Entscheidungsstichwort (Thema)
Bundesbahnbeamter. Verstoß gegen die Anordnung, während einer Beurlaubung jede Änderung der Familienverhältnisse anzuzeigen. schuldhaftes ungenehmigtes Fernbleiben vom Dienst über mindestens 1 1/2 Jahre. Betreuung der Eltern und des entwicklungsgestörten Sohnes kein Milderungsgrund. Disziplinarmaß: Entfernung aus dem Dienst. kein Unterhaltsbeitrag mangels Bedürftigkeit des seit Jahren von seiner Familie finanziell unterstützten Beamten
Normenkette
BBG § 55 S. 2, § 73 Abs. 1 S. 1, § 77 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
BDIG (Urteil vom 01.12.1999; Aktenzeichen III VL 30/99) |
Tenor
Die Berufung des Hauptwerkmeisters … gegen das Urteil des Bundesdisziplinargerichts, Kammer III –… –, vom 1. Dezember 1999 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
1. Der Bundesdisziplinaranwalt hat den Beamten angeschuldigt, dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, dass er
- seiner Pflicht, jede Änderung seiner Familienverhältnisse während der bis 31. Juli 1996 befristeten Beurlaubung unverzüglich mitzuteilen, nicht nachgekommen ist und
- seit dem 1. August 1996 dem Dienst schuldhaft ohne Genehmigung ferngeblieben ist.
2. Das Bundesdisziplinargericht hat den Beamten mit Urteil vom 1. Dezember 1999 wegen Erweislichkeit der angeschuldigten Vorwürfe ohne Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags aus dem Dienst entfernt. Es hat das Verhalten des Beamten im Anschuldigungspunkt 1 als vorsätzlichen Verstoß gegen die Pflicht zur Befolgung dienstlicher Anordnungen (§ 55 Satz 2 BBG) und das Verhalten im Anschuldigungspunkt 2 als Verletzung der Pflichten gewertet, dem Dienst nicht ohne Genehmigung fernzubleiben (§ 73 Abs. 1 Satz 1 BBG), sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen (§ 54 Satz 1 BBG) sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordert (§ 54 Satz 3 BBG). Die disziplinare Höchstmaßnahme hat es schon wegen des Vorwurfs im Anschuldigungspunkt 2 ausgesprochen: Ein Beamter, der über einen Zeitraum von mehr als drei Jahre dem Dienst ohne triftigen Grund fernbleibe, zerstöre das für eine gedeihliche Zusammenarbeit unerlässliche Vertrauen und könne deshalb nicht im Beamtenverhältnis bleiben.
3. Der Beamte hat gegen das ihm am 31. Dezember 1999 zugestellte Urteil am 1. Februar 2000 Berufung eingelegt mit dem Ziel, ihn freizusprechen. Gegen die Versäumung der Berufungsfrist hat ihm der Senat mit Beschluss vom 7. März 2000 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Zur Begründung seiner Berufung hat der Beamte durch seine damalige Verteidigerin im Wesentlichen vortragen lassen: Um eine gedeihliche Zusammenarbeit, deren Störung das Bundesdisziplinargericht als Grund für die disziplinarische Höchstmaßnahme angeführt habe, könne es nicht mehr gehen, nachdem er seit Jahren keinen Dienst mehr leiste und deswegen keine Bezüge erhalte. Auch sei sein Fernbleiben vom Dienst gerechtfertigt, weil seine pflegebedürftigen Eltern auf ihn angewiesen seien. Wegen seines eigenen angeschlagenen Gesundheitszustandes fühle er sich im Übrigen nicht leistungsfähig. Die angemessene Reaktion sei nicht seine Entfernung aus dem Dienst, sondern die Versetzung in den Ruhestand.
Entscheidungsgründe
II.
Die nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Bundesdisziplinargericht den Beamten aus dem Dienst entfernt und ihm einen Unterhaltsbeitrag versagt.
Die Berufung ist unbeschränkt eingelegt, weil der Beamte einen Freispruch erstrebt und damit das ihm vorgeworfene Dienstvergehen bestreitet. Der Senat hat daher den Sachverhalt selbst festzustellen und disziplinarrechtlich zu würdigen.
