Entscheidungsstichwort (Thema)

Forschungsfreiheit. Überprüfung von Forschungstätigkeiten eines Hochschullehrers durch Universitätsorgane

 

Leitsatz (amtlich)

  • Bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, daß ein Hochschullehrer bei seinen Forschungen und deren Veröffentlichung seine Forschungsfreiheit mißbraucht oder verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter anderer gefährdet oder verletzt, sind die zuständigen Hochschulorgane befugt, eine sachverständig zusammengesetzte Kommission einzusetzen, die den Sachverhalt sowie etwaige Konsequenzen prüft.
  • Diese Befugnis erstreckt sich jedoch nicht darauf, dann, wenn sich nicht zweifelsfrei ein Mißbrauch oder eine Verletzung von verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern feststellen läßt, die wissenschaftlichen Arbeiten des Hochschullehrers fachlich zu bewerten, sonstige amtliche Stellungnahme dazu abzugeben oder gar von dem Hochschullehrer bestimmte Maßnahmen wie etwa die Berichtigung von Veröffentlichungen zu verlangen.
 

Normenkette

GG Art. 5 Abs. 3 S. 1; HUG § 6 S. 2, § 20 Abs. 1 S. 1, §§ 22-24; HHG § 11 Abs. 1, § 29 Abs. 4 S. 2; HBG § 69 S. 3; HDO § 12 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Hessischer VGH (Urteil vom 23.02.1995; Aktenzeichen 6 UE 652/93)

VG Gießen (Urteil vom 23.02.1993; Aktenzeichen III/V E 651/91)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 08.08.2000; Aktenzeichen 1 BvR 653/97)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Februar 1995 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

 

Tatbestand

I.

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob eine vom Dekan der Universität G… eingesetzte “ad hoc-Kommission” in die dem Kläger zustehende Forschungsfreiheit eingreift, wenn sie Feststellungen trifft und Forderungen mit dem Ziel erhebt, auf seine wissenschaftlichen Äußerungen Einfluß zu nehmen.

Der Kläger, der Hochschullehrer im Fachbereich 13 (Physik, Institut für Biophysik des Strahlenzentrums) der beklagten Universität ist, befaßt sich u.a. mit Forschungen zur diagnostischen Unterscheidbarkeit maligner Hauttumore (Melanome) von sog. Naevi und dysplastischen Naevi, indem er Fluoreszenzmessungen an der Haut durchführt. Unter seiner Leitung wurden Patienten, bei denen Hautveränderungen dieser Art vorlagen, mit Hilfe der Fluoreszenzspektroskopie untersucht, wobei Messungen im Innenbereich der Hautflecken, am Rand sowie im Bereich der gesunden Haut vorgenommen wurden. Anschließend erfolgten (in den meisten Fällen) ein chirurgischer Eingriff und die medizinische Bewertung der Hautflecken. Ab 1988 veröffentlichte der Kläger zusammen mit anderen Autoren die Ergebnisse seiner Forschungsarbeit und berichtete, daß bei Patienten mit Melanomen eine signifikante Erhöhung der Fluoreszenz an bestimmten Hautstellen gemessen worden sei. Mit Schreiben vom 14. Mai 1990 unterrichtete ein wissenschaftlicher Mitarbeiter des Klägers, der damalige akademische Rat Dr. N…, den Dekan des Fachbereichs 13 neben weiteren Vorwürfen darüber, daß ihm anläßlich der Betreuung von Diplomanden und Doktoranden Diskrepanzen zwischen den ihm zugänglichen Meßergebnissen der Fluoreszenzspektroskopien und den Daten, die sich in Veröffentlichungen des Klägers fänden, aufgefallen seien. In den Arbeiten der Doktoranden habe sich bisher kein Melanom-Fall finden lassen, der auf die vom Kläger beschriebene Weise zu diagnostizieren gewesen wäre. In vier Gesprächen mit dem Kläger habe sich herausgestellt, daß die publizierten Meßdaten nicht mit den tatsächlich erhaltenen übereinstimmten. Der Kläger sei nicht bereit gewesen, seine Veröffentlichungen zu korrigieren.

Daraufhin setzte der Dekan des Fachbereichs 13 eine “ad hoc-Kommission” ein, der außer dem Kläger sechs weitere Professoren des Fachbereichs (13) angehörten. Insgesamt fanden sieben Sitzungen der Kommission statt. An den ersten drei nahm der Kläger teil. Da ein Konsens bezüglich des vom Kläger vorgelegten Datenmaterials nicht erzielt werden konnte, beschloß die Kommission in ihrer vierten Sitzung, an der Erstellung eines umfassenden unstrittigen Datensatzes nicht mehr mitwirken zu wollen, und erarbeitete ab der fünften Sitzung eine abschließende Erklärung.

Diese Erklärung wurde in der letzten Sitzung am 7. Mai 1991 einstimmig in Abwesenheit des Klägers beschlossen. Sie enthielt mehrere “Feststellungen und Beschlüsse” gegenüber dem Kläger. In der Hauptsache wurde das vom Kläger erarbeitete Verfahren zur Unterscheidbarkeit zwischen Melanomen und Naevi durch die Fluoreszenzmessungen als Diagnosemethode verworfen. Es lägen keine dokumentierten Fälle zu der behaupteten Randerhöhung vor. Die diagnostische Leistungsfähigkeit der Methode sei auch nicht statistisch abgesichert. Es wurden in dem Papier u.a. folgende Forderungen an den Kläger erhoben:

– Innerhalb von drei Monaten und nach Rücksprache mit den Koautoren Einreichen von “Errata”, in denen seine Aussagen zurückgenommen werden, zur Veröffentlichung in allen entsprechenden Zeitschriften.

– Aufforderung, seine wissenschaftlichen Aussagen weder in Wort noch in Schrift zu wiederholen.

– Aufforderung, das Scatterprogramm innerhalb von drei Monaten schriftlich zurückzunehmen und dieses nicht an anderer Stelle zu verwenden.

– Aufforderung, weder seinen “korrigierten” Datensatz noch dessen statistische Ergebnisse in Wort und Schrift zu verwenden, solange die von ihm vorgenommene drastische Reduzierung der Gesamtzahl aller Fälle nicht durch die Hautklinik bestätigt wird.

