Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung der 18. BImSchV bei der Überplanung einer Gemengelage
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Überplanung einer Gemengelage aus Wohnbebauung und Sportanlage darf zur Bewältigung des Nutzungskonflikts unter Rückgriff auf die Immissionsrichtwerte der 18. BImSchV ein Mittelwert gebildet werden.
2. Im Wege einer Feinsteuerung können Überschreitungen des Mittelwerts nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls den lärmbetroffenen Anwohnern zumutbar sein.
Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 28.11.2019; Aktenzeichen OVG 2 A 10.16) |
OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 28.11.2019; Aktenzeichen OVG 2 A 9.16) |
Tenor
Die Revisionen der Antragsgegnerin gegen die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. November 2019 werden zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten der Revisionsverfahren.
Tatbestand
Rz. 1
Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan KLM-BP-020 "..." vom 9. Juli 2015, der eine vorhandene Gemengelage aus Wohnbebauung, Freibad und Sportanlagen überplant.
Rz. 2
Der Bebauungsplan umfasst einen Teil eines nordöstlich entlang der...straße gelegenen Wohngebiets und die unmittelbar gegenüberliegende südwestliche Seite der...straße. Dort wurden noch zu DDR-Zeiten Sportanlagen und ein Freibad angelegt. In den 1990er Jahren kamen ein Sportforum und Tennisplätze hinzu.
Rz. 3
Der Bebauungsplan setzt entsprechend der vorhandenen Bebauung nordöstlich der...straße überwiegend reine Wohngebiete und südwestlich der...straße die Sondergebiete "Freibad", "Sportforum" und "Tennisplatzanlage" fest. Die Antragsteller sind Eigentümer von Grundstücken in den als reine Wohngebiete festgesetzten Bereichen. Nach der Planbegründung wurden wegen der vorhandenen Gemengelage die Immissionsrichtwerte der Achtzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Sportanlagenlärmschutzverordnung - 18. BImSchV) für allgemeine Wohngebiete zugrunde gelegt. Der Bebauungsplan geht von verschiedenen Überschreitungen auch dieser Richtwerte aus, die er für hinnehmbar hält.
Rz. 4
Das Oberverwaltungsgericht hat den Bebauungsplan für unwirksam erklärt. Er sei zwar erforderlich, denn aus der 18. BImSchV ergäben sich keine zwingenden rechtlichen Hindernisse für die Planverwirklichung. Der Bebauungsplan werde jedoch den Anforderungen des Abwägungsgebots nicht gerecht, weil die Antragsgegnerin die Bedeutung der Lärmschutzbelange der Anwohner verkannt habe. Zwar habe sie aufgrund der Vorbelastung die Immissionsrichtwerte eines allgemeinen anstelle eines reinen Wohngebiets in Ansatz bringen dürfen. Diese seien aber verbindlich einzuhalten. Überschreitungen der hochgesetzten Richtwerte seien nur hinzunehmen, wenn sie anhand der Bestimmungen der 18. BImSchV gerechtfertigt seien. Das sei weder für die Überschreitungen in der mittäglichen Ruhezeit im Normalbetrieb des Freibads mit bis zu 1 500 Besuchern der Fall, noch könnten die Überschreitungen an Tagen mit mehr als 1 500 Besuchern als "seltene Ereignisse" nach § 5 Abs. 5 der 18. BImSchV gerechtfertigt werden. Die Prognose der Antragsgegnerin, die höchstzulässige Zahl von 18 Ereignissen werde eingehalten, sei nicht nachvollziehbar.
Rz. 5
Mit ihren Revisionen erstrebt die Antragsgegnerin die Ablehnung der Normenkontrollanträge. Die Urteile beruhten auf der Verletzung von § 1 Abs. 7 BauGB sowie von § 5 Abs. 2 und Abs. 5 der 18. BImSchV. Die 18. BImSchV sei für die Bauleitplanung nur eine Orientierungshilfe. Der zulässige Grad der Abweichung müsse sich nach den Umständen des Einzelfalls richten. Zudem sei die Richtwertüberschreitung hier gemäß § 5 Abs. 2 bzw. Abs. 5 der 18. BImSchV zulässig.
Rz. 6
Die Antragsteller verteidigen die angefochtenen Urteile.
Rz. 7
Der Senat hat die Revisionen in der mündlichen Verhandlung zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Entscheidungsgründe
Rz. 8
Die Revisionen sind unbegründet. Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts beruhen zwar auf der Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) (1.). Sie stellen sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO) (2.).
Rz. 9
1. Das Normenkontrollgericht hat den Bebauungsplan in materieller Hinsicht beanstandet. Er sei zwar städtebaulich erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB, werde aber den Anforderungen des Abwägungsgebots gemäß § 1 Abs. 7 BauGB nicht gerecht. Das steht nicht in jeder Hinsicht mit Bundesrecht im Einklang.
