Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzanspruch wegen unterbliebener Beförderung. Verstoß gegen den Leistungsgrundsatz. Übertragung eines Förderdienstpostens. Beförderungswarteliste. Unterlassung der Benachrichtigung weiterer Bewerber von einer Beförderungsabsicht. Verschulden. Kausalität. Einsatz von Soldaten im Bundesnachtrichtendienst. Rechtskraftwirkung des Gerichtsbescheids
Leitsatz (amtlich)
1. Erhält ein Beamter einen höherwertigen Dienstposten aufgrund des Ergebnisses eines Leistungsvergleichs übertragen, macht dies einen weiteren Leistungsvergleich nicht entbehrlich, wenn zwischen der Übertragung des Förderdienstpostens und der Beförderung längere Zeit verstrichen ist.
2. Vor der Beförderung des Beamten muss der Dienstherr weitere Beförderungsbewerber rechtzeitig über seine Beförderungsabsicht in Kenntnis setzen.
Normenkette
GG Art. 33 Abs. 2; VwGO § 50 Abs. 1 Nr. 4, §§ 75, 94, 101 Abs. 2
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Hinzuziehung des Prozessvertreters des Klägers im Vorverfahren war notwendig.
Tatbestand
I
Der Kläger ist Oberregierungsrat (BesGr A 14) beim Bundesnachrichtendienst und begehrt Schadensersatz wegen nicht erfolgter Beförderung zum Regierungsdirektor (BBesGr A 15).
Er war in der Dienststelle 12C in Köln eingesetzt. Dort wurde ihm am 1. April 2001 ein mit A 15 bewerteter Dienstposten übertragen und am 15. Oktober 2001 seine Bewährung auf diesem Dienstposten rückwirkend zum 1. Oktober desselben Jahres festgestellt. Seine Beförderung zum Regierungsdirektor unterblieb jedoch im Zuge der alsbald einsetzenden organisatorischen Veränderungen in den Dienststellen des Bundesnachrichtendienstes im Raum Köln/ Bonn. Die Beklagte löste die Kölner Dienststelle am 31. Dezember 2002 auf, stellte deren Auftrag ein und teilte die Dienstposten sukzessive der Dienststelle 12Z in Berlin zu.
Die Beschäftigten der aufgelösten Dienststelle wurden, soweit sie nicht in Berlin tätig werden wollten, zum Bundesamt für Verfassungsschutz versetzt oder zu anderen Dienststellen des Bundesnachrichtendienstes umgesetzt. Da die Versetzung des Klägers zum Bundesamt für Verfassungsschutz scheiterte und er einen ihm angebotenen, nach A 15 bewerteten Dienstposten in Berlin nicht übernehmen wollte, wurde er zunächst zur vorübergehenden Dienstleistung in der Dienststelle AB60 in Bonn eingesetzt und am 15. September 2003 endgültig dorthin auf einen mit A 14 bewerteten Dienstposten umgesetzt.
Mit Schreiben vom 18. September 2003 hatte der Kläger zunächst gegen seine Nichtbeförderung Widerspruch und nach dessen Zurückweisung Klage auf Beförderung mit der Begründung erhoben, er hätte im August 2003 zum Regierungsdirektor befördert werden müssen. Denn zu diesem Zeitpunkt habe er den ersten Platz in der Beförderungswarteliste der Beklagten eingenommen; eine entsprechende, besetzbare Planstelle sei vorhanden gewesen. Diese Klage hat der erkennende Senat mit Gerichtsbescheid vom 21. September 2005 – BVerwG 2 A 5.04 – abgewiesen.
