Entscheidungsstichwort (Thema)
Planfeststellung für die Änderung eines Schienenweges. Schallschutz. Entwidmung – Teilentwidmung. Funktionslosigkeit. Wiederinbetriebnahme teilungsbedingt unterbrochener Schienenwege. gemeindliche Selbstverwaltung. Planungshoheit. Abwägungsgebot. Ursächlichkeit eines etwaigen Abwägungsfehlers. Trennungsgrundsatz
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 2 S. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 28 Abs. 2 S. 1; BImSchG §§ 41-42; 16. BImSchV § 1 Abs. 2; AEG § 18 Abs. 1 S. 2, § 20 Abs. 7 S. 1
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen worden ist.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die bis zur Rücknahme der Klage durch die Klägerin zu 2 entstandenen Kosten einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Klägerinnen je zur Hälfte. Die danach entstandenen Kosten einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Klägerin zu 1.
Tatbestand
I.
Die Klägerinnen sind Gebietskörperschaften im Landkreis Uelzen/Niedersachsen. Die Klägerin zu 1 ist Mitgliedsgemeinde der Klägerin zu 2. Zu ihrem Gemeindegebiet gehören die Ortsteile Wrestedt, Stederdorf und Niendorf II.
Die Eisenbahntrasse Stendal – Uelzen als Teil der später so bezeichneten Amerika-Linie Berlin-Stendal-Uelzen-Langwedel-Bremen-Bremerhaven wurde aufgrund einer landesherrlichen Genehmigung vom 12. Juni 1867 im hier in Rede stehenden Abschnitt zunächst im Jahre 1873 als eingleisige Bahnstrecke in Dienst gestellt und bis zum Ersten Weltkrieg als zweigleisige Hauptbahn ausgebaut. Bis 1945 stellte sie die kürzeste Verbindung zwischen dem mitteldeutschen Raum und den Nordseehäfen dar. Auf ihr verkehrten vor dem Zweiten Weltkrieg pro Tag 14 Züge im Fernreiseverkehr, 18 Züge im Regionalverkehr und 6 bis 8 Güterzüge. Im Juli 1945 wurde der Bahnbetrieb über die östlich von Nienbergen gelegene Demarkationslinie zwischen der britischen und sowjetischen Besatzungszone eingestellt. In den folgenden Jahren wurden die Gleisanlagen zwischen Salzwedel und Nienbergen auf einer Länge von etwa 14 km bis auf den Schotterkörper vollständig, zwischen Nienbergen und Wieren, wo die Strecke nach Gifhorn – Braunschweig abzweigt, eingleisig demontiert. Im Bereich der damaligen Grenzsicherungsanlagen wurde zusätzlich der gesamte hier in Dammlage verlaufende Bahnkörper auf ca. 200 m Länge beseitigt. Der Streckenabschnitt Nienbergen-Wieren wurde nach vollständiger Übernahme des Personenverkehrs durch Bahnbuslinien im Jahre 1974 auf die niedrigste Stufe des vereinfachten Nebenbahnbetriebes (ohne Signaltechnik und mit 30 km/h Höchstgeschwindigkeit) umgestellt.
Der Abschnitt Wieren – Uelzen blieb zunächst zweigleisig, diente aber nur noch der Abwicklung des regionalen Personen- und Güterverkehrs zwischen Uelzen und Braunschweig, dem auf der Nebenbahnstrecke Wieren – Braunschweig nur ein Gleis zur Verfügung stand. Mit Schreiben vom 27. Dezember 1983 beantragte die Deutsche Bundesbahn beim Bundesminister für Verkehr gemäß § 14 Abs. 3 Buchst. d des Bundesbahngesetzes die Genehmigung für den dauernden Übergang vom zweigleisigen zum eingleisigen Betrieb der an Werktagen nur noch von 20 Zügen befahrenen Strecke Wieren – Uelzen, um sonst notwendige größere Investitionen – u.a. bei der anstehenden Erneuerung des Kreuzungsbauwerks am Bahnhof Uelzen – zu vermeiden und die Vorhaltungskosten für das überflüssige zweite Streckengleis einzusparen. Mit Erlaß vom 22. Februar 1984 erteilte der Bundesminister für Verkehr die beantragte Genehmigung, um es der Deutschen Bundesbahn zu ermöglichen, ihr Wirtschaftsergebnis durch Aufgabe der nicht benötigten Kapazität eines zweiten Streckengleises zu verbessern.
Mit Verfügung vom 7. März 1985 bestimmte die Bundesbahndirektion Hannover, daß die genehmigte Maßnahme zur Vermeidung anstehender Investitionen und zur kostengünstigen Gestaltung der Bahnanlage unter Beibehaltung des Streckengleises Wieren – Uelzen ab 21. März 1985 realisiert werde. Der Tenor dieser Entscheidung wurde am 15. März 1985 im Amtsblatt der Bundesbahndirektion Hannover unter der Überschrift „Betriebsdienst” mit dem Zusatz „An alle beteiligten Stellen” bekanntgemacht. Gleichzeitig wurden der Bundesminister für Verkehr und die oberste Landesverkehrsbehörde des Landes Niedersachsen von der Entscheidung unterrichtet.
In der Folgezeit wurde die Bahnstrecke entsprechend zurückgebaut, so daß auch zwischen Wieren und Uelzen nur noch ein Gleis verlief. Anfang 1988 fragte daraufhin ein im Auftrag der Klägerin zu 2 handelndes Planungsbüro bei der damaligen Bundesbahndirektion Hannover an, ob die Zustimmung zur Verlegung einer Druckrohrleitung auf der Fläche des abgebauten zweiten Gleises erteilt werden könne. Dies erscheine möglich, da der Bahnschotter weitgehend abgefahren worden sei. Mit Schreiben vom 10. Februar 1988 teilte die Bundesbahndirektion Hannover daraufhin mit, daß sie einer Längsverlegung in der zurückgebauten Trasse nicht zustimme, da sie beabsichtige, diese Grundstücksfläche zu verkaufen. Sie stelle der Klägerin zu 2 anheim, einen entsprechenden Kaufantrag bei der Bundesbahndirektion Hannover zu stellen. Zu weiteren Verhandlungen oder zu einer Veräußerung der Fläche kam es in der Folgezeit nicht.