– Aufforderung, etwaige Äußerungen über eine diagnostische Verwendbarkeit seiner Fluoreszenzmethode in Wort und Schrift solange zu unterlassen, bis einwandfreie Datensätze und eindeutige Auswertungsergebnisse vorliegen.

In dem Papier, das an zahlreiche Personen verschickt wurde, wurde die “vereinbarte Vertraulichkeit” aufgehoben. Es wurde außerdem festgestellt, daß die Beschlüsse der “ad hoc-Kommission” keinen Rechtsanspruch gegen die Beteiligten enthielten, und daß die Forderungen der Kommission einen “Appell an das wissenschaftliche Gewissen der Beteiligten” darstellten.

Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben. Er hat beantragt,

1. festzustellen, daß der Beschluß der Kommission rechtswidrig gewesen sei,

2. der Beklagten zu untersagen, die Feststellungen und Forderungen der Kommission aufrecht zu erhalten, zu äußern oder zu verbreiten, und

3. die Beklagte zu verpflichten, durch den Dekan des Fachbereichs 13 den Tenor des Urteils Dr. N…, den geschäftsführenden Direktoren mehrerer Kliniken, des Instituts für Medizinische Informatik und des Strahlenzentrums der Beklagten und den namentlich benannten Koautoren des Klägers und Mitgliedern der “ad hoc-Kommission” bekanntzugeben.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben.

Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren hat der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge hinsichtlich der Nrn. 1 und 2 geändert und beantragt, 1. die Beklagte zu verurteilen, die Feststellungen und Beschlüsse der “ad hoc-Kommission” des Fachbereichs 13 aufzuheben, 2. der Beklagten zu untersagen, Feststellungen und Forderungen, die von der “ad hoc-Kommission” des Fachbereichs Physik in ihrem Beschluß vom 7. Mai 1991 gemacht worden sind, zu äußern oder zu verbreiten.

Den vor dem Verwaltungsgericht gestellten 3. Klageantrag hat er aufrechterhalten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und das Urteil des Verwaltungsgerichts gemäß den neugefaßten Anträgen des Klägers geändert. Er hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:

Die allgemeine Leistungsklage sei für den 1. Klageantrag die richtige Klageart, da die Forderungen und Beschlüsse der Kommission nicht auf die unmittelbare Bewirkung von Rechtsfolgen gerichtet seien. Die Klageänderung sei gem. § 91 Abs. 1 und 2 VwGO wegen der konkludenten Einwilligung der Beklagten zulässig.

Die Feststellungen und Beschlüsse griffen in das dem Kläger zustehende Grundrecht der Forschungsfreiheit ein, das von der Universität und deren Organen und Einrichtungen zu beachten sei. Zwar widerspreche es wissenschaftlichen Grundsätzen, wahrheitswidrig vermeintliche Ergebnisse wissentschaftlicher Forschungen zu publizieren, die nicht ermittelt worden seien. Jedoch brauche die Frage, ob der Kläger tatsächlich Daten unkorrekt publiziert habe, nicht geklärt zu werden, da der Kommission die Äußerungen in ihrer Erklärung nicht zugestanden hätten. Denn sie seien auf eine Bevormundung des Klägers hinausgelaufen. Über die bloße Äußerung von Kritik hinaus, zu der die Kommission möglicherweise schon nicht berechtigt gewesen sei, seien sie darauf gerichtet gewesen, das Verhalten des Klägers zu beeinflussen und zumindest mittelbar auf seine Forschungstätigkeit einzuwirken. Die Form der Beschlußfassung durch ein Gremium, die Durchführung eines mehr oder weniger förmlichen Verfahrens und die Tatsache, daß dieses Gremium im Namen des Dekans des Fachbereichs Physik der Universität gehandelt habe, verleihe den Forderungen nach außen hin besonderen Nachdruck. Mit dem Versuch, durch die Erzeugung faktischen oder moralischen Drucks auf die Art und Weise der Forschung Einfluß zu nehmen, sei ein Eingriff in das Grundrecht der Forschungsfreiheit des Klägers (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) erfolgt.

Diesem Eingriff fehle eine gesetzliche Grundlage, so daß offenbleiben könne, ob eine derartige Bestimmung verfassungsrechtlich zulässig wäre. Die Tatbestandsmerkmale des § 11 Abs. 2 Satz 2 des Hessischen Hochschulgesetzes (HHG) seien nicht erfüllt, ebensowenig die des § 6 des Hessischen Universitätsgesetzes (HUG), der nur eine Verpflichtung des Universitätsmitglieds zur Information begründe. Auch die §§ 22 Abs. 1, 23 Abs. 3 Sätze 1 und 2 HUG verliehen der Kommission bzw. dem Fachbereich und dem Dekan keine Befugnis zu Eingriffen in die Forschungsfreiheit.

Damit sei die gesamte Erklärung der Kommission rechtswidrig, auch wenn sie einzelne Feststellungen enthalte, die für sich genommen keinen Eingriff in Rechte des Klägers darstellten. Diese könnten jedoch nicht losgelöst von den übrigen Forderungen und Beschlüssen gesehen werden.

Die Unterlassungsklage (Antrag zu 2) sei auf der Grundlage des allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruchs begründet. Die Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände erfordere eine entsprechende Unterlassung durch die Beklagte. Dies gelte auch für den dritten Klageantrag. Die Erklärung verletze nicht nur das Grundrecht der Forschungsfreiheit des Klägers, sie greife auch dadurch in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ein, daß die Kommission gegenüber dem Kläger den Vorwurf erhoben habe, er sei im Rahmen seiner Forschungstätigkeit nicht korrekt vorgegangen. Es sei geboten, die gerichtliche Entscheidung denjenigen bekanntzugeben, denen auch die Erklärung der Kommission mitgeteilt worden sei.