Mit Schreiben vom 10. Juli 2006 beantragte der Kläger beim Bundesnachrichtendienst Schadensersatz wegen unterbliebener Beförderung. Nachdem die Beklagte den Antrag nicht beschieden hatte, hat der Kläger am 29. Dezember 2006 Untätigkeitsklage erhoben. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Die Beklagte habe ihre seinerzeit langjährig praktizierten Grundsätze und Regeln zur Behandlung des Beförderungsstaus außer Acht gelassen. Sie habe ihn nicht befördert, obgleich eine Haushaltsstelle vorhanden und auch die sonstigen Voraussetzungen einer Beförderung gegeben gewesen seien. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur Bestenauslese verletzt, gegen ihre Informationspflicht verstoßen und die besondere Stellung des Klägers als Mitglied des Personalrats nicht gebührend berücksichtigt. Sie habe verkannt, dass die bloße Wertigkeit eines Dienstpostens keine allein zulässige Beförderungsvoraussetzung sei. Grundlage der Platzierung auf der Beförderungswarteliste sei aber nur die Feststellung der Bewährung auf dem höherwertigen Dienstposten gewesen. Dennoch habe die Beklagte Beamte ausschließlich nach ihrem Platz auf der Beförderungswarteliste befördert. Dies sei auch geschehen, während dem Kläger der höherwertige A 15-Dienstposten bereits übertragen gewesen sei.
Der Kläger habe nach den Beförderungskriterien der Beklagten bis zum 15. September 2003 Beförderungsreife besessen. Erst an diesem Tag sei er förmlich auf einen A 14-Dienstposten umgesetzt worden. Der von der Beklagten angenommene Stichtag 11. Mai 2003 sei nicht maßgeblich. Zumindest hätte der Kläger zum 18. Juni 2003 befördert werden müssen. Bis zu diesem Tag seien ihm mehrere Beamte vorgezogen worden, obgleich sie zum Teil nur unwesentlich besser beurteilt gewesen seien. Nach den Grundsätzen des Leistungsprinzips hätte in diesen Fällen stärker differenziert werden müssen. Das sei nicht geschehen.
Die Beklagte habe dem Kläger ferner beim Bundesnachrichtendienst eingesetzte Soldaten bei Beförderungen vorgezogen. Nach Art. 87a GG dürften die Streitkräfte außer zur Verteidigung nur eingesetzt werden, soweit das Grundgesetz dies ausdrücklich vorsehe. Für den Einsatz von Soldaten beim Bundesnachrichtendienst gebe es keine solche Regelung.
Die Beklagte habe auch gegen ihre Informationspflicht als Dienstherr verstoßen. Sie habe abgelehnten, übergangenen oder potentiellen Bewerbern keine Gelegenheit gegeben, Beförderungen anderer Bewerber durch Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes zu verhindern. Seit der Aufnahme des Klägers in die Reihungsliste mit Wirkung vom 1. Oktober 2001 seien laufend Beförderungen erfolgt, ohne dass er über beabsichtigte Beförderungen informiert worden sei. Schließlich habe die Beklagte die besondere Rechtsstellung des Klägers als Mitglied des Personalrats nicht gebührend berücksichtigt. Sie habe ihn wegen seines Einsatzes für den Erhalt der inzwischen aufgelösten Dienststelle benachteiligt und dadurch § 8 BPersVG verletzt.
Die Beklagte habe den geltend gemachten Schaden adäquat kausal verursacht und schuldhaft gehandelt. Bei ordnungsgemäßer Berücksichtigung des Leistungsgrundsatzes wäre der Kläger spätestens zum 1. Oktober 2003 befördert worden. Ihm könne nicht entgegen gehalten werden, es schuldhaft unterlassen zu haben, den Schaden durch Gebrauch von Rechtsmitteln abzuwenden. Denn er sei von beabsichtigten Beförderungen nicht zeitgerecht informiert worden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, den Kläger dienst-, besoldungs- und versorgungsrechtlich so zu stellen, als ob er frühestens zum 1. Oktober 2001, spätestens bis 11. Mai 2003 zum Regierungsdirektor (BesGr A 15) befördert worden wäre.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, der Kläger habe keinen Anspruch auf Beförderung gehabt. Dies stehe mit dem rechtskräftigen Gerichtsbescheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. September 2005 fest. Das damals praktizierte Beförderungsverfahren entspreche dem verfassungsrechtlichen Leistungsgrundsatz und sei auch einfachrechtlich zulässig gewesen.
