Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Beschluss vom 18.12.2003; Aktenzeichen 9 B 01.31217) |
Tenor
Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Dezember 2003 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt seine Anerkennung als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) im Hinblick auf eine ihm in Aserbaidschan drohende politische Verfolgung.
Der 1965 in Mingitschaur in Aserbaidschan geborene Kläger ist armenischer Volkszugehöriger. Er kam mit seiner Frau und den beiden gemeinsamen Kindern im Januar 2000 in die Bundesrepublik Deutschland. Zur Begründung seines Asylantrages trug er im Wesentlichen vor, er sei aserbaidschanischer Staatsangehöriger, besitze aber keinerlei Ausweispapiere mehr. Er sei im Herbst 1990 von seinem Geburtsort in ein Dorf in der Provinz Fisuli auf dem Gebiet von Berg-Karabach gezogen. Dort habe er ab 1997 ein Geschäft für Lebensmittel und Textilien betrieben. Wegen der Übergriffe armenischer Soldaten sei er von dort geflohen. Armenier hätten versucht, von ihm monatlich ein Schutzgeld zu erpressen. Mitte November 1999 hätten vier Armenier in Militäruniform in seiner Abwesenheit Waren an sich genommen, die Bezahlung verweigert und seine Frau geschlagen. Wenige Tage später hätten drei Männer in Militäruniform ihn vor seinem Laden erwartet, Geld verlangt, ihn niedergeschlagen und zwölf Tage inhaftiert. Während der Haft sei er ständig geschlagen und auch auf andere Weise misshandelt worden. Man habe ihm den muslimischen Glauben seiner aus dem Iran stammenden Frau vorgeworfen. Am 2. Dezember 1999 sei ihm die Flucht gelungen. Nachdem er sein Geschäft verwüstet vorgefunden habe, habe er mit seiner Familie das Land verlassen und sei über Georgien und Bulgarien auf dem Landweg nach Deutschland gelangt. In Bulgarien seien ihnen sämtliche Papiere gestohlen worden.
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge – jetzt Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – (Bundesamt) lehnte mit Bescheid vom 20. April 2000 den Asylantrag ab (1.), stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (2.) und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen (3.), und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Armenien oder in den Iran an (4.). Es ging davon aus, dass die Staatsangehörigkeit des Klägers nicht festzustellen und deshalb das Land seines gewöhnlichen Aufenthalts maßgeblich sei; das sei hier Armenien. Dort sei der Kläger indes nicht von politischer Verfolgung bedroht. Bei den von ihm geschilderten Übergriffen habe es sich um Beeinträchtigungen von Seiten Dritter gehandelt, die nicht dem Staat zugerechnet werden könnten. Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG lägen ebenfalls nicht vor. Der Kläger könne sich als armenischer Volkszugehöriger jederzeit auf dem Gebiet Armeniens niederlassen und den Schutz der armenischen Behörden in Anspruch nehmen. Dasselbe gelte für den Iran, in den der Kläger auf Grund der iranischen Staatsangehörigkeit seiner Ehefrau problemlos einreisen könne.
Auf die dagegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Bundesamtes in den Ziffern 2, 3 und 4 Satz 2 (Armenien) aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, zugunsten des Klägers Abschiebungshindernisse nach § 51 Abs. 1 AuslG (Aserbaidschan) und § 53 AuslG (Armenien) festzustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung der Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG hat es ausgeführt: Entgegen der in dem Bescheid vertretenen Auffassung sei der Kläger nicht ungeklärter Staatsangehörigkeit, sondern armenischer Volkszugehöriger mit aserbaidschanischer Staatsangehörigkeit. Da Armenier in Aserbaidschan auch unter Berücksichtigung des neuesten Lageberichts des Auswärtigen Amtes vom 11. Mai 2001 noch einer mittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung ausgesetzt seien, stehe dem Kläger insoweit Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG zu.
