Entscheidungsstichwort (Thema)
Eisenbahnrechtliche Planfeststellung: Aus- und Neubaustrecke Karlsruhe. Basel. Planfeststellungsabschnitt Müllheim. Auggen
Leitsatz (amtlich)
1. Gemeinden sind im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes gegen einen eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschluss nicht befugt, Lärmschutzinteressen ihrer Bürger geltend zu machen. Sie können insoweit auch nicht rügen, dass bei der Berechnung der Beurteilungspegel nach der Fassung der 16. BImSchV von 1990 der Schienenbonus noch berücksichtigt worden ist.
2. Auch durch die Verbreiterung bereits vorhandener Bahndämme in einem Überschwemmungsgebiet für den Bau von zusätzlichen Gleisen wird eine Anlage im Sinne des § 78 Abs. 1 Nr. 3 WHG 2009 errichtet.
3. Zur Bedeutung der Entschließungen eines verfahrensbegleitend gebildeten "Projektbeirats" für die Willensbildung der Planfeststellungsbehörde.
Normenkette
AEG § 18 S 2, § 18a Nr 1; GG Art 28 Abs 2; GG Art 80 Abs 4; VwVfG § 73 Abs 8 S 1; WHG 2009 § 76 Abs 2, § 78 Abs 1 S 1 Nr 3, § 78 Abs 4 S 1; BW 2005 § 65 Abs 1 S 2 WasG; BImSchV 16
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerinnen wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 16. Juli 2015 für das Vorhaben "Aus- und Neubaustrecke Karlsruhe - Basel, Planfeststellungsabschnitt 9.0 b, Müllheim - Auggen" (Bahn-km 235,780 - 241,616 der Strecke 4280 Karlsruhe - Basel und Bahn-km 235,780 - 241,616 der Strecke 4000 Mannheim - Konstanz).
Rz. 2
Das planfestgestellte Vorhaben ist Teil des Ausbaus der so genannten Rheintalbahn (RtB) zwischen Karlsruhe und Basel. Die Strecke gehört zum transeuropäischen Verkehrsnetz auf der Eisenbahnachse Lyon/Genua - Rotterdam/Antwerpen, ihr Ausbau ist als vordringlicher Bedarf eingestuft. Die bislang zweigleisige Bestandsstrecke der Rheintalbahn (Strecke 4000) soll insbesondere für den Güterverkehr um zwei weitere Gleise erweitert, also insgesamt viergleisig werden. Das Gesamtvorhaben ist in neun Streckenabschnitte unterteilt. In dem etwa 6 km langen Planfeststellungsabschnitt 9.0 b Müllheim - Auggen wird die Neubaustrecke (Strecke 4280) durchgehend auf Geländeniveau und in Bündelung mit der Bestandsstrecke geführt. Im nördlichen Streckenabschnitt verlaufen die Gleise zunächst in 4,50 m Entfernung östlich der Rheintalbahn. Im Bereich Auggen (ab Rtb-km 238,753) schwenken sie im Wege des "Trassentausches" auf die vorhandene Trasse ein und werden auf ihr bis zum südlichen Ende des Planfeststellungsabschnitts (km 241,616) weitergeführt, um in den Katzenbergtunnel einmünden zu können. Die vorhandene Trasse wird in diesem Bereich westlich verschwenkt. Die Neubaustrecke ist für eine Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h im Personenverkehr und für 160 km/h im Güterverkehr ausgelegt.
Rz. 3
Die Beigeladene hatte die Planfeststellung am 29. August 2003 ursprünglich für einen etwa 12 km langen Planfeststellungsabschnitt 9.0 Buggingen - Auggen beantragt. Das Anhörungsverfahren wurde vom Regierungspräsidium Freiburg durchgeführt. Die Erörterung der Stellungnahmen und Einwendungen fand in Terminen zwischen September 2007 und Februar 2008 statt. Ein weiterer für den 7. bis 9. Juli 2009 geplanter Termin zur abschließenden Erörterung der Antragstrasse wurde von der Anhörungsbehörde abgesagt, weil eine Bürgerinitiative die angemietete Halle blockierte.
Rz. 4
Verfahrensbegleitend war im Oktober 2008 ein Projektbeirat aus Vertretern des Bundes, des Landes Baden-Württemberg, der DB Netz AG, der Region und von Bürgerinitiativen gebildet worden. Dieser sprach sich im März 2012 für "Kernforderungen" aus, zu denen die so genannte Bürgertrasse gehörte, bei der die Gemeinde Buggingen umfahren und die Gleise von Mengen bis Müllheim-Hügelheim in Tieflage geführt werden sollten. Da die hierzu erforderlichen Umplanungen im nördlichen Bereich des Abschnitts 9.0 nicht kurzfristig erledigt werden konnten, beantragte die Beigeladene im September 2012, die Planfeststellung auf den streitgegenständlichen südlichen Abschnitt mit der Bezeichnung 9.0 b "Müllheim - Auggen" zu beschränken. Der ausgeklammerte nördliche Teil des Abschnitts 9.0 mit der Bezeichnung 9.0 a soll später planfestgestellt werden.
Rz. 5
Die Teilung des Planfeststellungsabschnitts machte Umplanungen erforderlich. Zwischen der Rheintalbahnstrecke 4000 und der Neubaustrecke 4280 wird im Bereich von ca. km 235,9 bis 236,6 (Anlage 1.1 S. 38) eine provisorische Gleisverbindung hergestellt, die ermöglicht, die Neubaustrecke sofort nach Fertigstellung in Betrieb zu nehmen. Die provisorische Verbindung soll bei Fertigstellung der Güterumfahrung Buggingen durch eine endgültige ersetzt werden. Der artenschutzrechtliche Fachbeitrag und der Landschaftspflegerische Begleitplan wurden überarbeitet; neue Schall- und Erschütterungsgutachten wurden erstellt, in denen die Zugzahlen nach der Prognose 2025 (anstatt 2015) berücksichtigt sind. Zu den geänderten Unterlagen wurden Anfang 2013 die jeweils betroffenen Grundstückseigentümer angehört; die betroffenen Fachbehörden und Naturschutzvereinigungen erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Entsprechend verfuhr die Planfeststellungsbehörde mit weiteren Änderungen der genannten Unterlagen, die die Beigeladene im September, November und Dezember 2013 einreichte.
Rz. 6
In seiner Sitzung am 26. Juni 2015 beschloss der Projektbeirat ferner, dass "die Antragstrasse zw. Hügelheim und Auggen [...] Lärmschutz über das gesetzliche Maß hinaus im Sinne von Vollschutz“ erhalten solle, sofern sich der Bund und das Land Baden-Württemberg die Mehrkosten teilten. Hierzu solle die Vorhabenträgerin ein ergänzendes Planfeststellungs- oder -genehmigungsverfahren einleiten.
Rz. 7
Mit Planfeststellungsbeschluss vom 16. Juli 2015 stellte das Eisenbahn-Bundesamt den Plan für den Planfeststellungsabschnitt 9.0 b fest. Der Gleisoberbau wird durchgehend auf Betonschwellen im Schotterbett erstellt. Im Bereich der Klägerinnen soll das Verfahren "besonders überwachtes Gleis" angewandt werden. Die Anwohner sollen durch bis zu 5,5 m hohe Lärmschutzwände vor Schienenlärm geschützt werden und teilweise ergänzend passiven Schallschutz erhalten.
Rz. 8
Mit ihrer rechtzeitig erhobenen und begründeten Klage machen die Klägerinnen geltend, der Planfeststellungsbeschluss verletze sie in ihren Rechten. Baugebiete würden mit zusätzlichem Lärm belastet und bauplanerische Spielräume auf Null reduziert. Das Ortsbild werde durch die Strecke beeinträchtigt, ebenso die kommunale Abwasserentsorgung. Auch müssten für das Vorhaben gemeindliche Grundstücke in Anspruch genommen werden. Der Planfeststellungsbeschluss leide an Verfahrensfehlern. Auf den Erörterungstermin im Juli 2009 sei zu Unrecht verzichtet worden. Der Umstand, dass Dritte den Termin stören wollten, sei kein Grund, ihn ganz abzusagen. Zu den nach der Abschnittsbildung überarbeiteten Planunterlagen hätten sie angehört werden müssen. Der Planfeststellungsbeschluss verstoße gegen zwingendes Recht. Die Lärmberechnungen berücksichtigten zu Unrecht noch den Schienenbonus. Die gesetzlichen Regelungen zum Hochwasserschutz würden missachtet, weil die Unterführung des Klemmbachs nicht so gestaltet sei, dass bei Hochwasserereignissen ein Auf- und Rückstau des Klemmbachs verhindert werde. Die Abschnittsbildung sei fehlerhaft. Sie führe zu einem Zwangspunkt für den nördlichen Teil des Abschnitts 9.0. Bei der Alternativenprüfung sei die eindeutig vorzugswürdige Tieflage der Trasse in ihren Ortsbereichen abwägungsfehlerhaft verworfen worden. Schließlich stehe der Verzicht auf einen Vollschutz in Widerspruch zur Entscheidung des Projektbeirats vom 26. Juni 2015. Die gewählte Verfahrensweise einer "aufgespaltenen" Planfeststellung führe zu einer Vorfestlegung und damit einer fehlerhaft verkürzten Abwägung im nachfolgenden Änderungsverfahren.
