Entscheidungsstichwort (Thema)
Posthauptsekretär. Nichtverbuchung dienstlicher Gelder. “Sponsoring” einer Kaffeekasse im Dienst. Milderungsgrund der Geringwertigkeit. überobligatorische Wiedergutmachung. dreijährige Suspendierung. Disziplinarmaß: Kürzung der Dienstbezüge
Normenkette
BBG § 55 S. 2, § 77 Abs. 1 S. 1; StGB § 267
Verfahrensgang
BDIG (Urteil vom 03.12.2002; Aktenzeichen XVI VL 11/02) |
Tenor
Auf die Berufung des Posthauptsekretärs … wird das Urteil des Bundesdisziplinargerichts, Kammer XVI – … –, vom 3. Dezember 2002 im Disziplinarmaß aufgehoben.
Die jeweiligen Dienstbezüge des Beamten werden um ein Zwanzigstel auf die Dauer von zwei Jahren gekürzt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Beamten hierin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.
Tatbestand
I.
1. In dem ordnungsgemäß eingeleiteten Disziplinarverfahren hat der Bundesdisziplinaranwalt den Beamten angeschuldigt,
dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, dass er – unter Verstoß gegen einschlägige Dienstvorschriften –
1. in der Zeit vom Januar 1998 bis April 1999 in einer Vielzahl von Fällen unter Erstellung von Buchungsbelegen über die Erstattung von Entgelten für Postwertzeichen seiner Schalterkasse Geldbeträge von insgesamt 2 000 DM entnommen hat;
2. am 26. April 1999 seiner Schalterkasse weitere 2 000 DM ohne ordnungsgemäße Verbuchung entnommen hat.
2. Das Bundesdisziplinargericht hat den Beamten durch Urteil vom 3. Dezember 2002 in das Amt eines Postobersekretärs (Besoldungsgruppe A 7) versetzt. Es hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
(Zu Anschuldigungspunkt 1.)
Der Beamte fiel auf, weil er unverhältnismäßig viele Belege über Barerstattungen für verdorbene Postwertzeichen ausstellte. In der Zeit vom 7. Januar 1998 bis zum 1. April 1999 fertigte er ca. 170 Belege über Rückerstattungen von insgesamt rd. 3 800 DM. Mit dem Verdacht der Veruntreuung konfrontiert, gab er zu, in einzelnen Fällen “hier und da mal” mit fingierten Beträgen solche Belege ausgestellt und Empfängerunterschriften gefälscht zu haben, um die Kaffeekasse seiner Dienststelle zu entlasten oder kleinere Reparaturen am Kopiergerät vornehmen lassen zu können. Der der Deutschen Post AG dabei entstandene Schaden belaufe sich auf insgesamt etwa 50 bis 100 DM.
Da die Erstattungsbelege nur in Einzelfällen Angaben zur Person des Empfängers enthalten, konnten nur wenige Empfänger zum Sachverhalt befragt werden. Zum Teil erwiesen sich die Erstattungsbelege als korrekt, zum Teil verstärkte sich der Verdacht fingierter Erstattung.
