Entscheidungsstichwort (Thema)
Zweckverband. Gründung. Verkündung. Bekanntmachung. kumulative Bekanntmachung. Ersatzbekanntmachung. rechtsstaatliche Bekanntmachungsanforderungen. rechtsstaatliches Publizitätsgebot. Wegfall eines Bekanntmachungsorgans. tatsächliche Unmöglichkeit der Rechtsnormbefolgung. Außerkrafttreten von Rechtsnormen. Kontrollpflicht des Satzungsgebers. Anpassungspflicht des Satzungsgebers
Leitsatz (amtlich)
Schreibt eine Bekanntmachungsregelung die kumulative öffentliche Bekanntmachung kommunaler Satzungen in zwei Tageszeitungen vor und stellt eine dieser Zeitungen ihr Erscheinen ein, so reicht es nach dem rechtsstaatlichen Publizitätsgebot zumindest vorübergehend aus, die Bekanntmachung weiteren Satzungsrechts in der verbliebenen Zeitung vorzunehmen.
Normenkette
GG Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 S. 1; ThürKGG § 12 Abs. 1, §§ 18, 19 Abs. 1; ThürBekVO § 3 Abs. 2
Verfahrensgang
Thüringer OVG (Urteil vom 13.12.2004; Aktenzeichen 4 N 936/98) |
Tenor
Das Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 13. Dezember 2004 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I
Der Antragsteller ist Eigentümer eines Grundstücks im Verbandsgebiet des Antragsgegners. Er wendet sich mit seinem Normenkontrollantrag gegen die Wasserbenutzungssatzung, die Entwässerungssatzung und die zugehörigen Beitrags- und Gebührensatzungen des Antragsgegners, auf deren Grundlage er zu Beiträgen herangezogen worden ist; dazu macht er geltend, der Antragsgegner sei als Verband mangels ordnungsgemäßer Bekanntmachung der Verbandssatzung rechtlich nicht existent geworden.
Die Hauptsatzung des für die Verbandsgründung als Aufsichtsbehörde zuständig gewesenen früheren Landkreises Neuhaus am Rennweg aus dem Jahr 1991 sah in ihrem § 14 Abs. 1 Satz 1 vor, Bekanntmachungen des Landkreises in den Tageszeitungen “Freies Wort” und “Thüringer Tag” vorzunehmen. Der “Thüringer Tag” stellte im Februar 1993 sein Erscheinen ein. Die Verbandssatzung des Antragsgegners wurde am 6. Mai 1993 im “Freien Wort” und zusätzlich am 10. Mai 1993 im Thüringer Staatsanzeiger bekannt gemacht. Den Abdrucken der Verbandssatzung vorangestellt war eine Bekanntmachung des Landkreises Neuhaus am Rennweg, wonach auf der Grundlage des § 18 des Gesetzes über die kommunale Gemeinschaftsarbeit vom 11. Juni 1992 (ThürKGG – GVBl S. 232) der Antragsgegner errichtet und die Verbandssatzung festgestellt werde.
Wegen zwischenzeitlich aufgekommener Zweifel an einer ordnungsgemäßen Errichtung des Antragsgegners fertigte der Vorsitzende des Antragsgegners im Februar 1995 eine Neufassung der Verbandssatzung aus, die vom Landratsamt Sonneberg als nunmehr zuständiger Aufsichtsbehörde genehmigt und zusammen mit der Genehmigung im “Amtsblatt des Landkreises Sonneberg” vom 22. Februar 1995 bekannt gemacht wurde. Nach der Genehmigung sollte die Verbandssatzung rückwirkend zum 11. Mai 1993 in Kraft treten.
Die Ausgangsfassungen der hier angefochtenen Satzungen waren im Thüringer Staatsanzeiger vom 7. Juni 1993 bekannt gemacht worden. Anlässlich der Sicherheitsneugründung des Antragsgegners wurden sie 1995 neu gefasst und veröffentlicht. Im Jahr 1999 erfolgte wiederum eine Neufassung, die im “Amtsblatt” des Antragsgegners vom 2. August 1999 bekannt gemacht wurde.
