Entscheidungsstichwort (Thema)

Genehmigungspflicht und Genehmigungsfähigkeit von Landeplätzen für Flugmodelle. Begriff des Flugplatzes. Aufstiegserlaubnis für Flugmodelle. Versagung der Aufstiegserlaubnis im Landschaftsschutzgebiet. Landeplatz für Flugmodelle, Genehimgung. Aufstiegserlaubins für Flugmodellssport im Landschaftsschutzgebiet

 

Leitsatz (amtlich)

Landeplätze für Flugmodelle sind keine Flugplätze im Sinne des § 6 LuftVG.

Die Aufstiegserlaubnis für Flugmodelle (§ 16 Abs. 4 bis 7 LuftVO) darf nur versagt werden, wenn durch den Aufstieg eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit droht. Das ist bei einem Verstoß gegen landschaftsschutzrechtliche Verbote stets der Fall.

 

Normenkette

LuftVG §§ 6, 29; LuftVO § 16 Abs. 4-7

 

Verfahrensgang

OVG für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein (Urteil vom 08.07.1981; Aktenzeichen 12 OVG A 220/80)

VG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 07.12.1979; Aktenzeichen 3 A 110/78)

 

Tenor

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein vom 8. Juli 1981 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger beabsichtigt, auf einem 4,9 ha großen gepachteten Grundstück in N… Kreis P… Modellflug-Sport zu betreiben. Der Kreis P… als untere Landschaftspflegebehörde widersprach dem Vorhaben unter Hinweis auf die Lage des Platzes im Landschaftsschutzgebiet. Der beklagte Minister für Wirtschaft und Verkehr des Landes S… lehnte den Antrag des Klägers auf Einrichtung und Betrieb eines Sonderlandeplatzes für Flugmodelle mit Bescheid vom 2. Mai 1978 ab. Zur Begründung der Entscheidung berief er sich auf § 6 Abs. 2 des Luftverkehrsgesetzes vom 4. November 1968 (BGBl. I S. 1113), geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 1976 (BGBl. I S. 3574), nunmehr geltend in der Neufassung des Gesetzes vom 14. Januar 1981 (BGBl. I S. 61) – LuftVG –, wonach er auch die Erfordernisse des Naturschutzes und der Landschaftspflege angemessen zu berücksichtigen habe. Die Prüfung habe ergeben, daß durch den beabsichtigten Modellflugbetrieb – gleich welcher Art – die Ruhe der Natur gestört werde, weil sich zwangsläufig eine größere Zahl von Menschen zusammenfinden würde. Aus § 2 Abs. 1d der Kreisverordnung zum Schutze von Landschaftsteilen im Kreis P… vom 31. Oktober 1969 (Amtsbl. …) müsse daher die Unzulässigkeit des Modellfluges an dem vorgesehenen Platz hergeleitet werden. Ausnahmen von dem Verbot könnten gemäß § 5 der Verordnung in besonderen Fällen zugelassen werden. Der Landrat des Kreises P… als zuständige Landschaftspflegebehörde sehe aber keine Gründe, die eine Ausnahmegenehmigung rechtfertigten.

Der Kläger hat vor dem Verwaltungsgericht Klage auf Erteilung der beantragten Genehmigung erhoben und erst- und zweitinstanzlich vorgetragen: Belange des Naturschutzes würden durch sein Vorhaben nicht beeinträchtigt. Das fragliche Gebiet sei für Erholungszwecke ungeeignet. Seltene Vogelarten seien durch Maßnahmen der Landwirtschaft – insbesondere durch die künstliche Düngung – längst vertrieben worden. Zumindest der Segelflugbetrieb, der völlig lautlos sei, greife in die Natur nicht ein. Möglichen Beeinträchtigungen durch den Betrieb von Motorflugzeugen könne durch Auflagen begegnet werden. Die im Landschaftsschutzgebiet im Kreis P… bereits zugelassenen Modellflugplätze hätten bisher zu keinen Beeinträchtigungen geführt.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil ein Modellflugplatz in einem Landschaftsschutzgebiet nicht genehmigt werden könne.

Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil geändert, den angefochtenen Bescheid aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Dazu hat es im einzelnen ausgeführt:

Der Kläger habe beim Beklagten mit Schreiben vom 7. Juli 1977 ausdrücklich die Genehmigung eines Landeplatzes für Flugmodelle beantragt. Dennoch sei die vom Beklagten durchgeführte Prüfung dieses Antrages nach Maßgabe des § 6 LuftVG nicht sachgerecht. Ein Platz, auf dem Flugmodelle gestartet und gelandet werden, sei kein Flugplatz im Sinne dieser Vorschrift. Zwar seien auch Flugmodelle “Luftfahrzeuge” im Sinne des § 1 Abs. 2 LuftVG. Sie seien jedoch nicht den Segelflugzeugen oder den Motorseglern zugeordnet worden, worin sonst die einzige Anknüpfung an die in § 6 LuftVG verwendeten Begriffe gesehen werden könnte.

Der Beklagte habe den Antrag des Klägers auf der Grundlage des § 16 der Luftverkehrsordnung vom 14. November 1969 (BGBl. I S. 2117) – LuftVO – in Verbindung mit § 32 Abs. 1 Nr. 8 LuftVG zu prüfen. Dabei habe er folgendes zu beachten:

Nach § 16 Abs. 4 LuftVO bedürfe der Aufstieg von Flugmodellen von weniger als 5 kg Gesamtgewicht keiner Erlaubnis, es sei denn, daß sie mit Raketenantrieb versehen seien. Es sei zu prüfen, ob der Modellflug-Sport des Klägers insofern erlaubnispflichtig sei.

Nach § 16 Abs. 5 LuftVO dürften Flugmodelle mit Verbrennungsmotoren in einer Entfernung von weniger als 1,5 km von Wohngebieten nur mit Erlaubnis der örtlich zuständigen Luftfahrtbehörde des Landes betrieben werden. In dieser Bestimmung sei eine Erlaubnispflicht grundsätzlich festgelegt worden. Der angefochtene Bescheid des Beklagten lasse jedoch nicht erkennen, daß insoweit die gebotene vollständige Prüfung stattgefunden habe. Würde sich hier aus § 16 Abs. 5 LuftVO die Erlaubnispflicht ergeben, so dürfe die Erlaubnis nicht allein durch den generellen Hinweis auf bestehenden Landschaftsschutz abgelehnt werden. Insoweit teile der Senat nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, daß auf Grundstücken im Landschaftsschutzgebiet Modellflug grundsätzlich nicht stattfinden dürfe. Aus § 2 der Kreisverordnung zum Schutz von Landschaftsteilen im Kreise … vom 31. Oktober 1969 sei ein solches Verbot nicht herzuleiten; Modellflug werde dort nicht erwähnt. Zwar sei im Falle der Erlaubnispflicht die Genehmigung eines Modellfluggeländes auch von den Bedürfnissen und Erfordernissen des Landschaftsschutzes abhängig zu machen. Es sei auch mit dem Beklagten davon auszugehen, daß er im Falle einer luftrechtlichen Erlaubnisbedürftigkeit landschaftsschutzrechtliche Fragen in seiner Zuständigkeit mit zu klären habe, so daß insofern eine beantragte Genehmigung nicht von zwei verschiedenen Behörden unabhängig voneinander zu bearbeiten sei. Die Entscheidung über die Vereinbarkeit des Modellflugvorhabens mit dem Landschaftsschutz müsse nach sorgfältiger Abwägung aller Umstände ergehen und könne nicht ohne weiteres und ohne besondere Begründung für den Einzelfall unter Hinweis auf den geltenden Landschaftsschutz getroffen werden. Bei dieser Abwägung dürfe auch nicht außer Betracht bleiben, daß der Modellflug-Sport ein schutzwürdiges Interesse darstelle, das für die Jugendarbeit von wesentlicher Bedeutung sei und durch die Zusammenfassung der Beteiligten in Vereinen der wilden Modellfliegerei ordnend entgegenwirke.