Der Beamte hat in der Hauptverhandlung vor dem Bundesdisziplinargericht sein Verhalten wie folgt erklärt:
Der größte Teil der Erstattungsbelege sei völlig zu Recht gefertigt worden. Die Buchungsbelege hätten aber nicht zur – unzulässigen – Auszahlung von Bargeld geführt, sondern nur dazu dienen sollen, im Buchungssystem ein Guthaben zu erreichen, für das dann dem Postkunden für die vorgelegten verdorbenen oder umzutauschenden Postwertzeichen neue Postwertzeichen ausgehändigt werden konnten. Wenn er, wie er zugegeben habe, Geld zur Kaffeekasse gegeben oder für die Reparatur des Kopierers verwendet habe, habe es sich um Bargeld gehandelt, das er aus dem Münzautomaten vor dem Postamt entnommen habe. Dort habe es häufiger Betriebsstörungen gegeben und es habe sich Bargeld verklemmt, für das keine Postwertzeichen ausgegeben worden seien. Dieses überzählige Münzgeld habe er dann am Schalter für die Kunden, die sich später beschwerten, bereitgelegt. Diese hätten dann entweder ihr Geld zurückerhalten oder dafür Briefmarken bekommen. Nur Geld, das dann übrig blieb, habe er für die genannten Zwecke verwendet. Wenn dann aber nachträglich doch noch Kunden gekommen seien und für das eingeworfene Geld Briefmarken hätten haben wollen, habe er falsche Erstattungsbelege ausgestellt, um im Buchungssystem das erforderliche Guthaben für die Auszahlung an die Kunden oder die geforderten Briefmarken zu erzielen. Die von der Staatsanwaltschaft “zur Wiedergutmachung” geforderten 2 000 DM habe er nur gezahlt, um das Strafverfahren zum Abschluss zu bringen. Weder für sich noch für die genannten Zwecke habe er Geld in dieser Höhe veruntreut.
Die Einlassung des Beamten ist durch das bisherige Ermittlungsergebnis nicht widerlegt. Die Zahlung von 2 000 DM “als Wiedergutmachung” wie die im Vergleich zu Kollegen hohe Zahl von dem Beamten ausgestellter Erstattungsbelege begründet zwar einen erheblichen Tatverdacht, reicht aber zur Überführung des Beamten nicht aus. Das Gericht hält vielmehr nur für erwiesen, dass der Beamte zwischen 50 und 100 DM Postgeld, nämlich überzähliges Geld aus dem Wertzeichenautomaten oder Geld, das nach Fertigung unrichtiger Erstattungsbelege aus der Kasse entnommen wurde, zur Besorgung von Kaffee oder der Reparatur des dienstlichen Kopiergerätes verwendet hat.
(Zu Anschuldigungspunkt 2.)
Darüber hinaus steht fest, dass der Beamte am 26. April 1999, ohne die entsprechende Auszahlung zu buchen, 2 000 DM auf eigene Kosten überwies bzw. der Kasse in bar entnahm.
Der Beamte hat dies von Anfang an zugegeben. Er habe aber am 26. April 1999 lediglich vergessen gehabt, den bereits gefertigten und zur Kasse gelegten Auszahlungsbeleg zu buchen, weil er durch großen Kundenandrang von seiner Arbeit abgelenkt worden sei. Unmittelbar nach Kassenschluss habe er das “Versehen” bemerkt und dies dem Kollegen G.… berichtet. Der Zeuge G.… hat dies bestätigt und die Staatsanwaltschaft hat insoweit das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Auch das erkennende Gericht hält insoweit einen auf Veruntreuung von Kassengeldern gerichteten Vorsatz nicht für erwiesen.
Das Bundesdisziplinargericht hat das Verhalten des Beamten disziplinarisch wie folgt bewertet: Bei der zu 1. angeschuldigten und von ihm eingeräumten Zweckentfremdung von im Gewahrsam der Post befindlichen und dieser zustehenden Geldern habe der Beamte zwar nicht mit der Absicht rechtswidriger Zueignung gehandelt; auch wenn er Geld zur in der Dienststelle geführten Kaffeekasse gegeben bzw. den Kopierer reparieren lassen habe, sei dies nur mittelbar eigennützig gewesen. Ein Zugriffsdelikt sei daher zu verneinen. Soweit aber der Beamte Empfängerunterschriften gefälscht habe, liege eine Urkundenfälschung nach § 267 StGB vor. Auch für das weitere (zu 2.) angeschuldigte Verhalten des Beamten am 26. April 1999 scheide die Annahme eines Zugriffsdelikts mangels Vorsatzes aus. Der Beamte habe jedoch insoweit grob gegen die Kassenvorschriften und damit gegen dienstliche Anordnungen im Sinne des § 55 Satz 2 BBG verstoßen. Insgesamt gesehen habe der Beamte mit dem zu beiden Anschuldigungspunkten festgestellten Verhalten auch