Rz. 9
Während des Klageverfahrens hat das Eisenbahn-Bundesamt mit Änderungsbescheid vom 21. Dezember 2016 - 1. Planänderung - antragsgemäß den Streckenabstand zwischen der Neubaustrecke und der Rheintalbahn unter Anwendung des aktuellen DB-Regelwerks um etwa 20 cm vergrößert sowie Folgeänderungen (wie die Streckenentwässerung, Länge und Breite der Bahnsteige im Bahnhof Müllheim, Straßenböschungen, Eisenbahnüberführungen u.a.) planfestgestellt.
Rz. 10
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat das Eisenbahn-Bundesamt eine Prozesserklärung zur Gestaltung der Unterführung des Klemmbachs abgegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 768 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Rz. 11
Die Klägerinnen beantragen,
den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 16. Juli 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides des Eisenbahn-Bundesamtes vom 21. Dezember 2016 aufzuheben.
Rz. 12
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Klagen abzuweisen.
Rz. 13
Sie treten dem Vorbringen der Klägerinnen insgesamt entgegen.
Entscheidungsgründe
Rz. 14
Die Klagen haben keinen Erfolg. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss verletzt die Klägerinnen nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dieser Prüfung zugrunde zu legen ist der Planfeststellungsbeschluss in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21. Dezember 2016 und der in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Prozesserklärung der Beklagten, auf die sich der Aufhebungsantrag bei sachdienlicher Auslegung ebenfalls erstreckt.
Rz. 15
A. Die Anfechtungsklagen sind zulässig, insbesondere sind die Klägerinnen klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Gemeinden können nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine umfassende Überprüfung eines eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses verlangen, sondern nur Beeinträchtigungen ihres durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten kommunalen Selbstverwaltungsrechts und ihres zivilrechtlich geschützten Eigentums rügen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. November 2017 - 3 A 2.15 [ECLI:DE:BVerwG:2017:091117U3A2.15.0] - juris Rn. 26 m.w.N.). Eine Verletzung dieser Rechte der Klägerinnen kann hier auf der Grundlage des Klägervortrags nicht offensichtlich ausgeschlossen werden.
Rz. 16
B. Die Klagen sind nicht begründet.
Rz. 17
I. Durchgreifende Fehler des Planfeststellungsverfahrens liegen nicht vor.
Rz. 18
1. Der Abbruch der - auf mehrere Termine verteilten - Erörterung der Einwendungen und Stellungnahmen im Juli 2009 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Gemäß § 18a Nr. 1 AEG in der seinerzeitig geltenden Fassung vom 9. Dezember 2006 kann die Anhörungsbehörde auf eine Erörterung verzichten. Diese Regelung ist unions- und völkerrechtlich unbedenklich (stRspr, BVerwG, Urteile vom 25. März 2015 - 9 A 1.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:250315U9A1.14.0] - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 238 Rn. 18 und vom 16. Juni 2016 - 9 A 4.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:160616U9A4.15.0] - Buchholz 407.4 § 17a FStrG Nr. 12 Rn. 17). Das Regierungspräsidium Freiburg hat das ihm eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt (§ 114 Satz 1 VwGO). Es ist nicht fraglich, dass die Blockade der für die Erörterung angemieteten Räumlichkeiten ein sachlicher Grund für die Absage eines anberaumten Erörterungstermins ist, insbesondere dann, wenn - wie hier - Störungen auch für den Fall einer etwa mit Polizeigewalt durchgesetzten Erörterung angekündigt sind. Der Erörterungstermin kann in solchen Fällen die ihm zugedachte Befriedigungsfunktion nicht erfüllen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 18).
Rz. 19
Es war auch nicht zulasten der Klägerinnen fehlerhaft, dass die Anhörungsbehörde von einer Nachholung des abgesetzten Termins abgesehen hat. Im Termin vom 25. bis 27. Februar 2008 waren die Einwendungen zu den Planfeststellungsabschnitten 8.3 und 9.0 mit den Klägerinnen erörtert worden. Welche Einwendungen der Klägerinnen nach der Erörterung vom Februar 2008 noch offen waren und in einem weiteren Termin hätten behandelt werden müssen, haben die Klägerinnen nicht aufgezeigt. Ein Erörterungsbedarf ist auch nicht erkennbar, nachdem der Vergleich der Antragstrasse mit der von den Klägerinnen präferierten Bürgertrasse bereits Gegenstand der Erörterung von 2008 war und im Juli 2009 nur noch die Antragstrasse abschließend erörtert werden sollte (Bekanntmachung vom 12. Juni 2009). Die von den Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung geltend gemachte abstrakte Möglichkeit, dass sich durch eine mündliche Aussprache Änderungen ergeben können, verkennt den Zweck des Erörterungstermins, über konkrete Einwendungen, soweit möglich, eine Einigung zu erzielen (§ 73 Abs. 6 Satz 1, § 74 Abs. 2 Satz 1 VwVfG). Es ist daher mit Blick auf die Belange der Klägerinnen nicht zu beanstanden, dass die Anhörungsbehörde dem zügigen Abschluss des Anhörungsverfahrens den Vorzug vor weiteren Erörterungen gegeben hat.
Rz. 20
2. Es war nicht geboten, die Klägerinnen nach der Änderung der Abschnittsbildung ergänzend anzuhören.
Rz. 21
§ 73 Abs. 8 Satz 1 VwVfG verlangt, Planänderungen mit der Gelegenheit zur Stellungnahme mitzuteilen, wenn sie den Aufgabenbereich einzelner Behörden oder Umweltvereinigungen oder Belange Dritter erstmalig oder stärker als bisher berühren. Zu den zusätzlich ausgelösten Grundstücksinanspruchnahmen sind die Klägerinnen durch Schreiben vom 21. Januar 2013 und 12. März 2014 ergänzend angehört worden. Durch die übrigen Folgen der Abschnittsänderung und der dadurch bedingten Umplanungen waren eigene Belange der Klägerinnen nicht erstmalig oder stärker betroffen.
Rz. 22
a) Die höheren Zugzahlen nach der neuen Prognose 2025 bleiben für die Klägerinnen ohne Auswirkungen. Die rechnerische Zunahme der Schienenverkehrsgeräusche wird - wie noch näher auszuführen ist (IV.2.b) aa)) - durch das geänderte Schallschutzkonzept, insbesondere durch aktive Maßnahmen wie die Anordnung des Besonders überwachten Gleises (PFB A.4.5.4.3., S. 21) ausgeglichen (Schalltechnische Untersuchung ≪STU≫, Anlage 19.0 S. 10). Soweit sich im nördlichen Bereich der Klägerin zu 2, der aus der Planfeststellung ausgeklammert worden ist, eine höhere Geräuschbelastung ergeben könnte, findet dies seine Ursache lediglich in der späteren Realisierung von Schallschutz, die sich aus dessen Verschiebung in ein nachfolgendes Planfeststellungsverfahren ergibt. Es spricht nichts dafür und ist auch nicht behauptet, dass durch eine vorübergehende verkehrsbedingte Geräuschzunahme im Norden Müllheims die Planungshoheit der Klägerin zu 2 oder die Nutzung gemeindeeigener Grundstücke oder gemeindlicher Einrichtungen beeinträchtigt würden.
