Entscheidungsstichwort (Thema)
Baulücke. unbeplanter Innenbereich. Artenschutz. Niststätte. Brutstätte. Lebensstätte. Lebensbereich. besonders geschützte Tierart. Vögel. Fledermaus. Eingriff. absichtliche Beeinträchtigung. Vogelschutz-Richtlinie. Rücknahme. Rücknahmeermessen. Rechtsmittel des Beigeladenen. Rechtskraft. Rechtsverletzung
Leitsatz (amtlich)
Durch das Verbot des § 20 f Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG werden nicht allgemein die Lebensräume oder Lebensstätten wild lebender Tierarten der besonders geschützten Arten geschützt, sondern nur die ausdrücklich genannten Nist-, Brut-, Wohn- oder Zufluchtstätten; insbesondere die Nahrungsreviere der Tiere fallen nicht unter das Beschädigungs- und Zerstörungsverbot der Vorschrift.
Innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils (§ 34 BauGB) kann § 20 f Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG (naturschutzrechtlicher Artenschutz) eine baurechtlich zulässige Bebauung einer Baulücke, die mit Bäumen und Sträuchern bewachsen ist, in denen heimische Vögel nisten und brüten, nicht schlechthin hindern.
Allerdings dürfen durch die Bebauung Tiere oder Pflanzen der besonders geschützten Arten nicht absichtlich beeinträchtigt werden; verboten sind gezielte Beeinträchtigungen von Tieren und Pflanzen, nicht dagegen Beeinträchtigungen, die sich als unausweichliche Konsequenz rechtmäßigen Handelns ergeben.
Die Baugenehmigungsbehörde hat gegebenenfalls die erforderlichen Anordnungen zu treffen, damit die geschützten Lebensstätten durch das Bauvorhaben nicht mehr als unvermeidbar beeinträchtigt werden.
Normenkette
BNatSchG § 8; BNatSchG 1993 § 8a Abs. 6; BNatSchG 1998 § 8a Abs. 2; BNatSchG § 20f Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1, § 31; BauGB § 34 Abs. 1; VwVfG § 48; VwGO §§ 65, 121
Verfahrensgang
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 15. April 1999 wird aufgehoben.
Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 22. April 1997 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 22. September 1997 wird festgestellt:
Der Bescheid der Beklagten vom 12. Januar 1996 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Magdeburg vom 25. Juni 1996 waren rechtswidrig.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem die Beklagte eine gemäß § 34 Abs. 1 BauGB erteilte Baugenehmigung für ein Polizeidienstgebäude aufgrund einer fachaufsichtlichen Weisung aus Gründen des naturschutzrechtlichen Artenschutzes (§ 20 f Abs. 1 BNatSchG) zurückgenommen hat.
Die Beigeladene ist Eigentümerin eines Grundstücks von 3 316 qm Größe im unbeplanten Innenbereich der beklagten Stadt. Das Grundstück ist unbebaut und mit verwilderten Bäumen und Sträuchern bestanden. Die Klägerin beabsichtigte, auf einer 2 232 qm großen Teilfläche des Grundstücks das Gebäude für ein Polizeirevier zu bauen und es anschließend an das Land Sachsen-Anhalt zu vermieten. Ein entsprechender Mietvertrag zwischen der Klägerin und dem Land Sachsen-Anhalt sowie ein Erbbaurechtsvertrag zwischen der Klägerin und der Beigeladenen waren bereits abgeschlossen. Unter dem Datum des 16. November 1995 erteilte die Beklagte der Klägerin die Baugenehmigung zur Errichtung eines dreigeschossigen Polizeidienstgebäudes mit einer Nutzfläche von etwa 1 000 qm und drei Garagen.
Auf Weisung des Regierungspräsidiums Magdeburg nahm die Beklagte die Baugenehmigung vom 16. November 1995 mit Verfügung vom 12. Januar 1996 gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG LSA zurück, weil sie rechtswidrig sei. Die Baugenehmigung verstoße gegen das Verbot des § 20 f Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG, die Nist-, Brut-, Wohn- oder Zufluchtstätten von besonders geschützten Arten zu beschädigen oder zu zerstören. Auf dem Baugrundstück und den angrenzenden durchgrünten Grundstücken seien 23 Brutvogelarten und eine Fledermausart festgestellt worden, die unter dem besonderen Schutz des Bundesnaturschutzgesetzes ständen. Durch die Realisierung der Baumaßnahme werde der Lebensraum der Tiere erheblich zerstört oder beschädigt. Die Vogelarten seien auf ein Revier von mindestens 1 000 qm festgelegt. Eine Beengung des Reviers würde unweigerlich zu einer Vertreibung führen. Die vorgefundene Fledermausart sei vom Aussterben bedroht und deshalb besonders schutzwürdig; auch wenn die Fledermäuse das Gebiet nur als Nahrungsrevier nutzten, sei es doch Teil ihres Lebensraums. Die Verbote des § 20 f Abs. 1 BNatSchG gälten uneingeschränkt, auch wenn das Vorhaben gemäß § 8 a BNatSchG kein Eingriff sei. In pflichtgemäßer Ermessensausübung sei es daher erforderlich und angemessen, die Baugenehmigung zurückzunehmen.