1. Aufgrund der zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Beweismittel und der Aussage des Oberbahnarztes Dr. med. K., der in der Hauptverhandlung zur Frage der Dienstfähigkeit des Beamten zwischen August 1996 und Dezember 1997 als Sachverständiger gehört worden ist, geht der Senat von folgendem Sachverhalt und nachstehender rechtlicher Würdigung aus:
Anschuldigungspunkt 1
Dem Beamten war seit 1984 wiederholt Urlaub ohne Dienstbezüge bzw. Teilzeitarbeit gewährt worden. Zuletzt wurde er mit Schreiben des Bundeseisenbahnvermögens vom 4. August 1995 für den Zeitraum vom 1. August 1995 bis vorläufig 31. Juli 1996 zur Pflege seiner Großmutter beurlaubt. Das Schreiben enthält die Aufforderung, jede Änderung der Familienverhältnisse unverzüglich anzuzeigen. Die Großmutter des Beamten starb im Mai 1996. Diesen Umstand teilte der Beamte dem Bundeseisenbahnvermögen nicht mit und nahm die Beurlaubung auch für die Monate Juni und Juli 1996 in Anspruch.
Durch das bewusste Verschweigen des Todes seiner Großmutter hat der Beamte vorsätzlich gegen die Pflicht zur Befolgung dienstlicher Anordnungen (§ 55 Satz 2 BBG) verstoßen.
Anschuldigungspunkt 2
Mit Schreiben vom 21. Mai 1996 forderte das Bundeseisenbahnvermögen den Beamten auf, seinen Dienst zum 1. August 1996 wieder aufzunehmen oder unter Vorlage einer neuen ärztlichen Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit der Großmutter seine Weiterbeurlaubung zu beantragen. Mit Schreiben vom 15. Juli 1996 bat es den Beamten erneut um Mitteilung, ob er am 1. August 1996 seinen Dienst wieder antreten werde. Der Beamte antwortete nicht, erschien am 1. August 1996 nicht zum Dienst und bleibt diesem bis heute fern. Mit Schreiben vom 1. August 1996 mahnte die DBKom Gesellschaft für Telekommunikation mbH beim Beamten dessen Pflicht zur Dienstleistung an und forderte ihn auf, sich unverzüglich bei ihrem Personalbeamten zum Dienstantritt zu melden. Auf die disziplinaren Folgen unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst wies sie den Beamten hin. Mit Bescheid vom 6. August 1996 stellte das Bundeseisenbahnvermögen den Verlust der Dienstbezüge des Beamten für die Zeit ab 1. August 1996 fest.
Mit Schreiben vom 29. August 1996 teilte der Beamte dem Bundeseisenbahnvermögen ohne nähere Begründung mit, dass seine Beurlaubung weiterhin erforderlich sei. Nachdem er unter dem 5. September 1996 nach den Gründen für die von ihm für notwendig gehaltene Beurlaubung gefragt worden war und die DBKom im Oktober 1996 disziplinare Vorermittlungen gegen ihn eingeleitet hatte, antwortete er mit Schreiben vom 19. November 1996, dass er sich weiterhin um seinen Vater kümmern müsse. Beigefügt war eine ärztliche Bescheinigung, wonach der Vater aufgrund von Herzrhythmusstörungen und wiederkehrenden Schwindelanfällen auf die Betreuung durch ihn angewiesen sei. Das Bundeseisenbahnvermögen entschied über den Wunsch des Beamten nach einer weiteren Beurlaubung nicht; vielmehr gab ihm die DBKom mit Schreiben vom 11. Dezember 1996 das wesentliche Ergebnis der Vorermittlungen bekannt und lud ihn zur abschließenden Anhörung.