Rz. 23
b) Die zusätzlichen Beeinträchtigungen durch höhere und längere Schallschutzwände auf dem Gebiet der Klägerin zu 1 fallen gegenüber der ausgelegten Planung nicht ins Gewicht. Aus dem in den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG fallenden Selbstgestaltungsrecht einer Gemeinde erwachsen Abwehransprüche allenfalls dann, wenn die Gemeinde durch Maßnahmen betroffen wird, die das Ortsbild entscheidend prägen und hierdurch nachhaltig auf das Gemeindegebiet und die Entwicklung der Gemeinde einwirken (BVerwG, Urteil vom 27. April 2017 - 9 A 31.15 [ECLI:DE:BVerwG:2017:270417U9A31.15.0] - juris Rn. 26 m.w.N.). Im Ortsbereich der Klägerin zu 1 ist östlich der Trasse auf einer Länge von 680 m (km 239,400 bis 240,080) eine gegenüber der ausgelegten Planung um 1,5 m höhere Schallschutzwand von 5,5 m über Schienenoberkante vorgesehen (PFB Anlage 3 Blatt 14a; STU Anlage 19 S. 64). Im südlichen Ortsbereich verlängert sich die Schallschutzwand um 500 m. Nach den konkreten örtlichen Verhältnissen führt dies nicht zu einer für das Selbstgestaltungsrecht der Klägerin zu 1 relevanten stärkeren oder neuen Beeinträchtigung des Ortsbildes. Die betroffenen Grundstücke liegen zwischen der Bahnstrecke und der Bundesstraße 3; sie werden überwiegend gewerblich genutzt (PFB Anlage 19.2 Blatt 1 oder 2). Nur an der Bahnhofstraße befindet sich Wohnbebauung. Der östlich der B 3 liegende Ortskern wird nicht zusätzlich beeinträchtigt.
Rz. 24
c) Im Hinblick auf die Querung des Klemmbachs wurde deren ursprünglich vorgesehen Verlegung um ca. 19 m nach Norden durch die Planänderung wieder aufgegeben. Der Durchlass für den Klemmbach wäre auch im Falle der Verlegung nicht größer gewesen (PFB Anlage 6 Blatt 18a/18b). Inwieweit sich durch das Festhalten am bisherigen Bachverlauf die Hochwassergefahr vergrößert haben sollte, ist weder dargelegt noch ersichtlich.
Rz. 25
d) Die Abschnittsbildung hat schließlich nicht zu einem Zwangspunkt geführt, der in nachfolgenden Planfeststellungsabschnitten Rechtspositionen der Klägerinnen mindern könnte und ihre Anhörung erfordert hätte. Die gewählte Abschnittsbildung soll die Entscheidung zwischen der bisherigen Planung und der so genannten Bürgertrasse (Tieflage zwischen Mengen bis Hügelheim) für den nördlichen Abschnitt gerade offenhalten. Die von der Klägerin zu 2 geforderte Tieflage im nördlich anschließenden Abschnitt von Mengen bis Müllheim-Hügelheim bleibt weiterhin möglich (PFB S. 90). Die von den Klägerinnen für vorzugswürdig gehaltene Tieflage im hier streitigen Planfeststellungsabschnitt südlich von Hügelheim wird nicht durch die Abschnittsbildung ausgeschlossen, sondern durch die Feststellung der oberirdischen Trasse im vorliegenden Planfeststellungsbeschluss.
Rz. 26
II. Der Planfeststellungsbeschluss verletzt keine dem Schutz der Klägerinnen dienenden Vorschriften des zwingenden Rechts.
Rz. 27
1. Die Klägerinnen können sich nicht mit Erfolg dagegen wenden, dass die Beklagte ihrem Schallschutzkonzept Beurteilungspegel zugrunde gelegt hat, in denen nach der Fassung der hier anwendbaren 16. BImSchV 1990 (§ 43 Abs. 1 Satz 2 BImSchG) noch der Schienenbonus (Korrektursummand S in der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV a.F.) berücksichtigt ist. Der Schienenbonus ist Bestandteil des gesetzlichen Schutzkonzepts nach §§ 41 ff. BImSchG, das dem allgemeinen öffentlichen Interesse und dem Schutz Betroffener dient, aber nicht dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht zugeordnet ist. Gemeinden sind im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes nicht befugt, Lärmschutzinteressen ihrer Bürger geltend zu machen und sich damit zu Sachwalterinnen von Rechten Dritter bzw. des Gemeinwohls zu machen. Belastungen gemeindeeigener Grundstücke durch Immissionen können Gemeinden als Eingriff in ihr Eigentum nur rügen, wenn Nutzer oder Bewohner in rechtswidriger Weise Immissionen ausgesetzt würden (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:151216U4A4.15.0] - BVerwG 157, 73 Rn. 13 und 17). Das haben die Klägerinnen nicht behauptet.
Rz. 28
2. Das Planvorhaben verstößt nicht gegen zwingende Vorgaben zum vorbeugenden Hochwasserschutz.
Rz. 29
Die Erweiterung der Eisenbahnlinie führt zwar durch ein festgesetztes Überschwemmungsgebiet (a) und stellt mit der Verbreiterung der Bahndämme auch ein dort grundsätzlich untersagtes Vorhaben dar (b). Die Beklagte durfte hiervon aber eine Ausnahme zulassen, weil das Vorhaben keine wesentliche Beeinträchtigung von Hochwasserschutzbelangen mit sich bringt (c). Damit ist zugleich dem Gebot der Problembewältigung Genüge getan (d).
Rz. 30
a) Das Planvorhaben liegt im räumlichen Anwendungsbereich des Schutzregimes für festgesetzte Überschwemmungsgebiete.
Rz. 31
Die besonderen Schutzvorschriften des § 78 Abs. 1 WHG in der hier noch maßgebenden Fassung vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585) gelten nach dessen klaren Wortlaut nur in festgesetzten Überschwemmungsgebieten. Das Vorliegen eines "faktischen Überschwemmungsgebiets", das zwar die materiellen Voraussetzungen des § 76 Abs. 1 Satz 1 WHG erfüllt, nicht aber festgesetzt oder durch eine Kartierung vorläufig gesichert worden ist (vgl. § 78 Abs. 6 i.V.m. § 76 Abs. 3 WHG), reicht demnach nicht aus (BVerwG, Urteil vom 9. November 2017 - 3 A 4.15 [ECLI:DE:BVerwG:2017:091117U3A4.15.0] - juris Rn. 92; Breuer/Gärditz, Öffentliches und privates Wasserrecht, 4. Aufl. 2017 Rn. 1326).
Rz. 32
aa) Die Festsetzung hat gemäß § 76 Abs. 2 WHG durch Rechtsverordnung der Landesregierung oder einer von ihr bestimmten anderen Landesbehörde zu erfolgen. Die Rechtsform der Festsetzung durch Rechtsverordnung ist damit ausdrücklich vorgeschrieben. Die Regelung im Land Baden-Württemberg weicht hiervon ab. Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Wassergesetzes Baden-Württemberg vom 3. Dezember 2013 (GBl. 2013 S. 389 - WG -) gelten u.a. die Gebiete, in denen ein Hochwasserereignis statistisch einmal in 100 Jahren zu erwarten ist, als festgesetzte Überschwemmungsgebiete, ohne dass es einer weiteren Festsetzung bedarf. Diese Überschwemmungsgebiete werden nach § 65 Abs. 1 Satz 2 WG in Karten mit deklaratorischer Bedeutung eingetragen. Die Regelung geht damit von einer Festsetzung der Überschwemmungsgebiete unmittelbar durch das Wassergesetz aus (vgl. LT-Drs. 15/3760 S. 153).
Rz. 33
bb) Zu dieser Abweichung war das Land aufgrund der Anordnung in Art. 80 Abs. 4 GG befugt. Die Bestimmung ermöglicht indes nur einen Rechtsformentausch. Auch wenn von der bundesrechtlichen Ermächtigung nicht durch Rechtsverordnung, sondern durch Landesgesetz Gebrauch gemacht wird (kritisch hierzu Czychowski/Reinhardt, WHG, 11. Aufl. 2014, § 76 Rn. 13), gelten die in § 76 WHG für die Festsetzung eines Überschwemmungsgebiets bestimmten Voraussetzungen. Die Festsetzung muss zudem, weil sich aus ihr unmittelbar die in § 78 Abs. 1 WHG benannten Beschränkungen ergeben, dem Bestimmtheitsgebot genügen. Aus dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot folgt das Erfordernis einer klaren Abgrenzung des räumlichen Geltungsbereichs (vgl. Breuer/Gärditz, Öffentliches und privates Wasserrecht, 4. Aufl. 2017 Rn. 1317).