Hiergegen hat die Beklagte die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Revision eingelegt und diese wie folgt begründet: Das angefochtene Urteil verletze die Beklagte in ihrem Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG sei auch ein Organisationsgrundrecht zugunsten der Universität. Dieses Grundrecht sei im vorliegenden Fall dadurch verletzt worden, daß der Verwaltungsgerichtshof der beklagten Universität die Organisation wissenschaftlicher Kommunikationsprozesse verwehrt habe. Dieses Grundrecht habe nämlich zwei Aspekte: Zum einen die Förderung der Wissenschaftsfreiheit durch den Staat und zum andern die Pflicht der Hochschulen zur Organisation freiheitlicher Binnenstrukturen. Demzufolge sei die Universität durch die Verfassung dazu verpflichtet, Kritikzugänglichkeit in dialogischen Strukturen zu schaffen. Der Verwaltungsgerichtshof mißverstehe die Freiheit der Wissenschaft ausschließlich als Freiheit der Wissenschaftler von Kritik durch universitäre Organe. Er verkenne, daß ein Organisationsgeflecht bestehe, innerhalb dessen Rechte und Pflichten der Beteiligten verhältnismäßig zum Ausgleich gebracht werden müßten. Er verwehre der Universität die Möglichkeit, wissenschaftliche Konflikte mit wissenschaftsadäquaten Instrumentarien zu behandeln, indem er sie im Falle des Fehlverhaltens eines Hochschullehrers allein auf das Disziplinarverfahren verweise.

Die Kommission habe die Befugnis zu den in ihrer Erklärung enthaltenen “Feststellungen und Beschlüssen” gehabt. Diese Befugnis leite sich im allgemeinen aus § 11 Abs. 2 HHG ab, der auch in den Bereichen individueller Forschungsfreiheit eine korporative Regelungsbefugnis eröffne. Beschlüsse bezüglich der Förderung von Forschungsvorhaben z.B. seien nicht möglich ohne eine Bewertung bisheriger Forschungsergebnisse. Das Verhältnis zwischen korporativer und individueller Funktion der Forschungsfreiheit müsse durch die zuständigen Hochschulorgane bestimmt werden, die zu einem verhältnismäßigen Ausgleich widerstreitender Interessen unter Bevorzugung der individuellen Forschungsfreiheit verpflichtet seien. Die Befugnis der Kommission im besonderen ergebe sich aus § 20 Abs. 1 HUG i.V.m. § 23 Abs. 3 Satz 2 HUG. Der Dekan, in dessen Auftrag die kollegiale Kommission gehandelt habe, dürfe darauf hinwirken, daß die Pflichten im Bereich der Forschungsangelegenheiten beachtet würden.

Die Kommission habe das als Maßstab heranzuziehende Prinzip der praktischen Konkordanz zwischen dem aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG folgenden Grundrecht des Klägers und dem der Universität beachtet. Der Vorwurf, der Kläger habe Meßdaten nicht in korrekter Form publiziert, betreffe dessen Forschungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Lehrtätigkeit und der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses stünden. Für diese Bereiche sei aber eine vorbehaltlose Verantwortung der gesamten Universität gegeben. Die Kommission habe außerdem nicht hoheitlich gehandelt und habe damit nicht die ihr eingeräumten Befugnisse überschritten.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Verwaltunggerichts Gießen vom 23. Februar 1993 und des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Februar 1995 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Er macht insbesondere geltend, die Ausführungen der Revision zur Auslegung des Hessischen Hochschulgesetzes (HHG) und des Hessischen Universitätsgesetzes (HUG) seien unbeachtlich, da es sich um irreversible Landesgesetze handele.

Die Universität sei gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG zwar verpflichtet, die freiheitlichen Binnenstrukturen zu bewahren. Die innere Wissenschaftsfreiheit könne aber nicht dazu führen, die Eigenverantwortlichkeit des Forschers zugunsten einer Fremdbestimmung durch Organe der Hochschule aufzugeben. Das Handeln der Beklagten falle zudem eindeutig nicht in den Bereich, der mit “Organisation freier Wissenschaft” oder “Bewahrung freiheitlicher Strukturen” umschrieben sei. Die Beklagte habe, wie es sich auch aus den Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts ergebe, nicht das Forum für einen wissenschaftlichen oder inneruniversitären Diskurs organisiert. Der Sache nach habe es sich – sogar erklärtermaßen – um eine Forschungskontrolle und Maßregelung gehandelt, d.h. eine Fremdkontrolle.

Selbst wenn man das Handeln der Kommission unter Art. 5 Abs. 3 GG einordne, sei die Revision unbegründet, da das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit der Universität allein in einer dienenden Funktion verliehen sei. Die Grundrechtsausübung eines Hochschullehrers sei nicht nur staatlicher Einwirkung, sondern auch Beschlüssen von Hochschulorganen absolut entzogen.

Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren. Er trägt vor, soweit die Hochschule als Institution Trägerin des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit sei, ergäben sich daraus keine Rechte gegenüber dem Träger des Individualgrundrechts aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, sondern allenfalls gegenüber staatlichen Eingriffen. Dem einzelnen Wissenschaftler gewährleiste dieses Grundrecht eine von staatlichen Einflußnahmen unabhängige wissenschaftliche Betätigung, die es nicht zulasse, daß Zweifel hinsichtlich der Forschungsergebnisse förmlich festgestellt und mit der Aufforderung verbunden würden, Veröffentlichungen zu korrigieren.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Zurückweisung der Berufung der beklagten Universität gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts mit der Maßgabe, daß die Beklagte verurteilt wird, die Beschlüsse und Feststellungen der “ad hoc-Kommission” aufzuheben, und daß ihr untersagt wird, die Feststellungen und Forderungen, die von der Kommission gemacht worden sind, zu äußern oder zu verbreiten, ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat damit Bundesrecht nicht verletzt.

1. Dem Antrag zu 1, mit dem der Kläger begehrt, die Beklagte zu verurteilen, die Feststellungen und Beschlüsse der “ad hoc-Kommission” aufzuheben, hat das Berufungsgericht zu Recht stattgegeben. Mit seiner allgemeinen Leistungsklage will der Kläger die Beseitigung eines fortdauernden rechtswidrigen Zustands erreichen, der nach seiner Meinung durch die Feststellungen und Beschlüsse der Kommission geschaffen worden ist. Diese sind keine Verwaltungsakte, denn nach dem erklärten Willen der Kommission sollte ihnen keine verbindliche Rechtswirkung (§ 35 HVwVfG) zukommen (III Nr. 7 der Erklärung). Sie stellen vielmehr Sachäußerungen dar. Ihnen gegenüber ist, wie gegenüber ehrverletzenden Äußerungen von Universitätsorganen, die allgemeine Leistungsklage die zulässige Klageart (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 2. Juni 1978 – BVerwG 7 C 55.75 – nicht veröffentlicht und vom 23. Mai 1989 – BVerwG 7 C 2.87 – BVerwGE 82, 76, 95).