Auf den Normenkontrollantrag des Antragstellers hat das Oberverwaltungsgericht die angefochtenen Satzungen in ihrer Neufassung aus dem Jahr 1999 für nichtig erklärt, da der Antragsgegner mangels einer konstitutiv wirkenden Bekanntmachung seiner Verbandssatzung und ihrer Genehmigung nicht wirksam als Zweckverband entstanden und deshalb nicht zum Erlass dieser Satzungen ermächtigt gewesen sei. Der Bekanntmachung in der Tageszeitung “Freies Wort” vom 6. Mai 1993 komme bereits deshalb keine konstitutive Wirkung zu, weil die maßgebliche Bekanntmachungsregelung in § 14 Abs. 1 der Hauptsatzung des Landkreises Neuhaus am Rennweg zusätzlich die Bekanntmachung im “Thüringer Tag” verlangt habe. Unabhängig von der Wirksamkeit der Hauptsatzung sei nach damals geltendem Thüringer Bekanntmachungsrecht, das sogar einen formlosen Beschluss oder Ähnliches als Bekanntmachungsbestimmung habe ausreichen lassen, die Bekanntmachungsregelung des § 14 Abs. 1 der Hauptsatzung verbindlich gewesen. Eine Bekanntmachung von Satzungen habe daher bis zu einer Änderung dieser Regelung zwingend in beiden Tageszeitungen erfolgen müssen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der “Thüringer Tag” sein Erscheinen vor der Bekanntmachung eingestellt gehabt habe. Die Einstellung der einen von zwei zu Publikationsorganen bestimmten Tageszeitungen rechtfertige es nicht, die Bekanntmachung entgegen der Bekanntmachungsregelung ersatzweise nur in der anderen Tageszeitung bekannt zu machen oder etwa auf ein ganz anderes Publikationsorgan auszuweichen. Denn diese Art einer nicht geregelten Ersatzbekanntmachung erschwere den Normadressaten die Möglichkeit einer verlässlichen Kenntnisnahme vom Inhalt des geltenden Ortsrechts, die das rechtsstaatliche Publizitätsgebot verlange. Der Bürger müsse in der Lage sein, mit zumutbarem Aufwand hinreichende Gewissheit darüber zu erlangen, ob und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen, von denen das Inkrafttreten einer neuen Satzung abhänge, vorgelegen hätten. Hier sei es für die Bürger nach Einstellung des “Thüringer Tags” zwar ohne weiteres möglich gewesen, das “Freie Wort” als weiteres Bekanntmachungsorgan zu erkennen und dort den Text der Verbandssatzung und die Wiedergabe der aufsichtsbehördlichen Genehmigung zu finden. Aber sie hätten deshalb noch nicht gewusst, ob die Veröffentlichung allein im “Freien Wort” für das Inkrafttreten ausreiche. Die späteren Bekanntmachungen seien ebenfalls nicht geeignet gewesen, den Antragsgegner wirksam zur Entstehung zu bringen.
Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision macht der Antragsgegner geltend, das angegriffene Urteil verletze das Rechtsstaatsprinzip. Rechtsstaatlichen Anforderungen werde Genüge getan, wenn der Bürger in der Lage sei, sich verlässliche Kenntnis vom Inhalt der verkündeten Norm zu verschaffen. Dies sei gewährleistet gewesen, da nach Wegfall des einen Publikationsorgans festgestanden habe, dass die Veröffentlichung im verbleibenden anderen Organ ausreiche.
Der Antragsgegner stellt den Antrag,
das Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 13. Dezember 2004 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er macht geltend, das Oberverwaltungsgericht stelle bei der Kontrolle von Gründungssatzungen der Zweckverbände lediglich auf formelle Fehler ab. Angesichts dessen sei die genaue Beachtung der Bekanntmachungsregelungen zwingend geboten.