Rz. 34
cc) Diesen Anforderungen kann ohne Publikation einer parzellenscharfen Karte - oder jedenfalls einer entsprechend genauen textlichen Beschreibung des räumlichen Geltungsbereichs - nicht hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1967- 4 C 105.65 - BVerwGE 26, 129 und VGH München, Urteil vom 13. Juli 1989 - 22 N 87.870 [ECLI:DE:BAYVGH:1989:0713.22N87.870.0A] - BayVBl 1990, 185; zum Erfordernis der Erstellung von Karten auch Art. 6 der RL 2007/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken, ABl. L 288 S. 27). Den in § 65 Abs. 1 Satz 2 WG benannten Karten dürfte daher in verfassungskonformer Auslegung eine konstitutive Wirkung beizumessen sein (ebenso Bulling/Finkenbeiner/Eckardt/Kibele, Wassergesetz für Baden-Württemberg, Stand: Mai 2016, § 65 Rn. 21 ff.). Von einem festgesetzten Überschwemmungsgebiet dürfte erst dann ausgegangen werden können, wenn gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 WG auf die Möglichkeit der Einsichtnahme in die im Internet bereitgestellten Karten durch öffentliche Bekanntmachung hingewiesen worden ist (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 29. Juli 2014 - 3 S 2278/12 [ECLI:DE:VGHBW:2014:0729.3S2278.12.0A] - juris Rn. 70).
Rz. 35
dd) Diese Voraussetzungen waren im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des angefochten Planfeststellungsbeschlusses nicht erfüllt. Jedoch liegt das Planvorhaben im räumlichen Geltungsbereich des durch Rechtsverordnung des Landratsamtes Breisgau-Hochschwarzwald vom 1. Juni 1989 entlang der Hügelheimer Runs festgesetzten Überschwemmungsgebiets. Diese Verordnung, die das Überschwemmungsgebiet sowohl textlich als auch in Übersichtsplänen und in Flurkarten im Maßstab 1: 2500 abgegrenzt hat (§ 1 Abs. 2 und 3 der Verordnung), gilt wegen der in § 128 Abs. 4 WG getroffenen Übergangsregelung ungeachtet der neuen Festsetzungssystematik fort.
Rz. 36
b) Das Planvorhaben erfüllt auch einen Untersagungstatbestand.
Rz. 37
Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WHG ist die Errichtung von Mauern, Wällen oder ähnlichen Anlagen quer zur Fließrichtung des Wassers bei Überschwemmungen untersagt. Der mit dem Planvorhaben genehmigte Bau von zwei zusätzlichen Gleisen und die damit verbundene Verbreiterung der vorhandenen Bahndämme ist eine Errichtung in diesem Sinne.
Rz. 38
Diese Einordnung könnte zwar im Hinblick auf den Wortlaut der Bestimmungen zweifelhaft sein: Während in § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WHG ausdrücklich die Errichtung oder Erweiterung von Anlagen benannt ist, fehlt eine entsprechende Ausdehnung im Tatbestand des § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WHG. Der durch das Planvorhaben in Bezug genommene Bahndamm besteht aber bereits; er soll nicht "errichtet", sondern lediglich verbreitert werden, um die vorhandene zweigleisige Bahnlinie auf vier Gleise zu erweitern. Im Hinblick auf den mit der Norm beabsichtigten Hochwasserschutz muss aber auch die Verbreiterung einer bestehenden Anlage als Errichtung eines Querbaus bewertet werden. Anderenfalls könnte nicht sichergestellt werden, dass hochwasserrelevante Erweiterungen unterbleiben oder jedenfalls auf ihre möglichen Auswirkungen hin untersucht werden.
Rz. 39
c) Die Beklagte durfte das Planvorhaben gleichwohl zulassen, weil die Ausnahmevoraussetzungen nach § 78 Abs. 4 Satz 1 WHG erfüllt sind. Eine ausdrückliche Entscheidung hierüber im Planfeststellungsbeschluss ist wegen dessen Konzentrationswirkung nicht erforderlich (§ 18c AEG i.V.m. § 75 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwVfG; hierzu auch Urteil des Senats vom 9. November 2017 - 3 A 4.15 - juris Rn. 91).
Rz. 40
aa) Nach § 78 Abs. 4 Satz 1 WHG können unter anderem Maßnahmen nach § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WHG zugelassen werden, wenn (1) Belange des Wohls der Allgemeinheit dem nicht entgegenstehen, der Hochwasserabfluss und die Hochwasserrückhaltung nicht wesentlich beeinträchtigt werden und (2) eine Gefährdung von Leben oder erhebliche Gesundheits- oder Sachschäden nicht zu befürchten sind oder die unter (1) und (2) beschriebenen nachteiligen Auswirkungen ausgeglichen werden können. Diese Voraussetzungen hat die Beklagte ohne zu beanstandenden Rechtsfehler als erfüllt angesehen.
Rz. 41
bb) Im Planfeststellungsbeschluss (S. 215) ist insoweit ausgeführt, dass nach den gutachterlichen Angaben eine Beeinträchtigung des Überschwemmungsgebiets nicht zu erwarten ist. Als Ausgleich für die mit der Dammverbreiterung verbundene Reduzierung des Retentionsvolumens sei die Verlegung der Hügelheimer Runs und ihrer Querung geplant; hierdurch ergebe sich insgesamt eine Verbesserung der Abflusssituation. Diese Einschätzung ist von der zuständigen Wasserbehörde geteilt worden (Stellungnahmen des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald vom 18. Juli 2005, 16. Februar 2009 und 1. August 2014). Sie ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Rz. 42
cc) Eine wesentliche Beeinträchtigung des Hochwasserabflusses ist nicht zu erwarten. Das gilt auch für die neu geplante Eisenbahnüberführung über den Klemmbach. Nach dem Erläuterungsbericht Hydraulische Berechnungen Strecke (Planungsstand: 26.02.2016, Anlage 8.1.1 S. 18 ff.) führt die Reduzierung der maximalen Fließquerschnittshöhe zwar im Hochwasserfall zu einem Einstau; da das Wasser aber unter Druck abfließe, sei ein Überstau nicht zu besorgen. Zur Gewährleistung der hierfür erforderlichen Fließgeschwindigkeit müsse die Bachsohle zwischen Flusskilometer 360 bis 389 eingetieft und dadurch ein Anlaufgefälle von 2% erreicht werden. Diese Anforderungen sind durch den planfestgestellten Höhenplan Gewässer Klemmbach (PFB Anlage 8.3, Blatt 2a) umgesetzt. Im Bereich des Kreuzungsbauwerks könne - so der Erläuterungsbericht - durch den Einbau eines Betontrogs eine Fließgeschwindigkeit von 80 cbm/s gewährleistet werden.
Rz. 43
Der Befund wird durch die im Klageverfahren nachgereichten Sachverständigengutachten bestätigt. Ausweislich der hydraulischen Untersuchung EÜ Klemmbach - Erläuterungsbericht Juli 2016 - führt die Verringerung des Abflussquerschnitts an der neu geplanten Eisenbahnüberführung Klemmbach zwar zu einer Engstelle. Der Abfluss im Hochwasserfall sei jedoch auch bei gleichbleibender lichter Breite von 3,5 m und einer Reduzierung der lichten Höhe des Querungsbauwerks auf 0,53 m sichergestellt; eine Erhöhung der Wasserspiegellage sei nicht zu erwarten. Hierfür müsse die Sohle im Oberwasser steiler gestaltet und das Bauwerk mit einem Gefälle von ca. 1,8% angelaufen werden. Um den Abfluss auch unter Druckabflussverhältnissen gewährleisten zu können, werde der Einbau eines Geschwemmselfangs empfohlen. Darüber hinaus seien alle Bruchkanten auszurunden, um eine strömungsgünstige Situation im Bauwerksbereich zu erreichen. Aus der hydraulischen Untersuchung EÜ Klemmbach - Risikobewertung Juli 2017 - ergibt sich weiterhin, dass auch bei einer 50%igen Verlegung des Bauwerks durch Treibgut ein Wasserübertritt im Umfeld des Bauwerks noch nicht befürchtet werden muss.