Die Klage ist begründet, weil die Kommission mit den Feststellungen und Beschlüssen in das Grundrecht der Forschungsfreiheit des Klägers (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) eingegriffen hat.

a) Dieses Grundrecht steht als Abwehrrecht jedem zu, der wissenschaftlich tätig ist (BVerfGE 35, 79, 125, 127; 90, 1, 11; Scholz in Maunz/Dürig, GG-Komm., Art. 5 Abs. III, Rn. 121; Sachs, GG-Komm., Art. 5, Rn. 208). Dadurch sind vor allem die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen bei der Suche nach Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe, die Fragestellung, die Grundsätze der Methodik sowie die Bewertung der Forschungsergebnisse und ihre Verbreitung geschützt (BVerfGE 35, 79, 112, 113; 47, 327, 367; 90, 1, 11, 12). Dies gilt auch für Mindermeinungen und Forschungsansätze, die sich als irrig oder fehlerhaft erweisen (BVerfGE 90, 1, 12). Ebenso genießt unorthodoxes oder intuitives Vorgehen den Schutz des Grundrechts (vgl. BVerfGE 35, 79, 113; 47, 327, 367). Dieser wissenschaftliche Freiraum ist grundsätzlich ohne Vorbehalt geschützt. Gewährleistet sind ein von staatlicher Fremdbestimmung freier Bereich persönlicher und autonomer Verantwortlichkeit des einzelnen Wissenschaftlers und ein Schutz vor staatlichen Einwirkungen auf den Prozeß der Gewinnung und Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse (BVerfGE 35, 79, 112, 113; 47, 327, 367; 90, 1, 11). Voraussetzung ist nur, daß es sich dabei um Wissenschaft handelt; darunter fällt alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter Versuch zur Ermittlung von Wahrheit anzusehen ist (BVerfGE 35, 79, 113; 47, 327, 367; 90, 1, 12).

Die Wissenschaftsfreiheit ist allerdings nicht grenzenlos. Der Freiraum ist nach der Wertung des Grundgesetzes nicht für eine von Staat und Gesellschaft isolierte, sondern für eine letztlich dem Wohle des Einzelnen und der Gemeinschaft dienende Wissenschaft verfassungsrechtlich garantiert. Ein Forscher darf sich deshalb bei seiner Tätigkeit, insbesondere bei etwaigen Versuchen, nicht über die Rechte seiner Mitbürger auf Leben, Gesundheit oder Eigentum hinwegsetzen. Ebenso hat er die Wissenschaftsfreiheit anderer zu respektieren. Etwaige Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit können aber im Hinblick auf ihre Schrankenfreiheit nur aus der Verfassung selbst hergeleitet werden. Die Konflikte zwischen der Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit und dem Schutz anderer verfassungsrechtlich garantierter Rechtsgüter müssen daher nach Maßgabe der grundgesetzlichen Wertordnung und unter Berücksichtigung der Einheit dieses Wertsystems durch Verfassungsauslegung gelöst werden (BVerfGE 47, 327, 369).

b) Die Antwort auf die Frage, wer bzw. welches Organ darüber zu befinden hat, ob und in welchem Umfang ein Wissenschaftler die Grenzen der Wissenschafsfreiheit überschritten hat, ist im hessischen Landesrecht für Fälle der vorliegenden Art nicht ausdrücklich geregelt. Nur für den Fall, daß ein beamteter Hochschullehrer die Grenzen der Forschungsfreiheit in einem Maß überschritten hat, das mit den Pflichten eines Beamten nicht mehr vereinbar ist (§ 69 Satz 3 Hessisches Beamtengesetz – HBG), hat der Universitätspräsident als dessen Dienstvorgesetzter (§ 29 Abs. 4 Satz 2 HHG) und als Träger von Disziplinarbefugnissen (§ 12 Abs. 1 Hessische Disziplinarordnung – HDO) von Gesetzes wegen das Recht und die Pflicht, Disziplinarmaßnahmen zu ergreifen. Um Disziplinarmaßnahmen geht es hier jedoch nicht. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht in verbindlicher Auslegung des Landesrechts festgestellt, daß weder § 6 HUG noch die §§ 11 Abs. 2 Satz 2, 22 Abs. 1 und 23 Abs. 3 Sätze 1 und 2 HUG eine Rechtsgrundlage für die Tätigkeit einer Fachbereichskommission mit dem Auftrag darstellen, auf eine eigenverantwortliche Forschung eines Hochschullehrers einzuwirken und in dessen grundrechtlich geschützten wissenschaftlichen Freiraum einzugreifen.

Entgegen der Meinung der Beklagten steht dem Grundrecht der individuellen Forschungsfreiheit des Hochschullehrers auch nicht ein Grundrecht der Universität auf Wissenschaftsfreiheit dergestalt gegenüber, daß in ihrem Verhältnis zum einzelnen Hochschullehrer eine praktische Konkordanz herzustellen und deshalb die Hochschule berechtigt wäre, die Forschungsergebnisse eines Wissenschaftlers zu bewerten. Dies wäre mit den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen über den Inhalt der Wissenschaftsfreiheit nicht in Einklang zu bringen. Den Hochschulen und ihren Organen wird durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG kein der subjektiven Wissenschaftsfreiheit des einzelnen Hochschullehrers entsprechendes gleichgewichtiges Recht gegenübergestellt (Fink, WissR 1994, 126, 135; vgl. auch Denninger, HRG 1984, Vor § 3 Rn. 47, 57). Forschen und wissenschaftlich tätig werden kann nur der einzelne. Die Hochschulen haben die Wissenschaftsfreiheit der einzelnen Grundrechtsträger insbesondere vor staatlichen Eingriffen zu schützen und zur größtmöglichen Entfaltung zu bringen (vgl. dazu § 11 Abs. 1 HHG). Eine Zuständigkeit für einen Eingriff in die Forschungsfreiheit, gestützt auf ein eigenes Recht der Hochschule oder des Fachbereichs aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, kann es daher nicht geben (Fink, WissR 1994, 126, 134; Thieme, a.a.O. Rn. 60).

