Entscheidungsstichwort (Thema)
Postbeamter des einfachen Dienstes. unerlaubtes fahrlässiges Fernbleiben vom Dienst über einen Zeitraum von ca. 11 Wochen. Irrtum über das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal “Dienstfähigkeit” führt zu einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum. Disziplinarmaß: Degradierung
Normenkette
BBG § 73 Abs. 1 S. 1, § 77 Abs. 1 S. 1; StGB § 16 Abs. 1
Verfahrensgang
BDIG (Urteil vom 02.05.2001; Aktenzeichen II VL 25/00) |
Tenor
Die Berufung des Bundesdisziplinaranwalts gegen das Urteil des Bundesdisziplinargerichts, Kammer II – … –, vom 2. Mai 2001 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Posthauptschaffner … hierin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.
Tatbestand
I.
1. Der Bundesdisziplinaranwalt hat den Beamten angeschuldigt, dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, dass er
vom 27. März 1998 bis 11. April 1998,
vom 23. April 1998 bis 16. Mai 1998,
vom 16. Juli 1998 bis 8. August 1998,
vom 10. März 1999 bis 19. März 1999 und
vom 24. März 1999 bis 25. Juni 1999
schuldhaft ungenehmigt dem Dienst ferngeblieben sei.
2. Das Bundesdisziplinargericht hat den Beamten durch Urteil vom 2. Mai 2001 in das Amt eines Postoberschaffners (Besoldungsgruppe A 3 BBesG) versetzt. Es hat den angeschuldigten Vorwurf bezüglich der ersten vier Fehlzeiten als erwiesen erachtet. Hierdurch habe der Beamte fahrlässig gegen die sich aus § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG ergebende Pflicht verstoßen, dem Dienst nicht ohne Genehmigung des Dienstvorgesetzten fernzubleiben. Bezüglich des letzten Zeitraumes hat es ein entsprechendes fahrlässiges Verhalten nur bis zur Zustellung seines Beschlusses vom 9. April 1999 (BDiG II BK 6/98) an den Beamten am 16. April 1999 angenommen. Mit diesem Beschluss hatte das Bundesdisziplinargericht mehrere Verlustfeststellungsbescheide der Deutschen Post AG aufgehoben. Für die Zeit nach Zustellung des Beschlusses am 16. April 1999 sei dem Beamten ein Fahrlässigkeitsvorwurf nicht zu machen, weil er in seiner Auffassung, seinem Dienst berechtigterweise fernzubleiben, durch das Bundesdisziplinargericht bestätigt worden sei.
3. Gegen dieses Urteil hat der Bundesdisziplinaranwalt rechtzeitig Berufung eingelegt und beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Beamten aus dem Dienst zu entfernen. Das Rechtsmittel wird im Wesentlichen wie folgt begründet:
Das Fernbleiben des Beamten in den Zeiträumen bis zum 16. April 1999 sei (bedingt) vorsätzlich erfolgt. Der Beamte habe angesichts der gegebenen Umstände keinen Grund gehabt, ernsthaft darauf zu vertrauen, dienstunfähig zu sein. Er sei das Risiko, dem Dienst ungenehmigt fernzubleiben, gewissermaßen sehenden Auges eingegangen, indem er seine Sicht der Dinge zum alleinigen Maßstab seines Verhaltens gemacht habe. Dies widerspreche auch nicht den Ausführungen des Senats in seinem Beschluss vom 2. Dezember 1999 (BVerwG 1 DB 22.00) hinsichtlich der Feststellung des Verlusts der Dienstbezüge, weil darin von einem “jedenfalls fahrlässigen” Fernbleiben die Rede sei und dies ein vorsätzliches Verhalten nicht ausschließe.
Das Fernbleiben vom Dienst nach dem 16. April 1999 sei als zumindest fahrlässig zu bewerten. Das Bundesdisziplinargericht habe den Beamten insoweit zu Unrecht von einem disziplinaren Vorwurf freigestellt. Der Beamte habe sich nicht auf die Richtigkeit und die Geltung der seine Auffassung bestätigenden Entscheidung des Bundesdisziplinargerichts über die Verlustfeststellung verlassen dürfen, weil dieser Beschluss seiner Natur nach nur vorläufiger Art gewesen sei. Dies hätte dem durch einen Rechtsanwalt vertretenen Beamten auch klar sein müssen. Zumindest aber nachdem der Beamte von der Einlegung der Beschwerde Kenntnis erlangt habe, hätte er sich nicht mehr auf den Bestand des Beschlusses verlassen dürfen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung des Bundesdisziplinaranwalts bleibt ohne Erfolg. Das Bundesdisziplinargericht hat den Beamten zu Recht lediglich herabgestuft.
Das vorliegende Disziplinarverfahren ist auch nach In-Kraft-Treten des Bundesdisziplinargesetzes nach bisherigem Recht, d.h. nach den Verfahrensregeln und -grundsätzen der Bundesdisziplinarordnung fortzuführen (vgl. z.B. Urteil vom 20. Februar 2002 – BVerwG 1 D 19.01 –).
Das Rechtsmittel ist unbeschränkt eingelegt. Für die Zeit bis zum 16. April 1999 greift der Bundesdisziplinaranwalt die vom Bundesdisziplinargericht gewählte Schuldform an. Die Bestimmung der richtigen Schuldform ist nicht nur für die Maßnahmebemessung, sondern zugleich – als so genannter doppelrelevanter Umstand – für die Schuldfrage, also für den subjektiven Disziplinartatbestand des Dienstvergehens von Bedeutung (stRspr, vgl. etwa Urteil vom 11. Dezember 2001 – BVerwG 1 D 2.01 –). Darüber hinaus erstrebt der Bundesdisziplinaranwalt auch eine Verurteilung des Beamten wegen fahrlässigen Fernbleibens vom Dienst in der Zeit vom 16. April bis zum 25. Juni 1999. Der Senat hat deshalb den Sachverhalt selbst festzustellen und disziplinarrechtlich zu würdigen.
