Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Umweltinformationen. Art und Weise des Informationszugangs. Auswahlermessen. Akteneinsicht. schriftliche Mitteilung
Leitsatz (amtlich)
Die Ausübung des in § 4 Abs. 1 Satz 2 UIG eingeräumten behördlichen Ermessens, in welcher Weise der Anspruch auf Informationen über die Umwelt erfüllt wird, ist an dem Zweck der Umweltinformationsrichtlinie 90/313/EWG vom 23. Juni 1990 auszurichten. Ein Auswahlermessen besteht deshalb nur zwischen solchen Informationsmitteln, die im wesentlichen die gleiche Informationseignung besitzen.
Beantragt ein Bürger ausdrücklich einen bestimmten Informationszugang, darf die Behörde dies nur dann zugunsten eines anderen Informationsmittels ablehnen, wenn hierfür gewichtige, von ihr darzulegende Gründe bestehen.
Zum Anspruch auf schriftliche Mitteilung bestimmter Umweltinformationen anstelle der Gewährung von Akteneinsicht.
Normenkette
UIG § 4 Abs. 1
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 19.01.1995; Aktenzeichen 20 A 1518/93) |
VG Minden (Urteil vom 05.03.1993; Aktenzeichen 8 K 1536/90) |
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. Januar 1995 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 5. März 1993 werden aufgehoben, soweit darin über den Klageantrag Nr. 1 entschieden wurde. Ferner wird die Kostenentscheidung im Urteil des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben.
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Zeitpunkte der Durchführung sowie die vollständigen Ergebnisse der Analysen sämtlicher vom Beklagten für die stillgelegte Abfalldeponie “Am Üssenpohl” angelegten Probebrunnen (bis auf die Analyse des Brunnens K 17 vom 8. November 1988) schriftlich mitzuteilen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zwei Drittel und der Beklagte ein Drittel.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist Eigentümer eines in der Nähe einer aufgegebenen Abfalldeponie gelegenen Wohngrundstücks. Etwa 1967 richtete er auf einem Nachbargrundstück einen Hausbrunnen ein. Er befürchtet eine Verunreinigung dieses Brunnens durch Abflüsse aus der ehemaligen Deponie. Der Beklagte ließ mehrere Probebrunnen in der Umgebung niederbringen und veranlaßte die Untersuchung des Grundwassers.
Im Jahr 1988 beantragte der Kläger, ihm die Zeitpunkte der Durchführung sowie die vollständigen Ergebnisse sämtlicher Wasseranalysen seines Hausbrunnens und der angelegten Probebrunnen mitzuteilen. Der Beklagte übersandte die den Hausbrunnen und den Probebrunnen K 17 betreffenden Untersuchungsergebnisse. Den weitergehenden Antrag lehnte er mit der Begründung ab, es fehle an einem berechtigten Interesse im Sinne von § 32 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 des Landesabfallgesetzes Nordrhein-Westfalen. Zur Begründung seiner nach erfolglosem Widerspruch erhobenen Klage stützte sich der Kläger auch auf die mittlerweile erlassene Richtlinie des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt (90/313/EWG), ABlEG Nr. L 158 vom 23. Juni 1990, S. 56 (Umweltinformationsrichtlinie).
Das Verwaltungsgericht verpflichtete den Beklagten durch Urteil vom 5. März 1993 (UPR 1994, 118 = ZUR 1993, 284), dem Kläger Einsicht in die vollständigen Unterlagen bezüglich der Durchführung und Ergebnisse von Analysen sämtlicher im Zusammenhang mit der stillgelegten Deponie niedergebrachten Probebrunnen zu gewähren. Zur Begründung stützte sich das Verwaltungsgericht auf die Umweltinformationsrichtlinie, die mangels Umsetzung in das nationale Recht unmittelbar anzuwenden sei. Allerdings gewähre die Richtlinie nur einen Mindeststandard, dem durch die Gewährung von Akteneinsicht Rechnung getragen werde; die vom Kläger gewünschte schriftliche Auskunft durch die Behörde gehe über diesen Mindeststandard hinaus. Außerdem wies das Verwaltungsgericht die Klage bezüglich weiterer Klaganträge ab; diese sind nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.
