Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Urteil vom 26.05.2004; Aktenzeichen 4 LB 33/03) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 26. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Tatbestand
I
Der Kläger erstrebt die Feststellung der Rechtswidrigkeit luftverkehrsrechtlicher Erlaubnisse.
Der Kläger ist seit 1991 Eigentümer eines Wohngrundstücks in unmittelbarer Nähe des Flughafens Lübeck-Blankensee. Der Flughafen verfügt über eine Start- und Landebahn, die am 1. März 1975 mit einer Länge von 1 802 m genehmigt worden ist. In deren Verlängerung nach Westen schließt sich der 300 m lange Rollweg R… an. Nachdem dieser zwischen November 1996 und März 1997 als Startabbruchstrecke für Starts in Richtung Westen ertüchtigt worden war, beantragten die beigeladenen Fluggesellschaften beim Beklagten wiederholt, letztmalig, soweit ersichtlich, am 27. Januar 2004, ihnen durch Erlaubnisse nach § 25 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 LuftVG die Benutzung des Rollweges für Starts in Richtung Osten zu gestatten. Der Beklagte gab den Anträgen jeweils statt. Die erteilten Erlaubnisse (sog. unechte Außenstarterlaubnisse) waren in der Regel auf ein Jahr befristet und durch die Auflage beschränkt, dass die Benutzung des Rollweges R… für Starts nur zulässig war, wenn die Startstreckenberechnung zu dem Ergebnis führte, dass eine Startlauflänge von 1 802 m eingehalten werden konnte. Der Beklagte rechtfertigte die Verschiebung des Startpunkts nach Westen – erstens – damit, dass die Flugzeugführer für den Fall einer Störung beim Startvorgang in Richtung Osten einen längeren Zeitraum für die Entscheidung über einen Startabbruch und mehr Ausrollfläche zur Verfügung haben sollten, und – zweitens – mit einer verbesserten Lärmsituation auf dem Gebiet der östlich des Flughafens gelegenen Gemeinde Groß Grönau, die sich daraus ergab, dass die in Richtung Osten startenden Flugzeuge aufgrund der Vorverlegung des Abhebepunkts über der Gemeinde schon eine größere Überflughöhe erreicht hatten.
Der Gewinn an Verkehrssicherheit und die Lärmentlastung für die Ortschaft Groß Grönau hat nach Darstellung des Klägers zu einem Mehr an Lärm- und Geruchsbelastung an der westlich des Flughafens gelegenen Splittersiedlung geführt, in der sein Wohngrundstück liegt. Seine Widersprüche gegen die Erlaubnisse blieben freilich erfolglos. Eine Aufhebung der Erlaubnisse sei nur möglich, so der Beklagte in seinen Widerspruchsbescheiden, wenn eine unerträgliche und unzumutbare Eigentums- oder Gesundheitsbeeinträchtigung in der Person des Klägers vorliege. Das sei hier nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Klagen abgewiesen, das Oberverwaltungsgericht die Berufungen zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Soweit der Kläger geltend mache, die Ausnutzung der Außenstarterlaubnisse habe eine erhöhte Immissionsbelastung seines Grundstückes (Lärm, Geruchsbelastung) mit sich gebracht, sei die Klage unzulässig. § 25 LuftVG komme drittschützende Wirkung nur unter der hier nicht gegebenen Voraussetzung zu, dass der Flugplatznachbar unerträglichen und unzumutbaren Eigentums- und Gesundheitsbeeinträchtigungen ausgesetzt sei. Soweit der Kläger beanstande, dass der Beklagte das Instrument der Außenstarterlaubnisse missbraucht habe, um ein an sich erforderliches Planfeststellungsverfahren mit den damit verbundenen Verfahrensrechten zu umgehen, sei die Klage zulässig, aber unbegründet. Die Verschiebung der Startlaufstrecke nach Westen bei unveränderter Länge sei keine planfeststellungsbedürftige Änderung des Flugplatzes, weil sie diesem kein “anderes Gesicht” verleihe.
Nach Zulassung der Revision durch den Senat und nahezu zeitgleich mit dem Ablauf der Geltungsdauer der letzten Außenstarterlaubnis erließ der Beklagte einen Planfeststellungsbeschluss, der u.a. den Rollweg R… einschließlich seiner Rollwegschultern mit seiner gesamten Länge in die Start- und Landebahn integriert. Auf der Grundlage dieses Beschlusses änderte der Beklagte mit Bescheid vom 25. Januar 2005 die Betriebsgenehmigung vom 1. März 1975 dahingehend, dass der Bereich des Rollweges R… mit den dazugehörigen Schultern nunmehr in die Start- und Landebahn einbezogen ist. Der Kläger hat gegen den Planfeststellungsbeschluss Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Sein Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, blieb ohne Erfolg. Einem Eilantrag des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gegen den Planfeststellungsbeschluss hat das Oberverwaltungsgericht stattgegeben (Beschluss vom 18. Juli 2005 – 4 MR 1/05 – NuR 2006, 63). Der Rollweg R… wird seither weiter für Starts in Richtung Osten genutzt. Über einen beim Beklagten kürzlich gestellten Antrag des BUND auf Untersagung dieser Nutzung ist noch nicht entschieden.
Der Kläger möchte die Rechtswidrigkeit der den Beigeladenen unter dem 9. November 2001, 3. Dezember 2001, 12. Dezember 2001, 5. Februar 2002, 1. Juli 2002 und 22. Oktober 2002 erteilten Außenstarterlaubnisse festgestellt wissen, weil er befürchtet, dass die Beigeladenen solche Erlaubnisse erneut beantragen und erhalten werden, wenn der Beklagte, wozu er verpflichtet sei, dem Begehren des BUND nachkomme und die Nutzung des Rollwegs R… für Starts in Richtung Osten unterbinde.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet; denn seine Klage, die als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft ist, ist nach Wegfall des Fortsetzungsfeststellungsinteresses unzulässig geworden.