Rz. 44
dd) Diese Sachverständigenaussagen sind in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachvollziehbar und widerspruchsfrei erläutert worden. Dies gilt auch für den von Klägerseite erhobenen Einwand, bei den Berechnungen sei die mögliche Verschlechterung der hydraulischen Situation bei Einbau eines Geschwemmselfangs nicht berücksichtigt worden. Der Sachverständige hat hierzu dargelegt, da der erforderliche Abfluss selbst bei einem Verlegungsgrad von 50% sichergestellt sei, berge die Abflussbeeinträchtigung durch einen Geschwemmselfang mit Sicherheit kein Rückstaurisiko. Bedenken hiergegen sind nicht ersichtlich. Entsprechendes gilt für die in den Gutachten nicht berücksichtigten Zuflüsse aus dem Oberflächenwasser der angrenzenden Grundstücke. Auch insoweit hat der Gutachter in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass diese Entwässerung angesichts ihres potentiellen Umfangs nicht geeignet sei, die ermittelten Werte im Ergebnis infrage zu stellen. Zweifel an der hinreichenden Leistungsfähigkeit des geplanten Hochwasserabflusses bestehen danach nicht.
Rz. 45
ee) Allerdings war der Einbau eines Geschwemmselfangs im Planfeststellungsbeschluss ursprünglich nicht angeordnet. Überdies finden sich in den Planunterlagen unterschiedliche Maße für die lichte Höhe des Abflussquerschnitts am Kreuzungsbauwerk EÜ Klemmbach. Diese Mängel hat die Beklagte jedoch durch die in der mündlichen Verhandlung abgegebene Prozesserklärung beseitigt. Sie hat die festgestellten Pläne zur Eisenbahnüberführung Klemmbach (Bauwerksverzeichnis lfd. Nr. 621b) dahin konkretisiert, dass die lichte Höhe mindestens 0,53 m betragen muss. Somit stimmen nunmehr die planfestgestellten Anforderungen an das Bauwerk mit den im Sachverständigengutachten zugrunde gelegten Parametern überein. Außerdem hat die Beklagte die beigeladene Vorhabenträgerin verpflichtet, die im Gutachten vom Juli 2017 bezeichneten weiteren Maßnahmen des Hochwasserschutzes vorzunehmen, also sämtliche wasserzugewandten Bauwerkskanten auszurunden und den Geschwemmselfang in näher bezeichneter Weise einzubauen.
Rz. 46
Die Beigeladene hat der Prozesserklärung der Beklagten zugestimmt. Dadurch ist hinreichend Vorsorge gegen eine Verlegung der Engstelle durch Treibgut getroffen. Da der Geschwemmselfang an frei zugänglicher Stelle befestigt wird, kann auch davon ausgegangen werden, dass seine Freihaltung, die dem Träger der Gewässerunterhaltungslast obliegt, dauerhaft gewährleistet ist.
Rz. 47
ff) Anhaltspunkte dafür, dass der Hochwasserretentionsraum durch den Bau der zusätzlichen Gleise mehr als geringfügig verringert werden könnte, sind nicht ersichtlich.
Rz. 48
d) Durch die planfestgestellten Anforderungen an die Eisenbahnüberführung über den Klemmbach ist auch dem Gebot der Problembewältigung Rechnung getragen.
Rz. 49
Dieser Grundsatz fordert, dass alle durch das festzustellende Vorhaben verursachten Konflikte grundsätzlich schon im Planfeststellungsbeschluss gelöst werden. Hiervon ausgenommen ist die Gestaltung der Bauausführung, soweit sie lediglich technische, nach dem Stand der Technik lösbare Probleme aufwirft und gewährleistet ist, dass die dem Stand der Technik entsprechenden Vorgaben beachtet werden (BVerwG, Urteil vom 8. September 2016 - 3 A 5.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:080916U3A5.15.0] - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 75 Rn. 27).
Rz. 50
Durch die Anordnung des Einbaus eines Geschwemmselfangs, die Verpflichtung zur Ausrundung der wasserzugewandten Bauwerkskanten und das vorgegebene Gefälle von 2,0% im Oberlauf des Kreuzungsbauwerks löst der Planfeststellungsbeschluss die Folgeprobleme der neuen Eisenbahnüberführung für den Hochwasserschutz in hinreichender Weise. Die weiteren Detailfragen der Gestaltung durften der Bauausführung vorbehalten werden. Mit der bereits im Planfeststellungsbeschluss (S. 29 und 216 f.) enthaltenen Auflage, die Ausführung des Gewässerausbaus mit der Wasserbehörde abzustimmen, und der mit der Prozesserklärung erweiterten Verpflichtung, die Einzelheiten der Dimensionierung und der Ausgestaltung vor Bauausführung der Planfeststellungsbehörde zur Freigabe vorzulegen, ist schließlich sichergestellt, dass die festgestellten Anforderungen an die Eisenbahnüberführung und den Geschwemmselfang auch tatsächlich erfüllt werden.
Rz. 51
III. Die Abschnittsbildung weist keine Fehler auf.
Rz. 52
Einem Planungsträger steht es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in den Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit frei, sein Vorhaben in Abschnitten zu verwirklichen. Dritte können regelmäßig nicht beanspruchen, dass über die Zulassung eines Vorhabens insgesamt, vollständig und abschließend in einem einzigen Bescheid entschieden wird. Jedoch kann eine Abschnittsbildung Dritte in ihren Rechten verletzen, wenn sie deren durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleisteten Rechtsschutz faktisch unmöglich macht oder dazu führt, dass die abschnittsweise Planfeststellung dem Grundsatz umfassender Problembewältigung nicht gerecht werden kann, oder wenn ein gebildeter Abschnitt der eigenen sachlichen Rechtfertigung vor dem Hintergrund der Gesamtplanung entbehrt. Zudem dürfen nach einer summarischen Prüfung der Verwirklichung des Gesamtvorhabens auch im weiteren Verlauf keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen (stRspr, BVerwG, Urteil vom 14. Juni 2017 - 4 A 11.16 u.a. ECLI:DE:BVerwG:2017:140617U4A11.16.0 - BVerwGE 159, 121 Rn. 31 m.w.N.).
Rz. 53
1. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Abschnittsbildung nicht zu beanstanden. Sie ist durch das Interesse an der zügigen Fortführung des in den vordringlichen Bedarf aufgenommenen Planfeststellungsverfahrens gerechtfertigt, nachdem (nur) für den nördlichen Teil des Abschnitts 9.0 infolge der Umsetzung des von der Beigeladenen aufgegriffenen Projektbeiratsbeschlusses vom 5. März 2012 die Entscheidungsreife entfallen war. Dass der Verwirklichung des Gesamtvorhabens unüberwindliche Hindernisse entgegenstehen könnten, ist weder geltend gemacht noch angesichts der weit fortgeschrittenen und verwirklichten Gesamtplanung in den übrigen Planfeststellungsabschnitten ersichtlich.
Rz. 54
2. Ebenso wenig ist zu erkennen, dass mit der Aufteilung Rechte der Klägerinnen verletzt werden. Die Rüge der Klägerin zu 2, dass durch die Teilung des Abschnitts 9.0 ein Zwangspunkt geschaffen worden sei, der in den Folgeabschnitten 8.3 und 9.0 a die Planfeststellung einer sich dort aufdrängenden Vorzugsvariante verhindere, ist - wie oben (I. 2. d) ausgeführt - unbegründet.
Rz. 55
IV. Die Entscheidung der Beklagten zugunsten des planfestgestellten oberirdischen Trassenverlaufs leidet nicht an Abwägungsmängeln zu Lasten eigener Belange der Klägerinnen.
Rz. 56
Die Auswahl unter verschiedenen, ernstlich in Betracht kommenden Ausführungsvarianten eines Vorhabens ist ungeachtet hierbei zu beachtender, rechtlich zwingender Vorgaben eine fachplanerische Abwägungsentscheidung. Das Gericht kann die Ausübung der dazu eingeräumten planerischen Gestaltungsfreiheit nur auf die Einhaltung der Grenzen dieser Gestaltungsfreiheit überprüfen. Sie sind nur dann überschritten, wenn der Behörde bei der Auswahl infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist oder wenn sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eine andere als die gewählte Trassenführung eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere hätte aufdrängen müssen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, durch eigene Ermittlungen ersatzweise zu planen und sich hierbei gar von Erwägungen einer "besseren" Planung leiten zu lassen (BVerwG, Urteil vom 9. November 2017 - 3 A 4.15 - juris Rn. 98 m.w.N.).