Der Kläger könnte den geltend gemachten Schadensersatz auch dann nicht beanspruchen, wenn die Rechtswidrigkeit der damaligen Beförderungspraxis unterstellt würde. Denn er wäre bei Berücksichtigung seiner Beurteilung in dem maßgeblichen Zeitraum nicht befördert worden. Zwischen dem 1. Oktober 2001 und dem 11. Mai 2003 seien in der Mehrzahl nur Beamte befördert worden, die nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG dem Kläger vorzuziehen gewesen seien. Lediglich in den Fällen 7, 23 und 33 der Beförderungswarteliste seien Bewerber befördert worden, auf die das nicht zutreffe. Daraus könne der Kläger aber keinen Schadensersatzanspruch herleiten. Denn in jedem Fall hätten vor dem Kläger noch zahlreiche andere besser beurteilte Beamte gestanden.
Entscheidungsgründe
II
Die Klage, über die der Senat in erster und letzter Instanz (§ 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO) entscheidet, ergeht ohne weitere mündliche Verhandlung. Die Beteiligten haben darauf verzichtet (§ 101 Abs. 2 VwGO). Die nach § 75 VwGO zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen unterlassener Beförderung.
Ein Beamter kann von seinem Dienstherrn Ersatz des ihm durch die Nichtbeförderung entstandenen Schadens verlangen, wenn der Dienstherr bei Vergabe des Beförderungsamtes den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Anspruch des Beamten auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl schuldhaft verletzt hat, dem Beamten das Amt ohne diesen Rechtsverstoß voraussichtlich übertragen worden wäre und er es nicht schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch den Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Rechtsgrundlage dieses Schadensersatzanspruchs ist das Beamtenverhältnis (Urteile vom 17. August 2005 – BVerwG 2 C 37.04 – BVerwGE 124, 99 ≪101 f.≫ = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32, vom 25. August 1988 – BVerwG 2 C 51.86 – BVerwGE 80, 123 ≪124≫ = Buchholz 237.7 § 7 NWLBG Nr. 5, vom 28. Mai 1998 – BVerwG 2 C 29.97 – BVerwGE 107, 29 ≪31≫ = Buchholz 232 § 23 BBG Nr. 40 und vom 1. April 2004 – BVerwG 2 C 26.03 – Buchholz 237.8 § 10 RhPfLBG Nr. 1). Zwar verstößt das im hier maßgeblichen Zeitraum praktizierte Verfahren zur Beförderung vom Oberregierungsrat (A 14) zum Regierungsdirektor (A 15) zum Teil gegen diese Grundsätze, doch wäre dem Kläger das begehrte Beförderungsamt ohne diesen Rechtsverstoß voraussichtlich nicht übertragen worden.
1. Die Beklagte hat bei der Vergabe der Beförderungsämter der Besoldungsgruppe A 15 den sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden Anspruch des Klägers auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl verletzt.
Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Belange, die nicht im Leistungsgrundsatz verankert sind, dürfen bei der Besetzung öffentlicher Ämter nur Berücksichtigung finden, wenn ihnen ebenfalls Verfassungsrang eingeräumt ist. In diesem Fall bedarf es zudem einer gesetzlichen Grundlage, die ihrerseits dem Zweck des Art. 33 Abs. 2 GG Rechnung tragen muss (stRspr, vgl. u. a. Urteil vom 17. August 2005 a. a. O. S. 102 m. w. N.). Die Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung sollen darüber Aufschluss geben, in welchem Maße der Beamte den Anforderungen seines Amtes genügt und sich in einem höheren Amt voraussichtlich bewähren wird. Anderen Kriterien darf nur Bedeutung beigemessen werden, wenn sich aus dem Vergleich anhand leistungsbezogener Kriterien kein Vorsprung von Bewerbern ergibt. Der für die Auswahlentscheidung maßgebliche Leistungsvergleich der Bewerber erfolgt regelmäßig anhand aktueller Beurteilungen (Urteil vom 17. August 2005 a. a. O. S. 102 m. w. N.).