1. Aufgrund der zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Beweismittel geht der Senat in weitgehender Übereinstimmung mit dem Bundesdisziplinargericht von folgendem Sachverhalt aus:
a) Zeiträume vom 27. März bis 11. April 1998 und vom 23. April bis 16. Mai 1998
Der Beamte wurde wegen vorangegangener häufiger Fehlzeiten auf Veranlassung der Deutschen Post AG am 25. März 1997 von dem Postbetriebsarzt Dr. J.… untersucht. Dr. J.… kam zu dem Ergebnis, dem Beamten solle wegen chronisch-orthopädischer Beschwerden ein personengebundener Zuschlag für die Briefzustellung gewährt werden. Außerdem empfahl er dem Beamten eine Kur und regte seine Wiedervorstellung bei erneuten Fehlzeiten an. Nach weiteren Ausfallzeiten untersuchte Dr. J.… den Beamten am 22. Mai 1997 erneut. In seinem Gutachten vom gleichen Tag heißt es u.a.:
“Der Beamte kann aufgrund der chronischen Erkrankungen des Stütz- und Halteapparates, der venös-chronischen Kreislaufstörungen der Beine (Schwellungen und nächtliche Dauerschmerzen in den Beinen) und der teilweise durch die Körpergröße bedingten Kreislaufstörungen nicht mehr in der Briefzustellung eingesetzt werden. Falls eine alternative Beschäftigung mit leichten körperlichen Arbeiten (büroähnliche Arbeit, teilweise im Sitzen) nicht angeboten werden kann, sollte der Beamte über eine Versetzung in den Ruhestand für z. B. 3 Jahre beraten werden.”
Die Deutsche Post AG forderte daraufhin die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik L.… auf, zur gesundheitlichen Eignung des Beamten für die Briefzustellung oder alternativ für Bürotätigkeiten Stellung zu nehmen. Nach deren Gutachten vom 15. Juli 1997 liegen bei dem Beamten Veränderungen auf unfallchirurgisch-orthopädischem Fachgebiet vor. In dem Gutachten heißt es zur gesundheitlichen Eignung:
“Trotz der beschriebenen Veränderungen wird Herr W.… für fähig gehalten, in der Briefzustellung tätig zu sein. Nach den Äußerungen des Herrn W.… hier als auch nach den gescheiterten Bemühungen, ihn in eine sitzende Tätigkeit zu reintegrieren, ist aus Sicht des Gutachters nicht damit zu rechnen, dass Herr W.… akzeptiert, wieder bei der Briefzustellung eingesetzt zu werden.
Aus medizinischer Sicht ergeben sich ebenfalls keine Bedenken gegen einen Einsatz des Herrn W.… im Bürodienst. Nach den Äußerungen des Untersuchten wird aber auch für diese Tätigkeit angenommen, dass erhebliche Fehlzeiten zukünftig zu erwarten sind.”
Nachdem es in den folgenden Monaten erneut zu krankheitsbedingten Ausfallzeiten des Beamten gekommen war, wurde der Postbetriebsarzt Dr. J.… nochmals aufgefordert, zu den Einsatzmöglichkeiten des Beamten Stellung zu nehmen. In seinem Gutachten vom 2. Oktober 1997 äußerte der Postbetriebsarzt Dr. J.… dauernde gesundheitliche Bedenken. In diesem Gutachten heißt es u.a., es sei verständlich und auch medizinisch begründet, wenn der Beamte seine Arbeitsversuche vorzeitig abgebrochen habe, weil die gesundheitlichen Beschwerden alsbald aufgetreten seien (Schmerzen in den Beinen, statische Probleme). Der Beamte könne dieses Beschwerdebild willentlich nicht beeinflussen, so dass der Vorwurf einer absichtsvollen bewussten Arbeitsverweigerung in den Arbeitsversuchen aus medizinischer Sicht unbegründet sei. Es müsse festgestellt werden, dass die Möglichkeiten der medizinischen und beruflichen Rehabilitation gegenwärtig ausgeschöpft seien. Die Arbeitsversuche seien erfolglos geblieben, eine innerbetriebliche Einsatzmöglichkeit im zumutbaren Bereich sehe er nicht. Er halte den Beamten für dienstunfähig aus gesundheitlichen Gründen für die vorhandenen und zur Verfügung gestellten Tätigkeiten. Eine Nachuntersuchung in ca. drei Jahren halte er angesichts des jungen Lebensalters und der längerfristigen im Ganzen günstigen Prognose des Leidens für sinnvoll.
Auf Veranlassung der Deutschen Post AG wurde der Beamte am 22. Januar 1998 nochmals in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L.… von Prof. Dr. W.… untersucht. Dieser kommt in seinem fachärztlichen Gutachten vom 4. Februar 1998 unter Bezugnahme auf sein früheres Gutachten vom 15. Juli 1997 zu dem Ergebnis, der Beamte sei trotz der bei ihm vorliegenden Veränderungen (u.a. Überstreckung der Grundgelenke, Verformung des rechten Fußes, erlittener Beinvenenthrombose beidseitig, postthrombotisches Syndrom) fähig, sowohl in der Briefzustellung als auch im Bürodienst tätig zu sein. Eine Tätigkeit im Wechsel von Gehen, Sitzen und Stehen käme den zu stellenden Anforderungen allerdings am nächsten. Damit wäre ein Bewegungsprofil gegeben, wie es bei Verrichtungen des täglichen Lebens beobachtet werde. Da der Beamte in der Vergangenheit jedoch auch derartige Tätigkeiten nicht ausgeführt habe, müsse angenommen werden, dass er künftig dienstlich nicht wieder eingesetzt werden könne. Dies sei jedoch durch krankhafte Veränderungen nicht zu begründen. Es stehe vielmehr im Einklang mit Äußerungen des Beamten, er könne sich keine Körperhaltung vorstellen, in der er zu arbeiten in der Lage sei und es am günstigsten wäre, wenn er jetzt in den Ruhestand ginge.
Zum gleichen Ergebnis kommt der Vertragsarzt (und Bahnarzt) Dr. K.… in seinen Stellungnahmen vom 9. September 1997 und vom 18. Februar 1998. Zwar seien bei dem Beamten Gesundheitsstörungen gegeben, die mit den körperlichen Anforderungen, wie sie im Zustelldienst gefordert werden müssten, auf Dauer nicht zu vereinbaren seien. Der dem Beamten zugewiesene Arbeitsplatz in der Nachschlagstelle mit Tätigkeiten im freien Wechsel von Sitzen und Gehen entspreche aber dem geforderten Bewegungsprofil und sei als optimal zu bezeichnen. Sozialmedizinisch gelte es, eine Entwicklung umzukehren, die als “Krankenkarriere” des Beamten bezeichnet werden dürfe.