c) Daraus kann aber nicht der Schluß gezogen werden, daß es generell unzulässig wäre, daß eine Hochschule eine sachverständig zusammengesetzte Kommission einsetzt, um zu prüfen, ob ein Hochschullehrer seine Forschungsfreiheit mißbraucht oder ob deren Grenzen überschritten wurden. Das Bundesverfassungsgericht hat im Zusammenhang mit der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 6 Satz 2 HUG festgestellt, daß es im Sinne der Verhältnismäßigkeit angemessen und sinnvoll ist und dem Wesen der Wissenschaftsfreiheit am ehesten gerecht wird, dann, wenn es um die Beurteilung der Folgewirkungen und etwaiger Gefahren von Forschungen geht, zunächst und vorrangig die Organe der Universität einzuschalten. Diese seien in der Lage, Schritte zum Schutz der in § 6 Satz 2 HUG bezeichneten Rechtsgüter zu unternehmen (BVerfGE 47, 327, 382 ff.). Die Zuständigkeit der Hochschulgremien ist dabei nicht nur auf das gemäß § 6 Satz 2 HUG garantierte Recht beschränkt, Informationen entgegenzunehmen, wenn Forschungsergebnisse verantwortungslos verwendet werden. Die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze gelten in gleicher Weise für den Fall, daß geprüft werden muß, ob ein Wissenschaftler den ihm verfassungsrechtlich garantierten Freiraum wissenschaftlicher Forschungsfreiheit überschritten und möglicherweise andere verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter verletzt hat. Diese Kompetenz folgt unmittelbar aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Dieses Grundrecht enthält neben einem individuellen Freiheitsrecht eine objektive, das Verhältnis von Wissenschaft, Forschung und Lehre zum Staat regelnde wertentscheidende Grundsatznorm. Der Staat muß für funktionsfähige Institutionen eines freien Wissenschaftsbetriebs sorgen und durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherstellen, daß das individuelle Grundrecht der freien wissenschaftlichen Betätigung soweit unangetastet bleibt, wie das unter Berücksichtigung der anderen legitimen Aufgaben der Wissenschaftseinrichtungen und der Grundrechte der verschiedenen Beteiligten möglich ist (BVerfGE 93, 85, 95). Der Verzicht auf staatliche Fremdkontrolle und die der Wissenschaft eingeräumte Autonomie gebieten es aber, den zuständigen Organen der Hochschule die notwendige Kompetenz einzuräumen, dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, daß ein Hochschullehrer seine Forschungsfreiheit möglicherweise mißbraucht oder verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter anderer gefährdet oder verletzt, diesen nachzugehen und ggf. eine Kommission zur Prüfung des Sachverhalts sowie etwaiger Konsequenzen einzusetzen. Anderenfalls würde zugunsten derjenigen, die Forschung betreiben, ein schrankenloser rechtlicher Freiraum geschaffen. Dies wäre mit den Prinzipien des Rechtsstaats nicht zu vereinbaren und würde außerdem dem Wesen des Art. 5 Abs. 3 GG nicht gerecht, der keine grenzenlose Wissenschaftsfreiheit garantiert (vgl. auch Art. 5 Abs. 3 Satz 2 GG). Es blieben auch die verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte anderer ungeschützt. Die Durchführung dieser Prüfung obliegt in Hessen dem jeweiligen Fachbereich, repräsentiert durch seine Organe, dem Fachbereichsrat und dem Fachbereichsvorstand. Sie sind zuständig in allen Angelegenheiten des Fachbereichs (§§ 23, 24 HUG), der seinerseits die organisatorische Grundeinheit der Forschung und Lehre bildet (§ 20 Abs. 1 und § 22 HUG). In ihm sind alle Wissenschaftler des Fachbereichs der jeweiligen Hochschule vertreten. Diese Gremien sind daher am ehesten in der Lage, die im Zusammenhang damit anfallenden schwierigen wissenschaftsrelevanten Fragen zu behandeln. Ebenso wie im Falle des § 6 Satz 2 HUG ist aber eine Betrauung eines Hochschulgremiums mit der Prüfung nur dann mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG zu vereinbaren, wenn die Hochschullehrer in ihm den ausschlaggebenden Einfluß haben (BVerfGE 47, 327, 384).

Im Gegensatz zu der von der Beklagten vertretenen Auffassung, die geltend macht, die Universität sei berechtigt, “wissenschaftliche Kommunikation und Kritikzugänglichkeit zu organisieren”, ist damit aber nicht die Befugnis des Fachbereichs verbunden, wissenschaftliche Forschungsarbeiten der Angehörigen des Fachbereichs – gleichsam von Amts wegen -fachlich zu bewerten und einer wissenschaftlichen Kritik zu unterziehen. Denn damit würde er in unzulässiger Weise in die verfassungsrechtlich geschützte Wissenschaftsfreiheit eingreifen. Der Fachbereich oder eine von ihm eingesetzte Kommission dürfen nur dann und nur gegenständlich begrenzt tätig werden, wenn und soweit gegen einen Wissenschaftler aufgrund von konkreten Anhaltspunkten schwerwiegende Vorwürfe erhoben werden, etwa daß er verantwortungslos gegen grundlegende Prinzipien der Wissenschaftlichkeit verstoßen oder die Forschungsfreiheit mißbraucht habe oder daß seinen Arbeiten der Charakter der Wissenschaftlichkeit abzusprechen sei. Der Wissenschaftscharakter eines Werks und damit der Schutz der Wissenschaftsfreiheit dürfen aber nicht schon deshalb verneint werden, weil es Einseitigkeiten und Lücken aufweist, Anlaß zu erheblichen Lücken gibt oder gegenteilige Auffassungen unzureichend berücksichtigt. Dem Bereich der Wissenschaft ist ein Werk erst dann entzogen, wenn es den Anspruch von Wissenschaftlichkeit nicht nur im einzelnen oder nach der Definition bestimmter Schulen, sondern systematisch verfehlt, so daß nach Inhalt und Form von einem ernsthaften Versuch zur Ermittlung von Wahrheit nicht mehr die Rede sein kann. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Aktivitäten des betroffenen Hochschullehrers nicht auf Wahrheitserkenntnis gerichtet sind, sondern vorgefaßten Meinungen oder Ergebnissen lediglich den Anschein wissenschaftlicher Gewinnung und Nachweislichkeit verleihen (BVerfGE 90, 1, 13).