Für das Gebiet der Samtgemeinde hat die Klägerin zu 2 einen Flächennutzungsplan aufgestellt. Mit der 9. Änderung des Flächennutzungsplans vom 25. April 1996 sind dabei im Gebiet des Ortsteiles Wrestedt der Klägerin zu 1 zusätzliche Wohn- und Mischgebietsflächen ausgewiesen worden. Die Klägerin zu 1 hat für ihre Ortsteile Wrestedt und Stederdorf mehrere Bebauungspläne erlassen, die rechtsverbindlich geworden sind (Bergkämpe vom 3. Dezember 1964, Vor den Lehmkuhlen – Teilplan 1 vom 15. Dezember 1988, Gartenstraße/Nordstraße vom 3. Dezember 1970, Wietsahl vom 15. Dezember 1983, Ortsmitte vom 1. Dezember 1972, Ortsmitte II vom 23. April 1980, Altenheim Stederdorf vom 16. April 1984, Am Bollenser Wege vom 3. Juli 1994). Die damit ermöglichten und beabsichtigten Vorhaben sind durchweg realisiert. Für den Ortsteil Wrestedt besteht zusätzlich der noch nicht realisierte rechtsverbindliche Bebauungsplan „Vor den Lehmkuhlen – Teilplan II” vom 24. Juni 1996. Für den Ortsteil Niendorf II der Klägerin zu 1 sind keine Bebauungspläne erlassen.
Im August 1996 beantragte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen bei der Beklagten die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens für den Ausbau der Strecke Stendal – Uelzen im Planfeststellungsabschnitt 25, der im Osten an der Gemeindegrenze Wieren-Wrestedt beginnt und im Westen an der Stadtgrenze von Uelzen endet. Der Ausbau dieser Strecke, die in § 1 Nr. 3 der Fernverkehrswegebestimmungsverordnung als Fernverkehrsweg im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 5 des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes bestimmt ist, wird im Bedarfsplan für die Bundesschienenwege (Tz. I Buchst. b Nr. 2 der Anlage 1 zu § 1 des Bundesschienenwegeausbaugesetzes) als vordringlicher Bedarf bezeichnet. Er soll der Verbindung des mitteldeutschen und des Berliner Raums mit den deutschen Nordseehäfen dienen. Vorgesehen ist ein zweigleisiger Ausbau für eine Entwurfsgeschwindigkeit von 160 km/h mit Elektrifizierung und modernen Signal- und Telekommunikationseinrichtungen. Nach dem Erläuterungsbericht liegt dem Ausbau eine langfristige Prognose zugrunde, wonach im Zeitraum nach 2010 täglich mit 26 Zügen des Personenfernverkehrs, 54 Zügen des Personennah- und Regionalverkehrs und 53 Zügen des Güterverkehrs zu rechnen sei.
Die Beklagte übersandte den Plan im September 1996 der Bezirksregierung Lüneburg zur Durchführung des Anhörungsverfahrens. Im Rahmen dieses Verfahrens lagen der Plan und die entscheidungserheblichen Unterlagen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens nach vorheriger ortsüblicher Bekanntmachung in der Zeit vom 11. November 1996 bis einschließlich 13. Dezember 1996 im Rathaus der Klägerin zu 2 zu jedermanns Einsicht aus. Mit Schriftsatz vom 23. Dezember 1996 an die Bezirksregierung Lüneburg (Eingang dort am 27. Dezember 1996) erhoben die Klägerinnen Einwendungen. Sie machten dabei u.a. geltend, es sei zu beanstanden, daß die Planunterlagen keine Schallschutzmaßnahmen für die bebauten Ortsteile Wrestedt, Stederdorf und Niendorf II vorsähen. Entgegen dem Erläuterungsbericht sei die Strecke in dem Abschnitt Wieren – Uelzen als teilentwidmet anzusehen mit der Folge, daß eine Erweiterung um ein durchgehendes Gleis vorliege. Die Teilentwidmung ergebe sich aus der Genehmigung für den dauernden Übergang vom zweigleisigen zum eingleisigen Betrieb, die öffentlich bekanntgemacht worden sei. Davon abgesehen könne das zur Planfeststellung angemeldete Vorhaben nicht nur als Instandsetzung bewertet werden. Es handele sich jedenfalls um die bauliche Erweiterung eines vorhandenen Schienenweges. Folglich müsse Schallschutz auf der Grundlage der Verkehrslärmschutzverordnung gewährt werden.
Selbst wenn das verneint werde, bestehe auf jeden Fall für die Grundstücke ein Anspruch auf Lärmschutz, auf denen mit solchen Immissionen zu rechnen sei, welche als schwer und unerträglich anzusehen seien. Es sei mit Sicherheit davon auszugehen, daß für zahlreiche Grundstücke im Gemeindegebiet die Enteignungsschwelle überschritten sei. Für zahlreiche Grundstücke werde es nicht mehr möglich sein, bei geöffnetem Fenster ungestört zu schlafen.