Mit Schreiben vom 3. März 1998 teilte die Deutsche Post AG dem Beamten unter Bezugnahme auf die Beurteilungen durch Prof. Dr. W.… und Dr. K.… mit, sie werde weitere Dienstunfähigkeitsbescheinigungen wegen der bislang vorgebrachten orthopädischen Beschwerden nicht mehr anerkennen. Unter Hinweis auf den Vorrang amts- oder vertragsärztlicher Gutachten gegenüber privatärztlichen Attesten und unter Androhung disziplinarer Maßnahmen forderte sie den Beamten zur Dienstaufnahme auf.
Nachdem der Beamte wegen eines festgestellten Hämatoms dem Dienst entschuldigt ferngeblieben war und vom 16. März bis zum 26. März 1998 kurze Zeit gearbeitet hatte, meldete er sich am 27. März 1998 erneut krank. Der den Beamten behandelnde Internist Dr. von R.… bescheinigte ihm in seiner Erstbescheinigung vom 27. März 1998 Arbeitsunfähigkeit vom 27. März 1998 bis zum 4. April 1998 und in einer Folgebescheinigung vom 6. April 1998 bis zum 11. April 1998 erneut Arbeitsunfähigkeit wegen Knie-, Kreuz-, Fuß-, Bein- und Rückenschmerzen.
Mit Schreiben vom 16. April 1998 kündigte die Deutsche Post AG dem Beamten die Einbehaltung seiner Dienstbezüge ab dem 27. März 1998 bis auf weiteres wegen schuldhaften Fernbleibens vom Dienst an. Nach vorübergehender Dienstaufnahme meldete sich der Beamte am 23. April 1998 erneut wegen orthopädischer Beschwerden dienstunfähig. Zum Nachweis reichte er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Internisten Dr. von R.… ein. Die Deutsche Post AG stellte nunmehr mit Bescheid vom 11. Mai 1998 wegen schuldhaft ungenehmigten Fernbleibens vom Dienst den Verlust der Dienstbezüge des Beamten für die Zeit vom 27. März bis 11. April 1998 und ab dem 23. April 1998 bis zur erneuten Dienstaufnahme fest. Der Beamte ist dem Dienst jedenfalls bis zum 2. Mai 1998 ferngeblieben. Ob dies darüber hinaus auch noch bis zum 16. Mai 1998 der Fall war, wovon die Anschuldigungsschrift ausgeht, hat sich nicht feststellen lassen.
b) Zeitraum vom 16. Juli bis 8. August 1998
Ab dem 16. Juli 1998 blieb der Beamte dem Dienst erneut fern. In der von ihm eingereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Internisten Dr. von R.… vom 16. Juli 1998 wird als Diagnose Schmerzen im Kreuz und in beiden Beinen genannt. Eine Arbeitsunfähigkeit wurde zunächst für die Zeit vom 16. Juli bis 25. Juli 1998 bescheinigt. Die Deutsche Post AG stellte daraufhin mit Bescheid vom 22. Juli 1998 den Verlust der Dienstbezüge vom 16. Juli 1998 bis zur erneuten Dienstaufnahme fest. Dr. von R.… stellte dem Beamten am 27. Juli 1998 erneut eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wegen der gleichen Diagnose bis zum 15. August 1998 aus. Gleichwohl verrichtete der Beamte vom 10. bis 18. August 1998 wieder Dienst und blieb ab dem 19. August 1998 wegen einem von Dr. Kü. bescheinigten postthrombotischen Syndrom dem Dienst wieder fern.
c) Zeiträume vom 10. bis 19. März 1999 und vom 24. März bis 25. Juni 1999
Nachdem der Beamte wegen der Diagnose postthrombotisches Syndrom durchgehend bis 14. September 1998 krankgeschrieben worden war, wurde er am 11. September 1998 auf Veranlassung der Deutschen Post AG von dem Bahnbetriebsarzt Dr. K.… untersucht. In dessen Gutachten vom 21. September 1998 heißt es u.a.:
“Tatsächlich finden sich allenfalls nur diskrete Zeichen eines sog. postthrombotischen Syndroms. Nach meinen Feststellungen darf man durchaus von einer beachtlichen Diskrepanz zwischen dem zu erhebenden Befund und der Dauer der Dienstunfähigkeit sprechen. Die Chronizität des Leidens rechtfertigt auf dem Boden der Gesamtpersönlichkeit die Annahme, daß auch künftig mit Dienstunfähigkeitszeiten zu rechnen ist, die sich auf die genannte Diagnose stützen. Aus diesem Grund empfehle ich die Einholung eines fachärztlichen Gutachtens in der Klinik für Beinleiden Dr. F.…, …, M.…”
In dem fachärztlichen Gutachten der Fachklinik für Beinleiden vom 29. Oktober 1998 werden als Diagnose ein postthrombotisches Syndrom an beiden Beinen und chronische Schmerzzustände an den unteren Extremitäten bestätigt. In dem Gutachten heißt es abschließend:
“Die geschilderten Beschwerden des Patienten finden aus phlebologischer Sicht keine Erklärung. Wir haben den Patienten darüber aufgeklärt. Wir empfehlen eine neurologisch-orthopädische Fachkonsultation.”
In seiner Stellungnahme zu diesem Gutachten vom 2. November 1998 erklärte der Bahnbetriebsarzt Dr. K.…, der Untersuchungsbericht sei ausführlich und belege eine sach- und fachgerechte Untersuchung des Beamten aus Sicht der Spezialisten für Beinleiden.
Mit Schreiben vom 18. November 1998 teilte die Deutsche Post AG dem Beamten unter Bezugnahme auf die Gutachten Dr. F.… und Dr. K.… mit, dass man künftige Dienstunfähigkeitsbescheinigungen wegen der vorgebrachten postthrombotischen Beschwerden nicht mehr akzeptieren werde. Nachdem der Beamte in der Folgezeit einige Monate Dienst verrichtet hatte, blieb er diesem vom 10. bis zum 19. März 1999 unter Hinweis auf eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Internisten Dr. von R.… vom 10. März 1999 fern. Hierin werden als Diagnose Rückenschmerzen, Beinschmerzen, Riesenwuchs und postthrombotisches Syndrom genannt.
