Revisionsverfahrens eingetretene Rechtsänderungen zu beachten sind, außer Kraft getreten ist. Wäre dies der Fall, so käme es nicht mehr darauf an, ob die Vorschrift ursprünglich gültig war und Grundlage für ein Einsichtsrecht des Klägers sein konnte:
Art. 1 Nr. 106 des Gesetzes über das Baugesetzbuch vom 8. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2191), das nach seinem Art. 5 am 1. Juli 1987 in Kraft getreten ist, hat aus dem Bundesbaugesetz den Siebenten Teil: “Ermittlung von Grundstückswerten” – und damit auch § 144 BBauG – gestrichen. An die Stelle dieser Bestimmungen sind durch Art. 1 Nr. 108 des Gesetzes über das Baugesetzbuch die Vorschriften der §§ 192 ff. BauGB über die Wertermittlung getreten. Diese enthalten in § 195 BauGB Regelungen über die Kaufpreissammlung sowie in § 199 Abs. 2 Nr. 4 BauGB die Ermächtigung der Landesregierungen, hierzu Regelungen durch Rechtsverordnung zu erlassen. – Eine Rechtsverordnung tritt allerdings nicht schon deshalb außer Kraft, weil die gesetzliche Ermächtigung, auf deren Grundlage sie erlassen wurde (hier: § 144 Abs. 2 Nr. 1 BBauG), wegfällt (vgl. BVerfGE 14, 245 ≪249≫). Anders kann es aber dann sein, wenn die Verordnung ihrem Inhalt nach mit der nunmehr geltenden Gesetzeslage nicht mehr zu vereinbaren ist. Letzteres ist hier der Fall: Nach § 195 Abs. 2 BauGB darf die Kaufpreissammlung nur dem zuständigen Finanzamt für Zwecke der Besteuerung übermittelt werden. Vorschriften, nach denen Urkunden oder Akten den Gerichten oder Staatsanwaltschaften vorzulegen sind, bleiben unberührt. § 195 Abs. 3 BauGB bestimmt, daß nach Maßgabe landesrechtlicher Vorschriften bei berechtigtem Interesse Auskünfte aus der Kaufpreissammlung zu erteilen sind. Ein allgemeines Einsichtsrecht, insbesondere auch die Gewährung von Einsicht in die Kaufpreissammlung für von Privatpersonen beauftragte, öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige ist damit ausgeschlossen. Die Schaffung eines solchen Einsichtsrechts ist im Gesetzgebungsverfahren aus Gründen des Schutzes der informationellen Selbstbestimmung abgelehnt worden (vgl. BT-Drs. 10/4630, S. 151; 10/5027, S. 20 ≪zu Nr. 77≫; 10/6166, S. 163). Dementsprechend ermächtigt § 199 Abs. 2 Nr. 4 BauGB die Landesregierungen, außer der Führung und Auswertung der Kaufpreissammlung die Erteilung von Auskünften aus der Kaufpreissammlung durch Rechtsverordnung zu regeln. Regelungen über die Gewährung von Einsicht in die Kaufpreissammlung für Sachverständige zu schaffen, ist den Ländern jedenfalls nach dem Baugesetzbuch nicht erlaubt. Damit steht der aufgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 1 BBauG erlassene § 11a Abs. 1 GutachterausschußV, soweit er für Sachverständige ein Einsichtsrecht begründet, mit dem Baugesetzbuch nicht in Einklang. Die aufgrund einer früher geltenden Ermächtigungsgrundlage ordnungsgemäß zustande gekommene Verordnungsregelung bleibt von einer solchen inhaltlichen Änderung ihrer gesetzlichen Grundlage, die ihr den Boden entzieht, nicht unberührt. Sie tritt vielmehr, wenn sie so nicht mehr geschaffen werden dürfte, grundsätzlich mit dem Inkrafttreten der geänderten gesetzlichen Grundlage außer Kraft; einer besonderen Aufhebung durch den Verordnungsgeber bedarf es nicht.