Die Klägerin legte Widerspruch gegen die Rücknahme der Baugenehmigung ein; er wurde mit Bescheid vom 25. Juni 1996 zurückgewiesen. Ferner wurde ihr hilfsweise gestellter Antrag auf Befreiung gemäß § 31 BNatSchG mit bestandskräftigem Bescheid vom 29. Februar 1996 abgelehnt.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Aufhebung des Rücknahmebescheids, hilfsweise die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit, begehrt. Das Verwaltungsgericht hat den Rücknahmebescheid vom 12. Januar 1996 und den Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 1996 mit Urteil vom 22. April 1997 aufgehoben. Auch wenn unterstellt werde, dass § 20 f Abs. 1 BNatSchG anzuwenden sei, sei die angefochtene Entscheidung rechtswidrig, weil die Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Der Rücknahmebescheid sei rechtmäßig. Die Baugenehmigung habe gemäß § 48 VwVfG LSA zurückgenommen werden dürfen, weil sie rechtswidrig sei. Die Voraussetzungen des § 20 f Abs. 1 BNatSchG hätten vorgelegen. Die Ausschlussregelung des § 20 f Abs. 3 BNatSchG greife nicht ein. Nach ihr gelte § 20 f Abs. 1 BNatSchG zwar nicht bei der Ausführung eines nach § 8 BNatSchG zugelassenen Eingriffs. Nach § 8 a Abs. 6 BNatSchG 1993 sei ein Vorhaben im unbeplanten Innenbereich aber nicht als Eingriff anzusehen; es könne deshalb auch nicht als zugelassener Eingriff gelten. Durchgreifende Bedenken gegen die Ermessensausübung der Beklagten bestünden nicht.
Gegen das Berufungsurteil haben die Klägerin und die Beigeladene Revision eingelegt. Sie vertiefen ihr bisheriges Vorbringen. Sie räumen ein, dass das mit dem Bauantrag zur Genehmigung gestellte Vorhaben nicht mehr gebaut werden werde, weil inzwischen ein Polizeigebäude an einem anderen Standort errichtet worden und der Mietvertrag über das geplante Polizeigebäude durch das Land Sachsen-Anhalt gekündigt worden sei. Sie beantragen deshalb nur noch, die Rechtswidrigkeit des Rücknahmebescheids festzustellen. Die Beklagte tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revisionen der Klägerin und der Beigeladenen, mit denen sie nur noch die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Rücknahmebescheids begehren, sind zulässig. Sie sind auch begründet. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Demgemäß ist das Berufungsurteil zu ändern, die Berufung ist zurückzuweisen und das erstinstanzliche Urteil ist wiederherzustellen. Dabei ist das Urteil des Verwaltungsgerichts allerdings zu modifizieren. Weil Gegenstand des Revisionsverfahrens nur noch der Hilfsantrag der Klägerin ist, ist der Urteilstenor auf die Feststellung zu beschränken, dass der Rücknahmebescheid und der ihn bestätigende Widerspruchsbescheid rechtswidrig waren. Insoweit ist der am 11. Januar 2001 verkündete Tenor berichtigt worden (§ 118 Abs. 1 VwGO).
A. Die Revision der Klägerin ist zulässig und begründet.
1. Der Feststellungsantrag der Klägerin ist zulässig. Insbesondere hat die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die Rücknahme der ihr erteilten Baugenehmigung rechtswidrig war. Nach ihrem Vortrag beabsichtigt sie, gegenüber der Beklagten Schadensersatzansprüche wegen der Rücknahme der Baugenehmigung geltend zu machen. Diese Rechtsverfolgung ist nicht offensichtlich aussichtslos. Zwar dürfte ein Amtshaftungsanspruch nach Art. 34 GG, § 839 BGB am fehlenden Verschulden der Beklagten scheitern; davon ist hier auszugehen, weil das Berufungsgericht als ein Kollegialgericht das Verwaltungshandeln der Beklagten als objektiv rechtmäßig angesehen hat (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 9. März 1989 – BVerwG 2 C 4.87 – DVBl 1990, 1150 ≪1151≫). Der Klägerin können jedoch möglicherweise verschuldensunabhängige Entschädigungsansprüche, etwa aus § 69 Abs. 1 Satz 2 SOG LSA, zur Seite stehen.
2. Die Klage ist auch mit ihrem Feststellungsantrag begründet.
Das Berufungsgericht hält den Rücknahmebescheid gemäß § 48 VwVfG LSA für rechtmäßig, weil die aufgehobene Baugenehmigung rechtswidrig gewesen sei und die Beklagte ihr Rücknahmeermessen fehlerfrei ausgeübt habe. Die der Klägerin erteilte Baugenehmigung sei nämlich mit § 20 f Abs. 1 BNatSchG unvereinbar. Die Ausschlussregelung des § 20 f Abs. 3 Satz 1 2. Alt. BNatSchG greife nicht ein, weil sie nur für zugelassene Eingriffe gelte, ein Vorhaben im Innenbereich gemäß § 8 a Abs. 6 BNatSchG (1993) jedoch kein zugelassener Eingriff sei, sondern als ein „Nicht-Eingriff” fingiert werde.