Ein Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsaktes (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) setzt unter dem hier geltend gemachten Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr die hinreichend bestimmte Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (BVerwG, Beschluss vom 16. Oktober 1989 – BVerwG 7 B 108.89 – Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 211, S. 41). Ist dagegen ungewiss, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse eintreten wie im Zeitpunkt des Erlasses des erledigten Verwaltungsaktes, kann das Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht aus einer Wiederholungsgefahr hergeleitet werden (BVerwG, Urteil vom 25. November 1986 – BVerwG 1 C 10.86 – Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 162). Hieran gemessen muss ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Klägers verneint werden.
Gegenüber den Zeitpunkten der Entscheidung des Beklagten über die Anträge der Beigeladenen auf Erteilung von Außenstarterlaubnissen hat sich die Sachlage insoweit geändert, als dem Beklagten zurzeit keine Anträge vorliegen. Diese Änderung ist entscheidungserheblich, weil die Erteilung von Außenstarterlaubnissen antragsabhängig ist. Dem Kläger stünde ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse daher nur dann zur Seite, wenn hinreichend sicher abzusehen wäre, dass in Zukunft wiederum Außenstarterlaubnisse beantragt und erteilt würden. Eine solche Prognose lässt sich nicht treffen.
Außenstarterlaubnisse sind nach § 25 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 LuftVG erforderlich, wenn Luftfahrzeuge auf Flugplätzen außerhalb der in der Flugplatzgenehmigung festgelegten Startbahn gestartet werden sollen. Der Beklagte sieht für erneute Anträge und die Erteilung von Außenstarterlaubnissen keinen Raum, weil die Betriebsgenehmigung vom 1. März 1975 in der Fassung der Änderungsgenehmigung vom 25. Januar 2005, die die Nutzung des Rollweges R… für Starts in Richtung Osten gestattet, nicht angefochten worden ist und daher vollziehbar sein soll. Ob seine Auffassung zutrifft, ist zumindest zweifelhaft. Denn die Genehmigung für die Nutzung des Rollwegs R… als Startstrecke beruht auf dem vorangegangenen Planfeststellungsbeschluss, in dem dieser Rollweg R… in die Start- und Landebahn integriert worden ist (Nr. 1.6. des PFB vom 20. Januar 2005). Vor diesem Hintergrund spricht Überwiegendes dafür, dass sich die Aussetzung des Sofortvollzuges des Planfeststellungsbeschlusses durch das Oberverwaltungsgericht auch auf die nach § 6 Abs. 4 Satz 1 LuftVG akzessorische Betriebsgenehmigung in der Fassung vom 25. Januar 2005 erstreckt. Allerdings ist völlig offen, wie der Beklagte auf die Nichtvollziehbarkeit der Genehmigung reagieren wird. Denkbar ist zwar, dass er nach Ablauf der der Flughafen Lübeck GmbH gesetzten und noch nicht verstrichenen Anhörungsfrist erwägen wird, dem Antrag des BUND stattzugeben und dem Flughafenbetreiber zu untersagen, von der Genehmigung einstweilen Gebrauch zu machen. In diesem Fall wäre damit zu rechnen, dass jedenfalls die Beigeladene zu 4, die den Flughafen Lübeck-Blankensee nach wie vor mit Flugzeugen des Typs Boeing 737 bedient, mangels Änderung ihrer Interessenlage wieder um Außenstarterlaubnisse nachsucht. Möglich ist aber auch, dass der Beklagte der Anregung gegenüber dem Oberverwaltungsgericht den Vorzug gibt, den Beschluss vom 18. Juli 2005 nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO insoweit zu ändern, als darin der Planfeststellungsbeschluss vom 20. Januar 2005 auch im Hinblick auf die Einbeziehung des Rollwegs R… in die Start- und Landebahn außer Vollzug gesetzt worden ist. Der Beklagte hat bereits im Schriftsatz vom 11. Oktober 2005 seine Absicht bekundet, sich mit einer solchen Anregung an das Oberverwaltungsgericht wenden zu wollen, und diese Absicht erkennbar nur deshalb bislang nicht verwirklicht, weil er gemeint hat, dass die dem Flughafenbetreiber erteilte Änderungsgenehmigung bestandskräftig sei. Es liegt auch nicht fern, dass das Oberverwaltungsgericht den Beschluss der Anregung entsprechend ändern würde; denn Belange des Naturschutzes sind, wie sich aus den Gründen des Beschlusses vom 18. Juli 2005 ergibt und zwischen den Beteiligten unstreitig ist, durch die Integration des Rollwegs R… in die Start- und Landebahn nicht berührt. Nach einer Änderung des Beschlusses wäre die Betriebsgenehmigung wieder vollziehbar und der Anwendungsbereich des § 25 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 LuftVG verschlossen. In diesem Stadium der Ungewissheit, von der auch die Einschätzung geprägt ist, ob der Planfeststellungsbeschluss vom 20. Januar 2005 einer Prüfung in einem Hauptsacheverfahren standhalten wird, kann der Kläger nicht verlangen, dass der Senat zu seinem Fortsetzungsfeststellungsantrag sachlich Stellung nimmt. Die Abweisung der Klage als inzwischen unzulässig berührt freilich nicht das Recht des Klägers, künftige Außenstarterlaubnisse erneut vor dem Verwaltungsgericht anzufechten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Gatz, Dr. Jannasch, Dr. Philipp, Domgörgen, Buchberger
Fundstellen
Haufe-Index 1644409 |
ZLW 2007, 303 |