Die Vertreterin des Bundesinteresses verteidigt das angefochtene Urteil. Da die Bekanntmachung der Verbandssatzung konstitutiv für das Entstehen des Verbandes sei, müsse der Eintritt dieses Akts zweifelsfrei bestimmbar sein. Das sei nur möglich, wenn Bekanntmachungsregelung und Bekanntmachung genau übereinstimmten.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision ist begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Auffassung der Vorinstanz, die Veröffentlichung der Verbandssatzung des Antragsgegners am 6. Mai 1993 in der Tageszeitung “Freies Wort” genüge nicht dem rechtsstaatlichen Publizitätsgebot und sei daher unwirksam, überspannt die aus dem bundesverfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip folgenden Bekanntmachungsanforderungen. Mit dieser Begründung kann deshalb nicht infrage gestellt werden, dass der Antragsgegner rechtlich existent geworden und zum Erlass der angefochtenen Satzungen ermächtigt gewesen ist. Ob die angefochtenen Satzungen wirksam sind, hängt von weiteren, nach Landesrecht zu beurteilenden Voraussetzungen und gegebenenfalls noch zu treffenden tatsächlichen Feststellungen ab. Die Revision führt somit zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Die Vorinstanz geht bei der Beurteilung der erwähnten Bekanntmachung von der Bekanntmachungsregelung des § 14 Abs. 1 der Hauptsatzung des früheren Landkreises Neuhaus am Rennweg aus und leitet daraus das Erfordernis kumulativer Bekanntmachung in zwei Tageszeitungen ab. Trotz Einstellung einer der beiden Zeitungen legt sie die Fortgeltung der gesamten Bekanntmachungsregelung zugrunde und qualifiziert die dahinter zurückbleibende Bekanntmachung in nur einem der vorgegebenen Publikationsorgane als eine “Art einer nicht geregelten Ersatzbekanntmachung”, die den rechtsstaatlichen Bekanntmachungsanforderungen nicht genüge. Zwar verstößt die in dieser Argumentation zum Ausdruck kommende Meinung, der Wegfall des “Thüringer Tags” lasse die Gültigkeit des § 14 Abs. 1 Satz 1 der Satzung unberührt, nicht gegen Bundesrecht (1.). Als unzutreffend erweist sich aber die weitere Auffassung, es sei mit dem rechtsstaatlichen Publizitätsgebot nicht zu vereinbaren gewesen, wegen der tatsächlichen Unmöglichkeit einer Bekanntmachung in der eingestellten Tageszeitung die Bekanntmachung auf die verbliebene Tageszeitung zu beschränken (2.).
1. Bundesrechtlich ist es nicht zu beanstanden, dass das Oberverwaltungsgericht die Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 der Hauptsatzung trotz Einstellung des “Thüringer Tags” in dem Sinne als fortgeltend betrachtet hat, dass unverändert eine kumulative Bekanntmachung “zwingend” ist; der Senat ist hieran nach § 137 Abs. 1 VwGO, § 560 ZPO gebunden. Zwar hätte es nahegelegen, nach den Konsequenzen des Wegfalls dieser Tageszeitung für die Bekanntmachungsregelung zu fragen. Wurde – wie die Vorinstanz selbst betont – die Veröffentlichung im “Thüringer Tag” und damit die Beachtung der entsprechenden satzungsrechtlichen Vorgabe tatsächlich unmöglich, so stellt sich die Frage, ob die Bekanntmachungsregelung nach den Grundsätzen über die Teil- und Gesamtungültigkeit von Normen (vgl. z.B. Beschluss vom 27. Januar 1998 – BVerwG 4 NB 3.97 – Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 24 S. 18; Urteil vom 10. Juli 2003 – BVerwG 4 CN 2.02 – Buchholz 406.11 § 136 BauGB Nr. 6 S. 5) teilweise, nämlich bezogen auf die unmöglich gewordene Form der Bekanntmachung, oder sogar insgesamt ihre Verbindlichkeit einbüßte.
Das Bundesverwaltungsgericht hat für Bebauungspläne angenommen, diese träten auch ohne förmliche Aufhebung außer Kraft, wenn und soweit sie funktionslos geworden seien (Urteil vom 29. April 1977 – BVerwG 4 C 39.75 – BVerwGE 54, 5 ≪8≫). Zur Begründung verweist das genannte Urteil auf die Grundbeziehung zwischen dem Recht und der von ihm zu ordnenden Wirklichkeit. Das Recht sei um seiner Ordnungsfunktion willen außerstande, etwas zu bestimmen, das überhaupt keinen sinnvollen Gegenstand oder keinen denkbaren Adressaten habe oder eine schlechthin unmögliche Regelung treffe. Diese Überlegung ist nicht auf die Besonderheiten von Bebauungsplänen zugeschnitten. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht auch schon in einer Entscheidung über eine Kirchenbaulast unter Berufung auf eine in Rechtsprechung und Literatur verbreitete Auffassung (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 31. März 1955 – Vf. 126-V-53 u.a. – BayVGHE n.F. 8, Teil II S. 25 ≪28≫; OVG Münster, Urteil vom 22. Dezember 1958 – 3 A 326/58 – OVGE 14, 276 ≪283 f.≫; Wolff/Bachof, VwR I, 11. Auflage 1999, § 27 I 2 Rn. 5; Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des BGB, 1. Halbband, 15. Auflage 1959, S. 287 f.) die völlige Veränderung der Verhältnisse als Grund für das Außerkrafttreten der diese Verhältnisse regelnden Norm angesehen (Urteil vom 3. November 1967 – BVerwG 7 C 68.66 – BVerwGE 28, 179 ≪182≫; vgl. auch Urteil vom 23. April 1971 – BVerwG 7 C 4.70 – BVerwGE 38, 76 ≪81 f.≫ m.w.N.).