Die Einstufung des Dienstpostens, den der Beamte im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung innehat, stellt kein leistungsbezogenes Auswahlkriterium dar. Zwar sind bei der Beurteilung des Leistungsvermögens eines Beamten und seiner voraussichtlichen Bewährung in einem höheren Amt die Anforderungen in den Blick zu nehmen, die sein Dienstposten stellt. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass Inhaber höherwertiger Dienstposten leistungsstärker sind als Inhaber niedriger bewerteter Dienstposten. Die unterschiedliche Einstufung der Dienstposten von Bewerbern rechtfertigt nicht, von einem Leistungsvergleich zwischen ihnen abzusehen. Demzufolge steht die Beförderung des Inhabers eines höherwertigen Dienstpostens ohne Bewerberauswahl allenfalls dann mit Art. 33 Abs. 2 GG in Einklang, wenn der Beförderungsdienstposten seinerseits aufgrund einer Bewerberauswahl in Anwendung des Leistungsgrundsatzes vergeben worden ist. Nur wenn den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG bereits bei der Besetzung des Dienstpostens genügt worden ist, kann der ausgewählte Beamte nach erfolgreichem Abschluss einer Bewährungszeit ohne nochmalige Bewerberauswahl befördert werden (Urteil vom 17. August 2005 a. a. O. S. 102 m. w. N.).
Beamte des Bundesnachrichtendienstes wurden jedenfalls zwischen dem 1. Oktober 2001 und dem 11. Mai 2003, dem Zeitraum, für den der Kläger geltend macht, von der Beklagten rechtswidrig und schuldhaft nicht zum Regierungsdirektor befördert worden zu sein, zunächst unter Berücksichtigung ihrer Eignung und fachlichen Leistung auf einen Förderdienstposten umgesetzt oder versetzt. Nach der Feststellung ihrer Eignung für den höherwertigen Dienstposten stellte die Beklagte die Beförderungsreife des jeweiligen Beamten fest. Im Fall des Klägers erfolgte diese Feststellung mit Wirkung zum 1. Oktober 2001. Da es eine höhere Anzahl von Beförderungsbewerbern mit Eignungsfeststellung gab, als freie Planstellen zur Verfügung standen, wurden diese Beamten zeitgleich mit der Feststellung der Beförderungsreife auf dem niedrigsten Platz einer Beförderungswarteliste platziert. Erreichte sodann ein Listenbewerber die höchste Rangstelle, wurde er nach A 15 befördert, sobald eine zuteilungsfähige Planstelle zur Verfügung stand.
Dieses Verfahren wird den Anforderungen an einen Leistungsvergleich im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG nicht vollständig gerecht. Zwar wurden die Beförderungsbewerber nach dem Leistungsgrundsatz ausgewählt und ihnen, vorerst ohne Beförderung, bereits ein höherwertiger Dienstposten übertragen. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Doch erfolgte die Übertragung des Beförderungsamtes selbst in zum Teil erheblichem zeitlichem Abstand zur Bewerberauswahl, ohne dass ein weiterer der Beförderung zeitlich näher gelegener Leistungsvergleich durchgeführt wurde. Dies wäre aber schon wegen des Zeitraums zwischen der Auswahlentscheidung und der Beförderung erforderlich gewesen. Denn es war nicht ausgeschlossen, dass der zeitlich noch vor der Übertragung des Förderdienstpostens durchgeführte Leistungsvergleich inzwischen an Aktualität eingebüßt hatte und daher nicht mehr aussagekräftig im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG war. Die nochmalige Abfrage der Bewährung des jeweiligen Beamten auf dem Förderdienstposten durch eine Stellungnahme des Dienstvorgesetzten ersetzt den wegen des Zeitablaufs gebotenen erneuten Leistungsvergleich grundsätzlich nicht. Zudem hat es die Beklagte unterlassen, wenigstens sämtliche Listenbewerber rechtzeitig von einer jeweils bevorstehenden Beförderung zu unterrichten. Das machte es den Listenbewerbern in aller Regel unmöglich, geeignete Rechtsbehelfe zu erwägen und einzulegen. Dies führt zur Rechtswidrigkeit des damals praktizierten Beförderungsverfahrens (Urteil vom 21. August 2003 – BVerwG 2 C 14.02 – BVerwGE 118, 370 = Buchholz 411 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 27 m.w.N.).