Zur Begründung seiner Berufung machte der Kläger geltend, die bloße Einsichtnahme in die Akten ermögliche für einen Laien angesichts der komplizierten hydrogeologischen, hydrochemischen und humanmedizinischen Zusammenhänge noch kein “Verfügen” über die Information im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Umweltinformationsrichtlinie; die erforderliche Würdigung durch Fachleute setze notwendig die schriftliche Herausgabe dieser Daten voraus. Die – während des Berufungsverfahrens in Kraft getretene – Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt – Umweltinformationsgesetz (UIG) – vom 8. Juli 1994 (BGBl I S. 1490) bedürfe einer richtlinienkonformen Auslegung, die zu einer Ermessensreduzierung auf die Herausgabe der von ihm begehrten Informationen führe. Das Oberverwaltungsgericht wies die Berufung des Klägers durch Urteil vom 19. Januar 1995 (DVBl 1995, 1020 = UPR 1995, 272) zurück. Weder die Umweltinformationsrichtlinie noch das die Richtlinie ordnungsgemäß umsetzende Umweltinformationsgesetz sähen ein Recht darauf vor, daß der Zugang zu den einschlägigen Informationen gerade durch deren schriftliche Mitteilung erfolge.
Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Revision bringt der Kläger vor: Die Umweltinformationsrichtlinie bezwecke einen wirksamen Zugang zu Umweltinformationen. Dies könne je nach Situation zu einem Rechtsanspruch auf schriftliche Mitteilung führen; so liege der Fall hier. Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 2 UIG sei deshalb nur unter der Voraussetzung eine ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie, daß ihr ein uneingeschränktes Wahlrecht des Antragstellers auf den von ihm gewünschten Informationszugang entnommen werden könne. Sei eine solche Auslegung nicht möglich, müsse die Umweltinformationsrichtlinie unmittelbar angewendet werden. Der Kläger regt wie schon im Berufungsverfahren eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof an.
Der Beklagte hält die Urteile der Vorinstanzen für zutreffend und führt weiter aus: Die Einräumung eines pflichtgemäßen Ermessens in § 4 Abs. 1 Satz 2 UIG sei eine ausreichende Festlegung der praktischen Regeln i.S. von Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der Umweltinformationsrichtlinie; nach deutschem Verwaltungs- und Rechtsverständnis sei eine Ermessensausübung rechtlich ausreichend vorstrukturiert, da bei ihr auch gemeinschaftsrechtliche Vorgaben und Interessen – etwa das Effizienzgebot (“effet utile”) – zu berücksichtigen seien. Das Umweltinformationsgesetz gewähre kein Wahlrecht hinsichtlich der Art der Informationsgewährung, sondern räume ein behördliches Ermessen ein; diese Entscheidung des Gesetzgebers werde nicht durch einen Anwendungsvorrang der Richtlinie verdrängt. Es gebe keine plausible Begründung, warum der Kläger vorliegend nicht von der im Regelfall effektiven Möglichkeit der Akteneinsicht Gebrauch machen wolle und statt dessen schriftliche Information verlange. Ihm sei nicht nur die Möglichkeit zur Anfertigung von Fotokopien und Notizen eingeräumt, sondern auf Befragen vor dem Berufungsgericht ausdrücklich angeboten worden, zur Akteneinsicht einen Fachmann beizuziehen, um die nötige Auswahl der zu kopierenden Unterlagen besser treffen zu können; auch stünden dem Kläger bei der Akteneinsicht Fachleute des Beklagten für Rückfragen zur Verfügung.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat unter Verletzung revisiblen Rechts die vom Kläger beantragte Verurteilung des Beklagten zur schriftlichen Mitteilung der im Klageantrag näher bezeichneten Umweltinformationen abgelehnt. Der Klage ist in vollem Umfang stattzugeben.
1. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UIG hat jeder Bürger Anspruch auf freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, die bei einer Behörde oder einer Person des Privatrechts im Sinne des § 2 Nr. 2 UIG vorhanden sind. Der Kläger kann sich auf die Regelungen des im Lauf des Berufungsverfahrens in Kraft getretenen Umweltinformationsgesetzes berufen, weil für die von ihm erhobene allgemeine Leistungsklage die Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend ist. Sein Antrag ist hinreichend bestimmt im Sinne von § 5 Abs. 1 UIG. Seinem Begehren stehen auch keine Gründe entgegen, die gemäß §§ 7 und 8 UIG den Informationsanspruch ausschließen oder beschränken könnten.
Auf einen entsprechenden Antrag kann die Behörde Auskunft erteilen, Akteneinsicht gewähren oder Informationsträger in sonstiger Weise zur Verfügung stellen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 UIG). Zutreffend ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, daß die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen über die Art und Weise des Informationszugangs zu entscheiden hat. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang der Bestimmung. Sie ist im Gegensatz zur Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 UIG, die für das “Ob” der Informationserteilung einen strikten Rechtsanspruch normiert, erkennbar als Ermessensvorschrift formuliert. Bestätigt wird das durch die Entstehungsgeschichte. Das in § 4 Abs. 2 des Referentenentwurfs (Stand: 2. Dezember 1992, abgedruckt bei Breuer u.a., Freier Zugang zu Umweltinformationen, UTR Bd. 22, 1993, S. 95 ff.) noch vorgesehene Wahlrecht des Antragstellers hinsichtlich der Art und Weise des Informationszugangs wurde im Regierungsentwurf (BTDrucks 12/7138, S. 4) nicht aufgegriffen, sondern die später Gesetz gewordene Formulierung mit dem ausdrücklichen Hinweis gewählt, sie räume “den Behörden hinsichtlich der Art und der Weise der Erfüllung eines Informationsanspruchs Ermessen ein” (a.a.O., S. 12). Die Frage war Gegenstand der öffentlichen Sachverständigenanhörung vor dem Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Protokoll der 74. Sitzung am 18. April 1994, S. 74/9), in der sich die Sachverständigen überwiegend für die Einräumung eines Wahlrechts der Antragsteller zumindest hinsichtlich der Akteneinsicht aussprachen. Gleichwohl wurden ein Gesetzentwurf der Gruppe Bündnis 90/Die Grünen (BTDrucks 12/5696, S. 4, 10) und ein Änderungsantrag der SPD-Fraktion (BTDrucks 12/7583, S. 2 f.), die ein derartiges Wahlrecht vorsahen, in der Ausschußberatung mit der Begründung abgelehnt, übereinstimmend mit dem Bundesrat habe man sich dafür entschieden, den Ermessensspielraum der Behörden zu erhalten (Beschlußempfehlung und Bericht des 17. Ausschusses, BTDrucks 12/7582, S. 10).
Durch die Einräumung eines Auswahlermessens soll die Behörde insbesondere die Möglichkeit erhalten, den Verwaltungsaufwand zu berücksichtigen, den eine bestimmte Art und Weise des Informationszugangs hervorruft. Demgemäß ist der zu erwartende Arbeitsaufwand ins Verhältnis zu der personellen und sächlichen Ausstattung der Behörde und ihrer gegenwärtigen Arbeitsbelastung zu setzen. Außerdem soll die Behörde im Hinblick auf die Ausschluß- oder Beschränkungstatbestände (Art. 3 Abs. 2 und 3 der Umweltinformationsrichtlinie und §§ 7, 8 UIG) flexibel handeln, d.h. einen bestimmten Informationszugang wählen können, der sowohl dem Informationsrecht des Antragstellers als auch den Ausschluß- oder Beschränkungsgründen Rechnung trägt. So mag beispielsweise die von einem Antragsteller gewünschte Akteneinsicht zugunsten einer Auskunft oder der Übermittlung von Aktenkopien abgelehnt werden können, wenn die Einsicht in die Akten deren aufwendige oder praktisch gar nicht zu leistende Entfernung von Unterlagen voraussetzt, die zum Schutz öffentlicher oder privater Belange vom Informationsanspruch nicht erfaßt werden.