Rz. 10
a) Die Ansicht der Vorinstanz, dass es nicht an der städtebaulichen Erforderlichkeit der Planung (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB) fehlt, begegnet keinen Bedenken.
Rz. 11
Ein Bebauungsplan ist u. a. dann nicht erforderlich, wenn er aus tatsächlichen oder Rechtsgründen auf Dauer oder auf unabsehbare Zeit der Vollzugsfähigkeit entbehrt (siehe hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 4 CN 4.14 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 136 Rn. 10 m. w. N.). Das ist z. B. dann der Fall, wenn für seine Verwirklichung erforderliche Genehmigungen wegen Nichteinhaltung der für Sportanlagen geltenden immissionsschutzrechtlichen Anforderungen nicht erteilt werden dürften und rechtliche Hindernisse auch nicht durch Auflagen im Baugenehmigungsverfahren oder angemessene Beschränkungen des Sportbetriebs überwindbar sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. August 1999 - 4 CN 4.98 - BVerwGE 109, 246 ≪249 f.≫). Entsprechendes gilt für die Überplanung einer Gemengelage aus Wohnbebauung und Sportanlage.
Rz. 12
Von einer Vollzugsunfähigkeit ist das Oberverwaltungsgericht nicht ausgegangen. Nach seiner Einschätzung steht nicht fest, dass der Planverwirklichung zwingende rechtliche Hindernisse entgegenstehen. Die immissionsschutzrechtlichen Konflikte könnten außer durch Planfestsetzungen möglicherweise auch durch eine Begrenzung der Nutzerzahl des Freibads oder durch verkehrsrechtliche Anordnungen mit Erfolg bekämpft werden (UA S. 9). An diese Wertung ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 4 CN 4.14 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 136 Rn. 12).
Rz. 13
b) Dagegen verstößt die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, der Bebauungsplan leide an beachtlichen Abwägungsfehlern, weil die Antragsgegnerin die Bedeutung der Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) im Bauleitplanverfahren verkannt und deswegen die Lärmschutzbelange der Anwohner zu gering gewichtet habe, gegen § 1 Abs. 7 BauGB.
Rz. 14
Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung von Bebauungsplänen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Der Bebauungsplan hat grundsätzlich die von ihm selbst geschaffenen oder ihm sonst zurechenbaren Konflikte zu lösen, indem die von der Planung berührten Belange zu einem gerechten Ausgleich gebracht werden. Die Planung darf nicht dazu führen, dass Konflikte, die durch sie hervorgerufen werden oder die - wie hier - gerade planerisch bewältigt werden sollen, zu Lasten Betroffener letztlich ungelöst bleiben (BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 - 4 C 8.12 - BVerwGE 147, 379 Rn. 17 m. w. N.). Das gilt namentlich für Immissionskonflikte (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB; BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2019 - 4 CN 8.18 - BVerwGE 166, 378 Rn. 25). Betrifft der Bebauungsplan Sportanlagen, kann für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Immissionen auf die Achtzehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Sportanlagenlärmschutzverordnung - 18. BImSchV) zurückgegriffen werden. Diese gilt zwar nicht unmittelbar, hat für die Bauleitplanung aber mittelbare rechtliche Bedeutung (BVerwG, Urteil vom 12. August 1999 - 4 CN 4.98 - BVerwGE 109, 246 ≪249≫). Sie ist vorliegend dem Grunde nach anwendbar. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) ist das überplante Freibadgelände eine Sportanlage im Sinne von § 1 Abs. 2 der 18. BImSchV. Maßgeblich ist gemäß § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB die im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan (9. Juli 2015) geltende Fassung der Bekanntmachung vom 18. Juli 1991 (BGBl. I S. 1588), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 9. Februar 2006 (BGBl. I S. 324).
Rz. 15
aa) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Antragsgegnerin bei der Bewältigung des Nutzungskonflikts anstelle der für reine Wohngebiete geltenden Immissionsrichtwerte (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 der 18. BImSchV) die um 5 dB(A) höheren Werte für allgemeine Wohngebiete (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 der 18. BImSchV) ansetzen durfte.