Dies kann aber auf sich beruhen. Die Beachtung eines etwaigen entsprechenden Rechtsgrundsatzes, dass bei endgültigem Wegfall eines Bekanntmachungsorgans eine auf die Bekanntmachung in dem weggefallenen Organ gerichtete (Teil-)Regelung gegenstandslos wird, wäre nämlich revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht zugänglich. Allgemeine Rechtsgrundsätze teilen den Charakter des Rechts, dessen Ergänzung sie dienen (Beschluss vom 8. Juli 1992 – BVerwG 4 NB 20.92 – NVwZ-RR 1993, 262 ≪263≫). Welche Anforderungen an die Gültigkeit ortsrechtlicher Bekanntmachungsregelungen zu stellen sind, bestimmt sich primär nach dem Bekanntmachungsrecht des jeweiligen Landes. Geht es darum, das einschlägige Landesrecht durch allgemeine Rechtsgrundsätze zur Frage des Außerkrafttretens der ortsrechtlichen Regelungen zu ergänzen, so sind auch derartige Rechtsgrundsätze dem irrevisiblen Landesrecht zuzurechnen (so auch Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Auflage 2006, § 137 Rn. 69). Ob es im thüringischen Landesrecht einen allgemeinen Rechtsgrundsatz gibt, nach dem eine auf eine tatsächlich unmögliche Form der Bekanntmachung gerichtete Bekanntmachungsvorschrift gegenstandslos wird, ist deshalb revisionsgerichtlicher Kontrolle ebenso entzogen wie die eventuelle Anschlussfrage, ob im Falle kumulativ vorgeschriebener Bekanntmachungsformen sich das Gegenstandsloswerden auf die unmöglich gewordene Bekanntmachungsform beschränkt oder auf die Gesamtregelung erstreckt.
2. Gegen Bundesrecht verstößt aber die Auffassung der Vorinstanz, die von ihr als “Art einer gesetzlich nicht geregelten Ersatzbekanntmachung” qualifizierte Veröffentlichung im “Freien Wort” verstoße gegen das rechtsstaatliche Publizitätsgebot. Das Normenkontrollgericht verwendet den Begriff der Ersatzbekanntmachung – wie klarstellend anzumerken ist – nicht im technischen Sinne; es versteht darunter also nicht eine für Karten, Pläne und Zeichnungen als Bestandteile von Rechtsnormen übliche Form der Bekanntmachung dergestalt, dass diese Bestandteile, anstatt sie vollinhaltlich in die Bekanntmachung der Norm aufzunehmen, unter Bekanntmachung eines entsprechenden Hinweises bei der normgebenden Körperschaft zur Einsichtnahme ausgelegt werden (vgl. etwa § 3 Abs. 2 der Thüringer Bekanntmachungsverordnung vom 22. August 1994). Gemeint ist vielmehr eine Art der Bekanntmachung, die angesichts der tatsächlichen Unmöglichkeit, die ortsrechtlichen Bekanntmachungsvorgaben voll einzuhalten, hinter diesen Vorgaben zurückbleibt. Nach Auffassung der Vorinstanz schließt das Rechtsstaatsprinzip ein derartiges Vorgehen auch dann aus, wenn die zwingende Vorgabe einer kumulativen Bekanntmachung unverändert fortgilt, tatsächlich aber nicht mehr erfüllt werden kann, die gültige Bekanntmachungsregelung also notleidend geworden ist. Dem kann nicht gefolgt werden.