Mit seiner Berufung hat sich der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten (Bundesbeauftragter) gegen die Verpflichtung zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 51 Abs. 1 AuslG bezüglich Aserbaidschans gewandt. Die Verpflichtung zur Feststellung von Abschiebungshindernissen gemäß § 53 AuslG bezüglich Armeniens hat er nicht angegriffen.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 18. Dezember 2003 das verwaltungsgerichtliche Urteil aufgehoben, soweit die Beklagte zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 51 Abs. 1 AuslG (Aserbaidschan) verpflichtet worden ist. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger könne eine solche Verpflichtung der Beklagten schon deshalb nicht beanspruchen, weil er dies mit seiner Klage nicht begehrt habe. Bei einem nicht näher konkretisierten Antrag des Asylbewerbers sei das Klagebegehren in Fällen wie dem vorliegenden so zu verstehen, dass Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG (nur) hinsichtlich der Staaten angestrebt werde, für die das Bundesamt eine negative Feststellung getroffen habe oder die es in der Abschiebungsandrohung ausdrücklich als Zielstaaten bezeichnet habe. Für ein weitergehendes Verpflichtungsbegehren bezüglich anderer Staaten (hier: Aserbaidschan) würde es nämlich schon an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Überdies habe der Kläger im Berufungsverfahren nach einem entsprechenden gerichtlichen Hinweis in der Anhörungsmitteilung gemäß § 130 a VwGO klargestellt, dass sein Begehren Abschiebungsschutz hinsichtlich Aserbaidschans nicht umfassen solle. Der über das so zu verstehende Klagebegehren hinausgehende Verpflichtungsausspruch durch das Verwaltungsgericht verstoße gegen § 88 VwGO und sei deshalb aufzuheben. Das Verwaltungsgericht hätte die Beklagte im Übrigen auch wegen Fehlens eines Rechtsschutzbedürfnisses und eines materiellrechtlichen Anspruchs auf eine solche vorsorgliche Entscheidung nicht zur Feststellung von asylrechtlichem Abschiebungsschutz hinsichtlich Aserbaidschans verpflichten dürfen.
Mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Die Berufungsentscheidung verstoße gegen § 51 Abs. 1 AuslG i.V.m. §§ 3, 4 und 5 AsylVfG sowie § 13 AsylVfG. Da mit der Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 51 AuslG gleichzeitig eine Statusfeststellung über die Rechtsstellung als Konventionsflüchtling verbunden sei, komme es darauf an, ob dem Asylbewerber im Staat der Staatsangehörigkeit oder – bei Staatenlosen – im Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts die in § 51 Abs. 1 AuslG bezeichneten Gefahren drohten. Dementsprechend hätten auch die Verwaltungsgerichte von Amts wegen im Rahmen des Antrages zu § 51 Abs. 1 AuslG regelmäßig eine Überprüfung auf asylrelevante Gefährdungen im Staat der Staatsangehörigkeit vorzunehmen und insofern eine Sachentscheidung zu treffen.
Auch der Bundesbeauftragte und die Beklagte sind der Auffassung, dass das Verwaltungsgericht jedenfalls im vorliegenden Fall zu Recht die Frage der politischen Verfolgung im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG bezüglich Aserbaidschans geprüft habe. Allerdings habe es nicht berücksichtigt, dass in Aserbaidschan – selbst wenn man von einer Gruppenverfolgung der Armenier ausgehe – die Region Berg-Karabach eine inländische Fluchtalternative für armenische Volkszugehörige darstelle.
Entscheidungsgründe
II.