Indem der Beamte seinen Dienst am 1. August 1996 nicht wieder aufgenommen hat, hat er gegen § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG verstoßen. Die Vorschrift verbietet jedem Beamten, dem Dienst ohne Genehmigung des Dienstvorgesetzten fernzubleiben. Da der Beamte schuldhaft gehandelt hat, hat er ein Dienstvergehen begangen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG).
a) Der Beamte war nicht wegen einer bestehenden Dienstunfähigkeit berechtigt, seit dem 1. August 1996 dem Dienst fernzubleiben. Der Senat geht zwar aufgrund des Gutachtens des Oberbahnarztes Dr. K. vom 30. März 2000 davon aus, dass der Beamte inzwischen wegen eines vegativen Erschöpfungssyndroms mit depressiver Verstimmung, Antriebsschwäche, Konzentrationsstörungen und Vergesslichkeit, beginnender Hirnleistungsschwäche, beidseitigem chronischen Tinnitus aurium sowie chronischer Insomnie dienstunfähig ist. Der Zeitpunkt, zu dem die Dienstunfähigkeit eingetreten ist, ist unbekannt und wird sich mit letzter Gewissheit auch nicht ermitteln lassen. Zur Überzeugung des Senats steht aber fest, dass der Beamte zumindest zwischen August 1996 und Dezember 1997 dienstfähig war. Prof. Dr. T., der den Beamten auf Anordnung des Untersuchungsführers am 12. Dezember 1997 begutachtet und sein schriftliches nervenfachärztliches Gutachten vom 9. Januar 1998 im Untersuchungsverfahren mündlich erläutert hat, hat einen unauffälligen vegetativen Status diagnostiziert: Es liege kein übermäßiger Drogen- oder Alkoholkonsum vor, der Schlaf sei ungestört, der Appetit normal, Miktion und Stuhlgang ohne Besonderheiten. Nach Kenntnisnahme von diesem Gutachten, das sich allerdings nicht mit der Dienstfähigkeit des Beamten, sondern mit dessen Schuldfähigkeit befasst, das aber mit seinem körperlichen und neurologischen Befund auch für die Frage der Dienstfähigkeit des Beamten herangezogen werden kann, hat Dr. K. seine Aussage im Schreiben vom 13. Februar 2001, der Beamte sei bereits seit Juli 1996 dienstunfähig, in der Hauptverhandlung vor dem Senat korrigiert. Dr. K. hat Prof. Dr. T. als erfahrenen und renommierten Sachverständigen bezeichnet, dem eine nennenswerte Erkrankung des Beamten, insbesondere auch eine Alkoholabhängigkeit, nicht verborgen geblieben wäre, und sich dessen Diagnose ohne Zögern angeschlossen. Auch der Senat hat keinen Anlass, die Ergebnisse des Gutachtens vom 9. Januar 1998 in Zweifel zu ziehen. Der Umstand, dass die Tinnitusbeschwerden im Gutachten nicht erwähnt sind, obwohl der Beamte den Gutachter darauf aufmerksam gemacht haben will, ist nicht als Zeichen einer nur nachlässigen Begutachtung seiner Person zu werten. Dr. K. hat hierzu erklärt, es könne sein, dass bei der seinerzeitigen Untersuchung des Beamten und dessen damaliger Verfassung der Tinnitus mangels akuter Schlafstörungen nicht im Vordergrund gestanden habe. Diese Aussage erscheint plausibel. Der Beamte hat in der Hauptverhandlung den Tinnitus deshalb als besonders belastend bezeichnet, weil er Ursache seiner Schlafstörungen und der daraus resultierenden Erschöpfung sei. Dieser Zustand war zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Prof. Dr. T. noch nicht erreicht. Laut Gutachten hatte der Beamte bei der Untersuchung angegeben, dass „der Schlaf ungestört” sei (S. 9 des Gutachtens = U Bl. 39). Für die damalige Dienstfähigkeit des Beamten spricht zudem, dass er selbst bis zu seinem Antrag auf Zurruhesetzung im Oktober 1999 nicht geltend gemacht hat, krankheitsbedingt nicht zur Dienstleistung imstande zu sein.
Der Beamte war auch nicht in Anlehnung an den strafrechtlichen Rechtfertigungsgrund der Pflichtenkollision wegen der Pflicht zur Fürsorge für seine Eltern und seinen Sohn (vgl. § 1618 a BGB) von der Pflicht zur Dienstleistung befreit. Voraussetzung für einen Vorrang der bürgerlich-rechtlichen Pflicht zum Beistand ist eine unvorhergesehen eingetretene Situation, in der nicht unerhebliche gesundheitliche Gefahren für einen nahen Angehörigen drohen und in der die –innerhalb der Dienstzeit – notwendige ärztliche oder sonstige Versorgung durch Dritte nicht geleistet werden kann (Beschluss vom 20. August 1999 –BVerwG 1 DB 5.99 –Buchholz 240 § 9 BBesG Nr. 10). Ein solcher Vorrang kann aber nur für die Durchführung von Maßnahmen gelten, die zur Sicherstellung der Versorgung des Angehörigen unerlässlich sind, d.h. für Maßnahmen der ersten Hilfe. Eine Dauerbetreuung rechtfertigt keinen Vorrang vor der Verpflichtung zur Dienstleistung (vgl. Urteil vom 28. Februar 1978 –BVerwG 1 D 25.77 –BVerwGE 63, 11 ff.).