Dem ist nicht zu folgen. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts beruht auf einer fehlerhaften Auslegung der gemäß § 4 Satz 3 BNatSchG unmittelbar als Bundesrecht geltenden §§ 20 f und 8 a Abs. 6 BNatSchG (1993). Bei richtigem Verständnis der naturschutzrechtlichen Vorschriften ergibt sich zumindest aus den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts kein Verstoß gegen § 20 f Abs. 1 BNatSchG. Ob das Vorhaben der Klägerin mit dieser Vorschrift tatsächlich vereinbar gewesen wäre, kann hier offen bleiben; denn der Rücknahmebescheid ist jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil auch die Beklagte von derselben fehlerhaften Auslegung wie das Berufungsgericht ausgegangen ist und deshalb ihr Rücknahmeermessen fehlerhaft ausgeübt hat.
a) Das Berufungsgericht nimmt ohne weiteres an, dass die Voraussetzungen des § 20 f Abs. 1 BNatSchG vorlägen. Schon dies ist nicht unbedenklich. Zwar kann der Senat nicht abschließend prüfen, ob mit der Zulassung des Polizeidienstgebäudes auf dem Grundstück der Beigeladenen die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt wären, weil es hierfür an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil fehlt. Aber selbst unter Zugrundelegung der tatsächlichen Umstände, von denen die Beklagte in ihrem Rücknahmebescheid ausgeht, steht das Vorhaben der Klägerin zumindest in erheblich geringerem Maße im Widerspruch zu dem artenschutzrechtlichen Verbot des § 20 f Abs. 1 BNatSchG, als dies in dem Bescheid angenommen wird.
Zu Recht prüft die Beklagte die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 20 f Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG (in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. März 1987 – BGBl I, S. 889) nur insoweit, wie er verbietet, Nist-, Brut-, Wohn- oder Zufluchtstätten wild lebender Tiere der besonders geschützten Arten zu beschädigen oder zu zerstören; andere Fallgruppen des artenschutzrechtlichen Verbots kommen hier nicht in Betracht. Der Beklagten ist auch darin zu folgen, dass die auf dem Grundstück festgestellten 23 Brutvogelarten und die vorgefundene Fledermausart zu den besonders geschützten Arten gehören; denn nach Anlage 1 zu § 1 der Bundesartenschutzverordnung (in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. September 1989 – BGBl I, S. 1677; ebenso Fassung vom 14. Oktober 1999 – BGBl I, S. 1955) sind grundsätzlich sämtliche Vögel und Fledermäuse aller europäischen Arten unter besonderen Schutz gestellt. Durch das Verbot werden aber nicht allgemein die Lebensräume oder auch nur sämtliche Lebensstätten (vgl. hierzu § 2 Abs. 1 Nr. 10 BNatSchG) dieser Arten geschützt, sondern nur die ausdrücklich genannten Nist-, Brut-, Wohn- oder Zufluchtstätten; die Nahrungsbereiche der Tiere, ihre Jagd- und Überwinterungsplätze fallen nicht unter das Beschädigungs- und Zerstörungsverbot (Louis, BNatSchG, 1. Aufl. 1994, § 20 f Rn. 7; vgl. auch 2. Aufl. 2000, § 2 Rn. 26). Die Beklagte hat dies verkannt, indem sie in ihrem Rücknahmebescheid lediglich ausführt, dass die Realisierung des Vorhabens eine erhebliche Zerstörung bzw. Beschädigung des Lebensraums der Tiere zur Folge hätte. Insbesondere im Hinblick auf die festgestellte Fledermausart kann das artenschutzrechtliche Verbot des § 20 f Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG nicht verletzt sein, wenn die Fledermaus das Grundstück der Beigeladenen nur als Nahrungsrevier nutzt, wie die Beklagte selbst vorträgt. Hinsichtlich der 23 Vogelarten enthält der Bescheid zwar keine klare Aussage. Da aber auch bei den Vögeln nicht zwischen Brut- und Nahrungsrevier unterschieden, sondern allgemein auf ihren Lebensraum abgestellt worden ist, bleibt auch bei ihnen offen, in welchem Umfang die Errichtung des Polizeidienstgebäudes zu einer Beschädigung oder Zerstörung ihrer Nist-, Brut-, Wohn- und Zufluchtstätten geführt hätte und bei welchen Vogelarten nur der übrige ungeschützte Lebensraum tangiert wäre.