ein achtungs- und vertrauenswidriges Verhalten gezeigt und dadurch ein innerdienstliches Dienstvergehen nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG begangen, das ihn insbesondere mit Blick auf das zum ersten Punkt angeschuldigte Verhalten und den dabei über lange Zeit gezeigten eigenmächtigen und pflichtwidrigen Umgang mit Geldern der Post an den Rand seiner dienstlichen Tragbarkeit gebracht habe. Von einer Dienstentfernung habe lediglich mit Blick auf die fehlende Vorbelastung, die sehr günstige dienstliche Beurteilung, die sehr großzügige, über den nachzuweisenden Schaden hinausgehende Erstattung gegenüber der Post und die fast drei Jahre währende Belastung durch Dienstverbot und Suspendierung abgesehen werden können. Auch sei dem Beamten die gezeigte Reue abzunehmen, so dass insgesamt noch ein Rest an dienstlichem Vertrauen ein Belassen im Dienst gerechtfertigt habe. Auf eine Maßnahme mit Außenwirkung, also die ausgesprochene Dienstgradherabsetzung, habe hingegen wegen der nachhaltigen Minderung des Ansehens und auch deshalb nicht verzichtet werden können, um die Kollegen vor einem ähnlichen Verhalten zu warnen.
3. Gegen dieses Urteil hat der Beamte rechtzeitig Berufung eingelegt und beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen. Er begründet dies wie folgt: Die entlastenden Gesichtspunkte seien vom Gericht zu gering gewichtet und insbesondere das Persönlichkeitsbild des Beamten nicht angemessen berücksichtigt worden. Zu keinem Zeitpunkt habe er Urkundenfälschungen begangen. Er sei seit mehr als einem Jahr wieder mit den dienstlichen Tätigkeiten betraut worden, die er vor dem Dienstverbot verrichtet habe, unter anderem auch mit Kassengeschäften. Das ihm damit entgegengebrachte Vertrauen habe er einschränkungslos gerechtfertigt. Daraus sei auch der Schluss zu ziehen, dass es sich um ein wesensfremdes, einmaliges Ausgleiten und nicht um ein charakterlich verwurzeltes Versagen gehandelt habe.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung des Beamten hat Erfolg. Sie führt zur Abänderung des erstinstanzlichen Ausspruchs im Disziplinarmaß.
1. Das Disziplinarverfahren ist auch nach In-Kraft-Treten des Bundesdisziplinargesetzes (BDG) nach bisherigem Recht, das heißt nach den Verfahrensregeln und -grundsätzen der Bundesdisziplinarordnung (BDO) fortzuführen (vgl. z.B. Urteil vom 20. Februar 2002 – BVerwG 1 D 19.01 – NVwZ 2002, 1515).
2. Das Rechtsmittel ist auf das Disziplinarmaß beschränkt. Der Senat ist daher an die Tat- und Schuldfeststellungen des Bundesdisziplinargerichts sowie an die disziplinarrechtliche Würdigung als innerdienstliches Dienstvergehen gebunden; er hat nur noch über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.
3. Das Bundesdisziplinargericht hat zum ersten Anschuldigungspunkt das Vorliegen eines sog. Zugriffsdelikts verneint, weil der Beamte nicht in der Absicht einer rechtswidrigen Zueignung gehandelt habe. Daran ist der Senat gebunden. An die rechtliche Würdigung, ob ein Zugriffsdelikt vorgelegen hat oder nicht, ist das Berufungsgericht zwar nicht gebunden. Wird aber die Absicht rechtswidriger Zueignung und damit jedwedes Eigentums- oder Vermögensdelikt vom Bundesdisziplinargericht verneint, so kann sich der Senat über die Verneinung eines Zueignungsdelikts bei einer auf das Disziplinarmaß beschränkten Berufung des Beamten nicht hinwegsetzen. Anderenfalls würde er die Bindung an die Tatsachenfeststellungen des Bundesdisziplinargerichts zur subjektiven Tatseite missachten. Ist hier daher vom Fehlen einer Absicht rechtswidriger Zueignung bzw. vom Fehlen des Zueignungswillens auszugehen, so lässt sich in der Tat das Vorliegen eines Zugriffsdelikts nicht begründen; dieses setzt die Feststellung der unberechtigten Verwendung dienstlich erlangter oder anvertrauter bzw. dienstlich zugänglicher Gelder für private Zwecke oder wenigstens die Feststellung einer entsprechenden Absicht voraus (vgl. Urteile vom 23. Oktober 1996 – BVerwG 1 D 55.96 – BVerwGE 113, 8 ≪9 f.≫, und vom 27. September 2000 – BVerwG 1 D 63.99 –; vgl. auch Beschluss des BVerfG vom 14. Juni 2000 – 2 BvR 993/94 – ZBR 2001, 208 ≪209 f.≫).
Das Bundesdisziplinargericht hat im Rahmen seiner disziplinarrechtlichen Bewertung zum ersten Anschuldigungspunkt weiterhin Folgendes ausgeführt: “Soweit der Beamte Empfängerunterschriften fälschte, beging er allerdings auch noch Urkundenfälschung nach § 267 Strafgesetzbuch”. Darin liegt keine Würdigung eines festgestellten Sachverhalts als Dienstvergehen. Ein derartiger Zusammenhang lässt sich nicht erkennen. Der Satz steht in Bezug auf das Thema “Urkundenfälschung” in dem die rechtliche Würdigung enthaltenen Teil der Urteilsgründe isoliert da. Das “Soweit” macht nur einen Sinn, wenn es einen Bezugspunkt in den Tatsachenfeststellungen fände. Dort aber ist im Anschluss an die tatsächliche Würdigung, dass die Einlassung des Beamten durch das Ergebnis der Hauptverhandlung nicht widerlegt sei, lediglich von der “Fertigung unrichtiger Erstattungsbelege” die Rede (S. 5 d.U.). Die diesbezügliche Einlassung des Beamten selbst wurde zuvor (S. 4 d.U.) auch nur mit dem Inhalt wiedergegeben, “er (habe) falsche Erstattungsbelege ausgestellt”. Von einer “Fälschung von Empfängerunterschriften” ist hier also nicht die Rede. Die “Fertigung unrichtiger” bzw. die “Ausstellung falscher” Erstattungsbelege konnte aber auch in der Weise geschehen, dass sie der Beamte – wie er behauptet – von Kunden unterschreiben ließ. Hält das Bundesdisziplinargericht die Einlassung des Beamten für nicht widerlegt, so liegen folglich auch Tatsachenfeststellungen, welche die Annahme einer Urkundenfälschung (hier: durch Fälschung von Empfängerunterschriften) rechtfertigen könnten, nicht vor. Da darüber hinaus Urkundenfälschungen im erstinstanzlichen Urteil auch bei den Erwägungen zum Disziplinarmaß nicht andeutungsweise erwähnt werden, muss der Senat den genannten Satz als einen nur beiläufigen Hinweis werten. Das Bundesdisziplinargericht hat sich wahrscheinlich deshalb auf einen solchen Hinweis beschränkt, weil im Anschuldigungssatz zu 1. sogar nur von einer “Erstellung von Buchungsbelegen” (ohne Zusätze wie “unrichtig” oder “falsch”) die Rede ist. Es spricht daher viel dafür, dass Urkundenfälschungen überhaupt nicht angeschuldigt waren.
Zum Disziplinarvorwurf zu 2 hat das Bundesdisziplinargericht einen auf Veruntreuung von Kassengeldern gerichteten Vorsatz nicht für erwiesen erachtet. Daran ist der Senat gebunden.
4. Hiernach verbleibt als Fehlverhalten, das dem vom Bundesdisziplinargericht angenommenen innerdienstlichen Dienstvergehen zugrunde liegt, allein die von ihm zum ersten Anschuldigungspunkt festgestellte Zweckentfremdung von im Gewahrsam der Post befindlichen sowie ihr auch zustehenden Geldern unter Vertuschung durch Kassenmanipulationen vermittels unrichtiger Belege. Die belastenden Gesichtspunkte dieses Fehlverhaltens hat das Bundesdisziplinargericht zutreffend gewürdigt (a). Jedoch hat das Gericht nicht alle in Betracht zu ziehenden Milderungsgründe hinreichend berücksichtigt; sie rechtfertigen eine mildere Disziplinarmaßnahme (b).
a) Das Dienstvergehen wiegt allerdings in der Tat schwer. Schon in der nicht materiell eigennützigen Zweckentfremdung und Nichtverbuchung von dienstlichen Geldern, die der Kasse hätten zugeführt werden müssen, sieht die Rechtsprechung ein derart schwerwiegendes Dienstvergehen, das entweder die disziplinare Höchstmaßnahme oder aber eine Disziplinarmaßnahme erfordert, welche den Rahmen unterhalb der Höchstmaßnahme annähernd ausschöpft (vgl. Urteile vom 27. September 2000 – BVerwG 1 D 63.99 –, vom 27. Juli 1994 – BVerwG 1 D 66.93 – und vom 16. März 1982 – BVerwG 1 D 13.81 – ZBR 1983, 211). Mit derartigen Manipulationen verstößt ein Kassen- oder Rechnungsführer gegen elementare Grundsätze des Kassen-, Rechnungs- und Haushaltswesens, versagt er also im Kernbereich seiner Pflichten; denn mit derartigen Aufgaben betraut, ist er zur wahrheitsgemäßen Führung der Kasse und der Kassenunterlagen verpflichtet. Gerade auf das Vertrauen in Redlichkeit und Zuverlässigkeit seiner im Kassenwesen tätigen Beamten ist der Dienstherr in besonderem Maße angewiesen. Er kann dies nicht durch ständige Überprüfung ersetzen, schon weil lückenlose Kontrollen mit dem Prinzip effektiver und sparsamer Erfüllung der Aufgaben öffentlicher Verwaltung nicht vereinbar sind. Deshalb muss es möglich sein, jederzeit einen klaren Überblick über den augenblicklichen Kassenbestand zu gewinnen: Herkunft, Bestand und Anrechte in Bezug auf amtliches Kassengeld müssen sich stets zutreffend und klar aus den Kassenunterlagen ersehen lassen. Wer sich an diese Grundsätze nicht hält, gefährdet schon allein dadurch die Vermögensinteressen des Dienstherrn, dass diesem die Möglichkeiten zu sicherem Überblick und genauer Überprüfung genommen werden. Einem Zugriff auf den nicht durch Buchung gesicherten Teil eines Kassenbestandes würde zudem Tür und Tor geöffnet, da sich dieser Teil jeder Kontrolle entzieht. Das alles muss jedem Kassenführer einleuchten. Insbesondere können auch insoweit keine Irrtümer aufkommen, als die hier in Rede stehenden Postgelder nicht dazu bestimmt sind und auch nicht bestimmt sein können, gemeinsame Kaffeekassen der Beschäftigten in der Poststelle aufzubessern.
b) Die Dauer und Vielzahl der Verstöße gegen elementare Grundsätze des Kassenwesens sowie eine damit verbundene, wenn auch nur im geringen Umfange eingeräumte Schädigung des Dienstherrn lassen zwar das für die Fortführung des Beamtenverhältnisses notwendige Vertrauen in den Beamten als angeschlagen erscheinen. Von der Höchstmaßnahme oder einer Dienstgradherabsetzung ist aber angesichts der vorhandenen erheblichen Milderungsgründe abzusehen.