Der Senat konnte trotz Ausbleibens des beteiligten Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten (Bundesbeauftragter) in der mündlichen Verhandlung über die Revision verhandeln und entscheiden, weil in der Ladung darauf hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Revision des Klägers ist begründet. Die Berufungsentscheidung beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass der Klageantrag des Klägers nicht den Anspruch auf Gewährung von Abschiebungsschutz wegen politischer Verfolgung in Aserbaidschan umfasst, und hat deshalb zu Unrecht das stattgebende verwaltungsgerichtliche Urteil zu § 51 Abs. 1 AuslG ohne jede Prüfung dieses Begehrens aufgehoben (1.). Auch die vom Berufungsgericht hilfsweise angeführten Begründungen für seine Entscheidung, nämlich das Fehlen sowohl eines Rechtsschutzinteresses für ein derartiges Begehren als auch eines materiellrechtlichen Anspruchs, sind nicht mit Bundesrecht vereinbar (2.). Für eine abschließende Entscheidung des Senats fehlt es an ausreichenden tatsächlichen Feststellungen. Die Berufungsentscheidung ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
1. Das Berufungsgericht hat das stattgebende verwaltungsgerichtliche Urteil zu § 51 Abs. 1 AuslG in erster Linie mit der Begründung aufgehoben, der Kläger habe ein entsprechendes Begehren in Bezug auf Aserbaidschan mit seiner Klage von vornherein nicht geltend gemacht; das Verwaltungsgericht sei deshalb mit der entsprechenden Verpflichtung der Beklagten unter Verstoß gegen § 88 VwGO (ne ultra petita) über das Klagebegehren hinausgegangen. Diese Auffassung des Berufungsgerichts ist nicht mit Bundesrecht vereinbar. Maßgebend für den vom Revisionsgericht von Amts wegen zu ermittelnden Umfang des Klagebegehrens nach § 88 VwGO ist das aus dem gesamten Parteivorbringen, insbesondere der Klagebegründung, zu entnehmende wirkliche Rechtsschutzziel (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 5. Februar 1998 – BVerwG 2 B 56.97 – Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 25 m.w.N.). Dies ist hier, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, auch das Begehren auf asylrechtlichen Abschiebungsschutz wegen politischer Verfolgung in Aserbaidschan. Rechtsgrundlage hierfür ist seit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl I S. 1950) § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, der mit Wirkung vom 1. Januar 2005 an die Stelle des bisher einschlägigen § 51 Abs. 1 AuslG getreten ist.
Die einschränkende Auslegung des Klagebegehrens durch das Berufungsgericht beruht auf der Annahme, dass das Begehren auf asylrechtlichen Abschiebungsschutz ebenso wie das Begehren auf ausländerrechtlichen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (bisher § 53 AuslG) jeweils gesondert bezüglich des einzelnen Zielstaates einer Abschiebung geprüft und beschieden werden könne und es sich dabei jeweils um abtrennbare Streitgegenstände handele. Dies ist, wie der Senat in seinem Urteil vom 8. Februar 2005 – BVerwG 1 C 29.03 – (zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen) ausgeführt hat, indes nicht der Fall. Da die Gewährung asylrechtlichen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 1 AufenthG gemäß §§ 3, 4 AsylVfG mit der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Flüchtlingskonvention verbunden ist, kann sie grundsätzlich nur bei einer Verfolgung durch den Staat der Staatsangehörigkeit oder – bei Staatenlosen – durch den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts zugesprochen werden. Nur wenn diese Staaten keinen Schutz gewähren, kommt eine Flüchtlingsanerkennung durch die Beklagte in Betracht. Deshalb handelt es sich bei dem Anspruch auf asylrechtlichen Abschiebungsschutz, auch wenn mehrere Staaten als Verfolgerstaaten in Betracht kommen, grundsätzlich um einen unteilbaren Streitgegenstand, über den nur einheitlich entschieden werden kann. Anders als der subsidiäre ausländerrechtliche Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (vgl. Urteil vom 4. Dezember 2001 – BVerwG 1 C 11.01 – BVerwGE 115, 267 zu § 53 AuslG) kann der asylrechtliche Abschiebungsschutz nicht isoliert bezogen auf einen einzelnen Abschiebezielstaat geprüft und abgeschichtet werden. Vielmehr sind alle Staaten in die Prüfung einzubeziehen, deren Staatsangehörigkeit der Betroffene möglicherweise besitzt oder in denen er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (vgl. im Einzelnen das Urteil vom 8. Februar 2005 a.a.O.). Daran muss sich auch eine sachdienliche Auslegung des Klagebegehrens nach § 88 VwGO ausrichten. Eine einschränkende Auslegung dahingehend, dass nur die Staaten zur Überprüfung gestellt werden sollen, für die das Bundesamt das Vorliegen von Abschiebungshindernissen verneint oder die es in der Abschiebungsandrohung als Zielstaat bezeichnet hat, kommt danach nicht in Betracht. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der seinem Wortlaut nach nicht auf ein bestimmtes Land bezogene Klageantrag zu § 51 AuslG erstrecke sich nicht auf Aserbaidschan, sondern allenfalls auf Armenien oder Iran, wird daher dem erkennbaren Rechtsschutzziel des Klägers unter Berücksichtigung des richtig verstandenen Streitgegenstands einer Klage auf Abschiebungsschutz für Flüchtlinge nach § 60 Abs. 1 AufenthG nicht gerecht.