Mit Bescheid vom 11. März 1999 stellte die Deutsche Post AG gemäß § 9 BBesG für die Zeit vom 10. März 1999 bis zur erneuten Dienstaufnahme den Verlust der Dienstbezüge fest. Nachdem der Beamte am 22. und 23. März 1999 zum Dienst erschienen war, blieb er dem Dienst ab dem 24. März 1999 unter Hinweis auf eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Internisten Dr. von R.… für die Zeit vom 24. März bis 1. April 1999 erneut fern. Dem Beamten wurden Schmerzen im Kreuz und in beiden Beinen bescheinigt. Die Deutsche Post AG stellte daraufhin mit Bescheid vom 31. März 1999 den Verlust der Dienstbezüge für die Zeit vom 24. März 1999 bis zur erneuten Dienstaufnahme fest. Der Beamte blieb dem Dienst bis zum 25. Juni 1999 durchgehend unter Hinweis auf seine privatärztlich bestätigten orthopädischen Beschwerden fern.
Durch Beschluss vom 9. April 1999 – BDiG II BK 6/98 –, dem Beamten zugestellt am 16. April 1999, hob das Bundesdisziplinargericht die Verlustfeststellungsbescheide der Deutschen Post AG vom 11. Mai 1998 und vom 22. Juli 1998 mit der Begründung auf, dem Beamten sei ein schuldhaftes Fernbleiben vom Dienst für die Zeit vom 27. März bis 11. April 1998, vom 23. April bis 3. Mai 1998 und vom 16. Juli bis 9. August 1998 nicht nachzuweisen. Durch einen weiteren Beschluss vom 8. Juli 1999 – BDiG II BK 5/99 – hob das Bundesdisziplinargericht auch die Verlustfeststellungsbescheide der Deutschen Post AG vom 11. März 1999 und vom 31. März 1999 mit der Begründung auf, dem Beamten könne ein schuldhaftes Fernbleiben in der Zeit vom 10. bis 21. März 1999 und seit dem 24. März 1999 nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Für die Zeit nach der Zustellung des Beschlusses vom 9. April 1999 in dem Verfahren BDiG II BK 6/98 gelte dies insbesondere auch deshalb, weil der Beamte durch diesen Beschluss in seiner Meinung, dienstunfähig zu sein, bestärkt worden sein dürfte. Selbst wenn er dienstfähig gewesen sein sollte, könne ihm daher auch nicht der Vorwurf der Fahrlässigkeit gemacht werden.
Das Bundesverwaltungsgericht hob die beiden vorgenannten Beschlüsse des Bundesdisziplinargerichts auf die Beschwerde der Deutschen Post AG hin mit Beschluss vom 2. Dezember 1999 – BVerwG 1 DB 19.99 – auf und hielt die Verlustfeststellungsbescheide der Deutschen Post AG vom 11. Mai 1998, vom 22. Juli 1998, vom 11. März 1999 und vom 31. März 1999 aufrecht.
Der Beamte hat sich im Disziplinarverfahren dahingehend eingelassen, während der ihm vorgeworfenen Fehlzeiten sei er dienstunfähig erkrankt gewesen. Sobald er schmerzfrei gewesen sei, habe er immer wieder letztlich erfolglose Arbeitsversuche unternommen. Zur Begründung seiner Dienstunfähigkeit stützt er sich u.a. auf ein an seinen früheren Verteidiger gerichtetes Schreiben des Postbetriebsarztes Dr. J.… vom 26. Januar 2000. Darin heißt es, “der Beamte war und ist für Tätigkeiten des einfachen Postdienstes dienstunfähig”. Der Beamte erklärt, er sei sich in keiner Weise bewusst, dem Dienst schuldhaft ferngeblieben zu sein. Er habe auch aufgrund der Entscheidungen des Bundesdisziplinargerichts vom 9. April 1999 und vom 8. Juli 1999 darauf vertraut, dem Dienst berechtigterweise ferngeblieben zu sein.
2. Aufgrund dieses Sachverhalts steht fest, dass der Beamte in den angeschuldigten Zeiträumen keinen Dienst verrichtet hat mit Ausnahme des Zeitraums vom 4. bis 16. Mai 1998. Für diese Zeit liegt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht vor. Eine solche wurde erst wieder für die Zeit ab dem 18. Mai 1998 vorgelegt. Sowohl das Bundesdisziplinargericht als auch der Senat gehen in den Beschlüssen vom 9. April 1999 und vom 2. Dezember 1999 davon aus, dass der Beamte in der Zeit vom 4. bis 15. Mai 1998 Dienst verrichtet hat. Diese Feststellungen sind in der Folgezeit nicht angegriffen worden.
Der Beamte ist in den festgestellten Zeiträumen, in denen er keinen Dienst verrichtet hat, bis zur Zustellung des Beschlusses des Bundesdisziplinargerichts vom 9. April 1999 am 16. April 1999 dem Dienst schuldhaft ungenehmigt, nämlich fahrlässig, ferngeblieben. Für die Zeit vom 16. April bis zum 25. Juni 1999 stellt der Senat den Beamten, ebenso wie das Bundesdisziplinargericht, von einem fahrlässigen Fernbleiben vom Dienst frei.
Im Beschluss vom 2. Dezember 1999 hat der Senat Folgendes ausgeführt:
Das Fernbleiben des Beamten vom Dienst war nicht genehmigt. Eine zur Dienstunfähigkeit führende Erkrankung des Beamten lag trotz der dem Beamten Arbeitsunfähigkeit bescheinigenden Atteste seiner Privatärzte und trotz der Auffassung des Postbetriebsarztes Dr. J.…, der den Beamten für dienstunfähig hält, nicht vor. Davon ist der Senat aufgrund der Begutachtungen durch Dr. K.… – Arzt für Arbeitsmedizin und Vertragsarzt der Deutschen Post AG –, Prof. Dr. W.… – Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L.… –, Dr. F.… – Belegarzt an der Fachklinik für Beinleiden in M.… – sowie den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sch. überzeugt.