Für die Ortsteile Wrestedt, Stederdorf und Niendorf II würden Vorkehrungen zum Schutz vor unzumutbaren Lärmbelästigungen verlangt. Durch aktive Schallschutzvorkehrungen sei sicherzustellen, daß für die im Flächennutzungsplan dargestellten Bauflächen und die durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiete sowie die Bereiche nach § 34 BauGB die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV eingehalten würden. Sollte es nicht zu entsprechenden Schallschutzvorkehrungen kommen, sei die durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützte kommunale Planungshoheit verletzt. Soweit im Flächennutzungsplan dargestellte und durch Bebauungsplan ausgewiesene unbebaute Grundstücke durch das Planvorhaben vom Lärm betroffen würden, sei die Realisierung und Umsetzung der Planung behindert. Dies gelte insbesondere für den Bereich des Bebauungsplanes „Vor den Lehmkuhlen – Teilplan II”, der ein Wohngebiet festsetze, sowie für die mit der 9. Änderung des Flächennutzungsplanes in Wrestedt dargestellte Wohnbaufläche, darüber hinaus aber auch für alle sonstigen unbebauten, ausgewiesenen und dargestellten Flächen. Die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV seien zum Teil deutlich überschritten. Eine Umsetzung des Flächennutzungs- und des entsprechenden Bebauungsplanes sei deshalb nicht mehr möglich. Hinsichtlich der einzelnen Ortsteile der Gemeinde Wrestedt stehe zu befürchten, daß die Gemeinde als kommunaler Planungsträger für die Bebauungsplanung den zu erwartenden Lärmbelästigungen durch planerische Maßnahmen Rechnung zu tragen habe. In Betracht kämen neben einer Aufhebung bzw. einem Ausschluß der baulichen Nutzbarkeit eine Änderung der Art der baulichen Nutzung in eine weniger schutzbedürftige Nutzung oder auch gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB die Festsetzung von Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen. Entsprechendes gelte auch für die Samtgemeinde Wrestedt, die entsprechende Änderungen des Flächennutzungsplanes vorzunehmen habe. Der Schutz der Planungshoheit erstrecke sich nicht nur auf die noch nicht ins Werk gesetzten Planungen, sondern auch auf den Fortbestand der städtebaulichen Nutzung.
Im Zeitraum zwischen dem 30. Juni und dem 9. Juli 1997 wurden die rechtzeitig erhobenen Einwendungen gegen den Plan und die Stellungnahmen der Behörden und Verbände zu dem Plan von der Anhörungsbehörde mit der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, den Behörden, den Betroffenen sowie den Personen, die Einwendungen erhoben hatten, erörtert.
Durch Beschluß vom 29. Juli 1998 stellte das Eisenbahn-Bundesamt den Plan für das Vorhaben in der Weise fest, daß nur bestimmte Teile genehmigt wurden. Unter B.3.1.1 des Planfeststellungsbeschlusses ist bestimmt, Gegenstand des durchgeführten Verfahrens seien ausschließlich die im Bauwerksverzeichnis der genehmigten Planunterlagen aufgeführten baulichen Maßnahmen sowie die in den weiteren Planunterlagen dargestellten notwendigen Folgemaßnahmen (Baustelleneinrichtungsflächen, Baustraßen sowie naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen). Bei den vom Vorhabenträger im übrigen im Rahmen der Wiederherstellung der Strecke beabsichtigten Maßnahmen handele es sich – soweit in dem Beschluß nichts anderes festgestellt werde – um die Sanierung der bestehenden zweigleisigen Eisenbahnstrecke Uelzen – Stendal. Der Vorhabenträger sei nicht verpflichtet, für diese Maßnahme eine Planfeststellung zu erwirken, denn die bloße Wiederherstellung stelle weder den Bau noch eine Änderung der genannten Eisenbahnstrecke im Sinne des eisenbahnrechtlichen Fachplanungsrechts dar. Danach sind planfestgestellt u.a. die vorgesehene Anpassung der Signal-, Telekommunikations- und Starkstromanlagen, die Erstellung einer Regeloberleitung mit Stromführungsmasten, die vorgesehenen Maßnahmen an Eisenbahn- und Straßenüberführungen sowie an Bahnübergangsanlagen, die stellenweise Neuprofilierung von Bahnseitengräben und die Anpassung des Bahndamms bzw. der Einschnittsböschungen.
In der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses wurde u.a. folgendes ausgeführt:
Da eine Entwidmung der Strecke nicht erfolgt sei, bestehe sie rechtlich in ihrem ursprünglichen Zustand als zweigleisige Strecke fort. Eine formelle Entwidmung setze einen in geeigneter Weise bekanntgemachten hoheitlichen Akt voraus, der für jedermann klare Verhältnisse darüber schaffe, daß bestimmte, bisher als Bahnanlage dienende Flächen künftig wieder für andere Nutzungen offen ständen. Anhaltspunkte dafür, daß ein solcher Hoheitsakt für den hier zu behandelnden Streckenabschnitt vorliege, gebe es nicht. Der im Jahre 1985 vorgenommene dauernde Übergang vom zweigleisigen auf den eingleisigen Betrieb gemäß § 14 Abs. 3 Buchst. b des Bundesbahngesetzes habe keine planfeststellungsrechtlichen Auswirkungen, sondern nur einen den Betrieb der Bahn betreffenden Erklärungswert.
Ebensowenig sei eine faktische Entwidmung anzunehmen; denn die Bahntrasse sei keiner anderen Nutzung zugeführt worden. Der ursprüngliche Zustand der Strecke lasse sich ohne weiteres wiederherstellen. Auch ohne das Planfeststellungsverfahren wäre der Vorhabenträger in der Lage, nach Wiederherstellung der Zweigleisigkeit – wenn auch mit Dieseltraktion – diejenigen Zuggattungen und Zugzahlen auf der Strecke verkehren zu lassen, die nach Durchführung der planfestgestellten Maßnahmen auf der Strecke verkehren sollten. Eine nachteilige Veränderung der von der Strecke ausgehenden Umweltauswirkungen sei deshalb nicht zu verzeichnen. Die Planfeststellungsbehörde sei mithin gehindert, dem Vorhabenträger Schallschutzmaßnahmen aufzuerlegen. Soweit der Vorhabenträger lediglich den bestehenden Bahnkörper entsprechend den heutigen betrieblichen Anforderungen wiederherstelle und das zweite Gleis wiedererrichte, liege weder eine bauliche Erweiterung noch ein den Beurteilungspegel erhöhender erheblicher baulicher Eingriff im Sinne des § 1 der 16. BImSchV vor. Daran, daß der Vorhabenträger den Eisenbahnbetrieb ohne Einholung einer planungsrechtlichen Genehmigung nach Sanierung der Bahnanlagen wie vorgesehen hätte weiterführen können, werde deutlich, daß die Weiterführung des Eisenbahnbetriebes auf zukünftig wieder zwei Gleisen in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem vorliegenden Planfeststellungsbeschluß stehe. Deshalb wären die sich aus der Weiterführung des zweigleisigen Betriebs als solcher möglicherweise ergebenden lärmbedingten Eigentums- und Gesundheitsbeeinträchtigungen mit dem Vorhabenträger im Rahmen des bürgerlich-rechtlichen Nachbarschaftsverhältnisses direkt zu klären. Die Planfeststellungsbehörde sei insoweit als Aufsichtsbehörde in öffentlich-rechtlicher Hinsicht nicht regelungsbefugt.