Der Gesetzgeber kann aber in Übergangsvorschriften etwas anderes bestimmen. Er kann etwa anordnen, daß Verordnungsrecht, das dem jetzt geltenden Gesetzesrecht inhaltlich widerspricht, ganz oder teilweise bzw. zeitlich begrenzt weiter gelten soll. Hierfür kommt im zu entscheidenden Fall § 243 BauGB in Betracht. Hiernach sind die §§ 136 bis 144 BBauG bis zum Inkrafttreten der in § 199 BauGB vorgesehenen Verordnungen, längstens bis zum 1. Januar 1990, weiter anzuwenden. Der Senat läßt offen, ob auch § 11a Abs. 1 GutachterausschußV durch § 243 BauGB aufrechterhalten worden ist. § 243 BauGB ist nach Wortlaut und Sinngehalt nicht eindeutig. Die Vorschrift steht im Zusammenhang mit der wesentlichen Straffung der Regelungen über die Wertermittlung und die Gutachterausschüsse durch das Baugesetzbuch, die alle näheren Einzelheiten in verfahrensrechtlicher und organisatorischer Hinsicht für die Zukunft landesrechtlicher Regelung überläßt (vgl. BT-Drs. 10/4630, S. 59 ≪zu Nr. 8≫). Mit der Einräumung einer bis zum 1. Januar 1990 reichenden Übergangszeit sollte den Ländern Gelegenheit zur Schaffung der für das Verfahren der Wertermittlung nunmehr erforderlichen Rechtsverordnungen gegeben und insoweit eine Rechtslücke vermieden werden. Welche Gründe den Gesetzgeber bewogen haben könnten, bestehende und dem neuen Bundesrecht inhaltlich widersprechende Landesverordnungen vorübergehend bis zu ihrer Ablösung durch neue Landesverordnungen, längstens bis zum 1. Januar 1990, aufrechtzuerhalten, ist nicht ohne weiteres ersichtlich. Möglicherweise sollen etwaige frühere Einsichtsrechte vorübergehend erhalten bleiben, um überhaupt Informationen zu gewährleisten, solange die Länder die Erteilung von Auskünften aus der Kaufpreissammlung noch nicht geregelt haben (vgl. § 199 Abs. 2 Nr. 4 BauGB). Jedenfalls ist nach dem Wortlaut des § 243 BauGB ausdrücklich und ohne Einschränkung auch die Ermächtigungsgrundlage des § 144 BBauG übergangsweise weiter anzuwenden. Diese Bestimmung ist – wie bereits dargelegt – für das Fortgelten früherer Rechtsverordnungen an sich nicht erforderlich. Wenn der Gesetzgeber dennoch in seine Übergangsregelung § 144 BBauG mit aufgenommen hat, so läßt sich dies unter Berücksichtigung der bereits dargestellten inhaltlichen Änderungen auch so verstehen, daß alle aufgrund der alten Ermächtigungsgrundlage ergangenen Rechtsverordnungen, auch soweit sie mit dem Baugesetzbuch inhaltlich nicht mehr zu vereinbaren sind, für eine gewisse Übergangszeit weiter gelten sollen, um auch insoweit Zeit für eine Umstellung auf die veränderte Rechtslage zu gewinnen. Legt man diese Auslegung des § 243 BauGB zugrunde, so ist § 11a Abs. 1 GutachterausschußV – sofern er überhaupt gültig war – nicht am 1. Juli 1987 außer Kraft getreten.
b) § 11a Abs. 1 GutachterausschußV war jedoch, soweit er als Grundlage des Klageanspruchs in Betracht kommt, von Anfang an kein geltendes Recht. Die dort zugelassene Gewährung von Einsicht in die Kaufpreissammlung für öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige überschreitet den von der Ermächtigungsgrundlage des § 144 Abs. 2 Nr. 1 BBauG gezogenen Rahmen für die den Ländern überlassene Regelung durch Rechtsverordnung. Das hat das Berufungsgericht zutreffend entschieden.
Nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 BBauG sind die Länder ermächtigt, die Führung und Auswertung der Kaufpreissammlung durch Rechtsverordnung zu regeln. Der Begriff der “Auswertung”, aber auch der der “Führung”, könnten allerdings nach ihrem Wortsinn für sich gesehen auch Regelungen über die Gewährung von Einsicht in die Kaufpreissammlung für Dritte umfassen. Jedoch ergeben der systematische Zusammenhang des Bundesbaugesetzes, in dem die Ermächtigung steht, sowie die Gesetzgebungsgeschichte, daß die Ermächtigung diesen Umfang nicht hat.
Der durch die BBauG-Novelle vom 18. August 1976 (BGBl. I S. 2221) eingefügte § 143a Abs. 4 BBauG bestimmte erstmals, daß die Kaufpreissammlung dem Finanzamt zugänglich zu machen sei. Damit wurde eine in der Praxis schon weithin bestehende Übung sanktioniert. Eine weitergehende Öffnung der Kaufpreissammlung an dritte Stellen oder Personen war nicht – jedenfalls nicht ausdrücklich – vorgesehen. Einen allgemeinen Auskunftsanspruch begründete das Gesetz nur in § 143b Abs. 5 BBauG hinsichtlich der Bodenrichtwerte, die aufgrund der Kaufpreissammlungen zu ermitteln waren (§ 143b Abs. 1 BBauG). Beide Bestimmungen zusammen rechtfertigen den Schluß, daß es sich beim Fehlen weiterer Regelungen über die Öffnung der Kaufpreissammlung für Dritte um ein “beredtes Schweigen” des Gesetzgebers handelt, § 143a Abs. 4 BBauG also als abschließende Regelung gemeint war. Das neue Recht und insbesondere dessen Entstehungsgeschichte bestätigen dies: Generell wollte der Bundesgesetzgeber mit dem Baugesetzbuch auch im Abschnitt über die Wertermittlung keine grundlegende Neuregelung schaffen, sondern Vereinfachungen bringen und im übrigen an bewährte Regelungen anknüpfen. Die Einfügung des Wortes “nur” in § 195 Abs. 2 Satz 1 BauGB gegenüber § 143a Abs. 4 BBauG war vom Gesetzgeber als Klarstellung aus Gründen des Datenschutzes gedacht. Mit dem neuen § 195 Abs. 2 Satz 2 BauGB sollte die Geltung der prozeßrechtlichen Vorschriften auch für die Kaufpreissammlungen sichergestellt und gleichzeitig die Möglichkeit geschaffen werden, daß die Kaufpreissammlung im Einzelfall auch den vom Gericht mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragten öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zugänglich gemacht werden kann (vgl. BT-Drs. 10/4630, S. 151). Auch dies hat im wesentlichen klarstellende Bedeutung. Der Bundesrat hatte hiergegen aus Gründen des Datenschutzes Bedenken erhoben (vgl. BT-Drs. 10/5027, S. 20 ≪zu Nr. 76≫). Der zuständige Bundestagsausschuß hat diese Bedenken mit der Bemerkung zurückgewiesen, die Öffnung der Kaufpreissammlung gegenüber den Gerichten entspreche dem geltenden Recht (vgl. BT-Drs. 10/6166, S. 163). Von einer weitergehenden Öffnung der Kaufpreissammlung für Sachverständige war keine Rede.