Gleichwohl ist anzunehmen, dass das vorgesehene Gebäude nicht ohne Zerstörung oder Beschädigung von Brut- oder Niststätten zumindest einiger Vogelarten hätte errichtet werden können, weil das Grundstück der Beigeladenen insgesamt mit Bäumen und Sträuchern bestanden ist. Davon gehen offenbar auch alle Beteiligten aus. Für die weitere Prüfung wird deshalb zugunsten der Beklagten unterstellt, dass durch das streitige Vorhaben die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 20 f Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG dem Grunde nach erfüllt sind.
b) Nach § 20 f Abs. 3 Satz 1 BNatSchG (in der Fassung vom 6. August 1993 – BGBl I, S. 1458) gilt das Verbot des Abs. 1 Nr. 1 jedoch nicht bei der Ausführung eines nach § 8 BNatSchG zugelassenen Eingriffs, soweit hierbei Tiere oder Pflanzen der besonders geschützten Arten nicht absichtlich beeinträchtigt werden. Auf diese Vorschrift berufen sich die Klägerin und die Beigeladene. Sie machen geltend, gemäß § 8 a Abs. 6 BNatSchG in der Fassung des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes vom 22. April 1993 (BGBl I, S. 466 ≪481 f.≫) seien Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile, die nach § 34 BauGB zulässig seien, grundsätzlich nicht als Eingriffe im Sinne von § 8 BNatSchG anzusehen. Durch diese Vorschrift werde auch das artenschutzrechtliche Verbot für Innenbereichsvorhaben außer Kraft gesetzt. Demgegenüber hält das Berufungsgericht die Ausschlussregelung des § 20 f Abs. 3 Satz 1 BNatSchG für nicht anwendbar, weil sie nur für zugelassene Eingriffe gelte, ein Vorhaben im Innenbereich gemäß § 8 a Abs. 6 BNatSchG (1993) jedoch kein zugelassener Eingriff sei, sondern nur als ein „Nicht-Eingriff” fingiert werde. Der Konflikt zwischen nach § 34 BauGB zulässigen und gegen § 20 f Abs. 1 und 2 BNatSchG verstoßenden Bauvorhaben könne nur über die Befreiungsvorschrift des § 31 BNatSchG geregelt werden.
Auch diese Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ist mit Bundesrecht nicht vereinbar. Zum einen berücksichtigt sie nicht hinreichend, dass der Gesetzgeber in § 8 a Abs. 6 BNatSchG 1993 (ebenso nunmehr § 8 a Abs. 2 BNatschG i.d.F. des BauROG vom 18. August 1997 – BGBl I, S. 2081 ≪2110≫) grundsätzlich entschieden hat, dass eine nach § 34 BauGB zulässige Bebauung im Innenbereich nicht am Naturschutzrecht scheitern soll. Deshalb kann der naturschutzrechtliche Artenschutz eine baurechtlich zulässige Bebauung einer Baulücke auch dann nicht schlechthin hindern, wenn sie im Laufe der Jahre mit Bäumen und Sträuchern bewachsen ist und wenn in ihnen heimische Vögel nisten und brüten. Zum anderen übersieht das Berufungsgericht, dass das artenschutzrechtliche Verbot des § 20 f Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG gleichwohl im Grundsatz auch dann im unbeplanten Innenbereich gültig bleibt, wenn man als „nach § 8 zugelassenen Eingriff” im Sinne von § 20 f Abs. 3 Satz 1 BNatSchG auch einen gesetzlich zugelassenen Eingriff ansieht; denn die Ausschlussregelung des § 20 f Abs. 3 Satz 1 BNatSchG gilt immer nur, „soweit hierbei Tiere oder Pflanzen der besonders geschützten Arten nicht absichtlich beeinträchtigt werden”. Das bedeutet, dass der Bauherr sein Vorhaben so planen muss, dass Nist-, Brut-, Wohn- und Zufluchtstätten der besonders geschützten Arten wild lebender Tiere nicht mehr als unvermeidbar beeinträchtigt werden.
Hierzu hat der Senat im Einzelnen erwogen:
Soweit § 20 f Abs. 3 Satz 1 BNatSchG bestimmt, dass die Vorschriften der Absätze 1 und 2 nicht bei der Ausführung eines nach § 8 zugelassenen Eingriffs gelten, werden die in den Vorschriften enthaltenen Verbote nicht etwa aufgehoben. Bei der Ausführung eines nach § 8 BNatSchG zugelassenen Eingriffs verlieren die artenschutzrechtlichen Verbote nur ihre Bedeutung als absolute Bauverbote. Da der Artenschutz bei der Anwendung der Eingriffsregelung unter den Gesichtspunkt der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts fällt, muss er jedoch in diesem Zusammenhang berücksichtigt und abgewogen werden (Louis, NuR 1992, 119 ≪123≫; ähnlich BTDrucks 13/6441, S. 65). Insoweit ist dem rechtlichen Ansatz des Berufungsgerichts zu folgen, dass der Ausschluss der artenschutzrechtlichen Verbote gemäß § 20 f Abs. 3 Satz 1 BNatSchG, soweit er auf einen nach § 8 zugelassenen Eingriff abstellt, nur für solche Fallgruppen gedacht ist, bei denen eine Prüfung nach der Eingriffsregelung vorgenommen wird.