Der Sachverständige Prof. Dr. W.… stellt in seinen Gutachten vom 15. Juli 1997 und 4. Februar 1998 unter Berücksichtigung der von Dr. J.… wiedergegebenen Diagnosen fest, der Beamte sei trotz der vorliegenden Veränderungen (u.a. Überstreckung der Grundgelenke, Verformung des rechten Fußes, erlittener Beinvenenthrombose beidseits, postthrombotisches Syndrom) fähig, sowohl in der Briefzustellung als auch im Bürodienst tätig zu sein. Eine Tätigkeit im Wechsel von Gehen, Sitzen und Stehen käme den zu stellenden Anforderungen allerdings am nächsten. Damit wäre ein Bewegungsprofil gegeben, wie es bei Verrichtungen des täglichen Lebens beobachtet werde. Da der Beamte in der Vergangenheit jedoch auch derartige Tätigkeiten nicht ausgeführt habe, müsse angenommen werden, dass er künftig dienstlich nicht wieder eingesetzt werden könne. Dies sei jedoch durch krankhafte Veränderungen nicht zu begründen. Es stehe vielmehr im Einklang mit Äußerungen des Beamten, er könne sich keine Körperhaltung vorstellen, in der er zu arbeiten in der Lage sei und es am günstigsten wäre, wenn er jetzt in den Ruhestand ginge.
Zum gleichen Ergebnis kommt der Vertragsarzt Dr. K.… in seinen Stellungnahmen vom 9. September 1997 und 18. Februar 1998. Zwar seien bei dem Beamten Gesundheitsstörungen gegeben, die mit den körperlichen Anforderungen, wie sie im Zustelldienst gefordert werden müssen, auf Dauer nicht zu vereinbaren seien. Der dem Beamten zugewiesene Arbeitsplatz in der Nachschlagstelle mit Tätigkeiten im freien Wechsel von Sitzen und Gehen entspreche aber dem geforderten Bewegungsprofil und sei als optimal zu bezeichnen. Sozialmedizinisch gelte es, eine Entwicklung umzukehren, die als “Krankenkarriere” des Beamten bezeichnet werden dürfe.
Im Hinblick darauf, dass der Beamte ab dem 19. August 1998 mit der neuen Diagnose “postthrombotisches Syndrom” arbeitsunfähig geschrieben wurde, empfahl der mit der Überprüfung dieser Diagnose beauftragte Vertragsarzt Dr. K.…, der nur geringe Anzeichen eines so genannten postthrombotischen Syndroms gefunden hatte, die Einholung eines fachärztlichen Gutachtens der Klinik für Beinleiden Dr. F.… Nach dem Gutachten des Dr. F.… vom 29. Oktober 1998 haben die geschilderten Beschwerden des Beamten aus phlebologischer Sicht keine Erklärung gefunden. Der Gutachter empfahl eine neurologisch-orthopädische Fachkonsultation. Diese hat die Niederlassung Briefpost M.… im Hinblick auf die Untersuchung des Beamten in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L.… zu Recht für nicht erforderlich gehalten. Der Vertragsarzt Dr. K.… empfahl dem Dienstherrn in Würdigung des Gutachtens Dr. F.…, ärztliche Dienstunfähigkeitsbescheinigungen hinsichtlich der dort genannten Diagnosen einer kritischen Würdigung zu unterziehen, da angenommen werden dürfe, dass Diagnosen, die im weitesten Sinn auf ein venöses Beinleiden hinwiesen, nicht zwingend Dienstunfähigkeit begründeten.
Nachdem die privatärztlich gestellte Diagnose postthrombotisches Syndrom erstmals seit dem 23. Juli 1999 um den Zusatz “Migräne” ergänzt worden war, wurde ein nervenfachärztliches Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sch. eingeholt. Dieser kommt zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Kopfschmerzen um keine Migräne handele, sondern “bestenfalls” um einen cervicogenen Kopfschmerz, der ebenso wie alle anderen Beschwerden auch sehr stark psychogen überlagert sei. Eine Arbeitsunfähigkeit resultiere hieraus nicht. Im Übrigen schloss der Sachverständige auch eine neurogene Schädigung der Beine aus. Der psychische Befund sei gekennzeichnet von einem starken subjektiven Krankheitsgefühl und einer daraus resultierenden Schonhaltung. Ursachen hierfür seien primär psychasthenische Züge der Persönlichkeit sowie eine hinzukommende konversionsneurotische Fehlhaltung. Beidem komme weder kranheitswertige noch leistungsmindernde Bedeutung bei. Organisch fassbare neurologische Auffälligkeiten seien bei dem Beamten nicht vorhanden. Der Beamte könne aus der Sicht seines Fachgebietes seine frühere Tätigkeit als Briefzusteller weiterhin vollschichtig verrichten. Ebenfalls vollschichtig könne er – wie zuletzt im Belegwesen – bei sitzender Tätigkeit eingesetzt werden. Auch die zuvor ausgeübte sitzende Tätigkeit an der Nachsendestelle könne ihm vollschichtig abverlangt werden. Er stimme der Einschätzung des Kollegen Dr. K.… zu, bei dem Beamten sei eine Krankenkarriere in Gang gekommen, die es sozialmedizinisch umzukehren gelte. Dies bedeute, dass dem Beamten mit allem Nachdruck klarzumachen sei, dass bei ihm kein krankhafter Befund vorhanden ist und dass seine Befindlichkeitsstörungen keine Arbeitsunfähigkeit begründen.
Aus dem vom Beamten selbst vorgelegten Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. P.… vom 11. Juli 1998, das vom Sozialgericht M.… aus Anlass seiner Klage auf Festsetzung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) als zwanzig eingeholt worden ist, ergibt sich, dass ein postthrombotisches Syndrom rechts nicht gesichert ist und eine “echte” Fußdeformität bzw. eine Gehbehinderung bei dem Beamten nicht vorliegt. Als Behinderung im wahrsten Sinne des Wortes könne bei dem Beamten nur die Körpergröße von 210 cm bezeichnet werden. Der Großwuchs allein rechtfertige noch nicht die Annahme eines GdB. Bei dem Beamten bestehe ein Knorpelschaden in dem patellofemoralen Anteil des rechten Kniegelenkes und ein Ballenspreizhohlfuß mit nicht fixierter Krallenzehenstellung der zweiten bis vierten Zehe beiderseits. Der Ballenspreizhohlfuß und die Fußlänge seien durch das Tragen orthopädischer Schuhe mit orthopädischer Fußbettung kompensiert. Lediglich dem Umstand, dass der Kläger ständig orthopädische Schuhe tragen müsse, komme ein gewisser Behinderungsgrad zu. Außer dem Großwuchs sei eine ausgeprägte Haltungsschwäche mit einer Rumpfmuskelschwäche und einem teilfixierten Rundrücken sowie einer Seitfehlhaltung der Brustwirbelsäule aufgrund der Rumpfmuskelschwäche gegeben. Dem Beamten wurde ein GdB von dreißig zugebilligt. Der nach abstrakten Maßstäben bemessene GdB sagt jedoch nichts über die Arbeits- oder Dienstfähigkeit aus (vgl. Urteil vom 3. Juni 1977 – BVerwG 1 D 64.76 – ≪BVerwG DokBer B 1997, 285≫).