2. Die Einräumung eines Auswahlermessens ist mit der Umweltinformationsrichtlinie vereinbar. Auch diese schreibt kein Wahlrecht des Antragstellers im Sinne eines strikten Rechtsanspruchs vor. Das ergibt sich mit der erforderlichen Deutlichkeit aus der Richtlinie, so daß es einer Anrufung des Europäischen Gerichtshofs nicht bedarf.
Gemäß Art. 1 ist es u.a. Ziel der Richtlinie, den freien Zugang (“freedom of access”, “liberté d'accès”) zu gewährleisten und die “grundlegenden Voraussetzungen” (“basic terms and conditions”, “conditions de base”) festzulegen, unter denen derartige Informationen zugänglich gemacht werden sollen (“such information should be made available”, “cette information devrait être rendue accessible”). Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten zu gewährleisten, daß die Behörden verpflichtet werden, auf Antrag ohne Nachweis eines Interesses Informationen über die Umwelt “zur Verfügung zu stellen” (“make available”, “mettre … à la disposition”). Angaben hinsichtlich der Art und Weise enthält die Vorschrift nicht. Vielmehr bestimmt Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie, daß die Mitgliedstaaten die “praktischen Regeln” (“practical arrangements”, “modalités”) festlegen, nach denen derartige Informationen “tatsächlich zugänglich gemacht werden” (“is effectively made available”, “est effectivement rendue disponible”).
Die Entstehungsgeschichte der Richtlinie macht deutlich, daß zu diesen den Mitgliedstaaten überlassenen praktischen Regeln auch die Befugnis gehört, die Art und Weise des Informationszugangs ohne Gewährung eines uneingeschränkten Wahlrechts zu regeln. Der Richtlinienvorschlag der Kommission vom 31. Oktober 1988 (ABlEG C 335/5 = BRDrucks 38/89 ≪m.Begr.≫) hatte in Art. 4 Abs. 1 noch die unentgeltliche Einsichtnahme oder entgeltliche Erteilung von Abschriften bzw. Ablichtungen nach Wahl des Antragstellers vorgesehen. Demgegenüber wurde im geänderten Richtlinienvorschlag vom 19. März 1990 (KOM ≪90≫ 91 endg., S. 8) in Art. 4 Abs. 1 einerseits das Wahlrecht des Antragstellers gestrichen, andererseits das ursprünglich nur auf Schriftstücke begrenzte Zugangsrecht auf die graphische oder akustische Wiedergabe von (auch) in Datenbanken sowie auf akustischen und visuellen Datenträgern gespeicherten Informationen erweitert. Die Streichung des Wahlrechts stand in einem inneren Zusammenhang mit der Ausweitung des Umfangs und der Modalitäten des Zugangsrechts; so sollte etwa ein Anspruch auf direkten Zugang zu elektronischen Datenbanken (Art. 2 Buchst. b dritter Spiegelstrich des geänderten Richtlinienvorschlags) ausgeschlossen sein.
3. Das der Behörde in § 4 Abs. 1 Satz 2 UIG eingeräumte Ermessen ist unter Beachtung der von der Richtlinie verfolgten Ziele auszuüben. Die Richtlinie will für jeden Antragsteller rechtlich möglichst uneingeschränkt und faktisch möglichst ungehindert den Informationszugang gewährleisten. Damit soll ein Beitrag zur Kontrolle der Verwaltung, zur Schärfung des Umweltbewußtseins und damit verbunden zur Effektivierung der von den Mitgliedstaaten umzusetzenden Umweltpolitik der Europäischen Union geleistet werden. Dieser Zweck geht u.a. aus dem vierten Erwägungsgrund der Richtlinie sowie dem im ersten Erwägungsgrund in Bezug genommenen vierten Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaften für den Umweltschutz 1987 bis 1992 (ABlEG C 328/1, 15 ff., Tz. 2.6) hervor, das der Unterrichtung der Öffentlichkeit hohe Bedeutung zumißt und eine verbesserte Umweltinformation als Element zum Schutz von Menschen und Umwelt durch bessere Anwendung von Vorschriften, Entwicklung erforderlicher Umweltschutzmaßnahmen und deren Akzeptanz durch die Öffentlichkeit ansieht.