Dies gilt jedoch seit dem In-Kraft-Treten des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes vom 22. April 1993 nicht mehr für Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile, die nach § 34 BauGB baurechtlich zulässig sind (a.A. Louis, BNatSchG, 1. Aufl. 1994, § 20 f Rn. 44; ders. in Carlsen, Naturschutz und Bauen, 1995, S. 101 ≪108 f.≫). Mit dem durch dieses Gesetz neu geschaffenen § 8 a Abs. 6 BNatSchG (1993) hat der Gesetzgeber entschieden, dass Baulücken innerhalb der Ortslage bevorzugt bebaut werden und die Belange des Naturschutzes hier grundsätzlich zurücktreten sollen. Um dieses Ziel zu erreichen, bestimmt § 8 a Abs. 6 BNatSchG (1993), dass baurechtlich zulässige Vorhaben im Innenbereich nicht als Eingriffe anzusehen seien. Das bedeutet, dass bei ihnen die Eingriffsregelung des § 8 BNatSchG nicht zu prüfen ist. Andere Naturschutzverfahren wie das des förmlichen Gebietsschutzes und des Artenschutzes sollten dadurch zwar nicht verdrängt werden (BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 1994 – BVerwG 4 B 266.94 – ZfBR 1995, 102, zum Biotopschutz nach § 20 c BNatSchG). Der Sinn der Vorschrift besteht aber jedenfalls darin, das Bauen im unbeplanten Innenbereich im Hinblick auf etwaige naturschutzrechtliche Hindernisse zu erleichtern und zu beschleunigen.
Dieses Ziel würde verfehlt, wenn man § 8 a Abs. 6 BNatSchG (1993) nur nach seinem Wortlaut interpretiert. Der Verzicht des Gesetzgebers allein auf eine Prüfung nach § 8 BNatSchG würde das Bebauen einer Baulücke nicht erleichtern, sondern zumindest erschweren oder gar verhindern, wenn das Bauvorhaben gemäß § 20 f Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG bereits an Bäumen oder Sträuchern mit einer einzigen Niststätte eines europäischen Vogels scheitern könnte und wenn das artenschutzrechtliche Verbot allenfalls im Wege einer Befreiung nach § 31 BNatSchG durch eine andere Behörde, nämlich die Naturschutzbehörde, überwindbar wäre. Ohne die Regelung des § 8 a Abs. 6 BNatSchG wäre zwar eine Prüfung nach § 8 BNatSchG erforderlich; in diesem Fall würde das Verbot des § 20 f Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG jedoch grundsätzlich nicht unmittelbar gelten; und die artenschutzrechtlichen Belange könnten regelmäßig im Rahmen der Eingriffsregelung ohne eine Befreiung überwunden werden. Diese Rechtslage war materiell und verfahrensmäßig für den Bauherrn günstiger als die, die sich bei einer nur den Wortlaut des § 8 a Abs. 6 BNatSchG (1993) beachtenden Auslegung ergeben würde. Zudem enthält die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts auch einen Wertungswiderspruch im Hinblick auf Grundstücke im Außenbereich; obwohl diese regelmäßig nicht der Bebauung dienen, könnten bei ihnen naturschutzrechtliche Hindernisse leichter überwunden werden als bei den zur Bebauung bestimmten Innenbereichsgrundstücken.
Um diesen Wertungswiderspruch auszugleichen und um damit zugleich das Ziel des § 8 a Abs. 6 BNatSchG (1993) zu erreichen, ist es erforderlich, die Vorschrift erweiternd auszulegen. Nach ihrem objektiven Sinn stellt sie Innenbereichsvorhaben nicht nur von der Eingriffsregelung des § 8 BNatSchG frei, sondern gestattet auch die typischerweise mit dem naturschutzrechtlichen Eingriff verbundenen unvermeidlichen Verstöße gegen die artenschutzrechtlichen Verbote des § 20 f Abs. 1 und 2 BNatSchG, wenn eine Baulücke im unbeplanten Innenbereich in baurechtlich zulässiger Weise bebaut wird. Die Bebauung einer Baulücke ist damit ein durch das Gesetz selbst, nämlich durch die Spezialvorschrift des § 8 a Abs. 6 BNatSchG (1993), zugelassener Eingriff im Sinne von § 20 f Abs. 3 Satz 1 BNatSchG.
§ 20 f Abs. 3 Satz 1 BNatSchG begrenzt zugleich den Umfang der Freistellung von den Verboten der Absätze 1 und 2: Die Verbote bleiben gültig, soweit durch die Bebauung Tiere oder Pflanzen der besonders geschützten Arten absichtlich beeinträchtigt werden. Dieser letzte Halbsatz ist zwar erst durch das Gesetz vom 6. August 1993 (BGBl I, S. 1458) und damit erst einige Monate nach dem In-Kraft-Treten des § 8 a BNatSchG (1993) an § 20 f Abs. 3 Satz 1 BNatSchG angefügt worden. Die Ergänzung hat jedoch nur klarstellende Bedeutung. Bereits im Gesetzgebungsverfahren zum Ersten Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 10. Dezember 1986 (BGBl I, S. 2349) ist man davon ausgegangen, dass sich die Freistellung von den Verboten des (späteren) § 20 f Abs. 1 und 2 BNatSchG nicht auf absichtliche Beeinträchtigungen erstrecke, weil derartige gezielte Handlungen den Rahmen der ordnungsgemäßen Tätigkeit überschritten (BTDrucks 10/5064, S. 22). Nachdem jedoch der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 17. September 1987 – 412/85 – (Slg. 1987, 3503 = NuR 1988, 53) beanstandet hatte, dass die Vorschrift nicht ausreichend deutlich mache, dass auch bei der ordnungsgemäßen Bodennutzung absichtliche Beeinträchtigungen, die nach der Vogelschutz-Richtlinie (79/409/EWG) verboten sind, unzulässig seien, ist dies ausdrücklich in die Vorschrift aufgenommen worden (BRDrucks 747/92, S. 16). Eine materielle Rechtsänderung war damit nicht beabsichtigt.