Gegen den Beschluß richtet sich die am 27. August 1998 beim Bundesverwaltungsgericht eingegangene Klage. Mit Schriftsatz vom 13. März 2000 hat die Klägerin zu 2 ihre Klage zurückgenommen.
Zur Begründung trägt die Klägerin zu 1 vor, ihr stehe ein Anspruch auf Schallschutz für die bebauten Ortsteile Wrestedt, Stederdorf und Niendorf II sowie das Gebiet des noch nicht realisierten Bebauungsplanes „Vor den Lehmkuhlen – Teilplan II” zu. Bei dem Vorhaben handele es sich wegen einer vorangegangenen Teilentwidmung jedenfalls teilweise um einen Neubau. Mindestens aber müsse das Vorhaben als bauliche Erweiterung eines vorhandenen Schienenweges bewertet werden. Dann aber liege eine wesentliche Änderung im Sinne der 16. BImSchV vor, so daß die Immissionsgrenzwerte dieser Verordnung einzuhalten seien. Selbst wenn dies verneint werde, müsse Schallschutz jedenfalls für die schwer und unerträglich betroffenen Grundstücke vorgesehen werden. Danach ergebe sich auch für die öffentlichen Planungsträger ein Anspruch auf Vorkehrungen zum Schutz vor unzumutbaren Lärmbelästigungen. Durch aktive Schallschutzvorkehrungen sei sicherzustellen, daß für die im Flächennutzungsplan dargestellten Bauflächen und die durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiete sowie die Bereiche nach § 34 BauGB die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV eingehalten würden. Komme es nicht zu entsprechenden Vorkehrungen, so sei eine Verletzung der kommunalen Planungshoheit zu verzeichnen. Für das Gebiet des Bebauungsplans „Vor den Lehmkuhlen – Teilplan II” könnten infolge des Eisenbahnvorhabens die festgelegten planerischen Vorstellungen nicht mehr realisiert werden. Für die Gebiete der bereits realisierten Bebauungspläne und für die bebauten unbeplanten Ortsteile müsse befürchtet werden, daß den zu erwartenden Lärmbelästigungen durch planerische Maßnahmen Rechnung zu tragen sei. Der Schutz der Planungshoheit erstrecke sich auch auf den Fortbestand der städtebaulichen Nutzung.
Die Klägerin zu 1 beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluß vom 29. Juli 1998 durch eine Anordnung insoweit zu ergänzen, daß entlang der Eisenbahnstrecke Uelzen – Stendal Teilabschnitt von km 97,412 bis km 102,177 (Bau-km 597,440 bis Bau-km 602,207) in der Samtgemeinde Wrestedt, Gemeinde Wrestedt, Planfeststellungsabschnitt 25, Lärmschutzmaßnahmen vorgesehen werden, die verhindern, daß die Beurteilungspegel in den bebauten Ortsteilen Wrestedt, Stederdorf und Niendorf II der Gemeinde Wrestedt die nach § 2 der Verkehrslärmschutzverordnung – 16. BImSchV – zulässigen Immissionsgrenzwerte überschreiten, und den Planfeststellungsbeschluß insoweit aufzuheben,
hilfsweise
die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluß vom 29. Juli 1998 durch eine Anordnung insoweit zu ergänzen, daß entlang der Eisenbahnstrecke Uelzen – Stendal, Planfeststellungsabschnitt 25, Lärmschutzmaßnahmen vorgesehen werden, die einen Eingriff in das Eigentum und die Gesundheit der Grundstückseigentümer und Bewohner in den bebauten Ortsteilen Wrestedt, Stederdorf und Niendorf II der Gemeinde Wrestedt verhindern, und daß die Grundstückseigentümer dem Grunde nach einen Anspruch auf Entschädigung für die Vornahme passiver Schallschutzmaßnahmen an den baulichen Anlagen auf ihren Grundstücken haben, und den Planfeststellungsbeschluß insoweit aufzuheben,
hilfsweise
die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluß vom 29. Juli 1998 durch eine Anordnung insoweit zu ergänzen, daß entlang der Eisenbahnstrecke Uelzen – Stendal, Planfeststellungsabschnitt 25, die Grundstückseigentümer in den bebauten Ortsteilen Wrestedt, Stederdorf und Niendorf II der Gemeinde Wrestedt dem Grunde nach einen Anspruch auf Entschädigung für die Vornahme passiver Schallschutzmaßnahmen an den baulichen Anlagen auf ihren Grundstücken gemäß § 42 BImSchG i.V.m. 24. BImSchV haben, und den Planfeststellungsbeschluß insoweit aufzuheben,
die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluß vom 29. Juli 1998 durch eine Anordnung insoweit zu ergänzen, daß entlang der Eisenbahnstrecke Uelzen – Stendal, Planfeststellungsabschnitt 25, Lärmschutzmaßnahmen vorgesehen werden, die verhindern, daß die Beurteilungspegel in dem Gebiet des Bebauungsplans „Vor den Lehmkuhlen – Teilplan II” der Klägerin zu 1 vom 24.06.1996 die nach § 2 der Verkehrslärmschutzverordnung – 16. BImSchV – zulässigen Immissionsgrenzwerte überschreiten, und den Planfeststellungsbeschluß insoweit aufzuheben
hilfsweise
die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluß vom 29. Juli 1998 durch Anordnungen insoweit zu ergänzen, daß entlang der Eisenbahnstrecke Uelzen – Stendal, Planfeststellungsabschnitt 25, Lärmschutzmaßnahmen vorgesehen werden, die Eingriffe in Eigentum und Gesundheit verhindern, und daß die Grundstückseigentümer dem Grunde nach einen Anspruch auf Entschädigung für die Vornahme passiver Schallschutzmaßnahmen haben, und den Planfeststellungsbeschluß insoweit aufzuheben