Die Zielsetzung der Richtlinie begründet nicht nur einen Anspruch des Antragstellers auf fehlerfreie Ermessensausübung, sondern stellt überdies in ermessensbindender Weise die inhaltlichen Maßstäbe bereit, an denen sich die Auswahl des Informationsmittels orientieren muß. Da der Anspruch auf Information materiell uneingeschränkt ist, sofern nicht die in §§ 7, 8 UIG aufgeführten Tatbestände erfüllt sind, dürfen die Ermessenserwägungen nicht zu dem Ergebnis führen, daß die von der Behörde gewährte Information diesen Anspruch nicht oder nur unzulänglich erfüllt. Das Auswahlermessen besteht somit nur zwischen solchen Informationsmitteln, die im wesentlichen die gleiche Informationseignung besitzen. So darf der für einen bestimmten Informationszugang zu erwartende Verwaltungsaufwand nicht ins Feld geführt werden, wenn die weniger aufwendige Informationsgewährung den freien und umfassenden Zugang zu den vom Antragsteller in seinem Antrag bezeichneten Umweltinformationen nicht erreichen kann. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, inwieweit ein bestimmtes Informationsmittel einen unverhältnismäßigen, den wirksamen Informationszugang gefährdenden Aufwand für den Antragsteller nach sich zieht. So mag für einen entfernt wohnenden Antragsteller die Einsicht in die Behördenakten unzumutbar sein, so daß sich eine Auskunft oder die Übersendung von Aktenauszügen anbieten kann.
Über die Eignung eines Informationsmittels entscheidet zwar grundsätzlich die Behörde. Allerdings kommt mit Blick auf den Zweck der Umweltinformationsrichtlinie den Wünschen des Antragstellers besondere Bedeutung bei der Ermessensausübung zu, sofern nicht der Mißbrauchstatbestand des § 7 Abs. 3 Satz 1 UIG eingreift. Beantragt ein Bürger ausdrücklich einen bestimmten Informationszugang, darf die Behörde dies nur dann zugunsten eines anderen (im wesentlichen gleich geeigneten) Informationsmittels ablehnen, wenn hierfür gewichtige, von ihr darzulegende Gründe, etwa ein deutlich höherer Verwaltungsaufwand, bestehen.
4. Von diesem rechtlichen Ausgangspunkt aus hat der Kläger einen Anspruch auf die von ihm beantragte schriftliche Mitteilung der Analyseergebnisse. Das Auswahlermessen des Beklagten kann nach den Umständen des Falles nur in diesem Sinne betätigt werden. Denn der Beklagte hat nicht substantiiert dargelegt, welche gewichtigen Gründe gegen den vom Kläger beanspruchten Informationszugang sprechen. Erstmals in der mündlichen Revisionsverhandlung hat er zwar auf den personellen Aufwand verwiesen, den das Fotokopieren mehrerer hundert Aktenblätter mit sich bringe. Es ist aber nicht erkennbar, daß dieser Aufwand, für dessen Deckung nach § 10 Abs. 1 UIG Gebühren und Auslagen erhoben werden, deutlich größer als derjenige ist, der für die Behörde besteht, wenn sie dem Kläger – wie angeboten – für die Zeit der Akteneinsicht einen oder sogar mehrere Bedienstete als unterstützende “Erklärungshelfer” zur Verfügung stellt. Der Beklagte hat also sämtliche im Klageantrag näher bezeichneten Daten vollständig zu übermitteln, ohne daß es allerdings zusätzlich der vom Kläger verlangten ausdrücklichen “Vollständigkeitserklärung” bedürfte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Unterschriften
Dr. Franßen, Dr. Paetow, Dr. Bardenhewer, Kley, Dr. Brunn
Fundstellen
BVerwGE, 282 |
DÖV 1997, 734 |
JZ 1998, 243 |
NWVBl. 1997, 460 |