Die Frage, wann eine absichtliche Beeinträchtigung von Tieren im Sinne des § 20 f Abs. 3 Satz 1 BNatSchG anzunehmen ist, lässt sich nicht mit Hilfe strafrechtlicher Vorsatzbegriffe beschreiben. Es ist deshalb unerheblich, ob – beispielsweise – ein Bauherr erkennt, dass die Ausführung seines Vorhabens zu Beeinträchtigungen geschützter Lebensstätten von Vögeln führen wird. Der Begriff „absichtlich” ist hier vielmehr in einem objektivierenden Sinne zu verstehen. Dabei ist vom Zweck des § 20 f BNatSchG auszugehen, besonders geschützte Tier- und Pflanzenarten unter einen besonderen Schutz zu stellen. Mit diesem Zweck unvereinbar sind gezielte Beeinträchtigungen von Tieren und Pflanzen. Nicht absichtlich sind dagegen Beeinträchtigungen, die sich als unausweichliche Konsequenz rechtmäßigen Handelns ergeben (vgl. den Schlussantrag des Generalanwalts im Verfahren 412/85 des EuGH, unter Bezugnahme auf § 40 Abs. 2 Nds.NatSchG i.d.F. vom 20. März 1980, Nds.GVBl S. 31). Das Gesetz verlangt, dass auch bei einer nach baurechtlichen Vorschriften zulässigen Bebauung eines Grundstücks die Beeinträchtigung der besonders geschützten Tiere auf das Unvermeidbare beschränkt wird. Eine restriktive Auslegung des Begriffs der Absichtlichkeit ist ferner wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit geboten. Er lässt eine undifferenzierte Anwendung des artenschutzrechtlichen Verbots auf Grundstücken im bebauten Innenbereich nicht zu, weil diese Flächen einerseits durch ihre Baulandfunktion geprägt sind und andererseits typischerweise für den Artenschutz weniger bedeutsam sind als Grundstücke in der freien Natur.
Für die Bebaubarkeit von Grundstücken im unbeplanten Innenbereich bedeutet dies, dass sie grundsätzlich nicht an § 20 f Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG scheitern kann. Aus der Vorschrift können sich aber Anforderungen an das Vorhaben, insbesondere an die Dimensionierung des Baukörpers, an seine Lage auf dem Baugrundstück sowie an die Art und Weise und die Zeit der Bauausführung ergeben. So kann es zum Beispiel unzulässig sein, den aus der Umgebungsbebauung ableitbaren Rahmen hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung oder der zu überbauenden Grundstücksflächen voll auszuschöpfen oder Bauarbeiten während der Brutzeit durchzuführen. Die Baugenehmigungsbehörde hat, wenn die Bauabsichten des Bauherrn den artenschutzrechtlichen Anforderungen nicht entsprechen, die erforderlichen Anordnungen zu treffen, etwa im Hinblick auf die Reduzierung der Bebauung oder auf die Erhaltung oder Neuanpflanzung von Bäumen und Sträuchern mit Nist- und Brutmöglichkeiten. Nur solche Beeinträchtigungen, die bei der – dem Grunde nach – zulässigen baulichen Nutzung einer Baulücke nicht vermieden werden können, sind gemäß § 20 f Abs. 3 Satz 1 BNatSchG vom artenschutzrechtlichen Verbot des § 20 f Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG freigestellt.
Bei der vom Senat für zutreffend gehaltenen Auslegung ist eine Vernachlässigung der Belange des Naturschutzes nicht zu befürchten. Zwar obliegt ihre Beachtung im Regelfall allein der Baugenehmigungsbehörde. Deren Entscheidung ergeht jedoch im Benehmen mit den für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden (§ 8 a Abs. 7 Satz 1 BNatSchG 1993, ebenso § 8 a Abs. 3 Satz 1 BNatSchG 1998). Auf diese Weise erfährt die Naturschutzbehörde rechtzeitig von den Plänen des Bauherrn und wird so in die Lage versetzt, erforderlichenfalls auf eine Modifizierung des Bauvorhabens durch Beschränkungen, insbesondere durch Nebenbestimmungen in der Baugenehmigung, zu drängen oder es gar, wenn besonders wichtige Belange des Artenschutzes nur durch den naturschutzrechtlichen Gebietsschutz gewahrt werden können, durch Maßnahmen des formellen Naturschutzrechts zu verhindern.