a) Der Senat ist nicht an das vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegte Verständnis der rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bekanntmachung gebunden. Das bundesverfassungsrechtliche Rechtsstaatsprinzip schreibt die Ausgestaltung des Verkündungsverfahrens zwar nicht in allen Einzelheiten vor. Vielmehr bedarf es der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten. Diese Aufgabe obliegt dem Landesgesetzgeber, soweit die Regelung eines Normsetzungsverfahrens – wie hier – in seine Zuständigkeit fällt. Insoweit bleibt es grundsätzlich dem Gericht des Landes vorbehalten, den Inhalt der konkretisierenden landesrechtlichen Bestimmungen verbindlich festzustellen (Beschlüsse vom 16. Mai 1991 – BVerwG 4 NB 26.90 – BVerwGE 88, 204 ≪208≫ und vom 8. Juli 1992 a.a.O. S. 263). Aus dem bundesverfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip folgen aber Mindestanforderungen, denen eine Bekanntmachung unabhängig von ihrer gesetzlichen Konkretisierung genügen muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 1983 – 2 BvL 25/81 – BVerfGE 65, 283 ≪290≫; BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1972 – BVerwG 7 C 37.69 – Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 16 S. 18). Ob das Landesgericht sie zutreffend erkannt und zugrunde gelegt hat, unterliegt der Prüfung durch das Bundesverwaltungsgericht. Auf eben diese rechtsstaatlichen Mindestanforderungen und nicht auf eine weitergehende Ausformung des Rechtsstaatsprinzips durch das Landesrecht hat das Normenkontrollgericht abgestellt, indem es die Bekanntmachung der Verbandssatzung im “Freien Wort” vom 6. Mai 1993 am “rechtsstaatlichen Publizitätsgebot” gemessen hat.
b) Im Ausgangspunkt zutreffend entnimmt das Oberverwaltungsgericht dem Rechtsstaatsprinzip als zwingendes Bekanntmachungserfordernis die Möglichkeit verlässlicher Kenntnisnahme vom geltenden Ortsrecht. Dieses Erfordernis entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das wiederholt die rechtsstaatliche Funktion des Verkündungsverfahrens darin gesehen hat, der Öffentlichkeit die verlässliche Kenntnisnahme vom geltenden Recht zu ermöglichen (BVerfG, Beschluss vom 22. November 1983 a.a.O. S. 291; Urteil vom 22. Februar 1994 – 1 BvL 30/88 – BVerfGE 90, 60 ≪85≫; vgl. auch Beschluss vom 2. April 1963 – 2 BvL 22/60 – BVerfGE 16, 6 ≪18≫). Sachlich übereinstimmend fordert das Bundesverwaltungsgericht, der Normadressat müsse die Möglichkeit erhalten, vom Erlass und vom Inhalt der Norm Kenntnis zu nehmen (Urteil vom 14. Dezember 1973 – BVerwG 4 C 71.71 – BVerwGE 44, 244 ≪249≫; Beschluss vom 8. Juli 1992 a.a.O. S. 262). Das Oberverwaltungsgericht zieht daraus den Schluss, es reiche nicht aus, dass der Bürger in die Lage versetzt werde, den Text einer neu erlassenen Satzung aufzufinden. Eine verlässliche Kenntnisnahme vom Inhalt des geltenden Ortsrechts setze vielmehr zusätzlich voraus, dass der Bürger mit zumutbarem Aufwand auch hinreichende Gewissheit darüber erlangen könne, ob und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen, von denen das Inkrafttreten der neuen Satzung und damit ihre Geltung als neues Ortsrecht abhängen, vorgelegen haben. Daran fehle es im Streitfall, weil der Bürger nach Einstellung des “Thüringer Tags” zwar ohne weiteres das “Freie Wort” als weiteres Bekanntmachungsorgan habe erkennen und dort den Text der Verbandssatzung und die Wiedergabe der aufsichtsbehördlichen Genehmigung habe auffinden können, aufgrund dessen aber noch nicht gewusst habe, ob die Veröffentlichung allein im “Freien Wort” für das Inkrafttreten ausreichend sei. Damit überspannt die Vorinstanz das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Erfordernis, außer der Kenntnisnahme vom Norminhalt auch die Kenntnisnahme vom Normerlass zu ermöglichen.
Welche Bedeutung letzterer Vorgabe zukommt und welche Anforderungen daran zu stellen sind, erschließt sich aus der Stellung der Bekanntmachung im Rechtsetzungsverfahren. Die Bekanntmachung ist ein integrierender Teil der förmlichen Rechtsetzung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 1983 a.a.O. S. 291). Sie bildet den letzten Schritt in diesem Verfahren; mit ihr ist der Vorgang der Rechtsetzung abgeschlossen und die Rechtsnorm wird zum Bestandteil der Rechtsordnung. Das bedeutet, dass dem Bürger mit der Bekanntmachung nicht nur ein bestimmter Norminhalt, sondern zugleich und zunächst das Existentwerden der Norm als solches verlautbart wird. Um dieser Verlautbarungsfunktion gerecht zu werden, muss die Bekanntmachung zum einen klar zum Ausdruck bringen, dass Gegenstand der Publikation eine Rechtsnorm ist. Zum anderen muss sie im Gegensatz zu einer bloß nachrichtlichen Information als amtliche Verlautbarung im Sinne eines zum Rechtsetzungsverfahren gehörigen Formalakts erkennbar sein (vgl. Urteil vom 16. Januar 1964 – BVerwG 1 C 127.60 – Buchholz 437.2 KindergeldG Nr. 1 S. 8). Weitergehende Anforderungen lassen sich aus der Funktion der Rechtsnormverkündung, den Bürgern ohne Schwierigkeit die Kenntnisnahme vom Erlass der Rechtsnorm zu ermöglichen, nicht ableiten. Es ist nicht Aufgabe und Zweck der Bekanntmachung, dem Bürger ohne weitere Nachforschung oder Rückgriff auf andere Umstände die Beurteilung zu ermöglichen, ob die Bekanntmachungsvoraussetzungen im Einzelfall eingehalten worden sind. Die Verkündung ist nicht – wie die Vorinstanz offenbar meint – zusätzlich darauf gerichtet, auch die Ordnungsmäßigkeit des eigenen Verkündungsvorgangs zu beweisen (Urteil vom 11. Februar 1972 a.a.O. S. 20 f.).
Weitergehende Anforderungen lassen sich auch nicht auf die Erwägung stützen, nur eine strikt formale Betrachtungsweise, die die exakte Beachtung der positiv-rechtlichen Verkündungsregelungen einfordere, werde dem rechtsstaatlichen Publizitätsgebot gerecht. Zwar folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip, dass bestehende Vorschriften über Bekanntmachungsformen eingehalten werden müssen, soweit das tatsächlich möglich ist. Nur so ist zu gewährleisten, dass die rechtsbetroffenen Bürger Bekanntmachungen in zumutbarer Weise auffinden können. Schreibt eine Bekanntmachungsregelung die kumulative Veröffentlichung in mehreren Publikationsorganen vor, so darf der Bürger darauf vertrauen, sich in jedem dieser Organe lückenlos über Bekanntmachungen der betreffenden Stelle informieren zu können. Von ihm kann in diesem Fall also nicht erwartet werden, auch die weiteren in der Bekanntmachungsregelung festgelegten Publikationsorgane auszuwerten oder gar eine Bekanntmachung in überhaupt nicht benannten Organen in Betracht zu ziehen. Dieser Gesichtspunkt kommt aber dann nicht zum Tragen, wenn eines von zwei kumulativ vorgesehenen Bekanntmachungsorganen entfällt. Wird die Veröffentlichung in einem der beiden Organe tatsächlich unmöglich, so verbleibt für jedermann erkennbar nur die Möglichkeit, das andere Organ als Quelle zur Information über nachfolgende Bekanntmachungen zu nutzen. Entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts verbietet das Rechtsstaatsprinzip es aus diesem Grunde nicht, die notleidend gewordene Bekanntmachungsregelung zumindest vorübergehend als Rechtsgrundlage für eine “Ersatzbekanntmachung” in dem verbliebenen Publikationsorgan heranzuziehen.
Der Normgeber wird eine in dieser Weise notleidend gewordene Bekanntmachungsregelung allerdings nicht auf Dauer nutzen können. Es dürfte mit rechtsstaatlichen Grundsätzen kaum vereinbar sein, auf unabsehbare Zeit ein Auseinanderfallen von Bekanntmachungsregelung und Verkündungspraxis als Folge einer Änderung der tatsächlichen Umstände hinzunehmen. Dagegen spricht, dass eine Bekanntmachungsregelung, die – wenn auch kumulativ – auf ein längst eingestelltes Verkündungsorgan verweist, dem Bürger als überholt und damit insgesamt unmaßgeblich erscheinen muss. Aus diesem Grund wird eine “Ersatzbekanntmachung” in dem verbliebenen Organ nur für eine Übergangsphase bis zu einem Zeitpunkt akzeptabel sein, zu dem von dem Normgeber eine Anpassung der Bekanntmachungsregelung an die veränderten Umstände erwartet werden kann (vgl. bereits VGH Kassel, Urteil vom 3. November 1965 – OS II 37/65 – HessVGRspr. 1966, 22 ≪23≫; Schubert, Gemeindetag 1970, 173 ≪176≫).