hilfsweise
die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluß vom 29. Juli 1998 durch eine Anordnung insoweit zu ergänzen, daß entlang der Eisenbahnstrecke Uelzen – Stendal, Planfeststellungsabschnitt 25, die Grundstückseigentümer dem Grunde nach einen Anspruch auf Entschädigung für die Vornahme passiver Schallschutzmaßnahmen gemäß § 42 BImSchG i.V.m. 24. BImSchV haben, und den Planfeststellungsbeschluß insoweit aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Für die Notwendigkeit von Schutzauflagen im Hinblick auf die bereits bebauten Ortsteile habe die Klägerin zu 1 weder im Verwaltungsverfahren noch im Klageverfahren substantiiert vorgetragen. Die Klägerin sei rechtlich gehindert, Rechte ihrer Bewohner geltend zu machen. In bezug auf die noch nicht umgesetzten Planungen sei darauf hinzuweisen, daß diese erst 1996 beschlossen worden seien, mithin zu einem Zeitpunkt, in dem mit dem Ausbau der Eisenbahnstrecke Uelzen – Stendal ausweislich des Bundesverkehrswegeplans 1992 bereits zu rechnen gewesen sei. Die Klägerin zu 1 sei deshalb rechtlich verpflichtet gewesen, die von dem Schienenweg ausgehenden Auswirkungen in ihre planerischen Vorstellungen mit einfließen zu lassen.
Die Beigeladene beantragt gleichfalls,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene meint, die Klage könne schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Klägerin zu 1 insgesamt mit ihrem Vorbringen präkludiert sei. Ausweislich des Planfeststellungsbeschlusses habe der Plan in der Zeit vom 11. November 1996 bis 13. Dezember 1996 öffentlich ausgelegen. Darin liege ein Verstoß gegen § 73 Abs. 3 VwVfG. Die nach dieser Vorschrift gesetzlich festgelegte Monatsfrist sei wegen der Überschreitung um mehrere Tage nicht eingehalten worden. Diese Überschreitung sei von den Klägerinnen veranlaßt worden. Dies sei unzulässig. Auf die strikte Beachtung der Monatsfrist des § 73 Abs. 3 VwVfG könne aus Gründen der Rechtssicherheit nicht verzichtet werden. Mit Blick auf das korrekte Ende der Monatsfrist am 10. Dezember 1996 habe die „Zwei-Wochen-Frist” des § 73 Abs. 4 VwVfG deshalb nicht erst am 14. Dezember, sondern bereits am 11. Dezember 1996 begonnen. Sie habe am 23. Dezember 1996 geendet. Seien die Einwendungen der Klägerin zu 1 danach eingegangen, so seien sie verspätet.
Im übrigen sei die Klage bereits unzulässig, soweit die Klägerin zu 1 in Wahrheit Rechte ihrer Bewohner geltend mache. Auf eine Verletzung ihrer Planungshoheit könne sie sich nicht berufen. Selbst wenn die Klägerin zu 1 ihre Vorstellungen aus dem Bebauungsplan „Vor den Lehmkuhlen – Teilplan II” nicht mehr umsetzen könnte, liege die Ursache dafür nicht in dem planfestgestellten Vorhaben, weil dieses Vorhaben immissionsschutzrechtlich irrelevant sei. Ursächlich sei vielmehr die Mißachtung des § 50 BImSchG durch die Klägerin zu 1. Mithin sei nunmehr die Klägerin zur Anpassung ihrer Bauleitplanung an die Eisenbahnstrecke verpflichtet.
Aufgrund Beweisbeschlusses vom 1. Februar 2000 hat der Berichterstatter die Örtlichkeiten im Gebiet der Klägerin zu 1 in Augenschein genommen. Dazu wird auf die Niederschrift vom 15./16. Februar 2000 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsstreitakte und die von der Beklagten eingereichten Planungs- und Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Die genannten Akten haben dem Senat vorgelegen und sind – soweit wesentlich – zum Inhalt der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage hat, soweit sie nicht zurückgenommen worden ist, mit Haupt- und Hilfsanträgen keinen Erfolg.
Dabei kommt es auf die von der Beigeladenen angesprochene Frage der Präklusion nicht an, weil die materielle Prüfung ergibt, daß die Klägerin zu 1 die von ihr im Einwendungsverfahren benannten Rechte ohnehin nicht mit Erfolg gegen den Planfeststellungsbeschluß anführen kann.
A. Mit ihren Hauptanträgen zu 1. und 2. macht die Klägerin zu 1 Planergänzungsansprüche geltend und möchte erreichen, daß in ihren bebauten, beplanten und unbeplanten Ortsteilen sowie in dem Gebiet des noch nicht realisierten Bebauungsplans „Vor den Lehmkuhlen – Teilplan II” die Grenzwerte der Sechzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung – 16. BImSchV) vom 12. Juni 1990 (BGBl I S. 1036) eingehalten werden. Der Planfeststellungsbeschluß weist die bereits im Verwaltungsverfahren erhobene Forderung im Kern mit der Begründung zurück, die Bahnstrecke Stendal – Uelzen sei eine fortbestehende zweigleisige Hauptverkehrsstrecke, so daß durch die Planfeststellung eine Zunahme des Verkehrslärms nicht verursacht werde. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für Schallschutzmaßnahmen nach der Verkehrslärmschutzverordnung lägen somit nicht vor.
Diese Erwägungen erweisen sich der Klägerin zu 1 gegenüber als fehlerfrei. Ein Planergänzungsanspruch besteht deshalb insoweit nicht.