Eine von der Naturschutzbehörde selbst zu erteilende Befreiung nach § 31 Abs. 1 BNatSchG ist regelmäßig nicht erforderlich. Ihrer bedarf es nur, wenn mit der Bebauung eine im Sinne des § 20 f Abs. 3 Satz 1 BNatSchG „absichtliche” Beeinträchtigung verbunden ist. In diesem Fall wird das Vorhaben aber regelmäßig aus materiellen Gründen nicht ausgeführt werden können, weil die Voraussetzungen für eine Befreiung typischerweise nicht vorliegen. Erforderlich ist nämlich nicht nur – beispielsweise – eine nicht beabsichtigte Härte; vielmehr dürfen auch die im letzten Halbsatz von § 31 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG (in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1998, BGBl I, S. 2994) aufgeführten europarechtlichen Vorschriften nicht entgegenstehen. Die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 1 der Vogelschutz-Richtlinie für eine Ausnahme von ihrem Verbot, Nester absichtlich zu zerstören oder zu beschädigen (Art. 5 b), dürften aber praktisch äußerst selten gegeben sein.
Das Berufungsgericht hat – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen darüber getroffen, ob die von ihm angenommenen Verstöße gegen § 20 f Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG in diesem Sinne vermeidbar waren. Der Senat kann deshalb gegenwärtig nicht abschließend beurteilen, ob die von der Beklagten zurückgenommene Baugenehmigung rechtmäßig oder rechtswidrig war. Die Frage kann jedoch offen bleiben, weil sie für die begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit des Rücknahmebescheids nicht entscheidungserheblich ist. Vielmehr kann auch insoweit zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Baugenehmigung vermeidbare Beschädigungen und Zerstörungen von Nist-, Brut-, Wohn- und Zufluchtstätten gestattete und deshalb rechtswidrig war.
c) Auch bei unterstellter Rechtswidrigkeit der erteilten Baugenehmigung war ihre Rücknahme rechtswidrig. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA durfte sie nämlich nur auf der Grundlage einer fehlerfreien Ermessensentscheidung zurückgenommen werden. An einer solchen Entscheidung fehlt es hier. Dabei kommt es nicht darauf an, ob den Ausführungen des Berufungsgerichts zur Ermessensausübung durch die Beklagte zu folgen ist. Auch wenn diese Ausführungen bei isolierter Betrachtung nicht zu beanstanden wären, bliebe die Ermessensausübung fehlerhaft, weil die Beklagte auf der Grundlage ihres Verständnisses der §§ 20 f und 8 a Abs. 6 BNatSchG (1993) nicht in der Lage war, von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch zu machen (§ 114 Satz 1 VwGO). Sie hat insbesondere nicht erkannt, dass das von den Beteiligten übereinstimmend als Baulücke im Innenbereich angesehene Grundstück der Beigeladenen wegen dieser Lage Baulandqualität besitzt und einer Bebauung grundsätzlich nicht allein aus artenschutzrechtlichen Gründen entzogen werden kann. Sie ist ferner zu Unrecht davon ausgegangen, dass § 20 f Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG dem Schutz des gesamten Lebensraums besonders geschützter Tiere dient; so war hier eine Rücknahme der Baugenehmigung zum Schutz der festgestellten Fledermausart schon im Ansatz aus rechtlichen Gründen nicht möglich, weil sich keine der in dieser Vorschrift genannten besonderen Lebensstätten von Fledermäusen auf dem Baugrundstück befindet. Die Beklagte hat schließlich nicht berücksichtigt, dass auch das genehmigte Polizeidienstgebäude, von dessen Zulässigkeit nach § 34 Abs. 1 BauGB alle Beteiligten ausgehen, grundsätzlich nicht am naturschutzrechtlichen Artenschutz scheitern konnte. Infolgedessen hat sie nicht erwogen, ob aus diesen Gründen eine Rücknahme der Baugenehmigung – trotz unterstellter Rechtswidrigkeit – unterbleiben könne oder ob eine nur teilweise Rücknahme möglich sei; sie hat auch keine Erwägungen darüber angestellt, ob die Baugenehmigung nachträglich durch Nebenbestimmungen hätte beschränkt werden können. Zweifelhaft mag sein, ob die Beklagte bei Beachtung dieses rechtlichen Rahmens überhaupt berechtigt gewesen wäre, die erteilte Baugenehmigung in vollem Umfang zurückzunehmen. Die Frage kann offen bleiben, weil jedenfalls die tatsächlich von der Beklagten angestellten Erwägungen ermessensfehlerhaft waren.
B. Auch die Revision der Beigeladenen ist zulässig und begründet. Insbesondere kann die Beigeladene geltend machen, durch das Berufungsurteil in eigenen Rechten verletzt zu werden.
