Entscheidungsstichwort (Thema)
Auskünfte über Einzelhintergrundgespräche beim Bundesnachrichtendienst
Leitsatz (amtlich)
1. Ein gewisser Aufwand bei der Ermittlung, Zusammenstellung und Ordnung von Informationen stellt deren Vorhandensein bei der auskunftspflichtigen Stelle nicht infrage (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 26. April 2021 - 10 C 1.20 - BVerwGE 172, 222 Rn. 25).
2. Ein auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG beruhendes Auskunftsinteresse überwiegt das gegenläufige, ebenfalls auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gestützte Interesse am Schutz der Recherche- und Redaktionsarbeit nicht, wenn die Beantwortung der gestellten Fragen, gegebenenfalls in der Zusammenschau mit anderweitig vorhandenen Informationen, Rückschlüsse auf die konkrete Recherchetätigkeit betroffener Medienvertreter zulässt. Derartige Rückschlussmöglichkeiten müssen sich auf eine konkret-inhaltliche Recherchetätigkeit beziehen und zu einer Gefahr von deren Aufdeckung führen (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 8. Juli 2021 - 6 A 10.20 - BVerwGE 173, 118 Rn. 41).
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Auskünfte zu erteilen,
1. welche fünf Medien im Jahr 2019 die meisten Einzelhintergrundgespräche erhalten haben (mit Anzahl),
2. welche fünf Medien im Jahr 2020 die meisten Einzelhintergrundgespräche erhalten haben (mit Anzahl),
3. wie hoch im jeweiligen Jahr der Anteil von Medien bzw. Vertreterinnen und Vertretern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an der Teilnahme von Einzelhintergrundgesprächen war (mit Anzahl).
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger ist Journalist der Berliner Zeitung "Der Tagesspiegel". Er begehrt vom Bundesnachrichtendienst (BND) Auskünfte über mit Medienvertretern in den Jahren 2019 und 2020 geführte Einzelhintergrundgespräche.
Rz. 2
Im September 2021 bat der Kläger die Beklagte um Auskunft, mit welchen zehn Medien der BND in den vergangenen fünf Jahren am häufigsten Einzelhintergrundgespräche geführt habe. Die Beklagte antwortete, im Jahr 2019 seien insgesamt 47, im Jahr 2020 insgesamt 24 und im Jahr 2021 bis zum Zeitpunkt der Anfrage 28 Einzelhintergrundgespräche geführt worden. Die angefragte statistische Auswertung, mit welchen zehn Medien der BND in den vergangenen fünf Jahren am häufigsten Einzelhintergrundgespräche geführt habe, liege nicht vor. Der Kläger konkretisierte seine Anfrage auf diese Auskunft hin auf folgende Fragen: "1. Welche fünf Medien haben 2019 die meisten Einzelhintergrundgespräche erhalten (mit Anzahl)? 2. Welche fünf Medien haben 2020 die meisten Einzelhintergrundgespräche erhalten (mit Anzahl)? 3. Wie hoch war jeweils der Anteil von VertreterInnen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an der Teilnahme in den Jahren 2019/2020 (mit Anzahl)?" Daraufhin antwortete die Beklagte, die angefragten statistischen Auswertungen müssten erst erstellt werden. Dies sei vom presserechtlichen Auskunftsanspruch nicht erfasst. Im Oktober 2021 hat der Kläger Klage erhoben. Am 2. November 2021 benannte die Beklagte dem Kläger gegenüber die fünf Medien, mit deren Vertretern in den Jahren 2019/2020 am häufigsten Einzelhintergrundgespräche geführt worden seien, in alphabetischer Reihenfolge. Bereits am 13. Oktober 2020 hatte die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass im Zeitraum Januar 2019 bis März 2020 Einzelhintergrundgespräche zu den Themen Illegale Migration, Terrorismus, Cyberangriffe, Organisierte Kriminalität, Russland, China, Nordkorea, Afghanistan, Pakistan, Syrien, Nigeria, Mali, Iran und Libyen stattgefunden hätten.