Das Berufungsgericht kann seine Auffassung auch nicht darauf stützen, dass der Kläger selbst seinen Klageantrag zum asylrechtlichen Abschiebungsschutz im Berufungsverfahren durch den Schriftsatz seines früheren Prozessbevollmächtigten vom 26. März 2003 auf die gerichtliche Anhörungsmitteilung zu § 130 a VwGO gleichsam rückwirkend beschränkt habe. Auch der Kläger hätte es wegen der Unteilbarkeit des Streitgegenstandes nicht in der Hand, durch Einschränkung seines Klageantrags zu § 60 Abs. 1 AufenthG den Staat seiner behaupteten Staatsangehörigkeit und eine dort drohende Verfolgung von der gerichtlichen Prüfung auszunehmen, ohne den Antrag insgesamt unzulässig zu machen oder ihn – der Sache nach – zurückzunehmen. Eine so weitgehende, den Interessen des Klägers erkennbar zuwiderlaufende prozessuale Erklärung kann dem Schriftsatz vom 26. März 2003, der ersichtlich nur eine Reaktion auf die (unzutreffenden) rechtlichen Hinweise in der gerichtlichen Anhörungsmitteilung darstellt, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht entnommen werden. Der Prozessbevollmächtigte äußert darin lediglich seine Zustimmung zu der mitgeteilten Rechtsauffassung des Berufungsgerichts hinsichtlich des Rechtsschutzbedürfnisses und zu der angekündigten Entscheidung im Beschlussverfahren nach § 130 a VwGO, ohne weitere prozessuale Erklärungen abzugeben.
Das vom Verwaltungsgerichtshof der Berufungsentscheidung zugrunde gelegte Klagebegehren bleibt damit hinter dem vom Kläger verfolgten und aufrechterhaltenen Klagebegehren zurück. Darin liegt sowohl ein Verfahrensmangel wegen Verstoßes gegen § 88 VwGO, den der Kläger mit der Revision der Sache nach auch gerügt hat, als auch ein Verstoß gegen materielles Recht, nämlich gegen § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG i.V.m. §§ 3, 4 AsylVfG, auf dem die Entscheidung beruht.
2. Die Berufungsentscheidung erweist sich auch nicht deshalb im Ergebnis als richtig, weil dem Kläger, wie der Verwaltungsgerichtshof hilfsweise anführt, für sein Klagebegehren auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG wegen politischer Verfolgung in Aserbaidschan das Rechtsschutzinteresse fehlen würde und ihm auch materiellrechtlich ein solcher Anspruch jedenfalls im vorliegenden Verfahren nicht zustünde.