Auf die Verletzung eigener Rechte kommt es für die Zulässigkeit des Rechtsmittels der Beigeladenen an. Im Falle einer einfachen Beiladung im Sinne von § 65 Abs. 1 VwGO setzt nämlich der Erfolg eines Rechtsmittels (auch) des Beigeladenen außer der Rechtswidrigkeit des streitigen Verwaltungsaktes voraus, dass das angefochtene Urteil eigene subjektive Rechte des Beigeladenen verletzt (BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1984 – BVerwG 4 C 58.81 – BVerwGE 69, 256 ≪258≫). Dies folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Danach kann ein Verwaltungsakt nur aufgehoben werden, wenn er rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt wird. Dieser Grundsatz gilt allgemein; er gilt auch für das Rechtsmittelverfahren, und er gilt insbesondere auch für einen Beigeladenen, wenn er das Rechtsmittel eingelegt hat (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. März 1998 – BVerwG 4 B 153.97 – BauR 1998, 536 – Buchholz 310 § 66 VwGO Nr. 8, m.w.N.). Für den Fall der Abweisung einer Klage, die auf die Aufhebung der Rücknahme einer Baugenehmigung gerichtet ist, bedeutet dies, dass das Rechtsmittel eines Beigeladenen nur erfolgreich sein kann, wenn auch er durch die gerichtliche Bestätigung der Rücknahme in seinen subjektiven Rechten verletzt wird.
Durch die Rücknahme der der Klägerin erteilten Baugenehmigung selbst kann die Beigeladene allerdings nicht in ihren Rechten verletzt sein. Zwar mögen durch die Rücknahme ihre Interessen als Eigentümerin des Baugrundstücks berührt werden. Ein Recht der Beigeladenen wäre aber nur dann verletzt, wenn durch die Rücknahme der Baugenehmigung über die Befugnis der Beigeladenen entschieden worden wäre, ihr Grundstück zu bebauen, und wenn diese Frage im Widerspruch zum materiellen Baurecht verneint worden wäre. Um Baurechte der Beigeladenen geht es hier aber nicht; denn nicht sie, sondern die Klägerin hatte den Bauantrag für das Polizeidienstgebäude gestellt.
Es kommt aber eine Verletzung von subjektiven Rechten der Beigeladenen durch eine Beschränkung ihrer Rechte in einem nachfolgenden Rechtsstreit mit der Klägerin in Betracht; denn infolge der Beiladung würde gemäß §§ 121, 63 Nr. 3 VwGO mit der Rechtskraft des Berufungsurteils auch zwischen der Klägerin und der Beigeladenen verbindlich feststehen, dass die Beklagte die der Klägerin erteilte Baugenehmigung zu Recht zurückgenommen hat. Dadurch kann ein nachfolgender Zivilprozess zwischen diesen beiden Beteiligten präjudiziert werden. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass eine Verletzung von subjektiven Rechten auch in der Beschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten in einem nachfolgenden Zivilprozess liegen kann (BVerwG, Urteil vom 16. September 1981 – BVerwG 8 C 1 und 2.81 – BVerwGE 64, 67 ≪70≫ – NJW 1982, 951 ≪953≫; Urteil vom 12. März 1987 – BVerwG 3 C 2.86 – BVerwGE 77, 102 ≪106≫). Die Beigeladene hat sich ausdrücklich auf ihren Erbbaurechtsvertrag mit der Klägerin bezogen und geltend gemacht, dass ihr durch die Kündigung des Vertrages durch die Klägerin ein Schaden durch den Verlust von Erbbauzins entstanden sei. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Frage, ob die Rücknahme der Baugenehmigung rechtmäßig war, in dem Rechtsstreit der beiden Beteiligten um ihre Rechte und Pflichten aus dem Erbbaurechtsvertrag von Bedeutung sein kann. Zur Geltendmachung der Verletzung eigener Rechte der Beigeladenen genügt dies.
Im Übrigen ist der Revision der Beigeladenen aus denselben Gründen wie der Revision der Klägerin stattzugeben.
C. Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens muss die Beklagte gemäß § 154 Abs. 1 und § 155 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 155 Abs. 2 VwGO tragen. Zu diesen Kosten gehören auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Sie hat sich am Verfahren aktiv beteiligt, insbesondere selbst erfolgreich Revision eingelegt, so dass es der Billigkeit entspricht, die unterlegene Beklagte auch mit ihren Kosten zu belasten (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Unterschriften
Gaentzsch, Berkemann, Lemmel, Heeren, Jannasch
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 11.01.2001 durch Kurowski Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
NWB 2001, 1031 |
BVerwGE, 321 |
BauR 2001, 918 |
NVwZ 2001, 1040 |
IBR 2001, 456 |
ZAP 2001, 588 |
AgrarR 2001, 345 |
DÖV 2001, 512 |
JA 2001, 754 |
NJ 2001, 555 |
NuR 2001, 385 |
ZfBR 2001, 271 |
BRS 2002, 371 |
DVBl. 2001, 646 |
KomVerw 2001, 375 |
UPR 2001, 190 |
FSt 2001, 855 |
FuBW 2001, 658 |
FuHe 2001, 689 |
FuNds 2001, 650 |
SächsVBl. 2001, 138 |