Zwar vertritt der Postbetriebsarzt Dr. J.… die Auffassung, dass der Beamte dienstunfähig sei. In seiner Stellungnahme vom 22. Mai 1997 führt er aus, der Beamte könne aufgrund der chronischen Erkrankungen des Stütz- und Halteapparates, der venös-chronischen Kreislaufstörungen der Beine und der teilweise durch die Körpergröße bedingten Kreislaufstörungen nicht mehr in der Briefzustellung eingesetzt werden. Falls eine alternative Beschäftigung mit leichten körperlichen Tätigkeiten (büroähnliche Arbeit, teilweise im Sitzen) nicht angeboten werden könne, sollte eine Versetzung in den Ruhestand für z.B. drei Jahre erwogen werden. In seiner Beurteilung vom 2. Oktober 1997 vertritt er die Auffassung, eine Rückkehr in die Briefzustellung sei gescheitert. Andere Arbeitsversuche bei Post-Direkt, in der Nachschlagstelle und in der Infopost-Bearbeitung hätten ebenfalls keinen Erfolg gehabt. Es sei verständlich und auch medizinisch begründet, wenn der Beamte seine Arbeitsversuche vorzeitig abgebrochen habe, weil die gesundheitlichen Beschwerden alsbald aufgetreten seien (Schmerzen in den Beinen, statische Probleme). Der Beamte könne dieses Beschwerdebild willentlich nicht beeinflussen, sodass der Vorwurf einer absichtsvollen bewussten Arbeitsverweigerung in den Arbeitsversuchen aus medizinischer Sicht nicht begründet sei. Die Prognose des Leidens sei allenfalls längerfristig als günstig anzusehen, wenn die Zirkulation auch unter voller beruflicher Belastung ausreichend angepasst sei. Die Möglichkeiten der medizinischen und beruflichen Rehabilitation seien gegenwärtig ausgeschöpft; eine innerbetriebliche Einsatzmöglichkeit in zumutbarem Bereich sehe er nicht. Der Beamte sei für die vorhandenen und zur Verfügung gestellten Tätigkeiten dienstunfähig.
Die Auffassung des Dr. J.… überzeugt aber nicht. Ihr stehen die oben wiedergegebenen Beurteilungen der Ärzte Prof. Dr. W.…, Dr. F.… und Dr. Sch. entgegen. Zwar kommt dem Gutachten des Postbetriebsarztes aufgrund des speziellen Sachverstandes, der einerseits auf der Kenntnis der Belange der öffentlichen Verwaltung, andererseits auf der Erfahrung aus einer Vielzahl von gleich- oder ähnlichliegenden Fällen beruht, ein größerer Beweiswert zu (z.B. Beschluss vom 17. Januar 1996 – BVerwG 1 DB 26.95 –). Dies kann hier aber angesichts der übereinstimmenden anders lautenden Beurteilungen nicht gelten. Es handelt sich um Gutachten von Ärzten, die den Beamten nicht behandelt hatten und von der Niederlassung Briefpost M.… zur Klärung der Dienstfähigkeit eingeschaltet worden waren. Für die Richtigkeit dieser Beurteilungen spricht auch, dass selbst der Privatarzt des Beamten, der Arzt für Orthopädie Dr. B.…, in einem ärztlichen Bericht vom 1. September 1997 festgestellt hat, er halte eine wechselnd sitzende/stehende Tätigkeit für erforderlich, um die Arbeitsfähigkeit des Beamten zu erhalten. Soweit es die Fachkompetenz für die Beurteilung der Dienstfähigkeit betrifft, ist zudem zu berücksichtigen, dass die Niederlassung Briefpost M.… hierzu auch die Stellungnahme des Arztes für Arbeitsmedizin Dr. K.… eingeholt hat, der als Bahnbetriebsarzt über einschlägige Erfahrungen verfügt. Die Beantwortung der Frage, ob der Beamte trotz seiner Leiden eine innerbetriebliche Tätigkeit mit Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen ausüben kann, setzt keine derartigen Kenntnisse des Betriebs der Post voraus, dass sie ein Bahnbetriebsarzt aufgrund seiner Erfahrungen nicht in gleicher Weise vornehmen könnte. Davon abgesehen, kann die von dem Postbetriebsarzt Dr. J.… abgegebene Beurteilung auch aus folgenden Gründen nicht überzeugen: Dr. J.… gibt keine plausible Erklärung dafür an, warum der Beamte entgegen der Beurteilung vom 22. Mai 1997 keine Tätigkeit im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen ausüben kann. Auch seine Ausführungen, es sei “verständlich und medizinisch begründet”, wenn der Beamte seine Arbeitsversuche abgebrochen habe, sind nicht nachvollziehbar. Hierbei wird die Einstellung des Beamten selbst außer Acht gelassen, der beispielsweise einen Arbeitsversuch am 15. September 1997 bei der Infopost-Bearbeitung, einer überwiegend im Stehen und Gehen auszuübenden Tätigkeit, die bei Bedarf durch kurze Pausen im Sitzen unterbrochen werden konnte, nach einem Tag abgebrochen hat, nachdem er bereits am Tag zuvor schriftlich darauf hingewiesen hatte, er nehme diese Tätigkeit nur unter Vorbehalt auf.
Soweit der Beamte Atteste seiner Privatärzte vorgelegt hat, kann diesen nicht gefolgt werden, da die dort angegebenen Diagnosen nach den eingeholten ausführlichen Gutachten keine Dienstunfähigkeit des Beamten begründeten. Hierbei fällt auf, dass der Beamte für seine Krankschreibungen sechs verschiedene Ärzte bemühte, die ihm bei teilweiser nur kurzer Krankschreibung wechselnd Dienstunfähigkeit bescheinigten.