Rz. 16
Anders als etwa die TA Lärm (vgl. dort Nr. 6.7) enthält die 18. BImSchV keine Regelung für sog. Gemengelagen, in denen bauliche Nutzungen von unterschiedlicher Qualität und Schutzwürdigkeit zusammentreffen. Ungeachtet dessen können faktische Vorbelastungen in einer Gemengelage von Wohnen und Sportanlage zu einer Verringerung des Schutzanspruchs des Wohnens führen. Das gewachsene Nebeneinander konfliktträchtiger Nutzungen hat grundsätzlich zur Folge, dass sich das regelhaft vorgegebene Zumutbarkeitsmaß verändert (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Dezember 1975 - 4 C 71.73 - BVerwGE 50, 49, vom 18. Mai 1995 - 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235 und vom 23. September 1999 - 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 ≪322≫). Der Ausgleich der widerstreitenden Interessen schlägt sich in der sog. Mittelwert-Rechtsprechung nieder, die auch im Bereich der 18. BImSchV anerkannt ist (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 13. Februar 2004 - 3 S 2548/02 - juris; Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2021, § 2 der 18. BImSchV Rn. 32). Der Mittelwert ist nicht das arithmetische Mittel zweier Richtwerte und darf nicht mit einer bloßen rechnerischen Interpolation verwechselt werden. Zu seiner Ermittlung ist eine wertende, gewichtende Betrachtung der Umstände des Einzelfalls anzustellen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 18. Dezember 1990 - 4 N 6.88 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 50 S. 33, vom 2. November 2017 - 4 B 58.17 - BRS Bd. 85 Nr. 136 ≪2017≫ S. 899 und vom 7. Juni 2019 - 8 B 36.18 - juris Rn. 4 ff.). Die von der Antragsgegnerin angesetzten Mittelwerte hat das Oberverwaltungsgericht mit Blick auf die Entstehung der Bebauung im Plangebiet nicht beanstandet.
Rz. 17
bb) Im Einklang mit Bundesrecht steht auch die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass die Überschreitungen des Mittelwerts in der mittäglichen Ruhezeit an Tagen mit bis zu 1 500 Besuchern nicht nach § 5 Abs. 2 der 18. BImSchV gerechtfertigt sind.
Rz. 18
§ 5 Abs. 2 der 18. BImSchV ist keine allgemeine Öffnungsklausel für Überschreitungen der Immissionsrichtwerte in Freibädern in den Ruhezeiten. Die dort geregelte Privilegierung von Freibädern erschöpft sich darin, die Anordnung von Betriebszeiten in der Zeit von 7.00 bis 22.00 Uhr auszuschließen. Der Senat hat schon zur Privilegierung von Altanlagen in § 5 Abs. 1 der 18. BImSchV a. F. (jetzt § 5 Abs. 4 der 18. BImSchV) entschieden, dass diese Vorschrift keine generelle Erhöhung der Richtwerte erlaubt (BVerwG, Urteil vom 23. September 1999 - 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 ≪321≫). Entsprechendes gilt für die Privilegierung in § 5 Abs. 2 der 18. BImSchV.
Rz. 19
cc) Die Zumutbarkeit der Mittelwertüberschreitungen bei mehr als 1 500 Besuchern lässt sich entgegen der Auffassung der Revision nicht auf § 5 Abs. 5 der 18. BImSchV stützen.
Rz. 20
Ein "seltenes Ereignis" im Sinne dieser Regelung kommt zwar nicht nur bei Sportveranstaltungen, sondern auch an Tagen mit aus sonstigen Gründen außergewöhnlichem Besucherandrang in Betracht (OVG Münster, Urteil vom 19. April 2010 - 7 A 2362/07 - juris Rn. 87). Die Würdigung der Besonderheit und Außergewöhnlichkeit der Betriebssituation im Einzelfall ist indessen Sache des Tatsachengerichts. Das Oberverwaltungsgericht hat die von dem Bebauungsplan zugrunde gelegte Schwelle für die Annahme "besonderer" Umstände - mehr als 1 500 Besucher bei schönem Wetter - gebilligt. Es hat aber die auf der Bildung eines Durchschnittswerts beruhende Prognose der Antragsgegnerin beanstandet, die nach Nr. 1.5 des Anhangs zur 18. BImSchV zulässige Zahl von seltenen Ereignissen an höchstens 18 Kalendertagen eines Jahres werde eingehalten. Hieran ist der Senat gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO).
Rz. 21
dd) Die angefochtenen Urteile verletzen jedoch Bundesrecht, soweit das Oberverwaltungsgericht davon ausgeht, dass die Mittelwerte verbindlich einzuhalten und Überschreitungen nur hinzunehmen sind, wenn sie nach Maßgabe der 18. BImSchV zulässig sind.