Rz. 57
1. Im vorliegenden Planfeststellungsabschnitt drängt sich keine der erwogenen alternativen Trassenführungen als eindeutig vorzugswürdig auf. Die im Planfeststellungsverfahren untersuchten Varianten zeichnen sich, jeweils bei Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen, durch wechselnde Vorzüge und Probleme auf, die keiner Variante einen klaren Vorsprung verschaffen. Die Planfeststellungsbehörde ist daher zu Recht in eine Prüfung der Vor- und Nachteile der Varianten eingetreten und hat sich auf der Grundlage nicht zu beanstandender Erwägungen für die Antragstrasse und gegen die in Betracht kommenden Varianten einer Tieferlegung der Trasse auf den Gemeindegebieten der Klägerinnen entschieden.
Rz. 58
2. Die Tieferlegung aller vier Gleise im Ortsbereich der Klägerin zu 1 ("Bürgertrasse") hat die Planfeststellungsbehörde mit tragfähigen Erwägungen abgelehnt (PFB S. 94 ff.).
Rz. 59
a) Sie hat nicht verkannt, dass die Tieferlegung der Gleise um bis zu 8 m unter Geländeniveau für die Gemeinde im Hinblick auf ihre Schutzwürdigkeit als Wein- und Erholungsort Vorteile hätte, wegen der geringeren Trennwirkung der Trasse besonders für das Landschaftsbild (PFB S. 97 4. Absatz; vgl. auch PFB S. 98). Die nachfolgende Aussage, dass auch bei der Tieferlegung eine Schallschutzwand auf der Ostseite "in gleicher Höhe wie bei der Antragstrasse" erforderlich sei (PFB S. 97 letzter Absatz), bezieht sich nicht auf die zuvor erwogene Trennungswirkung, sondern auf die Kosten der Schallschutzwand. Insoweit kommt es auf die Fragen, ob die Höhe der Schallschutzwand ab Schienen- oder Geländeoberkante gemessen wird und ob die Antragstrasse in einer Dammlage verläuft, nicht an. Den Vorteilen für das Orts- und Landschaftsbild stünden allerdings verschiedene Probleme mit Gewicht gegenüber, deren Lösung die Planfeststellungsbehörde für möglich erachtet, aber nur unter Inkaufnahme von Folgeproblemen. Die Probleme ergeben sich vor allem aus der Längsneigung der Trasse mit einer Absenkung der Gleise bis in den Bahnhofsbereich der Klägerin zu 2 hinein. Die Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung plausibel erläutert, dass die vorhandenen Weichen zwischen km 238,0 und 238,4 (Anlage 3 Blatt 12a) Einfahrweichen für den Bahnhof Müllheim sind und damit im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 EBO die Grenze zwischen dem Bahnhof und der freien Strecke markieren. Damit hält es sich innerhalb des Einschätzungsspielraums der Behörde, die Tieferlegung wegen der deutlich höheren Baukosten dieser Variante zu verwerfen (PFB S. 98). Dass das Abstellen auf die Baukosten ein tragfähiger Gesichtspunkt ist, der im Rahmen der Abwägung gemäß § 18 Satz 2 AEG berücksichtigt werden muss und den Ausschlag geben darf, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 3 A 1.16 [ECLI:DE:BVerwG:2017:290617U3A1.16.0] - DVBl 2018, 187 Rn. 154 m.w.N.). Die Klägerin zu 1 bestreitet nicht, dass die Tieferlegung erhebliche Mehrkosten verursachen würde, sondern schätzt lediglich deren Höhe geringer ein als die Beigeladene. Die Planfeststellungsbehörde hat ihrer Abwägung aber nicht nur die von der Beigeladenen angegebenen Mehrkosten von maximal 35 Mio Euro, sondern alternativ auch den von der Klägerin zu 1 ermittelten Betrag von nur 24,7 Mio Euro zugrunde gelegt. Ob die Mehrkosten im Verhältnis zu den Gesamtkosten aller Abschnitte ins Gewicht fallen, ist für die Rechtmäßigkeit der Planfeststellung im streitigen Abschnitt ohne Aussagekraft.
Rz. 60
b) Der Planfeststellungsbeschluss (S. 98) führt aus, dass den Mehrkosten keine Vorteile gegenüber stehen, die ihre Aufbringung rechtfertigen. Das ist nicht zu beanstanden. Eine Gemeinde kann, vergleichbar einem von dem Vorhaben mittelbar Betroffenen, eine gerichtliche Kontrolle der planerischen Abwägungsentscheidung nur hinsichtlich ihrer eigenen Belange und - wegen der insoweit bestehenden Wechselbeziehung - der ihren Belangen gegenübergestellten, für das Vorhaben streitenden öffentlichen Belange verlangen. Ob andere gegen das Vorhaben sprechende Belange ordnungsgemäß berücksichtigt worden sind, kann sie demgegenüber ebenso wenig geltend machen wie die Frage, ob Rechtsnormen beachtet wurden, die nicht ihrem Schutz zu dienen bestimmt sind (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 9. November 2017 - 3 A 2.15 - juris Rn. 34 m.w.N.). Eigene Belange der Klägerin zu 1 werden durch die Tieferlegung allenfalls in geringem Umfang begünstigt.
Rz. 61
aa) Die kommunale Planungshoheit der Klägerin zu 1 wird weder durch die Antragstrasse noch durch die Tieferlegung beeinträchtigt. Eine wehrfähige, in die Abwägung nach § 18 Satz 2 AEG einzubeziehende Rechtsposition vermittelt die Planungshoheit nur dann, wenn das Vorhaben nachhaltig eine bestimmte Planung der Gemeinde stört, wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren gemeindlichen Planung entzieht oder erheblich gemeindliche Einrichtungen beeinträchtigt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2017 - 9 A 31.15 - juris Rn. 15 m.w.N.). Im Fall der Klägerinnen kommt nur in Betracht, dass sich ein vorhabenbedingter Lärmzuwachs auf wesentliche Teile von Baugebieten auswirkt, die in Bebauungsplänen ausgewiesen sind (BVerwG, Urteil vom 27. April 2017 a.a.O. Rn. 17). Eine solche Störung bestehender Planungen ist aber auch bei Verwirklichung der Antragstrasse nicht zu erwarten. Aus der Schalltechnischen Untersuchung ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstrasse auf dem Gemeindegebiet der Klägerin zu 1 vorhabenbedingt zu einem für die Planungshoheit relevanten Lärmzuwachs führen könnte. Im Gegenteil: Die prognostizierte Verkehrszunahme - im Bereich des Güterverkehrs ist für den Prognose-Planfall 2025 gegenüber dem Prognose-Nullfall 2015 in etwa mit einer Verdoppelung der Zugzahlen zu rechnen (Anlage 1 ≪Erläuterungsbericht≫ S. 39; Erläuterungsbericht 1. Planänderung S. 7) - wird ausweislich der Schalltechnischen Untersuchung (Anlage 19) durch das Besonders überwachte Gleis, für das eine Pegelminderung von 3 dB (A) angesetzt werden darf (BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 3 A 1.16 - DVBl 2018, 187 Rn. 79; vgl. PFB S. 21 - 23, 128 - 130), und die erstmalige Errichtung von Schallschutzwänden an den allermeisten Immissionspunkten mehr als kompensiert werden. Die Gesamtlärmbetrachtung bestätigt dies. Sie hat ergeben, dass das Vorhaben im Bereich der Ortslage Auggen sowohl am Tag als auch in der Nacht - nachts mit Ausnahme des westlich der Bahntrasse gelegenen Immissionspunkts 112 (...str....) - zu deutlichen Entlastungen führen wird (Anlage 19.4 S. 23 f. mit Anhang 2.2; Anlage 19.4.3 Blatt 1 und 2). Die Grenzwerte der 16. BImSchV für den Schienenlärm werden am Tag eingehalten; nachts verbleiben für 48 Schutzfälle Grenzwertüberschreitungen (PFB S. 148), insbesondere in der Nähe des Bahnhofs. Die hiervon Betroffenen (Anlage 19 Anhang 3.2) können durch passive Schallschutzmaßnahmen geschützt werden. Inwiefern die Planungshoheit der Klägerin zu 1 durch die nächtlichen Grenzwertüberschreitungen beeinträchtigt werden sollte, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Die Belange der betroffenen Anwohner kann die Klägerin zu 1 nicht geltend machen. Eine Tieferlegung der Gleise könnte die Lärmsituation zwar weiter verbessern und der Klägerin zu 1 dadurch möglicherweise neue Planungsmöglichkeiten eröffnen; dass sie im Zeitpunkt der Planfeststellung konkrete Planungsabsichten hatte, die die Planfeststellungsbehörde hätte abwägend berücksichtigen müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2017 - 9 A 31.15 - juris Rn. 17), hat sie jedoch nicht geltend gemacht.