Nach alledem habe der Beklagte, der eine Ermessensentscheidung zu treffen habe, in einer dem Zweck der ihm dafür erteilten Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (§ 114 VwGO). Es fehle auch an einer ausreichenden Abwägung der öffentlichen Belange und der Interessen des Klägers, wie es in § 73 des S… Landesverwaltungsgesetzes gefordert werde. Die Sache sei danach nicht spruchreif, sondern bedürfe vor Erlaß einer ausgewogenen Ermessensentscheidung erst einer eingehenden und allen Belangen der Beteiligten gerecht werdenden Ermittlung und Abwägung.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Beklagten, der die Wiederherstellung des erstinstanzlichen klagabweisenden Urteils begehrt.

Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO). Das angefochtene Urteil verstößt gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO), weil das Berufungsgericht die Voraussetzungen verkannt hat, unter denen die vom Kläger erstrebte Erlaubnis zu erteilen ist.

Zutreffend geht das Berufungsgericht zunächst davon aus, daß dem Luftverkehrsgesetz selbst ein Genehmigungstatbestand für die Anlage eines Modellflugsportgeländes nicht zu entnehmen ist. Bei einer solchen Anlage handelt es sich nicht um einen Flugplatz im Sinne von § 6 LuftVG. “Flugplätze” sind nach dieser Vorschrift Flughäfen, Landeplätze und Segelfluggelände. “Landeplätze”, von denen in diesem Zusammenhang allein die Rede sein könnte, sind im Sinne dieser Vorschrift Plätze des allgemeinen oder besonderen Luftverkehrs (vgl. § 49 Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung vom 13. März 1979, BGBl. I S. 308), nicht aber ein zumeist freies Gelände (insbesondere Wiese oder Brachland), auf dem die Flugmodell-Sportler ihrem Hobby nachgehen. Zwar sind gemäß § 1 Abs. 2 LuftVG auch Flugmodelle “Luftfahrzeuge” im Sinne des Gesetzes. Das rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, daß alle Vorschriften des Luftverkehrsgesetzes für den Flugmodell-Sport einschlägig sind. Die §§ 6 ff. LuftVG sind für den Flugmodell-Sport nicht einschlägig, weil sie sich nur auf Flugplätze beziehen, die üblicherweise dem Verkehr von Personen und Sachgütern auf dem Luftwege dienen. Landeplätze im Sinne des § 6 LuftVG unterscheiden sich nicht darin von den Flughäfen, sondern durch das Fehlen flughafentechnischer Einrichtungen und Anlagen (so auch Giemulla/Lau/Barton, Luftverkehrsgesetz, § 6 Rn 4). Es widerspräche der Verkehrsauffassung, ein Modellflug-Sportgelände als einen “Flugplatz” im üblichen Sinne zu verstehen, und ihn den rechtlichen Regelungen zu unterwerfen, die für solche Flugplätze gelten.

Auch § 25 LuftVG ist, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, auf die hier beabsichtigte Ausübung des Flugmodellsports nicht anwendbar. Nach dieser Vorschrift dürfen Luftfahrzeuge “außerhalb der für sie genehmigten Flugplätze” nur mit (u.a.) einer Erlaubnis der Luftfahrtbehörde starten und landen. Voraussetzungsgemäß erfaßt dieser Erlaubnistatbestand nur solche Luftfahrzeuge, für die es genehmigte Flughäfen gibt. Das trifft jedoch, wie ausgeführt, für Flugmodelle nicht zu.