Mit § 195 Abs. 3 BauGB wurde erstmals ausdrücklich die Möglichkeit der Erteilung von Auskünften aus der Kaufpreissammlung geschaffen und hierfür die bisher in § 144 Abs. 2 Nr. 1 BBauG den Ländern gegebene Ermächtigung zur Regelung von Führung und Auswertung der Kaufpreissammlung durch Rechtsverordnung in § 199 Abs. 2 Nr. 4 BauGB ausdrücklich um diesen Punkt erweitert. Der Bundesrat brachte aus der Sicht der Länder den Wunsch vor, daß Einsicht in die und Auskunft aus der Kaufpreissammlung sich ganz allgemein nach landesrechtlichen Vorschriften richten sollten, die auch die Erfordernisse des Datenschutzes sichern könnten (vgl. BT-Drs. 10/5027, S. 20 ≪Nr. 77≫). Der zuständige Bundestagsausschuß sah sich aus Datenschutzgründen gehindert, diesem Vorschlag zu folgen; eine Öffnung der Kaufpreissammlung mit ihren personenbezogenen Daten durch Gewährung eines Einsichtsrechts sei mit dem Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung nicht zu vereinbaren; im übrigen dürften auch Auskünfte nur in anonymisierter Form erteilt werden (vgl. BT-Drs. 10/6166, S. 163).
Für die Auslegung der Verordnungsermächtigung in § 144 Abs. 2 Nr. 1 BBauG ergibt sich hieraus: Die Fragen der Gewährung von Einsicht in die Kaufpreissammlung und der Erteilung von Auskünften aus ihr sind nicht schon von “Führung und Auswertung der Kaufpreissammlungen” im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 BBauG erfaßt. Vielmehr hat der Bundesgesetzgeber insoweit in seinen inhaltlichen Bestimmungen stets eine besondere Regelung für erforderlich gehalten. Die Erwägungen zu den aus höherrangigem Recht folgenden Grenzen einer “Öffnung” der Kaufpreissammlung für Dritte gelten gleichermaßen auch schon für die Rechtslage nach dem BBauG. Dann ist aber auch die Ermächtigung des § 144 Abs. 2 Nr. 1 BBauG entsprechend begrenzt. Ein allgemeines Einsichtsrecht in die Kaufpreissammlung für Sachverständige hat der Bundesgesetzgeber in seinen eigenen Regelungen nicht im Auge gehabt und demgemäß auch die Länder hierzu nicht ermächtigt.
c) § 144 Abs. 2 Nr. 1 BBauG verstößt in dieser Auslegung nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen Art. 12 Abs. 1 oder Art. 3 Abs. 1 GG.
Der Ausschluß eines Rechts auf Einsicht in die Kaufpreissammlung stellt für die davon betroffenen Sachverständigen eine Regelung ihrer Berufsausübung dar. Sie wird indes von vernünftigen und nachvollziehbaren Erwägungen des Gemeinwohls getragen und ist auch nicht unverhältnismäßig: Zur Führung der Kaufpreissammlung sind Grundstückskaufverträge und ähnliche Rechtsgeschäfte in Abschrift dem Gutachterausschuß zu übersenden (§ 195 Abs. 1 BauGB/§ 143a Abs. 1 BBauG). Diese enthalten personenbezogene Daten. Inwieweit die Kaufpreissammlung wirksam anonymisiert werden kann, steht nicht fest und kann offenbleiben; das Gesetz geht jedenfalls von einer solchen Möglichkeit nicht ohne weiteres aus. Hiernach ist es sachgerecht, den Kreis der Personen, die Kenntnis von personenbezogenen Daten in Grundstücksgeschäften erhalten können, nicht über den unabdingbar erforderlichen Umfang hinaus auszudehnen. Zwar sind auch die öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zur Verschwiegenheit verpflichtet; eine Verletzung dieser Pflicht ist gemäß § 203 Abs. 2 Nr. 5 StGB mit Strafe bedroht. Den Gutachterausschüssen, deren Mitglieder notwendigerweise Kenntnis vom Inhalt der Kaufpreissammlung erlangen, ist es andererseits ebenfalls gestattet, u.a. auch auf Antrag von Privatpersonen Gutachten über den Verkehrswert von Grundstücken zu