b) Der Beamte hat vorsätzlich gehandelt. Er ist noch am 1. August 1996 von der DBKom angeschrieben und daran erinnert worden, dass seine Beurlaubung zum 31. Juli 1996 ausgelaufen ist. Gleichzeitig ist er aufgefordert worden, sich sofort zum Dienstantritt zu melden, und hat den Hinweis erhalten, dass er für den Fall der Nichtbefolgung mit disziplinaren Maßnahmen wegen unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst rechnen müsse. Wenn er gleichwohl nicht zum Dienst erschienen ist, so geschah dies willentlich und im Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit. Von einem lediglich fahrlässigen Verstoß gegen § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG ab einem späteren Zeitpunkt kann nicht ausgegangen werden. Der Vortrag des Beamten, er habe auf die ärztliche Bescheinigung vom 13. November 1996 als Rechtfertigung für sein Fernbleiben vom Dienst vertraut, ist unglaubhaft. Der Beamte wusste aufgrund des Schreibens des Bundeseisenbahnvermögens vom 5. September 1996, dass für eine Beurlaubung zur Pflege eines Angehörigen eine Bescheinigung erforderlich ist, in dem die Pflegebedürftigkeit attestiert wird. Wie eine solches Attest auszusehen hat, war ihm durch die ärztliche Bescheinigung vom 7. Juli 1995 bekannt, in der seiner Großmutter unter Angabe der Pflegestufe Pflegebedürftigkeit bescheinigt worden war. Von einer Pflegebedürftigkeit des Vaters ist in der Bescheinigung vom 13. November 1996 keine Rede.
Der Beamte war schuldfähig. Prof. Dr. T. hat dem Beamten in seinem nachvollziehbaren und in sich schlüssigen Gutachten vom 9. Januar 1998 volle Schuldfähigkeit attestiert. Nach seinen Feststellungen war der Beamte seinerzeit körperlich und aus neurologischer Sicht gesund. In allen wesentlichen psychopathologischen Bereichen war er geordnet, sein Denken frei von krankhaften Störungen. Einsichts- und Steuerungsfähigkeit waren ungetrübt. Er war imstande, die Situation zutreffend einzuschätzen und auf Anschreiben zu reagieren. Auch war ihm klar, dass er eine Beurlaubung selbst aktiv hätte herbeiführen müssen, um zu Recht dem Dienst fernbleiben zu dürfen. Er wusste, was Recht und Unrecht ist und welche Pflichten er als Beamter gegenüber seinem Dienstherrn hat. Er konnte sich nach solchen Erkenntnissen auch richten. Wenn er dies nicht tat, so beruhte dies auf einer gewissen Entschlusslosigkeit ohne Krankheitswert, mit der er sich im Laufe der Zeit allerdings in eine zunehmend ausweglose Situation manövrierte (S. 10, 13 f. des Gutachtens, U Bl. 40, 43 f.)
2. Der Schwerpunkt des Dienstvergehens liegt im ungenehmigten Fernbleiben vom Dienst zwischen dem 1. August 1996 und Dezember 1997. Allein dieser Tatbestand zwingt zur Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme.