Ein generelles Verbot mit Erlaubnisvorbehalt läßt sich für den vom Kläger beabsichtigten Modellflugsport nur aus § 16 Abs. 4 bis 6 LuftVO entnehmen. Hiernach ist der Aufstieg von Flugmodellen mit Verbrennungsmotoren in einer Entfernung von weniger als 1,5 km von Wohngebieten erlaubnispflichtig. Darüber hinaus bedarf der Aufstieg von Flugmodellen mit einem Gesamtgewicht von mehr als 5 kg oder mit Raketenantrieb in jedem Falle einer Erlaubnis. Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, daß es sich bei diesen Erlaubnistatbeständen um luftaufsichtliche Maßnahmen im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 8 in Verbindung mit § 29 LuftVG handelt. Der Kläger hat sein Begehren in der mündlichen Verhandlung dahin erläutert, daß er diese Erlaubnis erstrebt, soweit sie erforderlich ist.

Das angefochtene Urteil verkennt jedoch die Voraussetzungen, unter denen der Kläger einen Anspruch auf Erteilung einer solchen Erlaubnis hat. Es sieht die Entscheidung der Behörde nach § 16 Abs. 4 und 5 LuftVO als eine gerichtlich nur beschränkt überprüfbare Ermessensentscheidung (§ 114 VwGO) an, die aufgrund einer Abwägung aller für und gegen das Vorhaben sprechenden Umstände vorzunehmen sei. Dies steht mit der bezeichneten gesetzlichen Regelung nicht im Einklang, da die Aufstiegserlaubnis zu erteilen ist, wenn die näher bezeichnete Betätigung mit Flugmodellen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne des § 29 LuftVG nicht gefährdet (dazu im einzelnen: Urteil des Senats vom 10. Mai 1985 – BVerwG 4 C 69.82 –).

Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit kann auch darin liegen, daß der beabsichtigte Modellflugsport in einer bestimmten Gegend gegen anderweitige Rechtsvorschriften verstößt. Ein im Naturschutzrecht, insbesondere in einer Landschaftschutzverordnung, enthaltenes Verbot des Modellflugsportes muß daher stets zur Versagung der Aufstiegserlaubnis führen, solange es nicht in der dafür vorgesehenen Verfahrensweise – etwa über eine Ausnahmegenehmigung der zuständigen Landschaftspflegebehörde – überwunden worden ist. Eine weitergehende Berücksichtigung landschaftspflegerischer Belange bei der Anwendung der Erlaubnistatbestände des § 16 Abs. 4 und 5 LuftVO – etwa durch eine Abwägung der Belange des Natur- und Landschaftsschutzes mit dem sonstigen für und gegen das Vorhaben streitenden Belangen – ist durch die luftaufsichtsrechtliche Generalklausel des § 29 LuftVG allerdings nicht abgedeckt und daher unzulässig. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zu der Flughafengenehmigung des § 6 LuftVG, über die die Behörde unter Abwägung der jeweils einschlägigen Belange entscheidet und für die eine Berücksichtigung u.a. landschaftspflegerischer Belange ausdrücklich vorgeschrieben ist (§ 6 Abs. 2 LuftVG).

Soweit die Richtlinien des Bundesministers für Verkehr für die Genehmigung der Anlage und des Betriebs von Flugplätzen für Flugmodelle usw. vom 10. Mai 1978 sich auf § 6 LuftVG stützen, bedürfen sie nach den obigen Ausführungen der Korrektur. Soweit darin eine Genehmigung an sich nicht erlaubnispflichtiger Flugbewegungen vorgesehen ist (Ziffer 1.3 Satz 2), dürfte es sich in der Sache um eine luftaufsichtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung handeln, für die ein praktisches Bedürfnis bestehen mag und gegen die rechtliche Bedenken nicht ersichtlich sind. Allerdings sind auch insoweit die Grenzen der in § 29 LuftVG abgesteckten luftaufsichtlichen Befugnisse zu beachten. Da die Ausführungen des Berufungsgerichts zu Bedeutung des Landschaftsschutzes im vorliegenden Fall hiermit nicht in Einklang stehen, bedarf auch dies einer erneuten Überprüfung. Die Feststellungen des Berufungsgerichts reichen nicht aus für eine abschließende Entscheidung in der Revisionsinstanz.

 

Unterschriften

Oppenheimer, Prof. Dr. Schlichter, Dr. Niehues, Dr. Kühling, Dr. Gaentzsch

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2090826

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