Letztlich bedarf dies jedoch keiner Entscheidung. Auch wenn den Landkreis Neuhaus am Rennweg als Urheber der Bekanntmachungsregelung eine Pflicht getroffen haben sollte, die Regelung unter Kontrolle zu halten und an die durch die Einstellung des “Thüringer Tags” veränderte Sachlage anzupassen, so war die ihm zuzubilligende angemessene Reaktionsfrist angesichts des zur Vorbereitung und Durchführung der Satzungsänderung notwendigen Zeitaufwandes jedenfalls bei Vornahme der ca. drei Monate nach Einstellung der Zeitung erfolgten Bekanntmachung noch nicht überschritten.
c) Gemessen an den hiernach aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Bekanntmachungsvorgaben kann die Annahme der Vorinstanz, die “Ersatzbekanntmachung” der Verbandssatzung im “Freien Wort” verletze das rechtsstaatliche Publizitätsgebot, keinen Bestand haben. Für die Rechtsbetroffenen war aufgrund der Bekanntmachungsregelung auch nach Einstellung des “Thüringer Tags” weiterhin erkennbar, wo sie sich über Erlass und Inhalt des Satzungsrechts unterrichten konnten. Dass der “Thüringer Tag” als Bekanntmachungsorgan ausschied, konnte selbst demjenigen nicht verborgen bleiben, der von dessen Einstellung zunächst nicht erfahren hatte; spätestens bei dem Versuch, sich diese Zeitung als Informationsquelle über das bekannt gemachte Satzungsrecht zu beschaffen, musste er von dessen Wegfall Kenntnis erlangen. Damit lag es für jeden Rechtsbetroffenen auf der Hand, dass als einziges der Bekanntmachungsregelung entsprechendes Publikationsorgan das “Freie Wort” verblieb, die durch § 14 Abs. 1 Satz 1 der Hauptsatzung eröffnete Möglichkeit zur Information über Neubekanntmachungen sich also tatsächlich auf dieses Organ verengte. Mit Rücksicht auf den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Einstellung des “Thüringer Tags” und der Bekanntmachung konnte für den Bürger auch nicht der berechtigte Eindruck entstehen, bei der Bekanntmachungsregelung könne es sich nur um eine insgesamt überholte Vorschrift handeln, die von vornherein ohne Aussagewert für die Ermittlung des maßgeblichen Bekanntmachungsorgans sei. Da das “Freie Wort” in der Bekanntmachungsregelung deutlich als amtliches Bekanntmachungsorgan bezeichnet wurde, war zudem nicht zweifelhaft, dass Satzungsbekanntmachungen in diesem Organ nicht nur über den authentischen Inhalt, sondern auch über den Erlass der betreffenden Norm als solchen unterrichten sollten. Ebenso wenig konnte Unsicherheit über den intendierten Zeitpunkt des Inkrafttretens der bekannt gemachten Satzungen entstehen; als maßgeblicher Bezugspunkt für die Berechnung dieses Termins kam wegen der tatsächlichen Beschränkung auf ein Publikationsorgan nach § 14 Abs. 1 Satz 2 der Hauptsatzung nur der Tag der Veröffentlichung in eben diesem Organ in Betracht.
Umstände, welche die Unterrichtung aus dem “Freien Wort” für einen Teil der Rechtsbetroffenen als unzumutbar erscheinen lassen könnten, sind auf der Grundlage der Feststellungen des Normenkontrollgerichts nicht ersichtlich.
Unterschriften
Hien, Vallendar, Dr. Nolte, Domgörgen, Buchberger
Fundstellen
BVerwGE 2007, 388 |
ZKF 2007, 70 |
DÖV 2007, 296 |
DVP 2008, 300 |
VR 2007, 108 |
AbfallR 2007, 46 |
GV/RP 2007, 135 |
FSt 2007, 520 |
FuBW 2007, 354 |
FuHe 2007, 321 |
FuNds 2007, 601 |
SächsVBl. 2007, 58 |
ThürVBl. 2007, 106 |