Das Gebot, überhaupt zum Dienst zu erscheinen, ist, wie der Senat in ständiger Rechtsprechung betont, Grundpflicht eines jeden Beamten. Ohne die regelmäßige Pflichterfüllung in Gestalt der Dienstleistung ihrer Mitarbeiter wäre die Verwaltung nicht in der Lage, die ihr gegenüber der Allgemeinheit obliegenden Aufgaben zu erfüllen. Deshalb kann einem Beamten, der ohne triftigen Grund nicht zum vorgeschriebenen Dienst erscheint, nicht mehr das Vertrauen entgegengebracht werden, das für eine gedeihliche Zusammenarbeit unerlässlich ist. Verweigert er den Dienst für einen längeren Zeitraum oder wiederholt –auch für kürzere Zeitspannen –, so kann sich die Notwendigkeit, das Beamtenverhältnis einseitig zu lösen, regelmäßig schon aus der Gesamtdauer der Dienstverweigerung selbst sowie aus dem Umstand ergeben, dass das Erfordernis der Dienstleistung und damit die Bedeutung ihrer Unterlassung für jedermann leicht zu erkennen sind. Setzt sich ein Beamter gleichwohl über diese Erkenntnis hinweg, offenbart er ein so hohes Maß an Pflichtvergessenheit und an fehlender Einsicht in die Notwendigkeit einer geordneten Verwaltung, dass in aller Regel seine Entfernung aus dem Dienst die Folge sein muss (Urteil vom 26. September 2000 –BVerwG 1 D 10.99 –; Urteil vom 8. Dezember 1999 –BVerwG 1 D 29.99 –).
Eine gedeihliche Zusammenarbeit war, wie auch der Beamte betont, nach seinem mindestens 17-monatigen unerlaubten Fernbleiben vom Dienst nicht mehr denkbar. Da durchgreifende Milderungsgründe fehlen, ist deshalb seine Entfernung aus dem Dienst geboten (vgl. Urteil vom 8. Dezember 1999, a.a.O.). Mit seiner Belassung im Dienst ohne Dienstbezüge kann es nicht sein Bewenden haben. Kein Dienstherr braucht sich an einem Dienstverhältnis zu einem Beamten, der seinen Dienst verweigert, festhalten zu lassen. Auf das Bedürfnis nach Einsparung der Dienstbezüge beschränkt sich das Interesse des Dienstherrn nicht. Dies ergibt sich aus § 73 Abs. 2 BBG, wonach eine disziplinarrechtliche Verfolgung nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass der Beamte wegen unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst nach dem Bundesbesoldungsgesetz seinen Anspruch auf Bezüge verliert.
Ein Verzicht auf die disziplinare Höchstmaßnahme zugunsten einer weniger belastenden Maßnahme kommt nicht deshalb in Betracht, weil sich der Beamte im Zeitraum des ungenehmigten Fernbleibens vom Dienst um seine Eltern und seinen Sohn gekümmert hat. Eine mildere Bewertung des Dienstvergehens wäre nur denkbar, wenn er deswegen einen Anspruch auf Beurlaubung gehabt hätte oder das Bundeseisenbahnvermögen im Ermessenswege bereit gewesen wäre, auf seine Dienstleistung zu verzichten, und eine Beurlaubung nur aus formalen Gründen, etwa wegen Fehlens eines Antrags oder des formgerechten Nachweises eines Beurlaubungsgrundes, unterblieben ist (vgl. dazu Urteil vom 12. April 2000 – BVerwG 1 D 12.99 –Buchholz 232 § 73 BBG Nr. 20; ZBR 2000, 347; DokBerB 2000, 215). Davon kann nicht ausgegangen werden. Ein Rechtsanspruch des Beamten auf Beurlaubung nach § 72 a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder 2 BBG bzw. § 79 a in der bis 30. Juni 1997 geltenden Fassung des BBG bestand nicht, weil seinen Eltern keine Pflegebedürftigkeit bescheinigt worden ist und der von ihm betreute Sohn bereits zum Beginn des Fernbleibens vom Dienst am 1. August 1996 älter als 18 Jahre alt war. Zu einer Beurlaubung im Ermessenswege nach § 13 Abs. 1 SUrlV war das Bundeseisenbahnvermögen nicht bereit. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass es den Antrag des Beamten auf Beurlaubung zur Betreuung seines Vaters vom 19. November 1996 nicht beschieden hat.