Rz. 3
Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, ihm stehe ein verfassungsunmittelbarer Auskunftsanspruch zu. Ablehnungsgründe seien nicht erkennbar. Die begehrten Informationen seien beim BND tatsächlich vorhanden. Eine Sachverhaltserforschung sei nicht erforderlich. Berechtigte schutzwürdige Belange insbesondere beteiligter Journalisten und Medien, die das Auskunftsinteresse überwögen, seien nicht erkennbar. Die begehrte Auskunft ermögliche keine Rückschlüsse auf konkrete einzelne Recherchen. Zur Erläuterung seines Klageantrags hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass eine Zuordnung von Vertretern zu den jeweiligen Medien nach deren äußerem, für den BND erkennbarem Auftreten erfolgen solle und ein Rechercheverbund als eigenes Medium und nicht als Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks angesehen werde.
Rz. 4
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm die Auskünfte zu erteilen,
1. welche fünf Medien im Jahr 2019 die meisten Einzelhintergrundgespräche erhalten haben (mit Anzahl),
2. welche fünf Medien im Jahr 2020 die meisten Einzelhintergrundgespräche erhalten haben (mit Anzahl),
3. wie hoch im jeweiligen Jahr der Anteil von Medien bzw. Vertreterinnen und Vertretern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an der Teilnahme von Einzelhintergrundgesprächen war (mit Anzahl),
hilfsweise,
ihm die begehrten Informationen für die Jahre 2019 und 2020 zusammen zu erteilen.
Rz. 5
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Rz. 6
Die Klage sei mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, soweit dem Kläger hinsichtlich der Namen der fünf Medien mit den meisten Einzelhintergrundgesprächen im Zeitraum 2019/2020 Auskunft erteilt worden sei. Jedenfalls sei die Klage unbegründet. Der begehrten Auskunftserteilung stehe bereits entgegen, dass die Auskünfte zum Ranking der Medien sowie über den Anteil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erst als Ergebnis einer noch durchzuführenden Auswertung der vorhandenen Informationen vorliegen würden. Eine Informationsbeschaffungspflicht bestehe nicht. Dem Auskunftsbegehren stünden auch öffentliche Interessen entgegen, nämlich die des BND und der Öffentlichkeit an einer weiteren Durchführung von Einzelhintergrundgesprächen unter vollständiger Wahrung der bei solchen Gesprächen vereinbarten Vertraulichkeit. Bei einer Auskunftserteilung bestünde die Gefahr, dass das Format der vertraulichen Einzelhintergrundgespräche nicht mehr wie bislang genutzt würde. Im Dezember 2021 angehörte, vom Auskunftsbegehren des Klägers betroffene Medien hätten den BND eindringlich aufgefordert, an der Vertraulichkeit festzuhalten. Darüber hinaus stünden dem Auskunftsbegehren private Interessen in Gestalt der Recherche- und Redaktionsgeheimnisse der betroffenen Medien entgegen. Die Einzelhintergrundgespräche würden auf Initiative der betroffenen Medien anlässlich eines konkreten Recherchethemas der initiierenden Journalisten geführt und wiesen mithin einen konkreten Zusammenhang zu den Recherchen der betroffenen Medienvertreter und zur Redaktionsarbeit der zugehörigen Medien auf. Es sei möglich, dass eine Auskunft über die Namen der betroffenen Medien zusammen mit der auf den überschaubaren Zeitraum 2019/2020 bezogenen Anzahl der Einzelhintergrundgespräche in Kombination mit weiteren Informationen Rückschlüsse auf konkrete Recherchetätigkeiten der beteiligten Medien und deren Vertreter zuließen. Dabei sei nicht maßgeblich, ob die Auskunftserteilung differenziert zu den Jahren 2019 und 2020 oder zusammen für beide Jahre erfolge. Dies gelte umso mehr, als dem Kläger bereits mitgeteilt worden sei, zu welchen Themen im Zeitraum Januar 2019 bis März 2020 Einzelhintergrundgespräche stattgefunden hätten. Der Auskunftserteilung stehe überdies das Interesse der bei den betroffenen Medien beschäftigten Medienvertreter an körperlicher Unversehrtheit entgegen.
Entscheidungsgründe
Rz. 7
Die Klage, für die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO in erster und letzter Instanz zuständig ist, ist zulässig und begründet.