2. Der Rechtsverstoß ist auch verschuldet. Für die Haftung des Dienstherrn auf Schadensersatz wegen Verletzung von Pflichten aus dem Beamtenverhältnis gilt der allgemeine Verschuldensmaßstab des Bürgerlichen Rechts (Urteil vom 17. August 2005 a. a. O. S. 104 ff. m. w. N.).
Danach handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB). Nach diesem objektiv-abstrakten Sorgfaltsmaßstab ist auf die Anforderungen abzustellen, deren Beachtung von dem verantwortlichen Beamten generell erwartet werden kann. Dies bedeutet, dass jeder Inhaber eines öffentlichen Amtes die Sach- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel gewissenhaft prüfen und sich aufgrund vernünftiger Überlegungen eine Rechtsauffassung bilden muss. Wird eine behördliche Maßnahme gerichtlich missbilligt, so kann daraus ein Verstoß des verantwortlichen Amtsinhabers gegen Sorgfaltspflichten nicht hergeleitet werden, wenn er die zugrunde liegende Rechtsauffassung aufgrund sorgfältiger rechtlicher und tatsächlicher Prüfung gewonnen hat und sie im Ergebnis als vertretbar angesehen werden kann. Eine letztlich als unzutreffend erkannte Rechtsauffassung stellt sich als vertretbar dar, wenn die Rechtsfrage nicht einfach zu beurteilen und weder durch die Rechtsprechung geklärt noch im Schrifttum abschließend behandelt ist (BGH, Urteile vom 8. Oktober 1992 – III ZR 220/90 – BGHZ 119, 365 ≪369≫ und vom 17. März 1994 – III ZR 27/93 – NJW 1994, 3158 ≪3159≫; BVerwG, Urteil vom 17. August 2005 a. a. O. S. 104 ff.).
Nach diesem Maßstab haben die verantwortlichen Amtsinhaber der Beklagten durch die Beförderungen der Inhaber höherwertiger Dienstposten jedenfalls fahrlässig gehandelt. Das damals praktizierte Beurteilungsverfahren war in Beurteilungsbestimmungen festgelegt, die im Einvernehmen mit dem Bundeskanzleramt als oberster Dienstbehörde bestimmt worden waren. Von der Beklagten konnte daher erwartet werden, das Beförderungskonzept aufgrund einer gründlichen und vertieften rechtlichen Prüfung zu erarbeiten. Dazu gehörten die Sichtung und Auswertung der einschlägigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Inhalt und Reichweite des Leistungsgrundsatzes. Den verantwortlichen Amtsinhabern hätte sich bereits aufgrund der bis zum Jahr 1999 ergangenen Rechtsprechung von Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgericht aufdrängen müssen, dass das Konzept, die Inhaber höherwertiger Dienstposten ohne zeitnahen Leistungsvergleich zu befördern und die übrigen Listenbewerber nicht rechtzeitig von einer beabsichtigten Beförderung zu informieren, im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GG rechtlich nicht vertretbar war (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 1981 – 2 BvR 570/76 u. a. – BVerfGE 56, 146 ≪163≫; Kammerbeschluss vom 2. April 1996 – 2 BvR 169/93 – NVwZ 1997, 54 ≪55≫; BVerwG, Urteile vom 25. August 1988 a. a. O. und vom 25. April 1996 – BVerwG 2 C 21.95 – BVerwGE 101, 112 ≪114≫; Beschluss vom 10. November 1993 – BVerwG 2 ER 301.93 – DVBl 1994, 118).