erstatten (§ 193 Abs. 1 Nr. 3 BauGB/§ 136 Abs. 1 Nrn. 1 und 5 BBauG). Auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes ist aber noch keine verfassungswidrige Benachteiligung der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zu erkennen. Die Mitglieder der Gutachterausschüsse werden nach besonderen Qualifikationsmerkmalen ausgewählt (§ 192 Abs. 1 bis 3 BauGB und Regelungen der Länder gemäß § 199 Abs. 2 Nr. 1 BauGB/früher eingehend §§ 138, 139 BBauG), die deren Unabhängigkeit und die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht in besonderer Weise gewährleisten sollen. Damit sind sie – ander als die Sachverständigen – einem öffentlichen Dienstverhältnis angenähert – in eine herausgehobene Verantwortlichkeit eingebunden. Von daher erscheint es nicht sachwidrig, die Kenntnis der personenbezogenen Daten in der Kaufpreissammlung auf diesen Personenkreis zu begrenzen. – Es kommt hinzu, daß die Verweigerung eines Rechts auf Einsicht in die Kaufpreissammlung nicht geeignet erscheint, die berufliche Tätigkeit der Sachverständigen in beachtlichem Maße zu beeinträchtigen. Der Gutachterausschuß erarbeitet jeweils zum Ende des Kalenderjahres auf der Grundlage der ihm mitgeteilten Grundstücksgeschäfte Bodenrichtwerte für jedes Gemeindegebiet (§ 196 Abs. 1 BauGB/§ 143b BBauG). Diese Bodenrichtwerte sind zu veröffentlichen; jedermann kann Auskunft über sie verlangen (§ 196 Abs. 3 BauGB/§ 143b Abs. 5 BBauG). Die vom Gesetz bezweckte Herstellung einer Transparenz der Preisverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt wird über die Offenlegung dieser Ergebnisse der Auswertung der Kaufpreissammlung hinlänglich erreicht, ohne daß über die Mitglieder des Gutachterausschusses hinaus noch andere Personen in die persönlichen Verhältnisse der an Grundstücksgeschäften Beteiligten eindringen. Ein mit der Erstellung eines Bodenwertgutachtens beauftragter Sachverständiger wird in der Regel schon auf der Grundlage solcher Bodenrichtwerte, zumal wenn sie – wie auch im hier zu entscheidenden Fall – in fast parzellenscharfen Richtwertkarten veröffentlicht werden, seine gutachtliche Stellungnahme abgeben können. Soweit dennoch eine gewisse Erschwerung der beruflichen Tätigkeit infolge der fehlenden Einsicht in die Kaufpreissammlung eintreten sollte, wird sie jedenfalls durch legitime Erwägungen zum Persönlichkeitsschutz gerechtfertigt.
Für eine weitergehende Erörterung verfassungsrechtlicher Bedenken bietet der vorliegende Fall im übrigen auch deshalb keinen Anlaß, weil dem Kläger vom Gutachterausschuß in beträchtlichem Umfang bereits Einsieht in die Kaufpreissammlung gewährt worden ist.
2. Auch aufgrund eines allgemeinen Akteneinsichtsrechts kann der Kläger mit seiner Klage keinen Erfolg haben. § 29 VwVfG gilt nur für die Akteneinsicht in einem laufenden Verwaltungsverfahren (vgl. Urteil vom 30. Juni 1983 – BVerwG 2 C 11.83 – Buchholz 237.7 § 102 LBG Nordrhein-Westfalen Nr. 7). Ein allgemeiner auf Art. 12 Abs. 1 GG zu stützender Anspruch auf Einsicht in bestimmte bei öffentlichen Behörden oder anderen öffentlichen Stellen geführte Akten, Vorschriften und andere Vorgänge zum Zwecke der Ausübung beruflicher Tätigkeiten besteht nicht (vgl. BVerwGE 61, 15 ≪19 ff.≫; 69, 278 ≪279 ff.≫; Beschluß vom 10. Februar 1981 – BVerwG 7 B 26.81 – Buchholz 316 § 29 VwVfG Nr. 1).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Prof. Dr. Schlichter, Dr. Niehues, Sommer, Prof. Dr. Dr. Berkemann, Dr. Lemmel
Fundstellen
Haufe-Index 1344463 |
MDR 1990, 301 |
DVBl. 1990, 383 |