Der Beamte bleibt dem Dienst schuldhaft und zwar jedenfalls fahrlässig fern. Er wurde von seiner Dienststelle mehrfach darauf hingewiesen, dass privatärztliche Atteste, die Krankschreibungen wegen orthopädischer Beschwerden enthielten, im Hinblick auf das Gutachten der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L.…, von dem der Beamte eine Kopie erhalten hatte, nicht mehr anerkannt würden. Er wurde über den Vorrang der Beurteilung durch den Vertragsarzt Dr. K.… gegenüber privatärztlichen Bescheinigungen belehrt. Ihm wurden die Einbehaltung der Dienstbezüge und Disziplinarmaßnahmen angedroht. Gleichwohl blieb er dem Dienst fern.
Zwar zählt – wie dargelegt – der Postbetriebsarzt Dr. J.… zu den Ärzten, dessen Beurteilung nach der Rechtsprechung des Senats Vorrang zukommt. Gleichwohl durfte der Beamte auf dessen Beurteilung nicht vertrauen. Er hätte erkennen können, dass allein Dr. J.… im Vergleich zu allen anderen von der Niederlassung Briefpost M.… eingeholten ärztlichen Gutachten, die im Gegensatz zu den Privatärzten nicht bestrebt sein müssen, das Vertrauen ihrer Patienten zu erhalten, eine abweichende Auffassung vertrat, der auch der Dienstherr nicht gefolgt ist. Letzteres war für den Beamten dadurch erkennbar, dass nach der Beurteilung durch Dr. J.… von der Niederlassung ein Gutachten der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L.… eingeholt wurde, das zu einer anderen Bewertung der Diagnosen in Bezug auf seine Dienstfähigkeit führte. Bei Beachtung der ihm nach den Umständen gebotenen und konkret zumutbaren Sorgfalt hätte er seine Pflicht zur Dienstleistung erkennen und dieser Pflicht nachkommen müssen.
An dieser Beurteilung hält der Senat für die Zeit bis zum 16. April 1999 fest. An ihr hat sich auch durch die zeitlich danach abgegebenen ärztlichen Zeugnisse nichts geändert. Zwar hat der Vertragsarzt Dr. K.… dem Beamten aufgrund einer Untersuchung vom 27. März 2000 nunmehr Dienstunfähigkeit zugebilligt. Er begründete dies damit, dass der Beamte einen erschöpften Eindruck mache, getrieben und irgendwie auch verzweifelt wirke. Sein früher erkennbares berechnendes Verhalten scheine verschwunden bzw. werde überdeckt. Es scheine, als habe der Beamte die Kontrolle über sein Verhalten und über das, was ihm geschehe, verloren. Aus dieser Beurteilung können jedoch keine Rückschlüsse bezüglich der streitgegenständlichen Zeiträume gezogen werden, da die Begründung die Auffassung des Arztes erkennen lässt, dass sich die physisch-psychische Befindlichkeit des Beamten nunmehr erkennbar verändert hat.
Gleiches gilt für die Beurteilung durch den Amtsarzt Dr. B.… in seinem Gutachten vom 5. November 2001. Ihm gegenüber schilderte der Beamte neben körperlichen Beschwerden auch Ängste, die er vor allem vor dem Wiederauftreten einer Lungenembolie, aber auch unabhängig davon habe. Wegen Appetitlosigkeit habe er in den letzten zwei Jahren 15 Kilogramm Körpergewicht abgenommen. Es bestehe Grübelzwang. Neben der ambulanten Psychotherapie suche er alle drei bis vier Wochen seinen Nervenarzt auf. Nach Auffassung von Dr. B.… handelt es sich um eine reaktiv ausgelöste Störung mit endomorphen Anteilen bei gravierenden körperlichen Erkrankungen und Problemen am Arbeitsplatz. Auch durch diese Beurteilung werden die ärztlichen Stellungnahmen zu den Beschwerden des Beamten in den streitgegenständlichen Zeiträumen nicht entkräftet. Die amtsärztliche Äußerung vom 5. November 2001 betrifft vielmehr den Zustand des Beamten, der aufgrund der im September 2000 erlittenen Lungenembolie eingetreten ist.
Entgegen der Auffassung des Bundesdisziplinaranwalts lässt sich aber auch für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht nachweisen, dass der Beamte mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Gleiches gilt selbst für eine bewusste Fahrlässigkeit. Bewusste Fahrlässigkeit und bedingter Vorsatz sind insoweit deckungsgleich, als der Handelnde die Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbestandes weder anstrebt noch für sicher hält. Er hält sie nur für möglich. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, unterscheiden sich die Schuldformen darin, dass der bewusst fahrlässig Handelnde mit der als möglich erkannten Folge nicht einverstanden ist und deshalb ernsthaft und nicht nur vage auf ihren Nichteintritt vertraut, während der bedingt vorsätzlich Handelnde mit dem Eintreten des schädlichen Erfolges in der Weise einverstanden ist, dass er ihn billigend in Kauf nimmt oder sich um des erstrebten Zieles willen wenigstens mit ihm abfindet, mag ihm auch der Erfolgseintritt an sich unerwünscht sein (Urteil vom 5. Juli 2000 – BVerwG 1 D 39.99 – m.w.N.).
Dem Beamten kann nicht nachgewiesen werden, dass er vor der Bekanntgabe des Ergebnisses der Begutachtung durch Dr. Sch. vom 10. September 1999 und des Beschlusses des Senats vom 2. Dezember 1999 die Verwirklichung des Dienstvergehenstatbestandes für möglich gehalten hat. Zu diesem Tatbestand gehört als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal die Dienstfähigkeit (Beschluss vom 26. August 1993 – BVerwG 1 DB 15.93 – ≪BVerwGE 93, 393≫ m.w.N.). Zwar wurde der Beamte regelmäßig über die Ergebnisse der einzelnen ärztlichen Untersuchungen unterrichtet. Er wurde über die Nachrangigkeit der (in Zweifel gezogenen) privatärztlichen Atteste informiert und zum unverzüglichen Dienstantritt aufgefordert, und es wurde der Verlust der Dienstbezüge für einzelne Zeiträume festgestellt. Dies änderte aber nichts daran, dass sich der Beamte tatsächlich aufgrund der Beurteilung seiner Privatärzte und vor allem durch das Urteil des Postbetriebsarztes Dr. J.… für dienstunfähig hielt. Dass es sich hierbei nicht um eine bloß vorgeschobene Haltung handelte, ergibt sich auch aus der Beurteilung des Neurologen Dr. Sch. vom 14. September 1999, wonach bei dem Beamten ein starkes subjektives Krankheitsgefühl vorliege. Die daraus resultierende Fehlhaltung und die Neigung, psychogen Beschwerden zu fixieren und zu überlagern, seien Ausdruck einer primär psychasthenischen Struktur der Persönlichkeit sowie einer hinzukommenden konversionsneurotischen Fehlhaltung.