Von dem Ergebnis der Prüfung hängt es sodann ab, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen der Fachbereich oder das von ihm eingesetzte Gremium treffen darf:

– Stellen sie fest, daß der Verdacht besteht, daß der betreffende Wissenschaftler seine Pflichten als beamteter Hochschullehrer verletzt und somit ein Dienstvergehen begangen hat, so haben sie den zuständigen Disziplinarvorgesetzten darüber zu unterrichten, der dann das Weitere veranlaßt.

– Gelangen sie zu dem Ergebnis, daß der Wissenschaftler auch die Rechte anderer verletzt hat, etwa von Doktoranden oder anderen Universitätsangehörigen, so haben sie das Notwendige zum Schutz der Betroffenen zu veranlassen.

– Ergibt sich, daß der Wissenschaftler die Grenzen der Wissenschaftsfreiheit zweifelsfrei überschritten hat und seine Arbeiten nicht als ein ernsthafter Versuch zur Ermittlung von Wahrheit beurteilt werden können, somit auch nicht den Schutz des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG genießen, so sind diese Gremien befugt, eine entsprechende Feststellung zu treffen und auch entsprechende Kritik an der Arbeit des Forschers zu üben.

– Kommen sie hingegen zu der Erkenntnis, daß der Wissenschaftler bei seiner Tätigkeit ernsthaft versucht, die Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens zu beachten und er auch nicht die Rechte anderer verletzt hat, so haben sie nicht die Befugnis, diese Arbeiten – gleichsam von Amts wegen – fachlich zu bewerten, zu kritisieren, sonstige amtliche Stellungnahmen dazu abzugeben oder gar von dem Wissenschaftler bestimmte Maßnahmen zu fordern, auch wenn alle anderen Mitglieder des Fachbereichs oder des eingesetzten Gremiums die Arbeiten kritikwürdig finden. Die Auseinandersetzung mit Forschungsarbeiten ist mit den Mitteln des wissenschaftlichen Diskurses und daher im Meinungsstreit der einzelnen Grundrechtsträger auszutragen. Sie darf folglich nur außerhalb dieser Untersuchungsgremien stattfinden. Die Hochschulgremien dürfen diesen wissenschaftlichen Diskurs weder beeinflussen noch in anderer Weise präjudizieren. Anderenfalls würde in unzulässiger Weise in die individuelle Forschungsfreiheit eingegriffen.

d) Hiervon ausgehend ist die Auffassung des Berufungsgerichts, die Feststellungen und Beschlüsse der “ad hoc-Kommission” hätten in das dem Kläger verfassungsrechtlich zustehende Grundrecht der Forschungsfreiheit eingegriffen, aus bundesrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.

Dieses Grundrecht ist allerdings noch nicht dadurch verletzt worden, daß der Dekan des Fachbereichs 13 die “ad hoc-Kommission” eingesetzt hat, um die von Dr. N… gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe zu überprüfen. Nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt bestand der ursprünglich erhobene Hauptvorwurf von Dr. N… darin, der Kläger habe Meßdaten zu Fluoreszenzuntersuchungen veröffentlicht, die mit den tatsächlich gewonnenen Daten eindeutig nicht übereingestimmt hätten. Diesem Vorwurf mußte der Dekan nachgehen, auch wenn für ein disziplinarrechtliches Vorgehen mit den vorgesehenen speziellen Regelungen für ein solches Verfahren hier keine Veranlassung bestanden hätte. Hätte sich der Vorwurf bewahrheitet und hätte dem Kläger auch subjektiv der Vorwurf der bewußten Fälschung von Forschungsergebnissen gemacht werden können, so hätten weder der Dekan noch die in seinem Namen handelnde Kommission bei einer entsprechenden Feststellung den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verletzt. In diesem Fall hätte der Kläger die Grenzen der Forschungsfreiheit zweifelsfrei überschritten, und er hätte sich deshalb nicht auf den Schutz dieses Grundrechts berufen können.

Dieser Vorwurf wurde nach dem vom Berufungsgericht bindend festgestellten Sachverhalt in dem Beschluß der Kommission aber nicht aufrechterhalten. Im übrigen konnten die Vorwürfe auch nicht aufgeklärt werden, da das Datenmaterial, zu dem die Publikationen und die darin enthaltenen Daten erschienen waren, nicht mehr vorhanden war.

Hingegen steht aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts und nach dem Inhalt der vorliegenden “Feststellungen und Beschlüsse” der “ad hoc-Kommission” fest, daß diese die Forschungstätigkeit des Klägers nicht nur bezüglich der Ergebnisse, sondern darüber hinaus auch in bezug auf seine Arbeitsweise umfassend wissenschaftlich bewertet und versucht hat, darauf Einfluß zu nehmen. Damit hat sie in seine verfassungsrechtlich geschützte Forschungsfreiheit eingegriffen. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

In den “Feststellungen” ihres Beschlusses hat sich die Kommission teilweise unmittelbar mit den einzelnen Schritten der Forschungstätigkeit des Klägers befaßt und diese auch bewertet. Unter II. Nr. 1.1 werden Aussagen des Klägers in Publikationen zu bestimmten Eigenschaften und Leistungen der Fluoreszenzmethode als nicht haltbar bezeichnet. Unter II. Nr. 4.1 wird über die Brauchbarkeit des vom Kläger entwickelten Verfahrens als Diagnosehilfe geurteilt. Es werden Voraussetzungen für eine bessere Beurteilung des Verfahrens genannt, insbesondere die einzuhaltenden allgemeinen wissenschaftlichen Kriterien. Schließlich wird die Nichteinhaltung dieser Kriterien bei der Forschung des Klägers gerügt und die Vornahme der statistischen Auswertung vor einer Publikation angemahnt. Andere Feststellungen betreffen unmittelbar nicht die ursprüngliche Forschungsarbeit des Klägers, sondern lediglich das von ihm im Kommissionsverfahren vorgelegte Material. So wird unter II. Nr. 2.1 behauptet, die Schlußfolgerungen aus dem Scattergramm seien nicht haltbar, weil die vom Kläger getroffene Auswahl von Fällen und Meßwerten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zufällig und ungezielt vorgenommen worden sei; damit seien auch die protokollierten Aussagen des Klägers wohl unrichtig. Unter II. Nr. 3.1 wird erklärt, der vom Kläger “korrigierte” Datensatz sei nicht durch die der Kommission vorliegende klinische Befundliste gedeckt.