Rz. 62
bb) Für das Ortsbild würde sich eine Tieferlegung günstig auswirken. Das hat die Planfeststellungsbehörde - wie dargelegt (IV.2.a) - zutreffend erkannt. Dass sie diesen Belang wegen der Mehrkosten zurückgestellt hat, ist nicht zu beanstanden, denn auch die Antragstrasse beeinträchtigt das Selbstgestaltungsrecht nicht. Das Selbstgestaltungsrecht ist - wie ebenfalls bereits dargelegt (I.2.b) - nur gegen Maßnahmen geschützt, die das Ortsbild entscheidend prägen und hierdurch nachhaltig auf das Gemeindegebiet und die Entwicklung der Gemeinde einwirken (BVerwG, Urteil vom 27. April 2017 - 9 A 31.15 - juris Rn. 26). Das ist bezogen auf die im Bereich der Klägerin zu 1 vorgesehenen Schallschutzwände nicht der Fall. Das Gemeindegebiet ist durch die bestehende Trasse und deren trennende Wirkung vorbelastet. Diese Vorbelastung wird durch die planfestgestellten Schallschutzwände nicht in einem das Selbstgestaltungsrecht verletzenden Ausmaß erhöht. Der Planfeststellungsbeschluss weist zutreffend darauf hin, dass - wie oben dargelegt - die Trasse am westlichen Ortsrand der Klägerin zu 1 verläuft und die hohen Wände nur im Nahbereich der Trasse sichtbar sein werden, wo sich im Wesentlichen Gewerbegebiete befinden, nicht aber im Kernort, der sich östlich der B 3 befindet.
Rz. 63
cc) Entsprechendes gilt für gemeindliches Eigentum. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass bei Wahl der Alternativtrasse trotz des höheren Flächenbedarfs auf die Inanspruchnahme gemeindeeigener Flächen verzichtet werden könnte.
Rz. 64
3. Fehlerfrei verworfen hat die Planfeststellungsbehörde auch die "optimierte Kernforderung 6" (im Folgenden: oKF6). Nach dieser von den Klägerinnen gemäß einem Projektbeiratsbeschluss in das Verfahren eingeführten Variante sollen die beiden Neubaugleise der Güterzugtrasse über den gesamten Planfeststellungsabschnitt in Tieflage parallel zur bestehenden Rheintalbahn weitergeführt und in Auggen höhengleich auf die Ostseite der Rheintalbahn verschwenkt und zum Katzenbergtunnel geführt werden. In den Bebauungsbereichen der Klägerinnen soll die Trasse gedeckelt werden; zwischen Buggingen und Auggen soll ein zusätzliches Nahverkehrsgleis gebaut und in Buggingen mittels Weichen höhengleich mit der Bestandsstrecke verknüpft werden (vgl. PFB S. 99).
Rz. 65
a) Abgesehen von der Frage, ob die oKF6 wegen des zusätzlich erforderlichen Nahverkehrsgleises nicht bereits auf ein anderes Projekt hinausläuft und also von einer abwägungsbedürftigen Variante des Vorhabens nicht mehr gesprochen werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 32 m.w.N.), sind die Gründe, aus denen sich die Planfeststellungsbehörde gegen die oKF6 entschieden hat, nicht zu beanstanden.
Rz. 66
Die Planfeststellungsbehörde geht davon aus, dass die oKF6 zu Fahrzeitverlusten im Schienenpersonenfern- und -nahverkehr führe (PFB S. 99). Quantifiziert hat sie die Fahrzeitverluste nicht. Anhaltspunkte dafür, dass sie insoweit von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen sein könnte, sind nicht ersichtlich. Die Klägerinnen machen geltend, dass für den Personenfernverkehr der Zeitverlust in der Relation Basel - Bad Krozingen nur 8 Sekunden betrage und mithin nicht ins Gewicht falle. Die Beigeladene hat erwidert, dass die Berechnung der Klägerinnen auf einer Geschwindigkeit von 250 km/h beruhe, die oKF6 aber mit einer Streckengeschwindigkeit von nur 160 km/h in das Verfahren eingebracht worden sei. Dem haben die Klägerinnen nicht widersprochen, sondern lediglich auf die Möglichkeit verwiesen, die Infrastruktur anzupassen. Für den Personennahverkehr haben sie die Annahme der Planfeststellungsbehörde nicht in Zweifel gezogen.
Rz. 67
b) Die Klägerinnen stellen nicht in Abrede, dass die oKF6 den Ausbau eines Nahverkehrs-Vollknotens in Müllheim erfordert, für den es keine mit dem hierfür zuständigen Planungsträger, dem Land Baden-Württemberg, abgestimmte Fahrplankonzeption gibt (PFB S. 99 f.). Sie stellen auch nicht infrage, dass durch den Nahverkehr Behinderungen des Fernverkehrs eintreten könnten, die nur zu vermeiden wären, wenn zwischen Buggingen und Müllheim ein viertes Nahverkehrsgleis errichtet und zur Aufrechterhaltung des Betriebes in Störungsfällen eine Verbindung zur Rheintalbahn hergestellt würden (PFB S. 100). Damit wäre eine Erweiterung der Infrastruktur und der Projektziele verbunden, deren Verwirklichung ein Nahverkehrskonzept erfordern würde, für das die Planfeststellungsbehörde nicht zuständig ist. Die Entwicklung eines solchen Konzepts ginge auch deutlich darüber hinaus, was § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG im Rahmen von Folgemaßnahmen gestattet (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 75 Rn. 10b ff.).
Rz. 68
c) Nicht weniger tragfähig sind die Erwägungen der Planfeststellungsbehörde zu den Mehrkosten der oKF6, die noch weit über denen für die Tieferlegung in Auggen liegen. Die Planfeststellungsbehörde schätzt die Mehrkosten auf 150 bis 200 Mio. Euro (Stand Juli 2014), was etwa einer Verdoppelung der Kosten für die Antragstrasse entspräche (PFB S. 100).
Rz. 69
Die Klägerinnen stellen diese Kostenschätzung nicht grundlegend infrage, sondern machen im Wesentlichen geltend, den Mehrkosten stünden zusätzliche Vorteile insbesondere aus der Verfügbarkeit eines weiteren Gleises gegenüber. Das mag zutreffen; der etwaige Zusatznutzen betrifft jedoch keine Belange der Klägerinnen und kann von ihnen daher nicht in die Waagschale geworfen werden. Die Vorteilhaftigkeit eines erweiterten Nahverkehrskonzeptes zu bewerten, ist Sache des zuständigen Trägers des Nahverkehrs, der sich hierzu nicht positioniert hat.
Rz. 70
d) Was die kommunale Planungshoheit und den Schallschutz angeht, kann auf die Ausführungen unter IV.2.b)aa) Bezug genommen werden. Die Antragstrasse wird - mit Ausnahme der vorübergehenden, durch die Abschnittsbildung bedingten Lärmzunahme im Ortsteil Hügelheim - auch auf dem Gebiet der Klägerin zu 2 nicht zu einem vorhabenbedingten Lärmzuwachs führen, sondern die Immissionssituation deutlich verbessern. Konkrete Planungsabsichten für den Fall einer Tieflage und einer damit möglichen weiteren Reduzierung der Lärmbelastung, die die Planfeststellungsbehörde abwägend hätte berücksichtigen müssen, hat auch die Klägerin zu 2 nicht geltend gemacht. Im Übrigen ist nichts dafür ersichtlich, dass die Planfeststellungsbehörde die durch die oKF6 erreichbaren Verbesserungen beim Lärmschutz unterschätzt haben könnte. Es liegt zwar auf der Hand, dass die oKF6 durch die Tieflage und teilweise Deckelung der Güterverkehrsgleise in einem Trog Güterverkehrslärmimmissionen weitergehend abschirmt als oberirdische Trassenverläufe; einen vollständigen Verzicht auf Schallschutzwände und ergänzenden passiven Schallschutz macht aber auch die Tieferlegung nicht möglich. Die gegenteilige Behauptung der Klägerinnen ist nicht belegt. Soweit sie die Vorzugswürdigkeit der oKF6 mit einem Vergleich der Varianten unter Außerachtlassung des Schienenbonus und der Schallschutzwände rechtfertigen wollen, legen sie unzutreffende Vergleichsmaßstäbe an. Denn die Berücksichtigung des Schienenbonus und die Anordnung von Schallschutzwänden sind gesetzlich vorgeschrieben.