3. Die schuldhafte Verletzung des Anspruchs eines Beamten auf leistungsgerechte Berücksichtigung bei der Besetzung eines Beförderungsamtes löst allerdings einen Schadensersatzanspruch nur aus, wenn der Rechtsverstoß adäquat kausal für die Nichtbeförderung war. Dies ist der Fall, wenn der Beamte bei Vermeidung des Rechtsverstoßes voraussichtlich ausgewählt und befördert worden wäre. Hierfür muss festgestellt werden, welcher hypothetische Kausalverlauf bei rechtmäßigem Vorgehen des Dienstherrn voraussichtlich an die Stelle des tatsächlichen Verlaufs getreten wäre (Urteil vom 17. August 2005 a. a. O. S. 108 m. w. N.). Diese Überprüfung ergibt, dass der Kläger auch bei fehlerfreiem Verfahrensablauf nicht befördert worden wäre. Die zwischen dem 1. Oktober 2001 und dem 11. Mai 2003 erfolgten Beförderungen anderer Bewerber haben nicht dazu geführt, dass der Kläger nicht befördert worden ist. Ursächlichkeit würde voraussetzen, dass diese Beförderungen ungeachtet der aufgezeigten Fehlerhaftigkeit des Beförderungsverfahrens dadurch gegen den Leistungsgrundsatz verstoßen haben, dass im Vergleich mit dem Kläger geringer qualifizierte Bewerber befördert worden sind. Dies ist nicht geschehen. Die Listenbewerber Nr. 7, 16, 17, 23, 25, 31 und 33, auf die der Kläger zur Begründung seines Anspruchs Bezug nimmt, sind dem Kläger, der zum 1. Oktober 2000 mit der Note 2- beurteilt wurde, ohne Rechtsverstoß vorgezogen worden.
a) Der Bewerber mit dem Listenplatz 7 wurde am 1. Februar 2002 befördert und erhielt die Gesamtnote 2–. Diese Leistungsbewertung entspricht der dem Kläger erteilten Gesamtnote. Diesem Bewerber wurde die Bewährung auf dem Förderdienstposten allerdings schon am 29. Dezember 1998 bestätigt, also ca. 3 Jahre vor der Bewährungsfeststellung im Fall des Klägers. Er hatte daher gegenüber dem Kläger einen deutlichen zeitlichen Vorsprung der Bewährungszeit auf dem höherwertigen Dienstposten. Dies rechtfertigt seine frühere Beförderung trotz desselben Notenniveaus. Ein Verstoß gegen den Leistungsgrundsatz ist darin nicht zu sehen.
b) Auf die Beförderung der Kandidatin mit dem Listenplatz 16 am 10. Juni 2002 kann sich der Kläger ebenfalls nicht berufen. Diese Kandidatin hat die höhere Note 2+ erzielt. Ohne Beanstandung bleibt auch die von der Beklagten als Grundlage der Leistungsbewertung herangezogene Beurteilung dieser Bewerberin. Die Rüge des Klägers, dieser Beurteilung läge kein vergleichbarer Beurteilungszeitraum zugrunde, ist unbegründet. Wie die Beklagte im Schriftsatz vom 3. Dezember 2008 überzeugend dargelegt hat, beruht diese Beurteilung, die im Gegensatz zur Auffassung des Klägers keine Anlassbeurteilung gewesen ist, auf einem mit dem Beurteilungszeitraum des Klägers vergleichbaren Beurteilungszeitraum, nämlich vom 1. Oktober 1997 bis 29. Februar 2000. Der Beginn des Beurteilungszeitraums ergibt sich aus Blatt 1 der Beurteilung, das einen Beurteilungsbeitrag enthält, der den Zeitraum 1. Oktober 1997 bis 31. Mai 1998 erfasst. Dass der Zeitraum 1. Juni 1998 bis 5. Juli 1998 nicht berücksichtigt wurde, ist eine Folge der damals geltenden Beurteilungsbestimmungen, die bei Zeiträumen unter drei Monaten keinen Beurteilungsbeitrag erforderlich machten.
c) Das Gleiche gilt für die Beförderung der Kandidaten auf den Listeplätzen 17 und 25. Beiden Bewerbern bescheinigte die Beklagte mit der Note 2+ eine bessere Leistung als dem Kläger. Diese Note wurde bei dem Kandidaten mit dem Listenplatz 17 vom Zweitbeurteiler erteilt; das ergibt sich aus dem nachgereichten Beurteilungsblatt. Außerdem kommt diesem Bewerber eine schon ca. 1 ½ Jahre früher begonnene Bewährung auf dem Förderdienstposten zugute. Die Beurteilung des Kandidaten mit dem Listenplatz 25 enthält auf Blatt 1 mit dem Datum “30.08.2000” einen Schreibfehler. Aus Blatt 2 der Beurteilung folgt jedoch, dass dieser Beamte dem Beurteiler bis 30. September 2000 unterstellt war. Damit betrifft die der Beförderung zugrunde liegende Beurteilung ebenfalls einen mit dem Beurteilungszeitraum des Klägers vergleichbaren Beurteilungszeitraum. Die hiergegen erhobene Rüge des Klägers ist unbegründet.
d) Dem am 29. Juli 2002 beförderten und mit derselben Gesamtnote wie der Kläger beurteilten Bewerber mit dem Listenplatz 23 wurde die Bewährung auf dem höherwertigen Dienstposten immerhin noch mehr als ein Jahr vor dem Kläger bestätigt. Der beim Leistungsvergleich nach Art. 33 Abs. 2 GG zu berücksichtigende Gesichtspunkt der Dauer der Bewährung auf einem höherwertigen Dienstposten macht einen – wie es der Kläger fordert – nach Submerkmalen differenzierten Leistungsvergleich im vorliegenden Fall daher überflüssig. Denn der Kläger müsste den Vorsprung des gleich gut beurteilten Bewerbers, der durch die bereits absolvierte längere Bewährungszeit entstanden ist, durch andere leistungsbezogene Merkmale einholen. Dieses Ziel könnte er selbst bei Berücksichtigung differenzierterer Leistungsmerkmale, z. B. anerkannter Hilfskriterien, bei gleicher Gesamtnote nicht erreichen.
e) Auch die am 30. Oktober 2002 zur Regierungsdirektorin beförderte Kandidatin mit dem Listenplatz 31 erhielt mit der Note 2 eine bessere Leistungsbeurteilung als der Kläger. Ihre Beförderung beruht auf dem Stichtag 16. August 1998. Es kann dahin gestellt bleiben, ob ihr bis 4. Juni 2001 währender Erziehungsurlaub es erforderlich gemacht hätte, als weitere Grundlage der Beförderung eine ergänzende Beurteilung heranzuziehen. Denn der Kläger wäre auch dann, wenn die Beklagte diese Bewerberin von der Beförderungswarteliste entfernt hätte, nicht auf den ersten Listenplatz vorgerückt und befördert worden. Es befanden sich noch andere Kandidaten mit höheren Listenplätzen und besseren Leistungen auf der Warteliste.
f) Der am 2. Dezember 2002 beförderte Listenkandidat Nr. 33 war mit der Note “2+” deutlich besser beurteilt als der Kläger. Bei diesem Leistungsvorsprung erscheint die berücksichtigte Bewährungszeit auf dem Förderdienstposten von 8 Monaten als ausreichend, um die Leistung gemäß Art. 33 Abs. 2 GG sachgerecht zu differenzieren. Zwar hat die Beklagte diese Differenzierung unterlassen, doch ist die Beförderung dieses Kandidaten im Verhältnis zum Kläger im Ergebnis nicht zu beanstanden.
g) Die am 23. März 2003 beförderte Kandidatin mit dem Listenplatz 36 hat in der ihrer Beförderung zugrunde liegenden Beurteilung die Note 1 erhalten. Mit dieser Leistung kann sich der Kläger von vornherein nicht messen, so dass die Beförderung dieser Kandidatin schon deshalb nicht als Bezugsfall in Betracht kommt.
4. Art. 33 Abs. 2 GG ist auch nicht dadurch verletzt, dass die Beklagte während des streitigen Zeitraums Soldaten beim Bundesnachrichtendienst nach A 15 befördert hat, ohne zu prüfen, ob Soldaten anstelle von Beamten überhaupt beim Bundesnachrichtendienst verwendet werden dürfen. Wie der Senat inzwischen entschieden hat, verstößt die Verwendung von Soldaten im Bundesnachrichtendienst nicht gegen Art. 87a Abs. 1 Satz 2 GG. Dieser Verfassungsbestimmung wird vielmehr dadurch entsprochen, dass sich die Anzahl der Planstellen der beim Bundesnachrichtendienst verwendeten Soldaten aus dem Bundeshaushaltsgesetz sowie aus geheimen Haushaltsblättern ergibt. Ebenso liegt kein Verstoß gegen Art. 87a Abs. 2 GG vor. Zwar sind die beim Bundesnachrichtendienst verwendeten Beamten Bestandteil der Streitkräfte. Sie unterscheiden sich von anderen Soldaten der Bundeswehr aber dadurch, dass sie aus den Befehlsstrukturen der Streitkräfte herausgelöst und in den Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes eingegliedert sind, der als nichtmilitärische Dienststelle dem Chef des Bundeskanzleramts untersteht. Über die Verwendung der beim Bundesnachrichtendienst beschäftigten Soldaten in allgemein dienstlicher Hinsicht entscheidet nach § 8 Abs. 3 Satz 1 der zwischen dem Bundesminister der Verteidigung und dem Bundeskanzleramt geschlossenen Rahmenvereinbarung vom 13. Januar 1998 der Präsident des Bundesnachrichtendienstes im Rahmen der ihm vom Chef des Bundeskanzleramtes erteilten Dienstanweisung (Urteil vom 16. Oktober 2008 – BVerwG 2 A 9.07 – vorgesehen zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts m. w. N.).
Den in diesem Zusammenhang gestellten Hilfsanträgen zur Verwendung der im fraglichen Zeitraum beförderten Soldaten im Rahmen der militärischen Auslandsaufklärung war schon deswegen nicht nachzugehen, weil greifbare Anhaltspunkte für die Behauptung des Klägers, die Soldaten könnten außerhalb des Rahmens der militärischen Auslandsaufklärung verwendet worden sein, weder vorgetragen noch ersichtlich sind; derartige Beweisermittlungs- oder -ausforschungsanträge lösen keine Pflicht des Gerichts zur Beweiserhebung aus (Beschluss vom 29. März 1995 – BVerwG 11 B 21.95 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 266 m. w. N.).
Dem Antrag auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens, um dem Kläger Gelegenheit zu geben, sich noch einmal zur Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Verwendung von Soldaten im Bundesnachrichtendienst zu äußern, wird nicht entsprochen. Das Ermessen des Gerichts, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, ist gemäß § 94 VwGO erst eröffnet, wenn u. a. die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits bildet. Nicht ausreichend ist, dass sich in dem anderen Verfahren die gleiche Rechtsfrage stellt. Die Auslegung von Rechtsfragen betrifft kein Rechtsverhältnis.
5. Für die behauptete Benachteiligung des Klägers als Mitglied des Personalrats gibt es keine Anhaltspunkte. Im Gegenteil hat die Beklagte dem Kläger in Berlin einen Beförderungsdienstposten angeboten, den sie sogar noch bis zum Abschluss dieses Verfahrens bereit hält. Damit hat sie zum Ausdruck gebracht, dass sie den Kläger für einen solchen Dienstposten für geeignet hält und ihn gerade nicht in seiner Funktion als Mitglied des Personalrats benachteiligt.
6. Aufgrund der Rechtskraft des Gerichtsbescheids vom 21. September 2005 steht fest (§ 121 Nr. 1 VwGO), dass die Verlagerung des dem Kläger seit 1. April 2001 übertragenen Förderdienstpostens nach Berlin – entgegen seiner Auffassung – nicht der Zustimmung des Personalrats bedurfte und die Beklagte nicht gegen § 8 BPersVG verstoßen hat. Das hat zur Folge, dass daraus ebenfalls keine Schadensersatzansprüche hergeleitet werden können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Herbert, Prof. Dr. Kugele, Groepper, Dr. Heitz, Thomsen
Fundstellen
Haufe-Index 2141131 |
ZTR 2009, 394 |
DÖV 2009, 503 |
VR 2009, 250 |
VR 2009, 394 |
BayVBl. 2009, 474 |
NPA 2010 |
Städtetag 2009, 45 |