1. Unstreitig verläuft im Planfeststellungsabschnitt 25 ein Schienenweg, der von 1907 bis 1985 zweigleisig betrieben wurde, jedoch seit 1985 nur noch für einen eingleisigen Betrieb zur Verfügung steht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird der Austausch alter Anlagenteile nicht allein deswegen zu einer über eine Instandsetzung hinausgehenden planfeststellungsbedürftigen Änderungsmaßnahme, weil die neuen Bauteile den aktuellen Sicherheits- und Verkehrsbedürfnissen Rechnung tragen (BVerwG, Beschluß vom 27. Januar 1995 – BVerwG 7 VR 16.94 – NVwZ 1995, S. 586). Entgegen der Ansicht der Klägerin zu 1 folgt deshalb die Planfeststellungsbedürftigkeit der im Planfeststellungsbeschluß aufgeführten baulichen Maßnahmen nicht schon daraus, daß dazu die Abtragung und völlige Erneuerung des gesamten alten Bahnkörpers gehören mag. Ebensowenig können diese Maßnahmen nur deswegen dem planfeststellungsbedürftigen Streckenausbau zugeordnet werden, weil sie im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit ihm durchgeführt werden sollen (BVerwG, a.a.O.).
Auch die Wiedererrichtung des nach dem Übergang zum eingleisigen Betrieb abgebauten zweiten Gleises wäre eine planfeststellungsbedürftige Änderung nur dann, wenn es sich bei der nach dem Abbau des Gleises betriebenen Bahnlinie nicht nur tatsächlich, sondern auch planungsrechtlich nur noch um eine eingleisige Strecke gehandelt hätte (vgl. BVerwGE 99, 166 ≪168≫). So verhielt es sich jedoch nicht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verliert eine Betriebsanlage der Eisenbahn ihre planungsrechtliche Zweckbestimmung durch einen eindeutigen Hoheitsakt, der für jedermann klare Verhältnisse darüber schafft, ob und welche Flächen künftig wieder für andere Nutzungen offenstehen (BVerwGE 81, 111 ≪118≫; 99, 166 ≪168≫; 102, 269 ≪272≫; Beschluß vom 26. Februar 1996 – BVerwG 11 VR 33.95 – Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 12 S. 42). Möglich ist allerdings auch, daß die bestehende Fachplanung einer Fläche als Bahnanlage infolge der tatsächlichen Entwicklung funktionslos und damit rechtlich obsolet wird (BVerwGE 81, 111 ≪117≫; 99, 166 ≪169≫; Beschluß vom 26. Februar 1996, a.a.O.). Hiervon ausgehend läßt sich feststellen, daß der in Rede stehende Schienenweg, an dessen Widmung als einer zweigleisigen Eisenbahnstrecke keine ernsthaften Zweifel möglich sind, im vorliegenden Abschnitt zunächst bis 1985 fortbestanden hat. Der gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 10, § 14 Abs. 3 Buchst. d, § 44 Buchst. a des Bundesbahngesetzes in diesem Jahr vollzogene dauernde Übergang vom zweigleisigen zum eingleisigen Betrieb hat hieran nichts geändert. Nach Wortlaut und Systematik der genannten Vorschriften betreffen diese und ihr Vollzug grundsätzlich nur denBetrieb der Bahnstrecke, nicht aber deren planungsrechtliche Qualität (vgl. Beschluß des erkennenden Senats vom 26. August 1998 – BVerwG 11 VR 4.98 – Buchholz 442.09 § 20 AEG Nr. 22 S. 53).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der jener Betriebsumstellung zugrundeliegenden Verfügung der Bundesbahndirektion Hannover vom 7. März 1985. Diese Verfügung läßt nicht den Willen erkennen, den räumlichen Bereich des zweiten Gleises anderen Nutzungen durch die Bahn oder Dritte zu eröffnen, sondern beschränkt sich darauf, aus wirtschaftlichen Gründen die Einschränkung des Betriebs anzuordnen und den Termin hierfür festzulegen. Hinzu kommt, daß die Bekanntmachung des bloßen Tenors dieser Verfügung, der nur die Umstellung des Betriebs, nicht aber den Abbau des Gleises erwähnt, im Amtsblatt der Bundesbahndirektion unter der Überschrift „Betriebsdienst” mit dem Zusatz „An alle beteiligten Stellen” nicht ausreichte, um mit der für die erforderliche Publizität gegenüber jedermann geeigneten Klarheit erkennbar zu machen, daß eine über die Betriebseinschränkung hinausgehende Umgestaltung der Bahnanlagen beabsichtigt war. Eine das zweite Streckengleis erfassende „Teilentwidmung” der Bahnanlage durch einen darauf gerichteten Hoheitsakt scheidet demnach unter den genannten Gesichtspunkten aus.
Auch das Schreiben der Bundesbahndirektion Hannover vom 10. Februar 1988 an das im Namen der Klägerin zu 2 handelnde Planungsbüro reicht nicht aus, eine gegenteilige Annahme zu begründen. Zwar wird darin eine Verkaufsabsicht für Teile der Flächen signalisiert, auf denen das bis 1985 betriebene und danach abgebaute zweite Gleis lag, doch kann daraus nicht geschlossen werden, daß eine entsprechende Freigabe der Flächen bereits erfolgt war. Die Beigeladene hat vielmehr das Verwaltungsverfahren ihrer Rechtsvorgängerin in bezug auf Flächenveräußerungen dahin geschildert, daß erst bei Vorliegen eines konkreten Kaufangebotes in die Prüfung der Frage eingetreten wurde, ob eine Flächenfreigabe möglich und im Anschluß daran eine Veräußerung erwünscht sei. Der Senat muß folglich entsprechend diesem Vortrag davon ausgehen, daß eine Flächenfreigabe vor dem 10. Februar 1988 nicht erfolgt war. Daß sie auch hinterher nicht angeordnet worden ist, steht fest, weil es zu weiteren Verhandlungen der Klägerin zu 2 mit der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen über einen Flächenerwerb nicht gekommen ist.