Zu dem Disziplinarvorwurf zu 1 hat der Beamte im Vorermittlungsverfahren eingeräumt, im Zusammenhang mit Postwertzeichenerstattungen habe er lediglich einen Schaden von 50 bis 100 DM verursacht. Auch das Bundesdisziplinargericht hat eine Zweckentfremdung von Geldern nur in dieser Höhe festgestellt. Nach dem Grundsatz in dubio pro reo geht auch der Senat davon aus, dass der von dem Beamten zu verantwortende Betrag 100 DM nicht übersteigt. Dem Beamten ist daher der Milderungsgrund der Geringwertigkeit zuzubilligen. Dieser erstmals durch Urteil vom 24. November 1992 – BVerwG 1 D 66.91 – (BVerwGE 93, 314 = NJW 1994, 210 = BVerwG DokBer B 1993, 119) zugelassene Milderungsgrund gestattet bei Zugriffsdelikten ein Absehen von der Entfernung aus dem Dienst, wenn der Wert des Zugriffsobjektes gering ist und durch das Dienstvergehen keine weiteren wichtigen öffentlichen oder privaten Interessen verletzt sind. Der Senat hat den geringen Wert in der Vergangenheit mit etwa 50 DM angenommen, ohne dadurch eine starre Grenze festzusetzen, wie es auch den Grundsätzen zu § 248a StGB entsprach. Nunmehr nimmt der Senat diesen Wert mit etwa 50 € an (vgl. Urteil vom 11. Juni 2002 – BVerwG 1 D 31.01 – BVerwGE 116, 308 = NVwZ 2003, 108); denn auch bei einem Zugriff auf einen Wert von 50 € liegen grundsätzlich noch vertrauenserhaltene Persönlichkeitselemente, eine noch vorhandene Hemmschwelle und ein häufig vermindertes Unrechtsbewusstsein vor im Gegensatz zu einem ungehemmten Zugriff auf höhere Werte. Dieser Milderungsgrund greift nicht nur bei Zugriffsdelikten, sondern erst recht auch bei Kassendelikten der hier vorliegenden Art. Darüber hinaus hat der Beamte die ohnehin nur geringfügige Schädigung des Dienstherrn in Gestalt einer Aufbesserung der Kaffeekasse durch einen Teil des eingeräumten Betrags von 50 bis 100 DM – wenn auch dies auf Verlangen der Staatsanwaltschaft und zur Abwendung eines Strafverfahrens geschah – überobligatorisch wieder gutgemacht, indem er an die Deutsche Post AG mit 2 000 DM einen Betrag zahlte, der nach Auffassung der Staatsanwaltschaft in etwa den Gesamtschaden abdeckte, der unter Berücksichtigung der nach ihrer Auffassung nach nicht nachzuweisenden Taten eingetreten war. Außerdem ist der Beamte disziplinarisch nicht vorbelastet; seine dienstlichen Leistungen werden günstig beurteilt. Er ist zwischenzeitlich auch wieder mit der Leitung einer Poststelle betraut worden. Zugunsten des Beamten kann ferner berücksichtigt werden, dass er nahezu drei Jahre lang (vom 27. April 1999 bis zum 18. Februar 2002) suspendiert war. Dieser Gesichtspunkt kann jedenfalls dann mildernd berücksichtigt werden, wenn eine Entfernung aus dem Dienst nicht mehr in Betracht kommt (vgl. Urteil vom 27. Juli 1994 – BVerwG 1 D 66.93 –). Eine nachhaltige Suspendierung verstärkt die erzieherische Wirkung der noch auszusprechenden Disziplinarmaßnahme und verringert das Bedürfnis nach einer Maßnahme mit Außenwirkung.
Nach alledem ist es gerechtfertigt, von einer Dienstentfernung oder einer Degradierung abzusehen und den Beamten mit einer Kürzung seiner jeweiligen Dienstbezüge um ein Zwanzigstel auf die Dauer von zwei Jahren zu belegen (zum Kürzungsbruchteil vgl. Urteil vom 21. März 2001 – BVerwG 1 D 29.00 – BVerwGE 114, 88 f.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113 f. BDO.
Unterschriften
Albers, Heeren
Richter am Bundesverwaltungsgericht Mayer ist wegen Urlaubs gehindert zu unterschreiben.
Albers
Fundstellen