Rz. 71
e) Im Hinblick auf das Ortsbild hat der Planfeststellungsbeschluss nicht verkannt, dass sich mit der oKF6 voraussichtlich in Teilabschnitten niedrigere Wandhöhen als bei der Antragstrasse ergäben. Ein vollständiger Verzicht auf Schallschutzwände ist jedoch auch bei der Alternativplanung nicht möglich. Im Übrigen gelten die Erwägungen zur Tieferlegung der Trasse in Auggen auch für die oKF6. Im Gemeindegebiet der Klägerin zu 2 verläuft die Trasse ebenfalls westlich der Bundesstraße B 3 durch gewerblich geprägte Gebiete; der Ortskern liegt östlich der B 3. Inwieweit das Ortsbild danach durch die Schallschutzwände nachhaltig beeinträchtigt werden sollte, ist weder dargelegt noch ersichtlich.
Rz. 72
f) Die oKF6 musste auch nicht im Hinblick auf die Verkehrswegesicherheit erwogen werden; sie ist der Antragstrasse in dieser Hinsicht nicht erkennbar überlegen. Inwieweit die Sicherheit der Antragstrasse eigene Belange der Klägerinnen berührt, kann deshalb offen bleiben.
Rz. 73
Der Planfeststellungsbeschluss verhält sich im Rahmen der Variantenprüfung nicht zu den Unfallrisiken der Trassenvarianten. Dies war allerdings auch nicht geboten. Einen abwägenden Vergleich der Gefahren durch den Eisenbahnverkehr, namentlich durch Gefahrguttransporte, hätte die Planfeststellungsbehörde nur dann anstellen müssen, wenn sich eine Alternative in dieser Hinsicht als deutlich vorteilhafter erwiesen hätte und die in Rede stehenden Gefahren wegen ihres hohen Gewichts in der konkreten Planungssituation nicht hätten übergangen werden dürfen. Dafür gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die Beigeladene ist nach § 4 Abs. 3 Satz 2 AEG verpflichtet, Eisenbahninfrastruktur sicher zu bauen und in betriebssicherem Zustand zu halten. Dass die Antragstrasse den Anforderungen an einen sicheren Bau und Betrieb nicht entspricht, ist von keiner Seite geltend gemacht worden. Bei der Durchführung der Gefahrguttransporte sind zudem die Vorschriften zur Gefahrgutbeförderung und die darin vorgesehenen Vorsorgemaßnahmen - etwa zur Verpackung der Güter sowie zur Ausrüstung der Tanks und Transportfahrzeuge - einzuhalten.
Rz. 74
Mit Blick auf diese Regelungen, die die Sicherheit jeder Trassenvariante gewährleisten sollen, bedarf es konkreter Anhaltspunkte dafür, dass sich in Betracht zu ziehende Varianten unter Sicherheitsaspekten signifikant unterscheiden. Die Klägerinnen meinen, die oKF6 biete erhebliche Vorteile bei der Vorsorge gegen Unfälle, und berufen sich zur Begründung auf fünf Gefahrgutunfälle zwischen 2008 und 2014, darunter eine Zugentgleisung im Bahnhof Müllheim. Diese Vorfälle lassen aber nicht den Schluss zu, dass die erst noch herzustellende Trasse aufgrund ihrer Gestaltung oder wegen des beabsichtigten Verkehrs ein höheres Risiko als die oKF6 in sich birgt. Der Planfeststellungsbeschluss weist nachvollziehbar darauf hin, dass insbesondere wegen der Entflechtung der schnellen und der langsamen Verkehre, die durch die Antragstrasse bewirkt werde, eine relevante Erhöhung des Risikos von Unfällen nicht zu erwarten sei (PFB S. 277). Zu ergänzen ist, dass eine Troglage als solche nicht zu einem weitergehenden Ausschluss von Risikofaktoren für Unfälle führt. Im Bereich der Deckelung wirft sie sogar zusätzliche Probleme des Brandschutzes und der Tunnelsicherheit auf (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:101116U9A18.15.0] - BVerwGE 156, 215 Rn. 49 ff.). Zu Recht weist die Beigeladene darauf hin, dass auch die Antragstrasse wegen ihres geraden Verlaufs, ihrer geringen Neigung und des geringen Bedarfs an Gleiswechseln sowie der ermöglichten freien Sicht ein hohes Sicherheitsniveau hat.
Rz. 75
V. Der Planfeststellungsbehörde ist schließlich nicht mit Blick auf den Beschluss des Projektbeirats zum so genannten Vollschutz fehlerhaft.
Rz. 76
Die Klägerinnen befürchten, das vom Projektbeirat vorgesehene Verfahren, Vollschutz gegen Schienenverkehrslärm im Rahmen eines Planänderungsverfahrens nach Abschluss des vorliegenden Planfeststellungsverfahrens zu realisieren, führe zu einer Vorfestlegung für das Änderungsverfahren und verkürze dort die Abwägung. Diese Rüge kann - ihre Berechtigung unterstellt - nicht schon im vorliegenden Verfahren mit Erfolg erhoben werden. Sollte sich die Beklagte in einem Planänderungsverfahren fehlerhaft gebunden sehen, so können sich die Klägerinnen gegen den Planänderungsbeschluss erfolgreich zur Wehr setzen.
Rz. 77
2. Der hier angegriffene Planfeststellungsbeschluss leidet auch nicht deshalb an einem Rechtsfehler, weil er den im Projektbeirat beschlossenen Vollschutz, worauf auch immer dieser genau zielte, nicht schon in sein Lärmschutzkonzept aufgenommen hat. Es kann offen bleiben, ob dieser Aspekt überhaupt Belange der Klägerinnen und nicht ausschließlich Lärmschutzinteressen ihrer Bürger berührt. Die Planfeststellungsbehörde unterlag keiner Rechtspflicht, einen über die gesetzlichen Verpflichtungen hinausgehenden Lärmschutz anzuordnen oder diesen auch nur zu erwägen. Die "Beschlusslage" im Projektbeirat konnte schon im Ansatz keine derartige Wirkung entfalten. Der Projektbeirat erarbeitet seine Empfehlungen in einem gesetzlich nicht geregelten, informellen Verfahren getrennt und unabhängig von der Planfeststellung. Der rechtsstaatliche Grundsatz fairer Verfahrensgestaltung verpflichtet die Planfeststellungsbehörde dazu, ihm gegenüber Distanz und Neutralität zu bewahren und die "Entscheidungsebenen" getrennt zu halten. Nur auf diese Weise kann eine ergebnisoffene, allen berührten Belangen gegenüber unvoreingenommene Ausübung der planerischen Gestaltungsfreiheit sichergestellt werden (stRspr, BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 Rn. 24 f. m.w.N.). Das schließt es nicht aus, dass die Planfeststellungsbehörde Empfehlungen des Projektbeirats aufgreift; doch kann ihr nicht als fehlerhaft vorgehalten werden, dies unterlassen zu haben. Auch soweit davon auszugehen ist, dass die Antragstrasse in einem ergänzenden Verfahren nachträglich mit zusätzlichen Lärmschutzvorkehrungen ausgestattet wird, verliert die Planung dadurch nicht ihre Rechtfertigung. Die Entscheidung für eine oberirdische Trassenführung im Abschnitt Müllheim - Auggen würde dadurch nicht berührt. Die Antragstrasse würde durch zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen nicht zu einem anderen Vorhaben. Abgesehen davon hatte die Planfeststellungsbehörde keine Veranlassung, einen Vollschutz schon im vorliegenden Planfeststellungsverfahren zu erwägen. Der Projektbeirat hatte dessen Realisierung von Finanzierungszusagen zweier parlamentarischer Gremien abhängig gemacht, die im maßgeblichen Zeitpunkt der Planfeststellung nicht vorlagen. Eine Verpflichtung, die Entscheidung über diese Zusage abzuwarten, bestand nicht, zumal dies nicht einmal der Beschlusslage im Projektbeirat selbst entsprach und die Beigeladene an ihrer Absicht festhielt, das Planfeststellungsverfahren mit dem gesetzlich gebotenen Lärmschutz zügig zum Abschluss zu bringen.
Rz. 78
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
NJW 2018, 10 |
JZ 2018, 679 |
VRS 2017, 322 |
VR 2018, 360 |
KommJur 2018, 4 |
UPR 2018, 387 |