Auch die von der Kommission erhobenen Forderungen sollen ersichtlich die Art und Weise der Forschung des Klägers beeinflussen: So wird der Kläger aufgefordert, innerhalb von drei Monaten und nach Rücksprache mit den Koautoren “Errata”, in denen seine Aussagen zurückgenommen werden, zur Veröffentlichung in allen entsprechenden Zeitschriften einzureichen. Er wird aufgefordert, seine wissenschaftlichen Aussagen weder in Wort noch in Schrift zu wiederholen (II Nr. 1.2). Er soll das Scatterprogramm innerhalb von drei Monaten schriftlich zurücknehmen und dieses nicht an anderer Stelle verwenden (II Nr. 2.2). Er wird weiterhin aufgefordert, weder seinen “korrigierten” Datensatz noch dessen statistische Ergebnisse in Wort und Schrift zu verwenden, solange die von ihm vorgenommene “drastische” Reduzierung der Gesamtzahl aller Fälle nicht durch die Hautklinik bestätigt werde, und er soll etwaige Äußerungen über eine diagnostische Verwendbarkeit seiner Fluoreszenzmethode in Wort und Schrift solange unterlassen, bis einwandfreie Datensätze und eindeutige Auswertungsergebnisse vorliegen (II Nr. 3.2).

Es ist dem Berufungsgericht zuzustimmen, daß die “Feststellungen und Forderungen” der Kommission einzeln und zusammengenommen einen erheblichen Eingriff in die Forschungsfreiheit des Klägers darstellen. Die “Forderungen” der Kommission sind mit Vorwürfen verbundene Aufforderungen zu bestimmten Handlungen, die über die bloße Äußerung von Kritik hinaus massiv darauf ausgerichtet sind, das Verhalten des Klägers zu beeinflussen. Dem steht nicht entgegen, daß die Kommission selbst ausgeführt hat, daß ihre Beschlüsse keinen Rechtsanspruch zum Inhalt haben, sondern daß sie “einen Appell an das wissenschaftliche Gewissen der Beteiligten” darstellen (III Nr. 7). Das Berufungsgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, daß die Erzeugung eines derartigen faktischen oder moralischen Drucks ein Eingriff in die grundrechtlich geschützte Forschungsfreiheit ist. Die “wissenschaftliche Verurteilung” durch ein Fachgremium war auch geeignet, das Ansehen des Klägers als Wissenschaftler zu beeinträchtigen. Diese Art der gleichsam amtlichen Maßregelung ist nicht vergleichbar mit öffentlicher Kollegenkritik. Diese erfolgt im “eigenen Namen” des jeweiligen Wissenschaftlers, während die “ad hoc-Kommission” im Namen des Dekans des Fachbereichs 13 und damit in amtlichem Auftrag gehandelt hat. Außerdem waren die “Appelle” der Kommission auf Außenwirkung gerichtet. Derartige Beschlüsse unterliegen gesteigerten rechtlichen Anforderungen gegenüber bloßen internen Willensbildungsakten in einer Hochschule (BVerwG, Urteil vom 2. Juni 1978 – BVerwG 7 C 55.75 –).

Es ist dem Berufungsgericht auch darin zu folgen, daß es für diesen Grundrechtseingriff keine Rechtfertigung gibt. Wie oben dargelegt wurde, war die beklagte Universität, vertreten durch den fachlich zuständigen Fachbereich 13 zwar aufgrund ihrer umfassenden Verantwortung für die Pflege der Wissenschaften in Forschung und Lehre, § 20 Abs. 1 und § 22 HUG, befugt, die “ad hoc-Kommission” zur Überprüfung der Vorwürfe gegen den Kläger einzusetzen. Ohne die vorherige, zweifelsfreie Feststellung eines nicht durch die Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Verhaltens des Klägers war sie indessen nicht berechtigt, auf dessen Forschungsfreiheit Einfluß zu nehmen. Auch war der Eingriff nicht zur Wahrung entgegenstehender höherwertiger Verfassungsrechtsgüter notwendig. Die individuelle Wissenschaftsfreiheit der Professoren in der Kommission war durch die Forschungstätigkeit des Klägers nicht berührt. Sie haben sich auch nicht von sich aus zu einer Forschungsgruppe zusammengeschlossen, um ihre persönliche Auffassung kundzutun, sondern sie haben im Auftrag des Dekans als Organ des Fachbereichs die Forschung des Klägers überprüft und bewertet. Der Einwand der Beklagten, die “Feststellungen und Forderungen” der Kommission seien zum Schutz des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit der Diplomanden und Doktoranden erforderlich gewesen, das durch die kritisierte Forschungstätigkeit des Klägers verletzt worden sei, scheitert – abgesehen von den insoweit fehlenden Beweisen – bereits daran, daß sich die Kritik der Kommission ausweislich ihrer “Feststellungen und Beschlüsse” unmittelbar auf die Forschungstätigkeit des Klägers, nämlich seine Forschungsmethoden und seine Forschungsergebnisse, bezog. Eine Vernachlässigung der Lehr- und Betreuungstätigkeit des wissenschaftlichen Nachwuchses wurde ihm hingegen nicht vorgeworfen.