Ein Rechtsschutz – bzw. Sachentscheidungsinteresse an der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich Aserbaidschans kann dem Kläger nicht bereits deshalb abgesprochen werden, weil sich die (negativen) Feststellungen zu § 51 Abs. 1 und § 53 AuslG in dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes nicht auf Aserbaidschan beziehen und dem Kläger in dem Bescheid eine Abschiebung nur nach Armenien oder in den Iran, nicht aber nach Aserbaidschan angedroht worden ist. Der gegenteiligen, vom Berufungsgericht und einzelnen weiteren Oberverwaltungsgerichten vertretenen Auffassung (vgl. etwa OVG Magdeburg, Urteil vom 2. April 2003 – A 3 S 567/99 –; VGH Mannheim, Beschluss vom 1. März 2004 – A 13 S 38/03 –; sämtlich nicht veröffentlicht; a.A. OVG Hamburg, Beschluss vom 11. Oktober 2001 – 2 Bs 4/00.A – InfAuslR 2002, 268) ist nicht zu folgen. Dies hat der Senat in seinem bereits oben (zu 1.) zitierten Urteil vom 8. Februar 2005 (a.a.O.) entschieden. Auf die dortige Begründung sowie auf die vorstehenden Ausführungen zum Streitgegenstand einer Klage auf asylrechtlichen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG (zu 1.) wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Danach kann ein Rechtsschutzinteresse des Klägers an der begehrten Feststellung zu § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich Aserbaidschans, als dessen Staatsangehöriger er sich betrachtet, nicht verneint werden kann.
Ebenso ist nicht zweifelhaft, dass der Kläger bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG auch nach materiellem Recht einen Anspruch auf eine entsprechende Feststellung durch die Beklagte gemäß § 13 Abs. 1 und 2, § 31 Abs. 2 AsylVfG hätte. Ob der Kläger diese Voraussetzungen erfüllt, insbesondere ob er tatsächlich aserbaidschanischer Staatsangehöriger ist und ihm auf dem Gebiet dieses Staates Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG drohen, lässt sich aufgrund der bisherigen Feststellungen in der Berufungsentscheidung nicht beurteilen. Der Berufungsbeschluss ist daher aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
3. Das Berufungsgericht wird in dem erneuten Verfahren prüfen müssen, ob der Kläger eine Staatsangehörigkeit besitzt und – wenn ja – welche, und ob ihm im Staat seiner Staatsangehörigkeit politische Verfolgung droht. Sollte es eine aserbaidschanische Staatsangehörigkeit bejahen, müsste es neben der Frage einer mittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung armenischer Volkszugehöriger in Aserbaidschan auch prüfen, ob dem Kläger in Berg-Karabach eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung stand und steht, wie es der Bundesbeauftragte meint. Dabei dürfte u.a. zu klären sein, ob für den Kläger das Gebiet von Berg-Karabach von Deutschland aus erreichbar ist, obwohl ihm rechtskräftig Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG hinsichtlich Armeniens zuerkannt worden ist.
Sollte das Berufungsgericht einen Anspruch auf asylrechtlichen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG verneinen, wäre die Klage, soweit sie noch anhängig ist, abzuweisen. Einen hilfsweisen Antrag auf Verpflichtung der Beklagten, Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG hinsichtlich Aserbaidschans festzustellen, hat der Kläger bei sachdienlicher Auslegung seines Klagebegehrens nicht gestellt. Ein solcher Antrag wäre auch mangels Rechtsschutzinteresses des Klägers unzulässig, weil das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid weder (negative) Feststellungen zu Abschiebungshindernissen nach dem seinerzeit noch maßgeblichen § 53 AuslG bezüglich dieses Staates getroffen hat noch dem Kläger die Abschiebung dorthin angedroht hat (vgl. Urteil vom 4. Dezember 2001 – BVerwG 1 C 11.01 – a.a.O.).
Unterschriften
Dr. Mallmann, RiBVerwG Hund ist wegen Erkrankung an der Unterschrift gehindert. Dr. Mallmann, Richter, Beck, Prof. Dr. Dörig
Fundstellen