Rz. 22
Die in § 2 Abs. 2 der 18. BImSchV festgelegten Immissionsrichtwerte sind gebietsbezogen und insoweit Ausdruck einer typisierenden Betrachtungsweise des Verordnungsgebers. Sie beruhen auf einer abstrakt-generellen Abwägung der in einem Baugebiet (vgl. §§ 2 bis 11 BauNVO) miteinander konkurrierenden Nutzungsinteressen und bestimmen das Maß zumutbarer Lärmimmissionen und damit die Schutzwürdigkeit der Nachbarschaft nach der allgemeinen Zweckbestimmung des Baugebiets, nach dem Gebietscharakter insgesamt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 1999 - 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 ≪321≫). Eine Regelung für Gemengelagen, bei denen Immissionskonflikte nicht durch die räumliche Zuordnung der verschiedenen Nutzungen gesteuert werden können, fehlt. Zur Bewältigung solcher atypischen Fälle ist das Richtwertsystem daher nur bedingt geeignet. Der Richtwertcharakter der Erheblichkeitsschwellen lässt aber innerhalb einer gewissen Bandbreite Raum für Abweichungen (BVerwG, Beschluss vom 6. Februar 2003 - 4 BN 5.03 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 116 S. 70). Diese Offenheit schlägt sich in der Mittelwert-Rechtsprechung nieder, erschöpft sich darin aber entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht. Der Mittelwert wird zwar anhand der konkreten Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebiets festgelegt. Er beruht aber gleichfalls auf einer gebietsbezogenen Typisierung. Um den Besonderheiten eines bestehenden Nebeneinanders von Sportanlagen und schutzwürdiger Wohnbebauung hinreichend Rechnung zu tragen, ist die Anwendung des Mittelwerts daher einer die konkrete Situation in den Blick nehmenden ergänzenden Abwägung im Sinne einer Feinsteuerung durch die Gemeinde zu unterziehen. Das kann dazu führen, dass auch weitere Überschreitungen des Mittelwerts hinzunehmen sind oder der Mittelwert - wie schon der Immissionsrichtwert (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. August 1999 - 4 CN 4.98 - BVerwGE 109, 246 ≪250≫) - nicht ausgeschöpft werden darf. Das Oberverwaltungsgericht hätte somit bei dem Befund, dass die Überschreitungen des von der Antragsgegnerin angesetzten Mittelwerts nicht gemäß § 5 der 18. BImSchV zulässig sind, nicht stehen bleiben dürfen. Vielmehr hätte es prüfen müssen, ob sie sich im Wege einer Feinsteuerung gleichwohl rechtfertigen lassen.
Rz. 23
2. Die Entscheidungen stellen sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).
Rz. 24
Wie dargelegt können sich bei der Überplanung einer Gemengelage auch Überschreitungen des Mittelwerts im Rahmen einer situationsbezogenen Feinabstimmung als zumutbar erweisen und das Ergebnis gerechter Abwägung sein. Ein einfaches "Wegwägen" solcher Überschreitungen scheidet jedoch aus. Für ihre Rechtfertigung gelten hohe Anforderungen. Sie sind nur hinnehmbar, soweit alle naheliegenden und verhältnismäßigen Möglichkeiten der Lärmreduktion im Benehmen mit der Immissionsschutzbehörde ermittelt, erwogen und ggf. ausgeschöpft sind. Dabei sind etwa technische und bauliche Schallschutzmaßnahmen an der Sportanlage ebenso in den Blick zu nehmen wie Umgestaltungen der An- und Abfahrtswege und Parkplätze (vgl. auch § 3 der 18. BImSchV). Die Rechtfertigungslast für ein Absehen von lärmreduzierenden Maßnahmen steigt mit dem Gewicht der Mittelwertüberschreitungen. Je schwerwiegender diese nach ihrer Höhe, Art, Dauer, Häufigkeit und der Anzahl der betroffenen schutzwürdigen Gebäude sind, desto eher müssen Maßnahmen zur Lärmminderung vorgesehen werden, sofern der dafür erforderliche finanzielle Aufwand angemessen ist. Abstrakte Vorgaben lassen sich insofern nicht treffen. Es bedarf einer Prüfung des Einzelfalls (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 2004 - 4 BN 24.04 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 121 S. 108 f.).
Rz. 25
Diesen Anforderungen wird die Abwägung im Bebauungsplan nicht gerecht. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat die Antragsgegnerin naheliegende Lärmminderungsmaßnahmen schon nicht ausreichend erwogen. Das betrifft neben der Errichtung von Lärmschutzwänden insbesondere die Reduzierung des Verkehrsaufkommens. Vermisst hat das Oberverwaltungsgericht u. a. Überlegungen zur Festsetzung verkehrsberuhigender Maßnahmen für die vom Besucherverkehr betroffenen Straßen und zu einer Erweiterung des Parkplatzes... unter Aufgabe sonstiger - wenn nicht sogar aller - Parkmöglichkeiten für Besucher im Wohngebiet (vgl. UA S. 23 f.).
Rz. 26
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Fundstellen
Haufe-Index 15305525 |
BauR 2022, 1607 |
NVwZ 2023, 32 |
DÖV 2022, 1005 |
JZ 2022, 557 |
LKV 2023, 14 |
VR 2022, 396 |
ZfBR 2022, 676 |
DVBl. 2022, 1431 |
UPR 2022, 498 |
BBB 2022, 60 |
FuB 2022, 234 |