Rz. 8
1. Über den Klageantrag des Klägers war in vollem Umfang zu entscheiden. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat sich der Klageantrag weder teilweise erledigt, noch liegt in den Erläuterungen des Klägers zur Antragstellung in der mündlichen Verhandlung eine teilweise Klagerücknahme oder eine Klageänderung. Die dem Kläger nach Klageerhebung mit Bezug auf den Gesamtzeitraum 2019/2020 erteilten Auskünfte stellen keine Teilerfüllung des Klagebegehrens dar, das auf nach den Einzeljahren 2019 und 2020 aufgeschlüsselte Angaben gerichtet ist. Die Erläuterungen des Klägers zur Antragstellung verweisen weder auf ein Mehr noch auf ein Weniger gegenüber dem mit dem Hauptantrag verfolgten Begehren. Vielmehr handelt es sich um Konkretisierungen hinsichtlich der Zuordnung von Medienvertretern zu einzelnen Medien, die lediglich mit Rücksicht auf die von der Beklagten diesbezüglich erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen praktischen Schwierigkeiten erfolgt sind.
Rz. 9
2. Die Klage ist zulässig. Der gegenüber Behörden des Bundes zugunsten von Vertretern der Presse bestehende verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist mit der Leistungsklage gerichtlich geltend zu machen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Juli 2021 - 6 A 10.20 - BVerwGE 173, 118 Rn. 15 m. w. N.). Anders als von der Beklagten angenommen, fehlt es der Klage auch nicht in Teilen am Rechtsschutzbedürfnis. Wie soeben dargelegt, stellen die dem Kläger nach Klageerhebung erteilten Auskünfte zu Einzelhintergrundgesprächen im Gesamtzeitraum 2019/2020 keine Teilerfüllung des Klagebegehrens dar.
Rz. 10
3. Die Klage ist auch begründet. Dem Kläger steht auf der Grundlage des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs der Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG die begehrte Auskunft auf seine hinreichend konkret formulierten Fragen zu. Eine Verschaffung nicht vorhandener Informationen begehrt der Kläger nicht. Ausschlussgründe sind nicht gegeben.
Rz. 11
a) Der als Journalist tätige Kläger kann sich auf einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch stützen.
Rz. 12
Das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verleiht in seiner objektiv-institutionellen Dimension und in Ermangelung einer einfachgesetzlichen bundesrechtlichen Regelung den Presseangehörigen einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch gegenüber Bundesbehörden. Aufgrund dieses verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs können Presseangehörige auf hinreichend bestimmte Fragen behördliche Auskünfte verlangen, soweit die entsprechenden Informationen bei der Behörde vorhanden sind und schutzwürdige Interessen öffentlicher Stellen oder Privater an der Vertraulichkeit nicht entgegenstehen. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch fordert eine Abwägung des Informationsinteresses der Presse mit den gegenläufigen schutzwürdigen Interessen im Einzelfall. Dabei kommt eine Bewertung des Informationsinteresses der Presse grundsätzlich nicht in Betracht. Zudem darf der Anspruch in seinem materiellen Gehalt nicht hinter demjenigen der im Wesentlichen inhaltsgleichen, auf eine Abwägung zielenden Auskunftsansprüche nach den Landespressegesetzen zurückbleiben. Entscheidend ist, ob dem Informationsinteresse der Presse schutzwürdige Interessen von solchem Gewicht entgegenstehen, dass es den Anspruch auf Auskunft ausschließt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Juli 2021 - 6 A 10.20 - BVerwGE 173, 118 Rn. 18 m. w. N.).
Rz. 13
b) Der Kläger begehrt (nur) Informationen, die beim BND vorhanden und mithin vom Auskunftsanspruch umfasst sind.
Rz. 14
Die Grenze des Auskunftsanspruchs wird überschritten, wenn aus dem Informationsanspruch ein Informationsverschaffungsanspruch wird, die Behörde also die begehrten Informationen erst beschaffen muss, weil sie nicht tatsächlich über die Informationen verfügt (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Juli 2021 - 6 A 10.20 - BVerwGE 173, 118 Rn. 22 m. w. N. und Beschluss vom 9. Juni 2023 - 10 B 8.22 - juris Rn. 11; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 2015 - 1 BvR 1452/13 - NVwZ 2016, 50 Rn. 15 f.; zum IFG vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2023 - 10 C 2.22 - juris Rn. 25 m. w. N.). Müssen Informationen erst durch Untersuchungen generiert werden, sind sie als Gegenstand eines Auskunftsanspruchs noch nicht vorhanden (BVerwG, Urteile vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 30 und vom 26. April 2021 - 10 C 1.20 - BVerwGE 172, 222 Rn. 24 m. w. N.).
Rz. 15
Ein gewisser Aufwand bei der Ermittlung und Zusammenstellung von Informationen stellt deren Vorhandensein bei der auskunftspflichtigen Stelle jedoch nicht infrage. So gehören zu den vorhandenen Informationen auch auf dienstliche Vorgänge und Wahrnehmungen bezogene Informationen, die nicht verschriftlicht bzw. nicht aktenkundig gemacht wurden. Der presserechtliche Auskunftsanspruch ist - anders als der Informationszugangsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz (vgl. § 2 Nr. 1 IFG) - nicht auf Aufzeichnungen beschränkt. Zur Erteilung von Auskünften hinsichtlich nicht aufgezeichneter Informationen bedarf es gegebenenfalls der Abfrage präsenten dienstlichen Wissens bei der nach der internen Geschäftsverteilung sachlich zuständigen Stelle oder bei einem für den abgefragten Sachverhalt sachlich zuständigen Mitarbeiter. Mit einer solchen - internen - Nachfrage wird die Schwelle zur Sachverhaltserforschung nicht überschritten (BVerwG, Urteil vom 26. April 2021 - 10 C 1.20 - BVerwGE 172, 222 Rn. 25; vgl. auch Urteil vom 8. Juli 2021 - 6 A 10.20 - BVerwGE 173, 118 Rn. 22 und Beschluss vom 9. Juni 2023 - 10 B 8.22 - juris Rn. 11). Gleiches gilt auch hinsichtlich des Aufwands bei der Ordnung von Informationen.
Rz. 16
Hiernach erfordert die Anfrage des Klägers keine Generierung, sondern lediglich ein internes Sammeln und Strukturieren von Informationen, ohne dass dies mit einem besonderen Aufwand verbunden wäre. Zur Beantwortung der Fragen 1 und 2 bedarf es lediglich der Ermittlung und Zählung der mit Vertretern von Medien durchgeführten Einzelhintergrundgespräche in den Jahren 2019 und 2020 sowie des Herausgreifens der fünf in diesen Jahren jeweils am häufigsten vertretenen Medien. Hinsichtlich der Frage 3 müssen zusätzlich noch die Zahl der im jeweiligen Jahr insgesamt geführten Einzelhintergrundgespräche und die Zahl der mit Vertretern öffentlich-rechtlicher Medien geführten Gespräche ins Verhältnis gesetzt werden.
Rz. 17
c) Ausschlussgründe, die einer Erteilung der vom Kläger gewünschten Auskünfte entgegenstehen, liegen nicht vor.
Rz. 18
aa) Überwiegende öffentliche Interessen stehen dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch nicht entgegen.
Rz. 19
Belange, die nach Maßgabe einer Abwägung mit dem Informationsinteresse der Presse ein schutzwürdiges öffentliches Interesse an der Geheimhaltung von Informationen begründen und demgemäß den verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse begrenzen können, sind vom BND als auskunftspflichtiger Stelle darzulegen und durch das Gericht grundsätzlich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollumfänglich zu überprüfen. Eine in diesem Rahmen gebotene Geheimhaltung wird durch das Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO gewährleistet. Ein nur einer Willkürkontrolle zugänglicher behördlicher Beurteilungsspielraum ist nicht gegeben (BVerwG, Urteil vom 18. September 2019 - 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 16 ff. m. w. N.).
Rz. 20
Als schutzwürdiges öffentliches Interesse anerkannt ist die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste. Dieses Erfordernis begrenzt auch den verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse. Es findet - als Sicherung der Erfüllung der in § 1 Abs. 2 Satz 1 BNDG benannten Aufgaben des BND - spezielle Ausprägungen in dem Schutz der operativen Vorgänge des Dienstes, dem Schutz seiner Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten, dem Schutz seiner Arbeitsweise und Methodik, dem Schutz seiner Mitarbeiter vor Enttarnung sowie in dem nachrichtendienstlichen Quellenschutz (BVerwG, Urteil vom 18. September 2019 - 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 19 f. m. w. N.). Diese speziellen Ausprägungen der Sicherung der Funktionsfähigkeit des BND sind vorliegend jedoch nicht betroffen. Das Auskunftsbegehren des Klägers bezieht sich nicht auf dessen nachrichtendienstliche Tätigkeit, sondern die dort erfolgende Pressearbeit.
Rz. 21
Insoweit verweist die Beklagte auf eine infolge einer Auskunftserteilung bestehende Gefahr, dass das Format der vertraulichen Einzelhintergrundgespräche nicht mehr wie bisher genutzt würde. Angefragte Medien hätten den BND eindringlich aufgefordert, an der Vertraulichkeit festzuhalten. Auf der Grundlage dieser Darlegungen ist nicht ersichtlich, dass ein öffentliches Interesse an der Geheimhaltung der begehrten und bislang nicht zugänglich gemachten Informationen das Informationsinteresse des Klägers als Pressevertreter überwiegt. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Beklagte die fünf Medien, mit deren Vertretern im Gesamtzeitraum 2019/2020 am häufigsten Einzelhintergrundgespräche geführt worden sind, bereits benannt hat. Mithin verbleiben als nach dem Hauptantrag des Klägers begehrte weitergehende Informationen (nur) die Angaben über die fünf am häufigsten teilnehmenden Medien in den Einzeljahren 2019 und 2020, die Anzahl der in diesen Jahren jeweils mit jenen Medien geführten Gespräche und der jeweilige Anteil von Gesprächen mit Vertretern öffentlich-rechtlicher Medien. Diese Angaben erscheinen gegenüber den bereits erfolgten Auskünften als von begrenztem informatorischen Gewicht. Insofern erschließt sich nicht, inwieweit sich spezifisch aus der Herausgabe dieser ergänzenden Informationen eine Gefahr für die Nutzung des Formats der Einzelhintergrundgespräche ergeben soll. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang die vereinbarte Vertraulichkeit der Einzelhintergrundgespräche hervorhebt, ist mit Bezug auf die Kommunikationsform von Hintergrundgesprächen in der Rechtsprechung geklärt, dass nicht bereits die behördliche Anordnung der Vertraulichkeit oder deren Vereinbarung zwischen der Behörde und Dritten für sich genommen zum Geheimschutz für die betreffenden Informationen führt, sondern dass diese sich in der Abwägung selbst als objektiv schutzwürdig erweisen müssen (BVerwG, Urteil vom 18. September 2019 - 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 29 m. w. N.).
Rz. 22
bb) Überwiegende Interessen Dritter stehen der Auskunftserteilung ebenfalls nicht entgegen.
Rz. 23
Auch geschützte Interessen Dritter, die dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch als zu berücksichtigende überwiegende Belange entgegengehalten werden, sind vom BND als informationspflichtiger Stelle darzulegen und gerichtlich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollumfänglich zu überprüfen. Als geschützte Interessen Dritter in Betracht zu ziehen sind hier die Vertraulichkeitsinteressen der von der Auskunftserteilung betroffenen Medien und deren Vertretern, die ebenfalls durch das Grundrecht der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) verfassungsrechtlichen Schutz genießen. Auch öffentlich-rechtliche Medien können sich auf den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG im Rahmen der Rundfunkfreiheit berufen (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 24. April 2023 - 1 BvR 601/23 - juris Rn. 9).
Rz. 24
Das Grundrecht der Pressefreiheit schließt diejenigen Voraussetzungen und Hilfstätigkeiten mit ein, ohne die die Presse ihre Funktion nicht in angemessener Weise erfüllen kann. Der Schutz reicht von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachrichten und Meinungen (BVerfG, Teilurteil vom 5. August 1966 - 1 BvR 586/62 u. a. - BVerfGE 20, 162 ≪176≫ und Urteil vom 27. Februar 2007 - 1 BvR 538/06 u. a. - BVerfGE 117, 244 ≪259≫; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 1 BvR 620/07 - BVerfGE 119, 309, 318 zur Rundfunkfreiheit). Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG schützt jede Tätigkeit medienspezifischer Informationsbeschaffung, weil zwischen einer freien Presse und der Informationsbeschaffung ein besonders enger Funktionszusammenhang besteht und eine solche Vorbereitungstätigkeit erst die Grundlage für eine effektive Wahrnehmung der Aufgaben einer freien Presse in der Gesellschaft legt (BVerwG, Urteil vom 8. Juli 2021 - 6 A 10.20 - BVerwGE 173, 118 Rn. 30).
Rz. 25
Zur Beschaffung von Informationen gehört auch die Teilnahme von Journalisten an den vom BND durchgeführten Einzelhintergrundgesprächen. Diese Tätigkeit fällt mithin in den Schutzbereich des Grundrechts der Pressefreiheit (vgl. zu sog. Kennenlernterminen beim BND BVerwG, Urteil vom 8. Juli 2021 - 6 A 10.20 - BVerwGE 173, 118 Rn. 31). Die Presse und die Medien sind zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben auf die Erteilung von Auskünften durch öffentliche Stellen angewiesen. Diese Form der Informationsbeschaffung kann das einzige zur Verfügung stehende Mittel der Recherchearbeit sein, wenn private Informanten oder andere Mittel der verdeckten Recherche nicht zur Verfügung stehen (BVerwG, Urteil vom 8. Juli 2021 - 6 A 10.20 - BVerwGE 173, 118 Rn. 40).
Rz. 26
In der Konsequenz dessen bedarf es einer Abwägung zwischen den gegenläufigen verfassungsrechtlich geschützten Interessen des Klägers und betroffener Medien und deren Vertretern. Maßstab für die Gewichtung des Schutzes der Recherche- und Redaktionstätigkeit der drittbetroffenen Medien bzw. Medienvertreter im Rahmen einer solchen Abwägung ist es, ob im Falle der Beantwortung gestellter Fragen ein hinreichend konkreter Bezug zu den Recherchen der betroffenen Medienvertreter besteht, der die Annahme einer Gefahr der Aufdeckung der Recherche durch Dritte rechtfertigt. Dies ist der Fall, wenn die Beantwortung der gestellten Fragen, gegebenenfalls in der Zusammenschau mit anderweitig vorhandenen Informationen, Rückschlüsse auf die konkrete Recherchetätigkeit der betroffenen Medienvertreter zulässt. Derartige Rückschlussmöglichkeiten müssen sich auf eine konkret-inhaltliche Recherchetätigkeit beziehen und zu einer Gefahr von deren Aufdeckung führen. Liegen diese Voraussetzungen vor, entfaltet das von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Recherche- und Redaktionsgeheimnis der betroffenen Medienvertreter und Medien im Rahmen der Abwägung der gegenläufigen Interessen ein solches Gewicht, dass das ebenfalls auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG beruhende Auskunftsinteresse das Interesse am Schutz der Recherche- und Redaktionsarbeit nicht überwiegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Juli 2021 - 6 A 10.20 - BVerwGE 173, 118 Rn. 41).
Rz. 27
Die Beklagte macht geltend, die Recherche- und Redaktionstätigkeit der bei den Einzelhintergrundgesprächen anwesenden Medienvertreter und der von diesen vertretenen Medien würde durch die Offenlegung der vom Kläger begehrten Informationen gefährdet, weil eine Auskunft über die Namen der betroffenen Medien zusammen mit der auf den überschaubaren Zeitraum 2019/2020 bezogenen Anzahl der Einzelhintergrundgespräche in Kombination mit weiteren Informationen (z. B. einer Recherche nach den Veröffentlichungen der Medien im relevanten Zeitraum) Rückschlüsse auf die konkreten Recherchetätigkeiten der beteiligten Medien und deren Vertreter zuließe. Insbesondere die Angabe der Zahl der Gespräche liege nahe an der Preisgabe der Recherchequelle.
Rz. 28
Diese Ausführungen können nicht überzeugen. Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass in der vorliegend gegebenen Konstellation gerade die Beantwortung der verfahrensgegenständlichen Fragen - auch in der Zusammenschau mit anderweitig vorhandenen Informationen - Rückschlüsse Dritter auf die konkret-inhaltliche Recherchetätigkeit der betroffenen Medienvertreter zulässt. Vielmehr ist unter Berücksichtigung der durch den BND bereits erteilten Auskünfte nicht ersichtlich, dass durch die Herausgabe der vom Kläger im Klageverfahren begehrten ergänzenden Informationen eine Gefahr der Aufdeckung der Recherchen betroffener Medienvertreter durch Dritte geschaffen oder signifikant gesteigert wird.
Rz. 29
Die Beklagte hat dem Kläger bereits mitgeteilt, dass im Jahr 2019 insgesamt 47, im Jahr 2020 insgesamt 24 und bis September 2021 28 Einzelhintergrundgespräche stattgefunden hätten. Weiter hat die Beklagte die fünf Medien angegeben, mit deren Vertretern im Gesamtzeitraum 2019/2020 am häufigsten Einzelhintergrundgespräche geführt worden seien. Schließlich hat die Beklagte darüber informiert, dass im Zeitraum Januar 2019 bis März 2020 in den Einzelhintergrundgesprächen die Themen Illegale Migration, Terrorismus, Cyberangriffe, Organisierte Kriminalität, Russland, China, Nordkorea, Afghanistan, Pakistan, Syrien, Nigeria, Mali, Iran und Libyen angesprochen worden seien. Der Kläger begehrt demgegenüber noch die Offenlegung der Anzahl von Einzelhintergrundgesprächen in den Einzeljahren 2019 und 2020 mit Bezug auf die fünf jeweils am häufigsten an den Gesprächen beteiligten Medien und des Anteils öffentlich-rechtlicher Medien hieran (ebenfalls mit Anzahl).
Rz. 30
Auf dieser Grundlage ist nicht nachvollziehbar, dass durch die Beantwortung der noch offen gebliebenen Fragen eine Gefahr von Rückschlüssen auf die konkret-inhaltliche Recherchetätigkeit betroffener Medienvertreter begründet oder signifikant gesteigert wird. Die dem Kläger bereits mitgeteilte Palette an Themen der Einzelhintergrundgespräche ist weit gespannt und umfasst eine Vielzahl von Schwerpunkten der medialen Berichterstattung des streitgegenständlichen Zeitraums. Bei den jedenfalls im Gesamtzeitraum fünf am häufigsten teilnehmenden Medien handelt es sich um große Medien, die derartige Schwerpunkte typischerweise durch regelmäßige Berichterstattung abdecken. Der Kläger begehrt keine Auskunft über die Namen von Journalisten, die eine Zuordnung konkreter Recherchen erleichtern könnte. Und schließlich sind Gegenstand der Einzelhintergrundgespräche - ihrer Bezeichnung entsprechend - lediglich Hintergrundinformationen, über die nach den unwidersprochenen Darlegungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung die Teilnehmer an Einzelhintergrundgesprächen gehalten sind, weder unmittelbar noch mittelbar zu berichten.
Rz. 31
Eine körperliche Gefährdung von Journalisten legt die Beklagte ebenfalls nicht nachvollziehbar dar. Ausführungen dazu, inwieweit aus den von ihr befürchteten Rückschlüssen auf konkrete Recherchetätigkeiten oder Berichterstattungen eine Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit betroffener Journalisten resultieren könnte, fehlen. Die Beklagte gibt hierzu lediglich an, die von angefragten Medien geäußerte Sorge sei nicht von der Hand zu weisen.
Rz. 32
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Fundstellen
BVerwGE 2024, 24 |
NVwZ 2024, 573 |
DÖV 2024, 537 |
JZ 2024, 173 |
LKV 2023, 4 |
NJ 2023, 6 |
ZUM 2024, 307 |
NordÖR 2024, 16 |
GSZ 2024, 12 |
GSZ 2024, 8 |
ZGI 2023, 6 |
ZGI 2024, 70 |