Das dem Beamten von Prof. Dr. T. attestierte Defizit, seine Belange durchzusetzen, stellt keinen Milderungsgrund dar (vgl. zum Milderungsgrund der Antriebsschwäche Urteil vom 12. Januar 1988 – BVerwG 1 D 4.87 –DokBerB 1988, 91; DVBl 1988, 1058 = NVwZ– RR 1989, 87). Die mangelnde Fähigkeit, Entscheidungen herbeizuführen, und die Neigung, Probleme vor sich herzuschieben, mögen der Grund dafür gewesen sein, warum der Beamte bis zum Ablauf der Beurlaubung zum 31. Juli 1996 keinen Folgeantrag gestellt hat. Sie können vielleicht auch noch erklären, dass der Beamte auf die Versuche der DBKom und des Bundeseisenbahnvermögens vom 1. bzw. 6. August 1996, ihn zur Wiederaufnahme des Dienstes zu bewegen, nicht reagiert hat. Sie taugen aber nicht mehr als Erklärung dafür, dass der Beamte dem Dienst auch dann noch ferngeblieben ist, nachdem die DBKom auf seinen Antrag auf Verlängerung der Beurlaubung vom 19. November 1996 mit der Fortsetzung des Disziplinarverfahrens reagiert hat. Mit der Landung zur abschließenden Anhörung im Vorermittlungsverfahren vom 11. Dezember 1996 war die Entscheidung über die Berechtigung eines weiteren Fernbleibens vom Dienst endgültig zu Lasten des Beamten gefallen. Der Beamte befand sich nicht mehr in einem Schwebezustand, in dem er sich unschlüssig war, wie es weitergehen sollte, sondern hat sich nach einer Abwägung zwischen seinen Dienstpflichten und seinen behaupteten familiären Pflichten unbeirrbar für letztere entschieden.
Die Entfernung des Beamten aus dem Dienst ist nicht unverhältnismäßig. Das aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip folgende Verhältnismäßigkeitsgebot beansprucht auch bei der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen Geltung (vgl. Beschluss vom 4. Oktober 1977 – 2 BvR 80/77 – BVerfGE 46, 17). Danach muss die dem Einzelnen staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet und erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Darüber hinaus darf der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den von dem Betroffenen hinzunehmenden Einbußen stehen. Die Entfernung eines Beamten aus dem Dienst als disziplinare Höchstmaßnahme verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung den Zweck der Generalprävention. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels Milderungsgründen das Vertrauen zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde dem Gebot, seine Aufgaben pflichtgemäß zu erfüllen, Rechnung tragen, erweist sich die Entfernung aus dem Dienst als geeignete und erforderliche Maßnahme, den aufgezeigten Zwecken der Disziplinarmaßnahme Geltung zu verschaffen. So verhält es sich regelmäßig bei unerlaubtem Fernbleiben vom Dienst über einen längeren Zeitraum. Sie ist auch angemessen. Insoweit sind abzuwägen das Gewicht des Dienstvergehens und der dadurch eingetretene Vertrauensschaden einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme einhergehenden Belastungen andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis gänzlich zerstört, erweist sich die Entfernung aus dem Dienst als angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht dann auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem daher als für alle öffentlich-rechtlichen und privaten Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Rechtsfolge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen (stRspr, vgl. Urteil vom 27. September 2000 – BVerwG 1 D 24.98 –; vgl. auch BVerfG – 3. Kammer –, Beschluss vom 21. Dezember 1988 – 2 BvR 1522/88 –). Dabei ist in die Abwägung einzustellen, dass der Beamte mit der Entfernung aus dem Dienst keineswegs auf Dauer ohne Versorgung dasteht; denn er ist in der Rentenversicherung nachzuversichern (§ 9 Abs. 4 AVG, § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 SGB VI). Wenn die Nachversicherung durchgeführt ist, kann er – wegen der ihm attestierten Dienstunfähigkeit auch mit Aussicht auf Erfolg – eine Erwerbsunfähigkeitsrente beantragen.
3. Von der Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags musste der Senat absehen. Die Bedürftigkeit des Beamten als Voraussetzung für einen Unterhaltsbeitrag (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BDO) ist nicht gegeben. Der Beamte, der von 1993 bis zum 31. Juli 1996 ohne Bezüge beurlaubt war und aufgrund des Verlustfeststellungsbescheides vom 6. August 1996 seit dem 1. August 1996 kein Gehalt bezieht, war und ist augenscheinlich in der Lage, den notwendigen Lebensunterhalt anderweitig sicherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 114 Abs. 1 Satz 1 BDO.
Unterschriften
Albers, Müller, Gatz
Fundstellen