Danach irrte der objektiv dienstfähige, sich subjektiv aber für dienstunfähig haltende – und in dieser Einschätzung durch Dr. J.… bestätigte – Beamte über das Tatbestandsmerkmal Dienstfähigkeit, sodass er sich in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum befand, der lediglich eine Verurteilung wegen Fahrlässigkeit zulässt (§ 16 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB). Fahrlässig handelt, wer bei zumutbarer Selbsteinschätzung seines gesundheitlichen Zustandes hätte erkennen müssen, zur – wenn auch eingeschränkten – Dienstausübung in der Lage zu sein (vgl. Weiß, GKÖD, Band II, J 610 Rn. 9, 35). Dies hat der Senat im Beschluss vom 2. Dezember 1999 bejaht. Hieran wird festgehalten. Der Beamte durfte sich nicht subjektiv für berechtigt halten, dem Dienst fernzubleiben (vgl. hierzu bereits Urteil vom 21. Mai 1959 – BDH II D 91/57 –). Dem starken subjektiven Krankheitsgefühl des Beamten kam nach den Ausführungen des Neurologen Dr. Sch. weder krankheitswertige noch leistungsmindernde Bedeutung zu.
Anders – aus der Sicht des Beamten noch günstiger – stellt sich die Rechtslage für die Zeit nach Zustellung des Beschlusses des Bundesdisziplinargerichts vom 9. April 1999 dar. Dem Beamten ist nunmehr von einem zuständigen Fachgericht bescheinigt worden, dass seine Dienstfähigkeit mit Blick auf die vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen während der streitbefangenen Zeiträume nicht erwiesen sei und mit Blick auf die Beweislast des Dienstherrn von einer Berechtigung des Beamten zum Fernbleiben vom Dienst ausgegangen werden müsse. In diesem Beschluss wird insbesondere die für den Beamten positive Stellungnahme des Dr. J.… hervorgehoben. Die von seiner Bewertung im Ergebnis abweichenden ärztlichen Stellungnahmen seien nicht so überzeugend, dass die Beurteilung des Postbetriebsarztes als widerlegt anzusehen wäre. Auch ist ausgeführt, dass nach der Diagnose des Dr. F.… die Beschwerden lediglich aus phlebologischer Sicht keine Erklärung fänden und dieser daher weitere Untersuchungen, etwa auf neurologischem Fachgebiet, empfehle. Das Ergebnis der späteren Begutachtung durch den Neurologen Dr. Sch. war dem Beamten zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt. Solange dieses noch nicht vorlag, durfte sich der Beamte aufgrund des Beschlusses vom 9. April 1999 auch subjektiv zum Fernbleiben vom Dienst für berechtigt halten. Er durfte auf die erstinstanzliche Entscheidung vertrauen, bis er eines anderen – nämlich die Aufhebung der Entscheidung, auf die er vertraut hat, im Instanzenweg – belehrt werden würde. Auch eine Parallele mit den Anforderungen an einen unvermeidbaren Verbotsirrtum gebiete im vorliegenden Fall die Verneinung eines Fahrlässigkeitsvorwurfs. Im Strafrecht ist insoweit anerkannt, dass derjenige, der sich auf eine in einem gegen ihn gerichteten Strafverfahren zugrunde gelegte (irrige) Rechtsauffassung verlässt, in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum handelt (Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., Rn. 9 zu § 17, OLG Düsseldorf, VRS 73, 367, 370).
Nach alledem steht fest, dass der Beamte dem Dienst fahrlässig über einen Zeitraum von etwas mehr als 11 Wochen ferngeblieben ist und insoweit gegen § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG verstoßen hat.
3. Das Dienstvergehen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG) des Beamten wiegt schwer. Das Gebot, überhaupt zum Dienst zu erscheinen, ist, wie der Senat in ständiger Rechtsprechung betont, Grundpflicht eines jeden Beamten. Ohne die pflichtgemäß und nach Maßgabe der Dienstpläne zu erbringende Dienstleistung ihrer Mitarbeiter wäre die Verwaltung – hier die Post – nicht im Stande, die ihr gegenüber der Allgemeinheit obliegenden Aufgaben zu erfüllen. Deshalb kann einem Beamten, der ohne triftigen Grund für einen längeren Zeitraum nicht zum vorgeschriebenen Dienst erscheint, regelmäßig nicht mehr das Vertrauen entgegengebracht werden, das für eine Zusammenarbeit unerlässlich ist.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Senat die Höchstmaßnahme stets in den Fällen ausgesprochen, in denen der Beamte ununterbrochen vier Monate oder länger unerlaubt vorsätzlich dem Dienst ferngeblieben war. Bei einem schuldhaft ungenehmigten Fernbleiben vom Dienst von ununterbrochen ca. sieben Wochen bewegt sich die zu verhängende Maßnahme – je nach den Umständen des Einzelfalles – im Grenzbereich zwischen Dienstentfernung und Degradierung, wenn der Beamte vorsätzlich gehandelt hat (vgl. zu allem Urteil vom 5. Mai 1999 – BVerwG 1 D 60.98 –). Bei einem fahrlässigen Fernbleiben vom Dienst über einen Zeitraum von sieben Wochen hat der Senat unter Berücksichtigung weiterer Milderungsgründe auf eine Gehaltskürzung auf die Dauer von fünf Jahren erkannt (Urteil vom 5. Mai 1999 a.a.O.). Nach diesen Grundsätzen ist bei einem fahrlässigen unerlaubten Fernbleiben vom Dienst, wenn es – wie hier – etwa 11 Wochen dauert, der Ausspruch einer Degradierung erforderlich, aber auch ausreichend.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 114 Abs. 1 Satz 2, § 115 Abs. 3 Satz 1 BDO.
Unterschriften
Albers, Mayer, Müller
Fundstellen