Ebensowenig hat die nach 1985 vorgenommene rein tatsächliche Umgestaltung der Bahnanlagen zu einer Entwidmung des zweiten Gleises infolge Funktionslosigkeit geführt, soweit dieses Gleis im Zuge des planfestgestellten Vorhabens wiederhergestellt werden soll. Eine solche Funktionslosigkeit könnte nur angenommen werden, wenn die Verhältnisse wegen der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht hätten, der die Verwirklichung des zweigleisigen Streckenbetriebs auf unabsehbare Zeit ausschloß (BVerwGE 99, 166 ≪170≫; 107, 350 ≪354≫). Diese Voraussetzungen waren hier nicht erfüllt. Dabei muß der westlich des Planfeststellungsabschnitts 25 in den Jahren 1987/88 ohne Planfeststellung erfolgte Umbau der Eisenbahnüberführung der Strecke Hamburg-Hannover über die hier in Rede stehende Strecke, der nur noch für ein Gleis Platz ließ, außer Betracht bleiben, weil in dem Bereich der Einbindung in den Bahnhof Uelzen auch künftig zunächst nur ein Gleis vorgesehen ist. Der im übrigen verbleibende bloße Zeitablauf von höchstens 13 Jahren seit Entfernung des zweiten Gleises und die dadurch bedingte ohne weiteres behebbare Änderung der Erdoberfläche können allein nicht die Annahme rechtfertigen, die Wiederaufnahme der ursprünglichen Nutzung sei durch die vorgegebene tatsächliche Situation ausgeschlossen und daher planungsrechtlich nicht mehr gedeckt (vgl. BVerwGE 99, 166 ≪170≫; 107, 350 ≪354≫).
2. Handelt es sich danach bei der Strecke Stendal – Uelzen um einen planungsrechtlich fortbestehenden zweigleisigen Schienenweg, so sind Schallschutzansprüche nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der 16. BImSchV nicht gegeben. Allerdings ist nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 16. BImSchV die Änderung eines Schienenweges auch dann wesentlich, wenn durch einen erheblichen baulichen Eingriff der Beurteilungspegel des von dem zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms auf mindestens 60 dB(A) in der Nacht erhöht wird; dasselbe gilt gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 der 16. BImSchV dann, wenn der Beurteilungspegel außerhalb von Gewerbegebieten schon vorher mindestens 60 dB(A) in der Nacht beträgt und durch einen erheblichen baulichen Eingriff weiter erhöht wird. Wie sich aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschriften ergibt, ist ein baulicher Eingriff nur dann erheblich, wenn in die Substanz des Schienenweges, d.h. der Gleisanlage mit ihrem Unter- und Überbau einschließlich einer Oberleitung (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 20. Mai 1998 – BVerwG 11 C 3.97 – NVwZ 1999, S. 67), eingegriffen wird, soweit es sich nicht lediglich um Erhaltungs- und Unterhaltungsmaßnahmen oder um kleinere Baumaßnahmen handelt.
Die hier vorgesehene Sanierung des Bahndamms bzw. der Einschnittsböschungen ist kein erheblicher baulicher Eingriff in diesem Sinne, sondern lediglich als Nachholung jahrelang versäumter Erhaltungs- und Unterhaltungsmaßnahmen zu bewerten. Daß die dabei hergestellten Anlagenteile einem neueren Stand der Technik entsprechen und den aktuellen Sicherheits- und Verkehrsbedürfnissen Rechnung tragen, ändert daran nichts (vgl. BVerwG, Beschluß vom 27. Januar 1995, a.a.O.). Denn insoweit würde sich der zukünftige Zustand der Trasse nicht wesentlich von demjenigen Zustand unterscheiden, der – fiktiv – bestanden hätte, wenn die Trasse ohne die Teilung Deutschlands als zweigleisige Hauptstrecke instand gehalten worden wäre.
Die Errichtung der Oberleitung stellt zwar einen erheblichen baulichen Eingriff dar; durch sie wird jedoch – auch in Kombination mit der Grundinstandsetzung – der Beurteilungspegel des von dem zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms jedenfalls nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 der 16. BImSchV erhöht. Dazu hat die Beklagte in ihrer technischen Stellungnahme vom 13. August 1999 nachvollziehbar dargelegt, daß auch ohne die am Bahndamm vorgesehenen Arbeiten und die Errichtung der Oberleitung das im Planfeststellungsbeschluß für das Jahr 2010 prognostizierte Zugaufkommen hätte abgewickelt werden können, wenn die Beigeladene den Schienenweg mit dem Ausrüstungsstandard der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg wiederherrichten würde. Diesem Vortrag ist die Klägerin zu 1 nicht substantiiert entgegengetreten.
B. Mit ihren Hilfsanträgen zu den Hauptanträgen zu 1. und 2. begehrt die Klägerin zu 1 Maßnahmen des aktiven Schallschutzes auf einer Ebene unterhalb des Schutzniveaus der Verkehrslärmschutzverordnung und hilfsweise dazu Vorkehrungen des passiven Schallschutzes. Auch dahin gehende Planergänzungsansprüche scheiden indessen aus.
1. In seinen Urteilen vom 28. Oktober 1998 – BVerwG 11 A 3.98 – (BVerwGE 107, 350) und vom 17. November 1999 – BVerwG 11 A 4.98 – (zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung bestimmt) hat der erkennende Senat zugunsten lärmbetroffener Anwohner entschieden, das Ausscheiden von Lärmschutzansprüchen nach der Verkehrslärmschutzverordnung habe in Fällen der teilungsbedingten Streckenstillegung noch nicht zur Folge, daß der durch die Wiederinbetriebnahme verursachte Lärm bei der Planfeststellung von vornherein unberücksichtigt bleiben kann. Die Anwohner haben vielmehr dann, wenn die zu erwartenden Immissionen für sie eine Eigentums- oder Gesundheitsbeeinträchtigung darstellen können, einen Anspruch darauf, daß diese Belange in die Abwägung eingestellt und angemessen berücksichtigt werden. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest (vgl. Urteile vom heutigen Tage in den Verwaltungsstreitverfahren BVerwG 11 A 18, 19, 24 und 25.98). Sie gewährleistet in einer historisch bedingten Sondersituation im Zusammenhang mit der Wiederinbetriebnahme teilungsbedingt stillgelegter Bahnstrecken über die Verkehrslärmschutzverordnung hinaus den Schutz von Individualgrundrechten lärmbetroffener Anwohner.
