Entscheidungsstichwort (Thema)
Tierschutz. landwirtschaftliche Nutztiere. Pelztiere. Nerze. Erlaubnispflicht. Altbetriebe
Leitsatz (amtlich)
- Nerze sind keine “landwirtschaftlichen Nutztiere” i.S. von § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a TierSchG.
- Die Erlaubnispflicht für das gewerbsmäßige Züchten oder Halten von Wirbeltieren gilt auch für bei In-Kraft-Treten der Vorschrift bereits bestehende Betriebe.
Normenkette
TierSchG §§ 9, 11, 21
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Urteil vom 22.10.2003; Aktenzeichen 4 LB 20/03) |
VG Schleswig-Holstein (Urteil vom 24.02.2003; Aktenzeichen 1 A 81/01) |
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten nach einer Änderung des Tierschutzgesetzes über die Erforderlichkeit einer tierschutzrechtlichen Genehmigung zum gewerbsmäßigen Züchten und Halten von Nerzen.
Die Kläger betreiben seit längerer Zeit eine Nerzzuchtfarm in T.… Für das Betriebsgebäude und das Nerzgehege wurde ihnen im September 1977 eine Teilbaugenehmigung erteilt.
Mit Schreiben vom 25. März 1999 forderte der Beklagte den Kläger zu 2. auf, bis zum 8. April 1999 einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a TierSchG zu stellen. Nach einer Änderung des Tierschutzgesetzes zum 1. Juni 1998 durch Gesetz vom 25. Mai 1998 (BGBl I S. 1094) benötige derjenige, der gewerbsmäßig Wirbeltiere, außer landwirtschaftliche Nutztiere, züchten oder halten wolle, eine Erlaubnis. Da Pelztiere nicht als landwirtschaftliche Nutztiere gälten, falle die Pelztierzucht unter diesen Erlaubnisvorbehalt.
Die Kläger wandten sich gegen diese Aufforderung. Das Halten von Pelztieren falle nach der Richtlinie 98/58/EG des Rates vom 20. Juli 1998 über den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere (Abl Nr. L 221, S. 23) in den Bereich der Landwirtschaft und sei deshalb nach dem Tierschutzgesetz nicht erlaubnispflichtig.
Nachdem der Beklagte die Kläger im Februar 2000 noch einmal vergeblich gebeten hatte, einen Erlaubnisantrag zu stellen, forderte er sie mit Verfügung vom 27. Juni 2000 auf, bis zum 25. Juli 2000 einen derartigen Antrag zu stellen. Anderenfalls wurde eine Untersagungsverfügung angekündigt, zu der die Kläger gleichzeitig angehört wurden. Im Rahmen der Anhörung vertraten die Kläger erneut die Auffassung, dass sie nicht unter den Erlaubnisvorbehalt fielen.
Mit Bescheid vom 14. August 2000 untersagte der Beklagte den Klägern die gewerbsmäßige Zucht und Haltung von Nerzen auf ihrer Nerzfarm. Der Betrieb falle unter die Erlaubnispflicht des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a TierSchG.
Zur Begründung ihres Widerspruchs trugen die Kläger ergänzend vor, die am 16. September 1977 erteilte Teilbaugenehmigung umfasse die tierschutzrechtliche Genehmigung. Es handele sich daher um einen genehmigten Altbetrieb, der Bestandschutz genieße. In § 21 TierSchG sei für den vorliegenden Fall keine Übergangsvorschrift vorgesehen, da Altbetriebe gerade keiner Erlaubnis bedürften. Pelztiere, insbesondere Nerze, würden zur Pelzgewinnung seit Jahrzehnten in Deutschland gezüchtet und gehalten. Für die Nutztiere gebe es im deutschen Kulturkreis bereits hinreichend gefestigte Vorstellungen über richtiges Züchten und Halten.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 19. März 2001 als unbegründet zurück.
Die Kläger haben am 20. April 2001 Klage erhoben und zur Begründung ihr Vorbringen aus dem Vorverfahren wiederholt und vertieft. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 24. Februar 2003 im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die gewerbliche Nerzzucht der Kläger falle unter den Erlaubnisvorbehalt des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a TierSchG, da es sich bei Nerzen um Wirbeltiere handele, die keine landwirtschaftlichen Nutztiere seien. Zwar sei der Wortlaut mehreren Interpretationsmöglichkeiten zugänglich, die historische Auslegung führe jedoch zu diesem Ergebnis. Der Gesetzgeber habe mit “landwirtschaftlichen Nutztieren” nur solche gemeint, die im deutschen Kulturkreis herkömmlich im Rahmen der Landwirtschaft zur Gewinnung tierischer Produkte gezüchtet oder gehalten würden. Für neuartige Nutztiere sollte mit der Gesetzesänderung zugunsten des Tierschutzes eine Erlaubnispflicht begründet werden, da die Zucht und Haltung u.a. von Tieren zur Pelzgewinnung problematisch sei. Oft seien keine oder nur unzureichende Kenntnisse über die Anforderungen an die Haltung vorhanden, so dass es zu Missständen komme, die durch eine Erlaubnispflicht und den Nachweis der entsprechenden Sachkunde verhindert werden könnten.
Auch der Sinn und Zweck der Erlaubnispflicht führe zu diesem Ergebnis. Im Bereich der traditionellen Landwirtschaft gehe der Gesetzgeber davon aus, dass die Sachkenntnis jederzeit überall erworben werden könne. Im Bereich der neuartigen Nutztiere gebe es hingegen im deutschen Kulturkreis keine hinreichend gefestigten Erfahrungen. Die Haltung von Nerzen in Pelztierfarmen in Europa habe erst vor ca. 70 Jahren begonnen.
Die supranationalen Vorschriften stünden diesem Ergebnis nicht entgegen. Zwar würden durch die Richtlinie 98/58/EG auch Tiere zur Erzeugung von Fellen erfasst, die Richtlinie lege jedoch lediglich Mindestnormen für den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere fest. Der Bundesrepublik Deutschland sei es nicht verwehrt, etwa durch die Herausnahme von Pelztieren landwirtschaftliche Nutztiere enger zu definieren, um den Tierschutz auf besondere Art zu gewährleisten.
Die Erlaubnispflicht gelte auch für Altbetriebe. Dies ergebe sich zum einen aus dem Wortlaut, auch derjenige “wolle” Wirbeltiere halten oder züchten, der eine entsprechende Tätigkeit fortzusetzen beabsichtige. Zum anderen folge es aus der Übergangsvorschrift des § 21 Satz 1 TierSchG. § 21 Satz 1 TierSchG sei auf die Erlaubnispflicht nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a TierSchG analog anzuwenden, so dass es sich um einen verhältnismäßigen, dem Tierschutz dienenden Eingriff handele.
Die Kläger haben gegen das Urteil Berufung eingelegt und zur Begründung ihr Vorbringen aus dem Vorverfahren und dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren wiederholt und vertieft. Darüber hinaus sei die Ordnungsverfügung ermessensfehlerhaft, weil der Beklagte zu keinem Zeitpunkt in eine Ermessensprüfung eingetreten sei, sich vielmehr für gebunden gehalten habe. Entgegen dem sonst vorliegenden Regelfall der formellen Illegalität, bei der die Behörde mangels Überprüfungsmöglichkeit und genauer Kenntnisse nicht in die materielle Prüfung einsteigen könne, kenne der Beklagte ihren Betrieb auf Grund der jahrzehntelangen regelmäßigen Überwachung als Tierschutzbehörde genau. Sie hielten die Tierschutzanforderungen ein, der Beklagte hätte auf Verstöße im Wege einer repressiven Anordnung nach § 16a TierSchG reagieren können. Wenn neben der formellen offenkundig keine materielle Illegalität vorliege, sei eine Betriebsstilllegung auch angesichts der betroffenen Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG unangemessen.
Der Beklagte hat sich im Wesentlichen auf seinen bisherigen Vortrag und die Urteilsgründe bezogen und ergänzend ausgeführt, dass der Wille des Gesetzgebers aus der Gesetzesbegründung klar hervortrete, zugleich zeige auch die Aufzählung in § 9 Abs. 2 Nr. 7 TierSchG, dass nur diese Tiere als landwirtschaftliche Nutztiere angesehen werden sollten.
Mit Urteil vom 22. Oktober 2003 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung im Wesentlichen mit derselben Begründung wie das Verwaltungsgericht zurückgewiesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die durch das Berufungsgericht zugelassene Revision. Dazu wiederholen die Beteiligten ihr früheres Vorbringen. Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren. Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist nicht begründet, da das angefochtene Urteil nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht beruht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
Das angefochtene Urteil ist nicht deshalb im Sinne des § 138 Abs. 6 VwGO nicht mit Gründen versehen, weil die in § 117 Abs. 4 VwGO enthaltenen zeitlichen Vorgaben für die vollständige Urteilsabfassung nicht eingehalten worden sind. Die äußerste zeitliche Grenze für die Übergabe der Entscheidungsgründe an die Geschäftsstelle ist erst dann überschritten, wenn zwischen der Verkündung des Urteils und der Übergabe ein Zeitraum von mehr als fünf Monaten liegt (§§ 517; 548 ZPO; vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats vom 27. April 1993 – GmS-OGB 1/92 –, BVerwGE 92, 367 ≪372 ff.≫; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 28. August 1997 – BVerwG 7 C 27.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 118 = ZOV 1997, 430). Im vorliegenden Fall ist das fertige Urteil am 13. Februar 2004 – also noch innerhalb von fünf Monaten seit der Verkündung am 22. Oktober 2003 – bei der Geschäftsstelle eingegangen. Damit ist den Erfordernissen des § 138 Nr. 6 VwGO Genüge geleistet worden.
Zwar wurde das bei Verkündung noch nicht vollständig abgefasste Urteil nicht gemäß § 117 Abs. 4 Satz 1 VwGO vor Ablauf von zwei Wochen vom Zeitpunkt der Verkündung an gerechnet vollständig der Geschäftsstelle übergeben. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine zwingende Verfahrensvorschrift, da § 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO hiervon Ausnahmen zulässt. Offen bleiben kann, ob das Berufungsgericht die Bestimmung des § 117 Abs. 4 Satz 2 erster Teilsatz VwGO beachtet hat, innerhalb von zwei Wochen jedenfalls ein von den Richtern unterschriebenes Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übergeben. Selbst wenn dies nicht geschehen sein sollte, ergibt sich daraus kein durchgreifender Verfahrensmangel, denn das bereits in der mündlichen Verhandlung verkündete Urteil kann darauf nicht beruhen (§ 137 Abs. 1 VwGO).
Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht als Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid § 11 Abs. 3 Satz 2 TierSchG angenommen. Danach soll die zuständige Behörde demjenigen die Ausübung der Tätigkeit nach § 11 Abs. 1 Satz 1 TierSchG untersagen, der die Erlaubnis nicht hat.
a) Nerze sind zwar Nutztiere, jedoch keine landwirtschaftlichen Nutztiere im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a TierSchG, so dass das gewerbsmäßige Züchten und Halten dieser Wirbeltiere nach § 11 Abs. 1 TierSchG erlaubnispflichtig ist. Der Begriff “landwirtschaftlich” hat in der Gesetzessprache unterschiedliche Bedeutungsinhalte. Die Revision verneint deshalb seine hinreichende Bestimmtheit im Rahmen einer die Berufsausübung beschränkenden Norm. Das geht fehl. Eine Norm ist hinreichend bestimmt, wenn ihr Inhalt im Wege der Auslegung eindeutig ermittelt werden kann. Das ist hier der Fall.
Der Wortlaut als Ausgangspunkt der Auslegung führt noch nicht zu einem eindeutigen Ergebnis. Unter Landwirtschaft im engen, klassischen Sinn versteht man die Nutzung des Bodens zur Erzeugung pflanzlicher oder tierischer Produkte. Landwirtschaftliche Nutztiere sind danach nur solche, die traditionell in den Landwirtschaftskreislauf eingebunden sind oder als Endprodukt aus ihm erwachsen. Im weiten Sinn kann man darunter aber auch Tiere fassen, die u.a. allgemein zur Erzeugung tierischer Produkte dienen. Je nachdem, ob der Begriff “landwirtschaftlich” in diesem Zusammenhang weit oder eng ausgelegt wird, fallen Pelztiere darunter oder nicht.
Der Ausnahmecharakter des in Rede stehenden Tatbestandsmerkmals spricht für eine enge Auslegung. Das wird vom Sinn und Zweck des Gesetzes gestützt. Die Erlaubnispflicht soll aus tierschutzrechtlichen Gründen sicherstellen, dass bei der Zucht oder Haltung von Wirbeltieren die erforderliche Sachkunde, Zuverlässigkeit und haltungsangemessene Räumlichkeiten gegeben sind (vgl. § 11 Abs. 2 TierSchG). Dem dient die Trennung zwischen landwirtschaftlichen und anderen Nutztieren. Zwischen den einzelnen Gruppen bestehen nämlich unterschiedliche Erfahrungswerte, wie unterschiedliche Grade der Anpassung und Domestikation, die sich auf den Umgang mit den Tieren auswirken. Auf diese Weise soll ein Mindeststandard für die artgerechte Haltung neuer Kulturen, über die in Deutschland noch keine oder wenige Erfahrungswerte bestehen, aber auch die Aufsicht und die Überwachung garantiert werden. Im Übrigen ist Sinn und Zweck der zugrunde liegenden Gesetzesänderung, die Anforderungen an das Halten und Züchten von Tieren zu verschärfen. Dieser Tendenz würde es zuwider laufen, die Anforderungen bezüglich der Haltung von Pelztieren, die vor der Gesetzesänderung nicht als landwirtschaftliche Nutztiere angesehen wurden (Lorz, TierSchG, 4. Aufl. 1992, Rn. 15 zu § 11), zu mindern.
Vor diesem Hintergrund kommt im Rahmen der historischen Auslegung den Gesetzesmaterialien entscheidendes Gewicht zu. Mit der Änderung des Tierschutzgesetzes von 1998 wurde die Erlaubnispflicht und die Befreiung für landwirtschaftliche Nutztiere durch § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a neu eingeführt. Durch die Änderungen im Tierschutzgesetz wollte der Gesetzgeber den Tierschutz optimieren. Um bestimmte Mindestvoraussetzungen, deren Einhaltung für den Schutz von Tieren unerlässlich ist, zu schaffen und zu verbessern, sollte unter anderem eine wesentliche Ausdehnung des Personenkreises, der die Sachkunde nachweisen muss, sowie eine Erweiterung der Erlaubnispflicht erfolgen und die Überwachung und die Aufsicht verstärkt werden (vgl. BTDrucks 13/7015, S. 1 f.). Zunächst sah der Gesetzentwurf bezüglich des Haltens und Züchtens von Wirbeltieren keinen Erlaubnisvorbehalt vor (vgl. BTDrucks 13/7015, S. 9). Der Bundesrat forderte jedoch die Einführung des Erlaubnisvorbehaltes in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a TierSchG und begründete dies damit, dass die Zucht und die Haltung u.a. exotischer Tiere oder Tiere zur Pelzgewinnung häufig problematisch seien. Bei Personen, die solche Tiere hielten oder züchteten, seien oft keine oder nur unzureichende Kenntnisse über die Anforderungen an Ernährung, Pflege, Unterbringung und Aufzucht vorhanden, was zum Teil zu erheblichen tierschutzrelevanten Missständen führe. Eine Erlaubnispflicht sowie der Nachweis der entsprechenden Sachkunde sei daher zwingend erforderlich und stelle eine sinnvolle Ergänzung zur Erlaubnispflicht für den gewerbsmäßigen Handel mit Wirbeltieren (Buchstabe b) dar (vgl. BTDrucks 13/7015, S. 33). Es würde daher dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers widersprechen, Tiere zur Pelzgewinnung als “landwirtschaftliche Nutztiere” von der Erlaubnispflicht zu befreien.
Diese Einschätzung des Gesetzgebers kommt auch in § 9 Abs. 2 S. 3 Nr. 7 TierSchG zum Ausdruck, der die Verwendung von Wirbeltieren für Tierversuche regelt und hiervon Pferde, Rinder, Schweine, Schafe Ziegen, Hühner, Tauben, Puten, Enten, Gänse und Fische ausnimmt. Auch diese Ergänzung hat der Bundesrat angeregt. In der Begründung werden diese Tiere mit Ausnahme der Tauben und Fische als landwirtschaftliche Nutztiere bezeichnet (vgl. BTDrucks 13/7015, S. 20). Auch wenn versäumt worden ist, anlässlich dieser Ergänzung eine entsprechende Klammerdefinition in § 9 Abs. 2 S. 3 Nr. 7 TierSchG aufzunehmen, steht doch außer Zweifel, was der Gesetzgeber gewollt hat.
Gegen die gefundene Auslegung lässt sich nicht einwenden, damit würden innerhalb eines Gesetzes für gleiche Begriffe unterschiedliche Bedeutungen gelten. Auch wenn das Tierschutzgesetz in § 13a ebenfalls den Begriff landwirtschaftliche Nutztiere verwendet, heißt das nicht, dass der Begriff in § 11 TierSchG zwangsläufig die gleiche Bedeutung habe müsste. Vielmehr ist jeder mehrfach verwendete Begriff in seinem jeweiligen Kontext für sich auszulegen. So steht § 13a TierSchG in einem anderen Zusammenhang unter der Überschrift “Sonstige Bestimmungen zum Schutz der Tiere”, § 11 TierSchG dagegen unter der Überschrift “Zucht, Halten von Tieren, Handeln mit Tieren”. § 13a TierSchG stellt eine Ermächtigung dar, Anforderungen an ein freiwilliges Prüfverfahren zu bestimmen, um u.a. serienmäßig hergestellte Aufstallungssysteme und Stalleinrichtungen zu kontrollieren. Da diese Systeme für alle Arten von Nutztieren verwendet werden, sollen von dieser Vorschrift auch alle Nutztiere erfasst werden (vgl. BTDrucks 13/7015, S. 35, Lorz/Metzger, Tierschutzgesetz, 5. Aufl., § 13a Rn. 2).
b) Die Erlaubnispflicht gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a TierSchG bezieht sich selbst auf bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits bestehende Betriebe. Aus der Verwendung des Wortes “will” in der genannten Vorschrift lässt sich nicht folgern, dass solche Betriebe erlaubnisfrei weiterarbeiten dürften. Auch derjenige will in Zukunft Wirbeltiere züchten oder halten, der schon bisher eine solche Tätigkeit ausgeübt hat und sie fortzusetzen beabsichtigt. Der Gesetzgeber geht zwar grundsätzlich davon aus, dass vor Beginn einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit nach § 11 Abs. 1 Satz 1 TierSchG zunächst die Erlaubnis beantragt und erteilt werden muss. Dies folgt daraus, dass nach § 11 Abs. 3 Satz 1 TierSchG mit der Ausübung der Tätigkeit erst nach Erteilung der Erlaubnis begonnen werden darf. Aus der Übergangsvorschrift in § 21 Satz 1 TierSchG, wonach die Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 Satz 1 für denjenigen, der am 31. Mai 1998 die in § 21 Satz 1 TierSchG genannten Tätigkeiten ausgeübt hat, vorläufig als erteilt gilt, ist aber zu schließen, dass die mit der Gesetzesänderung zum 1. Juni 1998 neu in § 11 Abs. 1 Satz 1 TierSchG eingefügten Erlaubnispflichten selbst für Altbetriebe gelten sollen. Die Tatsache, dass gerade die hier in Rede stehende Tätigkeit in der Übergangsvorschrift nicht genannt ist, steht dem nicht entgegen. Da die Erlaubnispflicht – wie dargelegt – durch den nunmehrigen Buchstaben a in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchG erst auf Initiative des Bundesrates eingefügt wurde, liegt auf der Hand, dass das Fehlen der damit korrespondierenden Übergangsvorschrift ein Redaktionsversehen war, die keine entgegenstehenden Rückschlüsse begründen kann. Vielmehr belegt die geschilderte Gesetzgebungsgeschichte und der damit verfolgte Sinn und Zweck, dass auch Altbetriebe erfasst werden sollten.
Dieses Auslegungsergebnis steht mit höherangigem Recht im Einklang.
a) Europarecht steht, wie das Berufungsgericht zu Recht ausführt, nicht entgegen. Offenbar meinen die Kläger, Pelztiere müssten deshalb als landwirtschaftliche Nutztiere behandelt werden, weil sie das Gemeinschaftsrecht so bezeichne. Ob letzteres richtig ist, kann dahinstehen. Jedenfalls verpflichtet Gemeinschaftsrecht nicht zu einer identischen Terminologie, sondern zu einer Übereinstimmung der Regelungsinhalte. Zwar definiert das Europäische Übereinkommen zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen vom 10. März 1976 (ETÜ), das durch Gesetz vom 25. Januar 1978 transformiert wurde, in Art. 1 Tiere im Sinne dieses Übereinkommens als Tiere, die zur Erzeugung von Nahrungsmitteln, Wolle, Häuten oder Fellen oder zu anderen landwirtschaftlichen Zwecken gezüchtet oder gehalten werden. Gleiches gilt für die nach Inkrafttreten der Änderung des TierSchG am 1. Juni 1998 erlassene Richtlinie 98/58/EG des Rates vom 20. Juli 1998 über den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere, die das ETÜ umsetzt. Dort wird in Art. 2 Nr. 1 als “Tier” jedes Tier bezeichnet, das zur Erzeugung von Nahrungsmitteln, Wolle, Häuten oder Fellen oder zu anderen landwirtschaftlichen Zwecken gezüchtet oder gehalten wird.
Diese Vorschriften stehen jedoch mit ihrer Definition nicht im Widerspruch zu der gefundenen Auslegung des Begriffs “landwirtschaftliches Nutztier”. Sie legen lediglich Mindeststandards (vgl. Art. 1 der Richtlinie 98/58/EG) fest, die von den Mitgliedstaaten umzusetzen und einzuhalten sind. Ihr Regelungsgehalt dient der Schaffung von Gemeinschaftsvorschriften zur Verbesserung des Tierschutzes. Da es sich um Mindeststandards handelt, steht es den Mitgliedstaaten frei, zur Einhaltung dieser Bestimmungen unterschiedliche Regelungen hinsichtlich verschiedener Tierarten zu schaffen.
Auch aus den Empfehlungen im Bezug auf Pelztiere, die der ständige Ausschuss des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen am 22. Juni 1999 herausgegeben hat, wird deutlich, dass es nicht um die Definition, sondern um die Haltungsanforderungen für die jeweils betroffenen Tiere geht. So werden u.a. in Art. 3 der Empfehlung für Pelztiere die Mindestanforderungen an die Tierhalter und das eingesetzte Personal festgelegt, sogar das Ausstellen eines Befähigungsnachweises sollte in Betracht gezogen werden. In den Art. 7 ff. werden dann die räumlichen Anforderungen an die Haltung der Pelztiere konkretisiert.
Das Gemeinschaftsrecht schreibt mithin die Schutzstandards vor, überlässt aber das Verfahren (etwa präventiver Erlaubnisvorbehalt oder repressive Überwachungsmaßnahmen) den Mitgliedstaaten. Art. 4 der Richtlinie 98/58/EG gibt den Mitgliedstaaten insoweit auf, dafür Sorge zu tragen, “dass die Bedingungen, unter denen die Tiere (mit Ausnahme von Fischen, Reptilien und Amphibien) gezüchtet oder gehalten werden, den Bestimmungen des Anhangs genügen, wobei die Tierart, der Grad ihrer Entwicklung, die Anpassung und Domestikation sowie ihre physiologischen und ethologischen Bedürfnisse entsprechend praktischen Erfahrungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen zu berücksichtigen sind”. Damit erscheint eine Differenzierung zwischen einzelnen Tierarten durch die Richtlinie 98/58/EG selbst bereits vorgegeben. Der Gesetzgeber wollte diesen europarechtlichen Bestimmungen Rechnung tragen und hat zur Überwachung der gesetzten Anforderungen einen Erlaubnisvorbehalt eingeführt.
b) Verfassungsrechtlich bestehen ebenfalls keine Bedenken gegen die getroffene Auslegung. Die gesetzliche Erlaubnispflicht fügt sich ein in den in § 1 TierSchG benannten Zweck des Gesetzes, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Sie dient damit anerkannten Gemeinwohlbelangen, die nunmehr, insbesondere da Art. 20a GG seit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 26. Juli 2002 (BGBl I 2862) auch Tiere ausdrücklich unter den Schutz des Staates stellt, verfassungsrechtlich verbürgt sind.
Allerdings müssen neuartige Vorschriften wie die hier neu eingeführte Erlaubnispflicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, namentlich aus Gründen des Vertrauensschutzes, Übergangsvorschriften vorsehen (vgl. nur BVerfGE 98, 265, 309f m.w.N.). Eine solche Übergangsvorschrift besteht in § 21 TierSchG. Diese Vorschrift ist auch hier anzuwenden, weil die dort geregelte Erlaubnisfiktion als Rechtsfolge selbst für den Fall der Kläger sinnvoll und angezeigt ist, um einen weiteren Betrieb der Nerzzucht nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung zu ermöglichen und der Gesetzgeber es – wie dargelegt – offenbar lediglich aufgrund eines Redaktionsversehens und damit unbewusst unterlassen hat, den Fall der Erlaubnispflicht nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a TierSchG ausdrücklich zu nennen. § 21 TierSchG soll nach der Gesetzesbegründung der Bundesregierung den von der Neufassung des § 11 Abs. 1 Satz 1 TierSchG Betroffenen bis zur Erteilung einer Erlaubnis die Möglichkeit zur weiteren Wahrnehmung ihrer nunmehr unter Erlaubnisvorbehalt stehenden Tätigkeiten geben (vgl. BTDrucks 13/7015, S. 25).
- Auch die im September 1977 erteilte Teilbaugenehmigung für das Betriebsgelände und das Nerzgehege führt zu keinem anderen Ergebnis. Eine Baugenehmigung beinhaltet keine tierschutzrechtlichen Erlaubnisse. Durch die Baugenehmigung wird die Bebaubarkeit eines Grundstücks in einer bestimmten Art und Weise geregelt. Demgegenüber regelt die tierschutzrechtliche Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a TierSchG die Berechtigung einer bestimmten Person, etwa Nerze zu züchten und zu halten. Diese an bestimmte persönliche Anforderungen wie Zuverlässigkeit und Sachkunde geknüpfte Regelung geht damit über die baurechtliche Regelung hinaus und wird davon nicht erfasst.
Schließlich ist die angefochtene Ordnungsverfügung nicht gemäß § 114 VwGO rechtswidrig, da der Beklagte das in § 11 Abs. 3 Satz 2 TierSchG eröffnete Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat. Die Revision sieht eine unzureichende Ermessensausübung und eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darin, dass ein seit Langem unbeanstandeter Betrieb wegen Fehlens einer nachträglich eingeführten Erlaubnis geschlossen werden soll. In Sonderheit sind die Kläger offenbar der Meinung, eine Untersagungsverfügung setze, ähnlich einer Abrissverfügung im Baurecht, neben der formellen die materielle Illegalität voraus.
Bei § 11 Abs. 3 TierSchG handelt es sich um eine Sollvorschrift. Dies bedeutet im Hinblick auf die Ermessensbetätigung der Behörde eine strikte Bindung für den Regelfall, nur in atypischen Fällen sind Abweichungen gestattet (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 40, Rn. 26 f.). Ein solcher liegt nicht vor, denn der vorliegende Sachverhalt ist vom Sinn und Zweck der Vorschrift erfasst und stimmt in wesentlichen Grundzügen mit den zu regelnden Fällen überein.
Das Gewicht der für die Regelentscheidung maßgeblichen Gründe ist, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, vorliegend gewahrt. Allein die Tatsache, dass der Beklagte den Betrieb durch langjährige Überwachung im Hinblick auf tierschutzrelevante Belange zu beurteilen vermag, stellt keine Atypik dar. Eine größere Anzahl von Betrieben, die nunmehr der Erlaubnispflicht unterstellt sind, wird durch die entsprechenden Veterinärämter kontrolliert. Hätte der Gesetzgeber für solche Betriebe eine Ausnahme von der Erlaubnispflicht in Betracht gezogen, hätte angesichts der zahlenmäßigen Bedeutung eine ausdrückliche Regelung statuiert werden müssen. Durch die Einführung des Erlaubnisvorbehaltes soll die Haltung entsprechender Tierarten nach dem Willen des Gesetzgebers auf eine insoweit neue Grundlage gestellt werden. Dieser Intention würde die Basis entzogen, wenn man eine langjährige Überwachung durch die entsprechenden Ämter als atypische Ausnahme von der Regelentscheidung qualifizieren würde.
Der im Baurecht im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG geltende Grundsatz, dass der Erlass einer Abrissverfügung neben der formellen Illegalität auch die materielle Baurechtswidrigkeit voraussetzt, ist demnach auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar (vgl. für Straußengehege auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 1. April 1999 – 5 S 335/99 –, RdL 1999, S. 159; Hess. VGH, Beschluss vom 29. November 1995 – 3 TG 3273/95 –, NVwZ-RR 1996, 432). Hier geht es nicht um eine ggf. irreversible Beseitigung einer baulichen Anlage, sondern um die Untersagung einer Tätigkeit, die bei Vorliegen der Voraussetzungen jederzeit wieder aufgenommen werden könnte. Davon abgesehen drängt sich im vorliegenden Fall keineswegs auf, dass die Kläger ohne weiteres einen Anspruch auf Erteilung der nach § 11 Abs. 1 Nr. 3a TierSchG erforderlichen Erlaubnis hätten. Prüfungsinhalt hierfür ist nämlich u.a. auch die persönliche Zuverlässigkeit des Tierhalters. Wenn dieser sich – wie hier die Kläger – hartnäckig weigert, die erforderliche Erlaubnis zu beantragen, drängt sich die Frage auf, ob die Erlaubnisvoraussetzungen tatsächlich sämtlich erfüllt sind. Hier hat der Beklagte den Klägern bis zum Erlass der Untersagungsverfügung vom 14. August 2000 mehrfach und insgesamt knapp eineinhalb Jahre Zeit gegeben, einen Erlaubnisantrag zu stellen. Die Kläger konnten somit noch über ein Jahr nach Erlöschen ihrer vorläufigen Erlaubnis (§ 21 Satz 2 Nr. 1 TierSchG) ihren Betrieb weiter führen, ohne dass der Beklagte eingeschritten ist. Besondere Umstände, die dennoch ein weiteres Zuwarten oder einen gänzlichen Verzicht auf eine Untersagungsverfügung hätten rechtfertigen können, sind weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren hervorgetreten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Dette, Liebler, Prof. Dr. Rennert
Fundstellen
Haufe-Index 1318759 |
DÖV 2005, 704 |
DVBl. 2005, 648 |
AuUR 2005, 226 |
EurUP 2005, 100 |