Die Vorgehensweise der Kommission ist ferner nicht durch den Schutz von “Leben und Gesundheit” Dritter (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) gerechtfertigt. In Betracht käme hier allenfalls der Gesundheitsschutz möglicher Patienten, die an einem Melanom leiden und die durch eine vom Kläger entwickelte falsche Diagnosetechnik hätten geschädigt werden können. Zwar können diese Verfassungsrechtsgüter einen im Einzelfall erforderlichen und angemessenen Eingriff in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG rechtfertigen (BVerfGE 47, 327, 382). Eine derartige Gefährdung war aber nach dem festgestellten Sachverhalt nicht zu befürchten. Die Publikationen des Klägers waren Forschungsarbeiten, die den Bereich der theoretischen Erwägungen noch nicht überschritten hatten und somit in absehbarer Zeit keinen Einfluß auf die genannten Rechtsgüter haben konnten. Auch stand eine Ablösung der traditionellen Diagnosemethoden nicht zur Debatte. Im übrigen geht aus der Erklärung der Kommission nicht hervor, daß sie zur Rechtfertigung ihrer Forderungen zumindest die Möglichkeit in Erwägung gezogen hätte, daß als Folgen von Fehlern bei den Forschungen des Klägers das Leben oder die Gesundheit Dritter hätten gefährdet werden können.

Auch der Schutz des wissenschaftlichen Ansehens der Universität berechtigte die Kommission nicht zu dieser Vorgehensweise. Zwar wird die Reputation einer Hochschule entscheidend durch die Arbeit ihrer Wissenschaftler geprägt. Der wissenschaftliche Ruf der Universität oder ihrer Einrichtungen ist jedoch kein verfassungsrechtlich geschütztes Gut, das zu derartigen Eingriffen in das Grundrecht des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, noch dazu auf der Grundlage unsicherer Beweise, rechtfertigen könnte.

Der beamtenrechtliche Status der Hochschullehrer erlaubt gleichfalls nicht die Einschränkung der Forschungsfreiheit des Klägers. Wenn er Dienstpflichten verletzt hätte, hätte dies nach den besonderen Regelungen des Disziplinarrechts untersucht und gegebenenfalls geahndet werden müssen. Die Kommission war auch von daher nicht dazu berechtigt, seine Forschungen in dieser Art zu bewerten und die mit Vorwürfen verbundenen Aufforderungen zu bestimmten Konsequenzen zu erteilen.

Schließlich kann dem Kläger nicht entgegengehalten werden, daß er dem Verfahren zugestimmt habe. Allein in der Tatsache, daß er an den ersten drei Sitzungen der Kommission teilgenommen hat, ist noch keine Zustimmung zum nachfolgenden Eingriff in seine Forschungsfreiheit zu sehen. Er konnte außerdem zu diesem Zeitpunkt nicht voraussehen, daß die Kommission in diesem Umfang in seine Forschungsfreiheit eingreifen werde.

Auf die Zweifel, die das eingeschlagene Verfahren unter dem Gesichtspunkt der notwendigen Garantien eines fairen Verfahrens aufwirft, braucht hier nach allem nicht eingegangen zu werden. Es erscheint aber der Hinweis angebracht, daß das Vorgehen in derartigen Verfahren auf normativer Grundlage so geregelt werden sollte, daß u.a. die Vertraulichkeit zum Schutz der Betroffenen gewahrt bleibt und insbesondere nicht schon ungesicherte Vorwürfe gravierender Art die Öffentlichkeit erreichen. Dabei sollten sich die Anforderungen an denen eines förmlichen Disziplinarverfahrens orientieren.

2. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch den Anträgen zu 2 und 3, die ebenso wie der Antrag zu 1 als allgemeine Leistungsklagen zu qualifizieren sind, stattgegeben.

a) Rechtliche Grundlage des Antrags zu 2, mit dem der Kläger begehrt, es der Beklagten zu untersagen, die Feststellungen und Forderungen, die von der “ad hoc-Kommission” gemacht worden sind, zu äußern und zu verbreiten, ist entgegen der Meinung des Berufungsgerichts allerdings nicht der allgemeine Folgenbeseitigungsanspruch, sondern es handelt sich um einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch, der in der Form einer vorbeugenden Unterlassungsklage geltend zu machen ist (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1989 – BVerwG 7 C 2.87 – BVerwGE 82, 76, 77 f.). Der Antrag ist auf ein künftiges Ereignis ausgerichtet, nämlich die Untersagung, die beanstandeten Feststellungen und Forderungen zu äußern und zu verbreiten.

Der Antrag ist begründet, weil die Feststellungen und Forderungen der Kommission, die in rechtswidriger Weise in das Grundrecht der Forschungsfreiheit des Klägers eingreifen, noch wirksam sind und fortdauern und konkret zu befürchten ist, daß die Beklagte angesichts der ausdrücklichen Aufhebung der Vertraulichkeit (unter III Nr. 6) die von der Kommission gemachten Feststellungen und Forderungen auch unbeteiligten Dritten bekanntgeben wird. Durch die mit dem Antrag begehrte Untersagung der Weiterverbreitung wird dieser Gefahr vorgebeugt.

b) Auch der Antrag zu 3 ist begründet.

Mit ihm will der Kläger die Verurteilung der Beklagten erreichen, den Urteilstenor durch den Dekan des Fachbereichs 13 den im Antrag genannten Personen und Institutionen bekanntzugeben. Er ist auf der Grundlage eines Folgenbeseitigungsanspruchs gerechtfertigt. Die Bekanntgabe des Urteilstenors an die benannten Personen und Institutionen dient der wissenschaftlichen Rehabilitation des Klägers und ist zur Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände erforderlich. Hierzu muß in möglichst umfassender Weise die Wirkung des Eingriffs rückgängig gemacht werden. Da die Kommission die Feststellungen und Beschlüsse an zahlreiche Stellen und Personen übersandt hatte, ist es notwendig, demselben Kreis die Rücknahme der Feststellungen und Beschlüsse ebenfalls bekanntzugeben. Das Zusenden des Urteils tenors ist dazu das angemessene Mittel.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

 

Unterschriften

Niehues, Seibert, Albers, Vogelgesang, Eckertz-Höfer

 

Fundstellen

BVerwGE, 304

DÖV 1998, 169

JA 1998, 188

WissR 1998, 281

DVBl. 1997, 1173

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