Auf eine vergleichbare Rechtsstellung kann die Klägerin zu 1 sich nicht mit Erfolg berufen. Grundrechte und sonstige Rechte ihrer Bewohner kann die Gemeinde nicht für sich in Anspruch nehmen. Das für sie durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistete und die Planungshoheit umschließende Recht der gemeindlichen Selbstverwaltung steht in dem vorliegenden Zusammenhang den Grundrechten lärmbetroffener Anwohner aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 GG nicht gleich. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG enthält eine institutionelle Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (BVerfGE 83, 363 ≪381≫), die als staatsorganisatorisches Aufgabenverteilungsprinzip wirkt (vgl. BVerfGE 79, 127 ≪150 ff.≫). Zu dieser Aufgabenverteilung gehört die Abgrenzung zwischen kommunaler Planungshoheit und konkurrierender Fachplanung. Eine Gemeinde muß den Stand der Fachplanung so hinnehmen, wie er sich entwickelt hat. Eine Eisenbahnstrecke, die nicht entwidmet oder funktionslos ist, kann von ihr nicht „überplant” werden. Ob und wie lange der Betrieb auf dieser Strecke ruht, ist – abgesehen von der Frage der Funktionslosigkeit – für die Grenzen der kommunalen Planungshoheit belanglos. Gleiches gilt für die Anwendung des Trennungsgrundsatzes durch die kommunale Bauleitplanung (vgl. § 50 BImSchG). Daraus wird die Wesensverschiedenheit der kommunalen Planungshoheit zu den Grundrechten hinreichend deutlich. Die vom Senat zugunsten potentiell grundrechtsbetroffener Anwohner entwickelte Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Lärmgesichtspunkten in der Abwägung der Planfeststellungsbehörde kann auf die Klägerin zu 1 als Kommune somit nicht übertragen werden. Für sie erweist sich deshalb die Abwägung des Planfeststellungsbeschlusses als fehlerfrei.
2. Im übrigen könnte die Klage selbst dann keinen Erfolg haben, wenn dies anders gesehen und ein Abwägungsmangel konstatiert würde. Dann nämlich müßte festgestellt werden, daß der Mangel im Sinne des § 20 Abs. 7 Satz 1 AEG keinen Einfluß auf das Abwägungsergebnis gehabt hätte.
a) Soweit die Beklagte den Schutz des Gebietes ihres Bebauungsplanes „Vor den Lehmkuhlen – Teilplan II” anstrebt, liegt dies schon deshalb auf der Hand, weil die von der Beigeladenen eingereichte schalltechnische Untersuchung für den Planfeststellungsabschnitt 25 – Isophonenberechnung – vom 1. Dezember 1998 deutlich ausweist, daß das Gebiet des genannten Bebauungsplanes noch erheblich außerhalb der 49 db(A)-Isophonenlinie für den Beurteilungszeitraum Nacht und noch erheblich weiter außerhalb aller anderen Isophonenlinien liegt. Eine Beeinträchtigung dieses Gebietes ist mithin von vornherein nicht erkennbar.
b) In bezug auf Teile der bebauten, beplanten und unbeplanten Ortsteile der Klägerin zu 1 verhält sich dies anders. Auch insoweit müßte jedoch die Kausalität eines – hier unterstellten – Abwägungsfehlers für das Abwägungsergebnis verneint werden. Würde nämlich entgegen der Auffassung des Senats die zuvor dargestellte Rechtsprechung auf Beeinträchtigungen des Rechts der kommunalen Selbstverwaltung übertragen, so könnte eine Kommune daraus für sich allenfalls dann Ansprüche herleiten, wenn sie durch das Fachplanungsvorhaben im Kern ihrer Planungshoheit betroffen wäre und dadurch im wesentlichen aller planerischen Möglichkeiten beraubt würde. Davon könnte vorliegend keine Rede sein; weder hat die Klägerin zu 1 dargetan, daß sie konkrete Umplanungsmaßnahmen beabsichtige, noch hat sie vorgetragen, die Wiederinbetriebnahme der Bahnstrecke mache ihr jede weitere Planung unmöglich. Für derart weitreichende Folgen ist auch im übrigen nichts ersichtlich.
c) Schließlich müßte die Klägerin zu 1 sich – wenn auch hier zu ihren Gunsten die Kausalität eines Abwägungsfehlers im Sinne des § 20 Abs. 7 Satz 1 AEG unterstellt würde – entgegenhalten lassen, daß sie vor der Wiedervereinigung in Wahrnehmung ihrer Planungshoheit nach Art. 28 Abs. 2 GG unter Verstoß gegen den Trennungsgrundsatz (vgl. § 50 BImSchG) das Heranrücken von Wohnbebauung an die Bahnlinie zugelassen und sogar gefördert hat. Als Trägerin der mit der kommunalen Selbstverwaltung verknüpften planerischen Befugnisse zur Entwicklung des Gemeindegebietes ist damit die Klägerin zu 1 selbst in erster Linie für den nunmehr eingetretenen städtebaulichen Zustand verantwortlich. Daß die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen in den Verfahren zur Aufstellung der Bebauungspläne der Klägerin zu 1 insoweit keine Einwendungen erhoben hat, mag zutreffen, ändert jedoch im Grundsatz an diesem Befund nichts.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 100 ZPO.
Unterschriften
Hien, Dr. Storost, Kipp, Vallendar, Prof. Dr. Rubel
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 12.04.2000 durch Stoffenberger Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen