Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilbarkeit einer eisenbahnregulierungsrechtlichen Entgeltgenehmigung
Leitsatz (amtlich)
1. Eisenbahnregulierungsrechtliche Entgeltgenehmigungen sind hinsichtlich der einzelnen beantragten Entgelte grundsätzlich teilbar. Ein Betreiber der Schienenwege, der die Genehmigung eines beantragten Einzelentgelts erstrebt, das die Bundesnetzagentur nur in geringerer Höhe genehmigt hat, ist daher nicht darauf verwiesen, die gesamte Entgeltgenehmigung anzugreifen.
2. § 36 Abs. 1 Satz 1 ERegG fordert bei der Ermittlung und Überprüfung des Vollkostenaufschlags in einem Marktsegment die Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Höhe der Aufschläge und damit die Wettbewerbsbedingungen in den anderen Marktsegmenten.
3. Mit der Maßgabe, dass die Entgelte und Entgeltgrundsätze des Betreibers der Schienenwege keiner einzelfallbezogenen Billigkeitskontrolle unterzogen werden dürfen, sind weder die Regulierungsbehörde noch im Streitfall das Verwaltungsgericht daran gehindert, sich bei der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit im Sinne des § 39 Abs. 1 sowie des § 40 Abs. 1 ERegG auch an abstrakt-generellen Wertungen des Zivilrechts zu orientieren.
Verfahrensgang
VG Köln (Urteil vom 10.07.2020; Aktenzeichen 18 K 3108/17) |
Tenor
Die Revisionen der Klägerinnen und der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 10. Juli 2020 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Beklagte 2/3 und die Klägerinnen jeweils 1/6.
Tatbestand
Rz. 1
Die zum Konzern der Deutschen Bahn AG gehörenden Klägerinnen betreiben den Großteil der Schienennetze in Deutschland. Mit Schreiben vom 7. Oktober 2016 unterrichteten sie die Bundesnetzagentur von der beabsichtigten Änderung der Schienennetz-Nutzungsbedingungen (SNB) und beantragten die Genehmigung der für die Erbringung des Mindestzugangspakets geltenden Entgelte und Entgeltgrundsätze für die Netzfahrplanperiode 2018. Die Bundesnetzagentur veröffentlichte die beantragten Entgeltmaßnahmen auf ihren Internetseiten, gab mehreren Hinzuziehungsanträgen statt, hörte Verbände, den Eisenbahninfrastrukturbeirat sowie das Bundeskartellamt an und führte eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.
Rz. 2
Mit Beschluss vom 6. Februar 2017, der unter dem 13. Februar 2017 berichtigt wurde, erteilte die Bundesnetzagentur die Genehmigung weitgehend antragsgemäß. In einigen Punkten wich die Genehmigung allerdings von dem Antrag ab. Unter anderem genehmigte die Bundesnetzagentur das Trassenentgelt für das Marktsegment "Charter-/Nostalgieverkehr" im Schienenpersonenfernverkehr lediglich in Höhe von 2,05 € statt - wie beantragt - in Höhe von 2,46 € je Trassenkilometer. Dies begründete sie mit der Berücksichtigung der in diesem Segment anzusetzenden Leerfahrtenquote von durchschnittlich 30 %. Zur sachgerechten Abbildung der Markttragfähigkeit sei die von den Klägerinnen für die Berechnung des Vollkostenaufschlags in diesem Segment gewählte Kenngröße von 127,4 Personenkilometern pro Trassenkilometer auf 94,62 Personenkilometer abzusenken. Abhängig von dem Entgelt im Segment "Charter-/Nostalgieverkehr" genehmigte die Bundesnetzagentur das in Höhe von 2,46 € beantragte Entgelt für das Segment "Lok-/Leerfahrt" im Schienenpersonenfernverkehr ebenfalls lediglich in Höhe von 2,05 €. Das von den Klägerinnen beantragte Mindeststornierungsentgelt genehmigte die Bundesnetzagentur zur Sicherstellung der Angemessenheit nur mit Kappungsgrenzen, die sie für den Schienenpersonenfernverkehr auf 241 €, für den Schienenpersonennahverkehr auf 422 € und für den Schienengüterverkehr auf 416 € festlegte. Zudem änderte die Bundesnetzagentur die vorgesehene Regelung, nach der eine Minderung wegen bestimmter Mängel auf Verlangen der Zugangsberechtigten davon abhängt, dass der zur Minderung berechtigende Mangel nicht im Risikobereich des Zugangsberechtigten liegt, der Zugangsberechtigte den Mangel bei Abschluss des Einzelnutzungsvertrags außerhalb der Fälle arglistiger Täuschung nicht kannte oder grob fahrlässige Unkenntnis hatte und der Zugangsberechtigte den Mangel unverzüglich nach Kenntnis angezeigt hat. Nach der Neufassung der Regelung sollten die näher bestimmten Mängel nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln geltend gemacht werden können.
Rz. 3
Die Liste der von der Bundesnetzagentur genehmigten Einzelentgelte enthält zum Teil höhere als die von den Klägerinnen beantragten Entgelte. In der Begründung des Beschlusses wird hierzu ausgeführt, bezüglich der Aspekte, die der Prüfung nicht standgehalten hätten, sei das sich aus der Anwendung der korrigierten Entgeltbildungssystematik der Klägerinnen ergebende Entgelt genehmigt worden. Dieses könne im Einzelfall höher sein als das im Genehmigungsantrag ausgewiesene Einzelentgelt. Hierdurch könne dem Willen der Klägerinnen im Hinblick auf einen bestimmten beantragten Zielerlös und der beantragten Entgeltbildungssystematik möglichst weitgehend entsprochen werden.
Rz. 4
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter entsprechender teilweiser Aufhebung des Beschlusses der Bundesnetzagentur vom 6. Februar 2017 verpflichtet, die in der in Anlage 6.2 zu den SNB 2018 jeweils in Höhe von 2,46 € je Trassenkilometer enthaltenen Entgelte für die Marktsegmente "Charter-/Nostalgieverkehr" und "Lok-/Leerfahrt" im Schienenpersonenfernverkehr und - für das hiesige Revisionsverfahren nicht von Belang - die in Ziffer 6.4.2 SNB 2018 enthaltene Regelung betreffend das Entgelt bei mehr als 20 Stunden verspäteten Zugfahrten wie von den Klägerinnen im Genehmigungsantrag vom 7. Oktober 2016 beantragt zu genehmigen sowie die Regelung der Minderung auf Verlangen in Ziffer 6.4.3 SNB 2018 in einer vom Verwaltungsgericht im Einzelnen vorgegebenen Fassung zu genehmigen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Rz. 5
Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Die Klägerinnen hätten einen Anspruch auf Genehmigung des für das Marktsegment "Charter-/Nostalgieverkehr" in Höhe von 2,46 € beantragten Entgelts. Dies folge nicht bereits daraus, dass der Beklagten die Kompetenz fehle, die Entgelte in geringerer als der beantragten Höhe zu genehmigen. Aus § 45 Abs. 1 Satz 2 ERegG ergebe sich, dass die Regulierungsbehörde befugt sei, ein beantragtes Entgelt in derjenigen Höhe zu genehmigen, die den gesetzlichen Anforderungen des Eisenbahnregulierungsgesetzes entspreche. Sie sei allerdings weder verpflichtet noch befugt, als Reflex auf die Absenkung des Entgelts in einem oder mehreren Marktsegmenten die Entgelte in den übrigen Marktsegmenten über die dort jeweils beantragte Entgelthöhe hinaus zu erhöhen. Dies folge daraus, dass das Eisenbahnregulierungsgesetz die Entgeltbildung zweischrittig ausgestaltet habe. In einem ersten Schritt habe der Betreiber der Schienenwege - nach Ermittlung und Mitteilung der Obergrenze der Gesamtkosten - die Entgelte für die einzelnen Verkehrsdienste und deren Marktsegmente nach den gesetzlichen Vorgaben festzulegen. Ihm obliege es, die Summe der Gesamtkosten so auf die von ihm gewählten Marktsegmente der Verkehrsdienste zu verteilen bzw. Aufschläge auf die unmittelbaren Kosten des Zugbetriebs so zu bemessen, dass damit zum einen das Prinzip der Vollkostendeckung gewahrt werde und zum anderen die Summe der ermittelten Entgelte die Obergrenze der Gesamtkosten nicht übersteige. Die im zweiten Schritt vorgesehene Überprüfung der beantragten Entgelte durch die Regulierungsbehörde sei auf die Einhaltung des Prinzips der Vollkostendeckung und der Obergrenze der Gesamtkosten bzw. in dem durch § 80 Abs. 5 Satz 1 ERegG definierten Übergangszeitraum auf die Einhaltung des Ausgleichserfordernisses aus § 80 Abs. 5 Satz 2 ERegG beschränkt. Im Rahmen der Genehmigung müsse die Regulierungsbehörde nicht selbst gestaltend eine Vollkostendeckung herstellen. Die von ihr genehmigten Entgelte dürften die im Genehmigungsantrag enthaltenen Entgelthöhen auch dann nicht übersteigen, wenn sich der über den Antrag hinausgehende Anteil unmittelbar aus der Anwendung des unveränderten Berechnungsmodells des Betreibers der Schienenwege nach einer Herabsetzung eines Entgelts durch die Regulierungsbehörde ergebe. Denn der in den Marktsegmenten mit unbeanstandeter Entgeltbildung überschießend genehmigte Anteil der Entgelte sei nicht Gegenstand des Genehmigungsantrags. Zudem sei die relative Verteilung der Vollkostenaufschläge auf die verschiedenen von dem Betreiber der Schienenwege gebildeten Marktsegmente Gegenstand seiner unternehmerischen Gestaltungsfreiheit. Die Klägerinnen könnten die teilweise Versagung der Genehmigung ihres Antrags in Bezug auf die Entgelthöhe in zwei Marktsegmenten isoliert angreifen, weil die Genehmigungen der Entgelte in den verschiedenen Segmenten eines Verkehrsdienstes nicht voneinander abhingen. Die Frage der Teilbarkeit des angefochtenen Beschlusses könne daher dahinstehen.
Rz. 6
Die Herabsetzung des von den Klägerinnen für das Marktsegment "Charter-/Nostalgieverkehr" im Schienenpersonenfernverkehr in Höhe von 2,46 € beantragten Entgelts auf 2,05 € sei in der Sache rechtswidrig. Das von den Klägerinnen ermittelte Entgelt entspreche im Ergebnis den Anforderungen des Eisenbahnregulierungsgesetzes. Die gemäß § 34 Abs. 3 Satz 1 ERegG erfolgte Ermittlung der unmittelbaren Kosten des Zugbetriebs sei rechtlich nicht zu beanstanden. Darüber hinaus hätten die Klägerinnen den Aufschlag für das Segment "Charter-/Nostalgieverkehr" unter Berücksichtigung der Anforderungen des § 36 Abs. 1 Satz 1 ERegG, insbesondere auf der Grundlage effizienter Grundsätze ermittelt. Die Aufschläge auf die unmittelbaren Kosten des Zugbetriebs sollten einerseits für den Betreiber der Schienenwege eine Vollkostendeckung gewährleisten und andererseits die Leistungsfähigkeit der Verkehrsdienste und der von dem Betreiber der Schienenwege innerhalb der Verkehrsdienste gewählten Marktsegmente sicherstellen. Vollkostenaufschläge beruhten dann nicht mehr auf effizienten Grundsätzen, wenn sie aufgrund ihrer Höhe für ein Marktsegment nicht tragfähig seien, also in einem Marktsegment nicht aufgebracht werden könnten und auf diese Weise die Zugangsberechtigten von der Trassenbestellung abhielten. Der Zweck der Vollkostendeckung müsse mit den Tragfähigkeiten für die Verkehrsdienste und die Marktsegmente in Ausgleich gebracht werden. Würden die Aufschläge unter Vernachlässigung der jeweiligen Tragfähigkeiten so hoch gebildet, dass Zugangsberechtigte von der Nutzung der Eisenbahninfrastruktur absähen, liefe dies sowohl dem in § 3 Nr. 1 ERegG genannten Regulierungsziel zuwider, den Anteil schienengebundenen Verkehrs am gesamten Verkehrsaufkommen zu steigern, als auch dem in § 3 Nr. 5 ERegG genannten Ziel, einen sicheren, leistungsfähigen und zuverlässigen Betrieb der Eisenbahninfrastruktur zu gewährleisten. Dass die Klägerinnen zu erwartende Anteile von Lok- und Leerfahrten bereits bei den Lastsegmenten des gleichen Verkehrsdienstes berücksichtigten, sei nicht zu beanstanden. Da hierdurch die Lastfahrtensegmente im Verhältnis zu den Lok- und Leerfahrten strukturell vergünstigt würden, erhielten die Zugangsberechtigten einen Anreiz, Leerfahrten so weit wie möglich zu vermeiden. Allerdings müssten jedem Segment Leerfahrten in dem Umfang zugeordnet werden, wie sie typischerweise in diesem Segment anfielen.
Rz. 7
Nach diesen Grundsätzen sei das Berechnungsmodell der Klägerinnen für den Aufschlag im Segment "Charter-/Nostalgieverkehr" zwar fehlerhaft. Denn sie hätten ebenso wie bei den übrigen Segmenten im Schienenpersonenfernverkehr eine Leerfahrtenquote von 4 % eingerechnet, obwohl in diesem Marktsegment von einem Anteil durchschnittlich durchzuführender Leerfahrten in Höhe von 30 % auszugehen sei. Infolgedessen hätten sie eine unzutreffende Kenngröße von 127,4 Personenkilometern je Trassenkilometer zugrunde gelegt und seien systemwidrig zu einem in diesem Segment erzielbaren Umsatz der Eisenbahnverkehrsunternehmen in Höhe von 12,10 € je Trassenkilometer gelangt. Obwohl der sich aus dem Quotienten aus Umsatz der Eisenbahnverkehrsunternehmen je Trassenkilometer und der Endkundenelastizität ergebende Aufschlag im Segment "Charter-/Nostalgieverkehr" fehlerhaft berechnet sei, bilde er jedoch im Ergebnis die Markttragfähigkeit dieses Segments nicht unzutreffend zu hoch ab. Denn die von den Klägerinnen zugrunde gelegte Personenkilometerzahl überschreite nicht die realen Besetzungszahlen der in diesem Marktsegment verkehrenden Züge, sondern unterschreite diese. Dementsprechend sei auch der von den Klägerinnen prognostizierte Umsatz der Eisenbahnverkehrsunternehmen in Höhe von 12,10 € je Trassenkilometer nicht zu hoch angesetzt. Denn zum Zeitpunkt des Beschlusserlasses sei erkennbar gewesen, dass die durchschnittlichen Besetzungszahlen von Zügen im Segment "Charter-/Nostalgieverkehr" sowie die auf dieser Basis errechneten und zu erwartenden Umsätze höher anzusetzen gewesen seien als nach der von den Klägerinnen angestellten Prognose. Dies habe sich aus der Stellungnahme der S. GmbH im Konsultationsverfahren zu den SNB 2018 ergeben, die von einem Umsatz in Höhe von 14,55 € je Trassenkilometer ausgegangen sei.
Rz. 8
Die Klägerinnen hätten auch einen Anspruch auf Genehmigung des in Höhe von 2,46 € beantragten Entgelts für das Segment "Lok-/Leerfahrt". Auch in diesem Marktsegment sei die Ermittlung der unmittelbaren Kosten des Zugbetriebs gemäß § 34 Abs. 3 Satz 1 ERegG nicht zu beanstanden. Gleiches gelte für die Ermittlung des Vollkostenaufschlags gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 ERegG. Die Klägerinnen trügen dem Umstand, dass die Zugangsberechtigten für Lok- und Leerfahrten zumindest isoliert keine Entgelte von den Endkunden verlangen könnten, hinreichend durch die Regelung Rechnung, nach der das Entgelt für Lok- und Leerfahrten so festzusetzen sei, dass es dem Entgelt für die günstigste Lastfahrt in dem jeweiligen Verkehrsdienst entspreche. Diese Festlegung solle verhindern, dass eine Lokfahrt teurer sei als eine nachfolgende Lastfahrt. Da das Entgelt für das Segment "Charter-/Nostalgieverkehr" in der von den Klägerinnen beantragten Höhe zu genehmigen gewesen sei und dieses Entgelt das günstigste innerhalb des Verkehrsdienstes Schienenpersonenfernverkehr darstelle, sei auch das Entgelt im Segment "Lok-/Leerfahrt" antragsgemäß in der Höhe von 2,46 € zu genehmigen gewesen.
Rz. 9
Auch soweit die Genehmigung der Regelung einer Minderung auf Verlangen in Ziffer 6.4.3 SNB 2018 abgelehnt und diese Regelung durch die Beklagte neugefasst worden sei, sei der angegriffene Beschluss rechtswidrig. Die Klägerinnen hätten einen Anspruch auf Genehmigung der Regelung in der aus dem Tenor ersichtlichen Fassung, die als Minus in dem Genehmigungsantrag der Klägerinnen im Verwaltungsverfahren enthalten gewesen sei. Die beantragte Regelung der Minderung auf Verlangen stehe zwar nicht in Einklang mit § 39 Abs. 1 ERegG. Entgelte und Entgeltgrundsätze in den SNB des Betreibers der Schienenwege seien angemessen im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie unter Berücksichtigung der Vertragsgestaltungsfreiheit geeignet seien, die nationalen und unionsrechtlichen Regulierungsziele zu erreichen sowie das Zugangsrecht möglichst gut zu gewährleisten und sie eine Vertragspartei nicht unbillig benachteiligten. Bei der Angemessenheitsprüfung könnten die grundlegenden zivilrechtlichen Wertungen einschließlich derjenigen über die AGB-Kontrolle zur Orientierung herangezogen werden. Dies ergebe sich bereits daraus, dass nach § 45 Abs. 2 Satz 3 ERegG das genehmigte Entgelt als billiges Entgelt im Sinne des § 315 BGB gelte und nach der Rechtsprechung des EuGH eine parallele Billigkeitskontrolle durch die ordentlichen Gerichte zur Sicherstellung einheitlicher und damit nichtdiskriminierender Netzentgelte nicht stattfinde.
Rz. 10
Nach diesem Maßstab sei die Regelung der Klägerinnen über die Minderung auf Verlangen als unangemessen zu bewerten. Soweit danach die Mängelanzeigepflicht der Zugangsberechtigten ausnahmslos gelten solle, würden diese unbillig benachteiligt. Im Hinblick auf ihren Zweck bedürfe die Pflicht zur Mängelanzeige einer Ausnahme in den Fällen, in denen ein Mangel offenkundig sei oder die Klägerinnen von einem Mangel Kenntnis hätten. Zudem dürfe von den Zugangsberechtigten nicht verlangt werden, einen Mangel anzuzeigen, wenn sie sich in Bezug auf diesen Mangel bei Vertragsschluss ihr Minderungsrecht im Sinne des § 536b Satz 3 BGB vorbehalten hätten. Dies hätten die Klägerinnen anerkannt und die Klage insoweit zurückgenommen. Die von der Beklagten genehmigte Regelung über die Minderung auf Verlangen, die die Klägerinnen über den zurückgenommenen Teil hinaus weiterhin mit ihrer Klage angriffen, benachteilige die Klägerinnen unbillig. Die zwingend vorgegebene Formfreiheit der Mängelanzeige werde den Besonderheiten der Eisenbahninfrastrukturnutzung nicht gerecht. Erhielten die Klägerinnen nicht eine zumindest schriftliche Anzeige eines Mangels, die den Anforderungen des § 126b BGB gerecht werde, wären sie nicht in der Lage, die jeweiligen Mängel effizient zu beseitigen und damit ihrer vertraglich geschuldeten Leistungspflicht nachzukommen. Dabei sei neben der großen Zahl potenzieller Mängelanzeigen zu berücksichtigen, dass die Textform in der Regel eine qualitativ hochwertigere Mängelbeschreibung enthalte und Streitigkeiten über den von den Zugangsberechtigten nachzuweisenden Zugang der Mängelanzeige reduziere. Die Forderung einer Mängelanzeige zumindest in Textform, etwa per E-Mail, benachteilige die Zugangsberechtigten nicht unangemessen.
Rz. 11
Die Klage sei unbegründet, soweit die Klägerinnen die Verpflichtung zur Genehmigung des in Ziffer 6.4.8 SNB 2018 geregelten Mindeststornierungsentgelts ohne Obergrenze begehrten. Die Beklagte habe die Genehmigung insoweit zu Recht versagt, weil die von den Klägerinnen beabsichtigte Gestaltung des Mindeststornierungsentgelts gegen § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 ERegG verstoße. Danach solle ein Nichtnutzungsentgelt Anreize für die effiziente Nutzung der Schienenwegkapazität schaffen und müsse als angemessenes Entgelt geeignet sein, die nationalen und unionsrechtlichen Regulierungsziele zu realisieren, sowie das Zugangsrecht möglichst gut zu gewährleisten, ohne eine Vertragspartei unbillig zu benachteiligen. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen werde die Angemessenheit eines Nichtnutzungsentgelts nicht ausschließlich von der Anreizwirkung des Entgelts determiniert. Die Aspekte der Anreizsetzung und der Angemessenheit seien vielmehr miteinander in einen Ausgleich zu bringen, der den Zweck des Nichtnutzungsentgelts wahre, die Zugangsberechtigten zu einer sorgfältigen Trassenbestellung und -nutzung anzuhalten. Zur Vermeidung einer unbilligen Benachteiligung der Zugangsberechtigten sei insbesondere die Tragfähigkeit eines Entgelts zu berücksichtigen. Die von der Höhe eines Nichtnutzungsentgelts ausgehenden Belastungen für die Zugangsberechtigten müssten in einem ausgewogenen Verhältnis zu dem mit der Erhebung des Entgelts verfolgten Zweck stehen. Von einer unbilligen Benachteiligung des Betreibers der Schienenwege sei auszugehen, wenn er für die ihm aus der Nichtnutzung einer zugewiesenen Schienenwegkapazität entstandenen Nachteile keinen hinreichenden Ausgleich erhalte.
Rz. 12
Die von den Klägerinnen beabsichtigte Regelung, die bei einer bis zum 31. Tag vor dem geplanten Verkehrstag erfolgenden Stornierung für jeden Verkehrstag ein Mindeststornierungsentgelt vorsehe, das sich als Produkt der Fahrplankosten und der Trassenkilometer der stornierten Trasse errechne, benachteilige die Zugangsberechtigten in unbilliger Weise, weil sie grundsätzlich geeignet sei, sehr hohe Entgelte hervorzubringen, die die Zugangsberechtigten unverhältnismäßig stark belasteten. Für den Fall einer Stornierung von Trassenpaketen mit der höchstmöglichen Anzahl von Verkehrstagen und Trassenkilometern ergebe sich aus der von den Klägerinnen gewählten Berechnung ein Mindeststornierungsentgelt in Höhe von über 10 000 €. Die Einnahmen der Klägerinnen durch Mindeststornierungsentgelte ohne Obergrenzen stünden außer Verhältnis zu der gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 ERegG bezweckten Anreizwirkung. Je höher die Anzahl der Trassenkilometer und Verkehrstage sei, desto höher falle bei einer Stornierung der durch das Mindeststornierungsentgelt erzielte finanzielle Vorteil der Klägerinnen aus, ohne dass mit diesem eine in gleicher Weise höhere Anreizwirkung für das Bestellverhalten der Zugangsberechtigten einhergehe. Das nach der Berechnungsmethode der Klägerinnen theoretisch mögliche sehr hohe Mindeststornierungsentgelt sei geeignet, den beabsichtigten Anreiz zur Vermeidung blockierter Schienenwege zu konterkarieren, da es Zugangsberechtigte, die Trassen an einer Vielzahl von Verkehrstagen nicht wie geplant durchführen könnten, veranlassen könnte, eher nutzlose Trassen zu fahren anstatt die Schienenwegkapazität für andere Zugangsberechtigte freizugeben. Ein drohendes sehr hohes Mindeststornierungsentgelt könnte die Zugangsberechtigten zudem dazu veranlassen, Trassen nicht zum Netzfahrplan, sondern erst kurzfristig zum Gelegenheitsverkehr anzumelden, weil sie zu diesem Zeitpunkt sichergehen könnten, dass die Trassen auch durchgeführt werden könnten. Bei einer solchen Verlagerung des Bestellverhaltens würde ein effizienter Betrieb der Schienenwege erschwert. Die von der Beklagten für die drei Verkehrsdienste jeweils vorgesehenen Obergrenzen der Mindeststornierungsentgelte seien geeignet, den Nachteilen für die Markttragfähigkeit, für die Anreizwirkung und für das Bestellverhalten der Zugangsberechtigten entgegenzuwirken. Durch die Reduzierung der nach der Berechnung der Klägerinnen theoretisch in einer Höhe von mehr als 10 000 € möglichen Entgelte auf höchstens 241, 422 bzw. 416 € werde das Ziel des § 40 Abs. 1 Satz 2 ERegG gefördert, unnötigen Blockierungen von Schienenwegkapazität entgegenzuwirken. Für die Zugangsberechtigten bleibe es weiterhin ökonomisch sinnvoll, Trassen frühzeitig zu stornieren, um nicht die erhöhten Stornierungsentgelte zahlen zu müssen.
Rz. 13
Die Obergrenzen für die Mindeststornierungsentgelte verletzten auch nicht das Diskriminierungsverbot aus § 10 ERegG. Dass bei der Stornierung von Trassenpaketen aufgrund der Obergrenzen der Mindeststornierungsentgelte für jede einzelne Trasse deutlich geringere Entgelte zu entrichten seien als bei der Stornierung einer einzelnen bzw. sehr weniger Trassen, stelle keinen unzulässigen Preisnachlass zugunsten etablierter bzw. marktmächtiger Zugangsberechtigter dar, die üblicherweise große Trassenmengen bestellten. Denn die Obergrenzen seien sachlich begründet. Sie kämen grundsätzlich jedem Zugangsberechtigten zugute und berücksichtigten, dass bei der Stornierung von Trassenpaketen für die Klägerinnen nicht für jede stornierte Trasse Kosten in gleicher Höhe für den Stornierungsaufwand anfielen und die von den Klägerinnen beabsichtigten Mindeststornierungsentgelte ohne Obergrenzen nicht in einem der Höhe der Zahlung angemessenen Maß Anreize zur effizienten Nutzung der Schienenwegkapazität setzten. Die rechnerische Ermittlung der Kappungsgrenzen sei nicht zu beanstanden. Da die Beklagte die im konkreten Stornierungsfall tatsächlich betroffenen Trassenlängen und Verkehrstage durch Durchschnittswerte in den jeweiligen Verkehrsarten ersetzt habe, bildeten die Obergrenzen für die Mindeststornierungsentgelte die Gegebenheiten der jeweiligen Verkehrsdienste realistisch ab. Die Klägerinnen würden durch die Höchstgrenzen nicht unbillig benachteiligt. Dass ihnen die im Falle der Stornierung von Trassenpaketen anfallenden Fahrplankosten nicht vollständig ersetzt werden könnten, sei angesichts des degressiven Effekts bei der Neukonstruktion von Trassenpaketen und unter Berücksichtigung des auch unter Anwendung der Obergrenzen im Verhältnis zum bisher verlangten Mindeststornierungsentgelt deutlich höheren Entgelts nicht ersichtlich.
Rz. 14
Die Klägerinnen und die Beklagte haben jeweils die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision eingelegt.
Rz. 15
Die Klägerinnen machen mit ihrer Revision geltend, die Beklagte sei verpflichtet, das von ihnen in Ziffer 6.4.8 SNB beantragte Mindeststornierungsentgelt ohne Obergrenzen zu genehmigen. Das Verwaltungsgericht habe die sich aus § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 ERegG ergebenden materiellen Voraussetzungen für die Bemessung der Stornierungsentgelte unzutreffend bestimmt. Der Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 ERegG lasse klar erkennen, dass die Eignung des Nichtnutzungsentgelts zur Setzung von Anreizen für die effiziente Nutzung der Schienenwegkapazität das entscheidende Angemessenheitskriterium sei. Ein Entgelt sei damit von vornherein unangemessen, wenn es diesen Anreiz nicht setzen könne. Der Angemessenheitsbegriff in § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 ERegG sei von demjenigen in § 10 Abs. 1 ERegG zu unterscheiden und müsse eigenständig im Lichte der Grundsätze des dritten Kapitels des Eisenbahnregulierungsgesetzes und insbesondere des in der Leitnorm des § 18 ERegG genannten Gesichtspunkts der effektiven Nutzung der Schienenverkehrskapazität ausgelegt werden. Angemessenheitskriterien wie die Vermeidung unbilliger Benachteiligungen könnten allenfalls als Korrektiv des Effizienzkriteriums herangezogen werden. Auch in der Rechtsprechung des EuGH finde der Ansatz des Verwaltungsgerichts keine Stütze. Die Subsumtion des Verwaltungsgerichts unter den von ihm unzutreffend bestimmten Angemessenheitsmaßstab verstoße gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze. Mit der Bestätigung der Festsetzungen der Beklagten beruhe das angefochtene Urteil zudem auf einem Verstoß gegen § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 ERegG i. V. m. § 45 Abs. 1 Satz 2 ERegG. Denn den Klägerinnen stehe ein Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zu, der von der Regulierungsbehörde nur auf Überschreitungen des eisenbahnrechtlich vorgegebenen Maßstabs hin überprüft, aber nicht durch einen behördlichen Gestaltungsspielraum ersetzt werden könne. Schließlich habe das Verwaltungsgericht auch die Bedeutung des allgemein für den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur geltenden Diskriminierungsverbots aus § 10 ERegG für die Bemessung des Stornierungsentgelts verkannt. Durch die angeordnete Höchstgrenze werde den Bestellern großer Infrastrukturkontingente ein Mengenrabatt für Stornierungen eingeräumt. Die Annahme, die Obergrenzen beträfen etablierte und marktmächtige Zugangsberechtigte in gleicher Weise wie kleine Unternehmen und Newcomer, berücksichtige nicht die Unterschiede im Bestellverhalten und die hieraus resultierende Privilegierung etablierter und marktmächtiger Zugangsberechtigter bei der Disposition über große Trassenbestellungen. Diese könne sich erheblich auf die Verfügbarkeit von Trassen und damit die Ziele des § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 ERegG auswirken.
Rz. 16
Die Beklagte tritt der Revision der Klägerinnen entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil, soweit damit die Klage hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf die Verpflichtung der Beklagten zur Genehmigung der nicht durch Obergrenzen beschränkten Mindeststornierungsentgelte in Ziffer 6.4.8 SNB 2018 abgewiesen worden ist.
Rz. 17
Mit ihrer eigenen Revision wendet sich die Beklagte gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, soweit sie darin unter entsprechender teilweiser Aufhebung des Beschlusses der Bundesnetzagentur vom 6. Februar 2017 verpflichtet wird, die in der Anlage 6.2 zu den SNB 2018 jeweils in Höhe von 2,46 € je Trassenkilometer enthaltenen Entgelte für die Marktsegmente "Charter-/Nostalgieverkehr" und "Lok-/Leerfahrt" im Schienenpersonenfernverkehr wie von den Klägerinnen im Genehmigungsantrag vom 7. Oktober 2016 beantragt sowie die Regelung der Minderung auf Verlangen in Ziffer 6.4.3 SNB 2018 in der vom Verwaltungsgericht tenorierten Fassung zu genehmigen. Die Beklagte erstrebt auch insoweit die Abweisung der Klage. Zur Begründung führt sie aus, das Verwaltungsgericht hätte über die Anträge betreffend die Entgelte in den Marktsegmenten "Charter-/Nostalgieverkehr" sowie "Lok-/Leerfahrt" im Schienenpersonenfernverkehr nicht in der Sache entscheiden dürfen, weil die Klage insoweit unzulässig sei. Zum einen sei die von den Klägerinnen erhobene Verpflichtungsklage unstatthaft, weil die Entgeltgenehmigung in dem hier relevanten Umfang nicht teilbar sei. Anders als im Bereich der Telekommunikationsregulierung ergebe sich die sachliche Teilbarkeit nicht daraus, dass die von der Entgeltgenehmigung umfassten einzelnen Entgelte prinzipiell auch als jeweils separat beantragt angesehen werden könnten. In der streitgegenständlichen Netzfahrplanperiode hätten die Entgelte den Anforderungen der Übergangsregelung des § 80 Abs. 5 Satz 2 ERegG genügen müssen, die - ebenso wie die hier noch nicht anwendbare Vorschrift des § 31 Abs. 2 Satz 1 ERegG - die beantragten Entgelte in ihrer Gesamtheit in den Blick nehme. Die Klägerinnen hätten sich, die gesetzlichen Vorgaben umsetzend, für eine Bildung der Aufschläge auf der Grundlage des Ramsey-Boiteux-Prinzips, d. h. umgekehrt zur relativen Preisreagibilität der Nachfrage nach Zugtrassen entschieden. Danach erhielten Marktsegmente, bei denen eine Preisänderung zu einem relativ großen Mengenrückgang führe, einen relativ geringen Aufschlag. Aufgrund dieser Berechnungslogik hänge die Höhe des Aufschlags in dem einen Marktsegment von der Höhe des Aufschlags in den anderen Marktsegmenten ab. Auch gegenüber der postrechtlichen Entgeltgenehmigung bestünden im Eisenbahnregulierungsrecht Besonderheiten. Während § 19 Satz 1 PostG verschiedene Postdienstleistungen in den Blick nehme, beziehe sich die Genehmigung der Entgelte nach § 45 Abs. 1 Satz 1 ERegG stets auf dieselbe Leistung, nämlich die Erbringung des Mindestzugangspakets. Den Umfang dieser Leistung bestimme der Betreiber der Schienenwege nicht frei, sondern dieser sei in § 11 i. V. m. Anlage 2 Nr. 1 ERegG für alle Zugangsberechtigten unabhängig davon identisch, welchen Verkehrsdienst sie konkret auf der Schiene anböten. Dass für die einzelnen Marktsegmente verschiedene Entgelte erhoben werden müssten, führe nicht dazu, dass ein Betreiber der Schienenwege in jedem Marktsegment ein eigenständiges Produkt anbiete, das sich wie eine bestimmte Briefdienstleistung von anderen angebotenen Produkten unterscheiden ließe. Alle genehmigten Entgelte stünden in einem inneren Rechtmäßigkeitszusammenhang, dessen äußere Klammer der rechtmäßig zulässige Gesamterlös bilde.
Rz. 18
Die Verpflichtungsklage sei zum anderen auch deshalb teilweise unstatthaft, weil die Klägerinnen den Erlass des Verwaltungsakts, zu dessen Vornahme die Beklagte aufgrund des angefochtenen Urteils verpflichtet sei, im Beschlusskammerverfahren nicht beantragt hätten. Sie hätten kein Entgelt in Höhe von 2,46 € je Trassenkilometer für die Marktsegmente "Charter-/Nostalgieverkehr" und "Lok-/Leerfahrt" im Schienenpersonenfernverkehr bei gleichzeitiger Geltung der im Übrigen mit dem streitgegenständlichen Bescheid genehmigten Entgelte beantragt, sondern diese Entgelthöhen als Bestandteile einer Gesamtheit von Entgelten gemeinsam zur Genehmigung gestellt. Die Beklagte habe den Genehmigungsantrag dahingehend ausgelegt, dass der Fokus der Klägerinnen auf der Erzielung eines bestimmten Zielerlöses einerseits und einer Genehmigung der Entgeltbildungssystematik andererseits liege. Da sich die beantragten Entgelte aus der beantragten Entgeltbildungssystematik ergäben, sei ihre Ausweisung im Genehmigungsantrag im Wesentlichen deklaratorisch. Das Verwaltungsgericht habe allgemeine Auslegungsregeln verletzt, weil es stattdessen von einer isolierten Bedeutung der Entgelthöhe von 2,46 € je Trassenkilometer in den Marktsegmenten "Charter-/Nostalgieverkehr" und "Lok-/Leerfahrt" im Schienenpersonenfernverkehr ausgegangen sei.
Rz. 19
Das angefochtene Urteil verletze darüber hinaus § 45 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 36 Abs. 1 Satz 1 ERegG, soweit es die Beklagte verpflichte, die Entgelte in den Marktsegmenten "Charter-/Nostalgieverkehr" sowie "Lok-/Leerfahrt" im Schienenpersonenfernverkehr wie von den Klägerinnen beantragt zu genehmigen. In Widerspruch zu § 36 Abs. 1 Satz 1 ERegG werde hierdurch nicht in einer Gesamtschau aller Entgelte die bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit der Segmente des Eisenbahnmarktes gewährleistet. Da die Klägerinnen die Aufschläge maßgeblich auf der Grundlage der relativen Tragfähigkeiten der einzelnen Marktsegmente bildeten, sei eine Einzelbetrachtung eines Marktsegmentes ausgeschlossen. Die Bestimmung der Tragfähigkeit für ein Marktsegment habe Auswirkungen auf die Tragfähigkeit und Aufschlagshöhe in den anderen Marktsegmenten. Das Verwaltungsgericht hätte daher eine exakte Tragfähigkeitsbestimmung für das Marktsegment "Charter-/Nostalgieverkehr" vornehmen müssen. Anderenfalls hätte es ein Betreiber der Schienenwege in der Hand, die Fixkosten im Wege der Aufschlagsbildung auf die einzelnen Marktsegmente zu verteilen, solange damit die Tragfähigkeit des einzelnen Segments nicht unzutreffend hoch abgebildet sei. Auf diese Weise könnten die Klägerinnen Marktsegmente bevorzugen, in denen wenige oder keine konzernfremden Eisenbahnverkehrsunternehmen tätig seien. Hinzu komme, dass der kalkulatorische Erlös der Klägerinnen in der Netzfahrplanperiode 2017/2018, für die im Genehmigungsantrag ein Zielerlös in Höhe von 5 084 Mio. € zugrunde gelegt worden sei, um ca. 2,62 Mio. € steige, wenn das Entgelt für die Marktsegmente "Charter-/Nostalgieverkehr" sowie "Lok-/Leerfahrt" im Schienenpersonenfernverkehr von 2,05 € je Trassenkilometer auf 2,46 € je Trassenkilometer angehoben werde. Dieser gegenüber dem Genehmigungsantrag erhöhte Zielerlös hätte nach der von den Klägerinnen zugrunde gelegten Entgeltbildungsmethodik unter Einbeziehung aller Marktsegmente verteilt werden müssen. Zudem habe das Verwaltungsgericht eine falsche Bewertung der der Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachen vorgenommen. Denn der Beklagten hätten zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt gerade keine Erkenntnisse vorgelegen, die die Annahme gerechtfertigt hätten, dass die von den Klägerinnen angenommene Besetzungszahl eines Zuges im Marktsegment "Charter-/Nostalgieverkehr" und damit einhergehend der der Entgeltbildung zugrunde gelegte Umsatz, den die Eisenbahnverkehrsunternehmen je Trassenkilometer erzielen, nicht überhöht war. Die gegenteilige Annahme des Verwaltungsgerichts widerspreche allgemeinen Erfahrungssätzen und verstoße gegen Denkgesetze.
Rz. 20
Über den von den Klägerinnen erst im Erörterungstermin am 24. Juni 2020 gestellten Antrag, die in Ziffer 6.4.3 SNB 2018 enthaltene Regelung der Minderung auf Verlangen in der durch das Verwaltungsgericht mit Verfügung vom 25. Mai 2020 vorgeschlagenen Fassung zu genehmigen, hätte das Verwaltungsgericht nicht in der Sache entscheiden dürfen, weil die Klage auch insoweit mangels eines vorher bei der Beklagten gestellten Antrags unzulässig sei. Aus Sicht der Beklagten sei der Genehmigungsantrag so zu verstehen gewesen, dass die Klägerinnen Ziffer 6.4.3 SNB 2018 genau in der von ihnen formulierten Fassung genehmigt wissen wollten. Es sei nicht Aufgabe der Regulierungsbehörde, zu untersuchen, mit welcher vom Antrag abweichenden Formulierung vorgelegte Entgeltgrundsätze genehmigungsfähig sein könnten. Im Übrigen verletze die erstinstanzliche Entscheidung in dem hier in Rede stehenden Kontext auch § 46 Abs. 1 Satz 2 ERegG. Dessen Zweck, der Regulierungsbehörde eine umfassende Prüfung des Antrags zu ermöglichen und ein zügiges Genehmigungsverfahren zu gewährleisten, werde verfehlt, wenn die ursprünglich beantragte Regelung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erheblich geändert werde.
Rz. 21
Die Klägerinnen treten der Revision der Beklagten entgegen und verteidigen das Urteil des Verwaltungsgerichts, soweit dieses ihrer Klage stattgegeben hat.
Entscheidungsgründe
Rz. 22
Sowohl die Revision der Beklagten (1.) als auch die Revision der Klägerinnen (2.) sind unbegründet und gemäß § 144 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Rz. 23
1. Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage mit den zuletzt gestellten Anträgen zu Recht für zulässig gehalten; denn es fehlt weder an der Teilbarkeit der angegriffenen Entgeltgenehmigung hinsichtlich der einzelnen Entgelte (a)) noch an der Sachurteilsvoraussetzung einer vorherigen Antragstellung bei der Behörde (b)). Die Annahme des Verwaltungsgerichts, bei der Berechnung der nach § 36 Abs. 1 Satz 1 ERegG zu erhebenden Aufschläge in einem Marktsegment seien die Auswirkungen auf die Entgelte in den anderen Marktsegmenten nicht zu berücksichtigen, verletzt zwar revisibles Recht im Sinne des § 137 Abs. 1 VwGO (c)). Auf dieser Rechtsverletzung beruht das Urteil jedoch nicht (d)). Ohne Erfolg bleibt ferner die Rüge der Beklagten, das Verwaltungsgericht habe bei der Prüfung des Anspruchs der Klägerinnen auf Genehmigung des in der Anlage 6.2 zu den SNB 2018 beantragten Entgelts für das Marktsegment "Charter-/Nostalgieverkehr" eine unrichtige Tatsachenwürdigung vorgenommen (e)). Soweit das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet hat, die Regelung der Minderung auf Verlangen in der vom Verwaltungsgericht tenorierten Fassung zu genehmigen, steht das Urteil mit revisiblem Recht in Einklang (f)).
Rz. 24
a) Die Verpflichtungsklage ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht deshalb teilweise unzulässig, weil die angegriffene Entgeltgenehmigung nicht hinsichtlich der in der Anlage 6.2 zu den Schienennetz-Nutzungsbedingungen 2018 - SNB 2018 - beantragten Entgelte in den Marktsegmenten "Charter-/Nostalgieverkehr" und "Lok-/Leerfahrt" teilbar wäre.
Rz. 25
aa) Die Statthaftigkeit der von den Klägerinnen erhobenen Verpflichtungsklage hängt davon ab, dass die angegriffene Entgeltgenehmigung hinsichtlich der genehmigten Einzelentgelte teilbar ist. Denn die Klägerinnen haben den Gegenstand ihrer Klage auf die Entgelte in den Marktsegmenten "Charter-/Nostalgieverkehr" und "Lok-/Leerfahrt" sowie auf einzelne Entgeltgrundsätze beschränkt. Dieses Verständnis ihres Klageantrags entspricht ihrem nach Maßgabe des § 88 VwGO ermittelten Rechtsschutzziel. Bei einer vollständigen Aufhebung der Entgeltgenehmigung stünden nämlich auch diejenigen Einzelentgelte wieder zur Disposition, die die Bundesnetzagentur als Kompensation für die Absenkung der Entgelte in den Marktsegmenten "Charter-/Nostalgieverkehr" und "Lok-/Leerfahrt" im Schienenpersonenfernverkehr erhöht hat und die anderenfalls, verbleibt es bei der Teilanfechtung, bestandskräftig geworden sind.
Rz. 26
bb) Eisenbahnregulierungsrechtliche Entgeltgenehmigungen sind hinsichtlich der einzelnen beantragten Entgelte grundsätzlich teilbar. Ein Betreiber der Schienenwege, der die Genehmigung eines beantragten Einzelentgelts erstrebt, das die Bundesnetzagentur nur in geringerer Höhe genehmigt hat, ist daher nicht darauf verwiesen, die gesamte Entgeltgenehmigung anzugreifen.
Rz. 27
(1) Die grundsätzliche Teilbarkeit einer eisenbahnregulierungsrechtlichen Entgeltgenehmigung hinsichtlich der genehmigten Einzelentgelte folgt bereits aus dem Wortlaut der Genehmigungsnorm des § 45 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich (Eisenbahnregulierungsgesetz - ERegG), das hier noch in seiner bis zum 17. Juni 2021 gültigen Ursprungsfassung vom 29. August 2016 (BGBl. I S. 2082) anwendbar ist. Danach ist die Genehmigung zu erteilen, soweit die Ermittlung der Entgelte den Anforderungen der §§ 24 bis 40 und 46 und die Entgeltgrundsätze den Vorgaben der Anlage 3 Nummer 2 ERegG entsprechen. Die Genehmigung umfasst damit grundsätzlich eine Mehrzahl von Einzelentgelten. Der Konjunktion "soweit" kommt die Bedeutung "in dem Maße, wie" zu. Sie bringt daher über eine einfache "Wenn-Dann"-Relation hinaus zum Ausdruck, dass die Rechtsfolge der Erteilung der Entgeltgenehmigung bei nur teilweiser Erfüllung der Voraussetzungen auch hinter dem beantragten Umfang zurückbleiben kann. Ein solches Zurückbleiben der Genehmigung hinter dem Genehmigungsantrag kommt insbesondere in Bezug auf die Höhe einzelner Entgelte in Betracht.
Rz. 28
(2) Der Einwand der Beklagten, eine Entgeltgenehmigung nach den Bestimmungen des Eisenbahnregulierungsgesetzes beziehe sich grundsätzlich nicht auf eigenständige Produkte, die sich von anderen angebotenen Produkten unterscheiden ließen, sondern stets auf dieselbe Leistung, greift nicht durch. Denn allein schon die Erhebung eines gesonderten Entgelts ist nach der regulierungsrechtlichen Rechtsprechung des Senats ein maßgebendes Leistungsmerkmal, durch das eine Dienstleistung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten gekennzeichnet und von anderen Leistungsangeboten abgegrenzt wird (BVerwG, Urteil des 6. Senats vom 27. Mai 2020 - 6 C 1.19 - BVerwGE 168, 178 Rn. 18 zu § 19 Satz 1 PostG). Dies gilt grundsätzlich auch im Eisenbahnregulierungsrecht. Soweit in § 45 Abs. 1 Satz 1 ERegG als Genehmigungsgegenstand die Entgelte eines Betreibers der Schienenwege für die Erbringung des Mindestzugangspakets genannt werden, spricht auch dies nicht für die Annahme eines einheitlichen Leistungsgegenstands. Das Mindestzugangspaket umfasst gemäß § 11 Abs. 1 i. V. m. Anlage 2 Nr. 1 ERegG - ebenso wie nach Art. 13 Abs. 1 i. V. m. Anhang II Nummer 1 der zugrundeliegenden Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (ABl. L 343 S. 32) - die Leistungen, die ein Betreiber der Schienenwege für alle Zugangsberechtigten zu angemessenen, nichtdiskriminierenden und transparenten Bedingungen zu erbringen hat. Die Pflicht zur Erbringung dieser Leistungen hindert einen Betreiber der Schienenwege jedoch nicht an der weiteren Ergänzung bzw. Differenzierung in Bezug auf einzelne Verkehrsdienste und dem Angebot unterschiedlicher Produkte, die er unter anderem mittels gesonderter Entgelte abgrenzen kann.
Rz. 29
(3) Die Annahme der Teilbarkeit der Entgeltgenehmigung steht auch nicht in Widerspruch zu den Anforderungen des § 80 Abs. 5 Satz 2 ERegG. Danach haben Betreiber der Schienenwege ihre Entgelte für Pflichtleistungen einschließlich der damit verbundenen Leistungen bis zu dem sich aus § 80 Abs. 5 Satz 1 ERegG ergebenden Zeitpunkt so zu bemessen, dass die ihnen insgesamt für die Erbringung dieser Leistungen entstehenden Kosten zuzüglich einer Rendite, die am Markt erzielt werden kann, ausgeglichen werden. Für die hier maßgebliche Netzfahrplanperiode 2018 ist diese Übergangsregelung anzuwenden, da die Frist zur Beantragung der Genehmigung der Entgelte gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 ERegG nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts vor Ablauf von mindestens acht Monaten nach dem 2. September 2016 verstrichen ist. Der durch § 80 Abs. 5 Satz 2 ERegG normierte Maßstab für die Ermittlung der Entgelthöhe entspricht im Wesentlichen demjenigen des früheren § 14 Abs. 4 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes in der bis zum 1. September 2016 geltenden Fassung (AEG a. F.), der einen reinen, d. h. nicht durch Effizienz- oder Anreizelemente modifizierten Vollkostenansatz begründete (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 2021 - KZR 88/20, Trassenentgelte II - juris Rn. 32). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die sich hieraus ergebende rechtliche Verpflichtung des Betreibers der Schienenwege zur Einhaltung des Kostendeckungsprinzips mit derjenigen vergleichbar, die sich aus der - hier noch nicht anwendbaren - Vorgabe des § 31 Abs. 2 Satz 1 ERegG ergibt. Danach ist der Betreiber der Schienenwege verpflichtet, mit der Summe der nach § 26 Abs. 2 ERegG ermittelten Entgelte die Gesamtkosten des Mindestzugangspakets zu decken. Die Einhaltung des in § 80 Abs. 5 Satz 2 ERegG bestimmten Kostenmaßstabs steht einer isolierten Entscheidung über die Genehmigung eines Einzelentgelts nicht entgegen, solange durch die Gesamtheit der Entgelte die Grenze der Kostendeckung nicht unterschritten und darüber hinaus auch eine Obergrenze nicht überschritten wird (vgl. zu den Vollkosten als Obergrenze: BGH, Urteil vom 21. September 2021 - KZR 88/20, Trassenentgelte II - juris Rn. 33). Ausdrücklich geregelt wird diese Obergrenze nunmehr in § 26 Abs. 2 Satz 2 ERegG, wonach die mit den Betriebsleistungen nach § 25 Abs. 1 ERegG gewichtete Summe der Entgelte die Obergrenze der Gesamtkosten nicht übersteigen darf. In der hier noch maßgeblichen Übergangszeit ist die Obergrenze gemäß § 80 Abs. 5 Satz 2 ERegG anhand des Begriffs der Rendite, die am Markt erzielt werden kann, bestimmbar.
Rz. 30
(4) Die Unteilbarkeit einer eisenbahnregulierungsrechtlichen Entgeltgenehmigung hinsichtlich der genehmigten Einzelentgelte folgt auch nicht daraus, dass die Bundesnetzagentur stets gehalten wäre, eine Entscheidung in Bezug auf sämtliche Einzelentgelte des Betreibers der Schienenwege zu treffen, um auf diesem Wege gegebenenfalls selbst für die Deckung der Vollkosten zu sorgen. Denn eine derartige Gestaltungsbefugnis kommt der Regulierungsbehörde, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht zu.
Rz. 31
(a) § 45 Abs. 1 Satz 2 ERegG räumt der Bundesnetzagentur zwar - wie bereits erwähnt - die Befugnis ein, beantragte Einzelentgelte abzusenken, soweit deren Ermittlung den Anforderungen der §§ 24 bis 40 und 46 ERegG nicht entspricht. Der Wortlaut der Vorschrift schließt es hingegen aus, dass die Genehmigung über den beantragten Umfang hinausgeht. Dieser Umfang wird durch die Beträge der jeweils beantragten Einzelentgelte bestimmt. Eine unzulässige Erhöhung einzelner Entgelte über den Genehmigungsantrag hinaus nimmt die Regulierungsbehörde - worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat - auch dann vor, wenn sie - wie in dem angegriffenen Beschluss geschehen - infolge der Herabsetzung des Entgelts in einem Marktsegment lediglich reflexhaft höhere Entgelte für die übrigen Marktsegmente festlegt. Dies gilt ungeachtet des von der Beklagten hervorgehobenen Umstands, dass die Wechselseitigkeit der Entgelte in den einzelnen Marktsegmenten in dem sogenannten Mastermodell rechnerisch abgebildet ist, welches die Klägerinnen ihrem Genehmigungsantrag beigefügt haben. Denn Gegenstand der Entgeltgenehmigung sind nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 1 Satz 1 ERegG nur die konkret zu beziffernden Einzelentgelte und nicht ein diesen möglicherweise zugrunde gelegtes Berechnungsmodell oder ein durch die Entgelte in ihrer Gesamtheit zu erreichender Zielerlös.
Rz. 32
(b) Auch die maßgeblichen Gesetzesmaterialien enthalten keinen Anhaltspunkt dafür, dass eine Genehmigung nach § 45 Abs. 1 ERegG aufgrund einer gestaltenden Entscheidung der Bundesnetzagentur im Hinblick auf das Prinzip der Vollkostendeckung zu höheren als den jeweils beantragten Einzelentgelten eines Betreibers der Schienenwege führen kann. Im allgemeinen Teil der Begründung des Gesetzentwurfs wird vielmehr im gegenläufigen Sinne die Festlegung der Höhe der Entgelte für die unterschiedlichen Verkehrsdienste als unternehmerische Entscheidung bezeichnet. Nicht relevant ist in diesem Zusammenhang der Hinweis der Beklagten auf die am 18. Juni 2021 in Kraft getretene Ergänzung in § 45 Abs. 1 ERegG um einen Satz 3, der wie folgt lautet: "Entspricht die Ermittlung der Entgelte nicht den Anforderungen der §§ 24 bis 40 und 46, kann die Regulierungsbehörde die Ermittlung der Entgelte im erforderlichen Umfang anpassen und die sich hieraus ergebenden Entgelte genehmigen". Zwar lässt die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu dieser Vorschrift erkennen, dass § 45 Abs. 1 Satz 3 ERegG als eine lediglich "klarstellende" Regelung angesehen wurde (BT-Drs. 19/27656, S. 88). Dies erlaubt jedoch keinen Rückschluss auf die der Ursprungsfassung des § 45 Abs. 1 ERegG von 2016 zugrundeliegenden Motive des damaligen Gesetzgebers.
Rz. 33
(c) Der Sinn und Zweck der Einführung einer Ex-ante-Genehmigungspflicht in Bezug auf die Entgelte für die Erbringung des Mindestzugangspakets spricht ebenfalls nicht für eine Gestaltungsbefugnis der Bundesnetzagentur. Der Zweck des Genehmigungserfordernisses erschließt sich vor dem Hintergrund der bis zum Inkrafttreten des Eisenbahnregulierungsgesetzes für die Entgeltregulierung maßgeblichen Regelungen. Nach § 14d Satz 1 Nr. 6 AEG a. F. hatten die öffentlichen Eisenbahninfrastrukturunternehmen die Regulierungsbehörde über die vorgesehenen Entgeltgrundsätze und Entgelthöhen lediglich zu unterrichten. Die Regulierungsbehörde konnte sodann gemäß § 14e Abs. 1 Nr. 4 AEG a. F. innerhalb von vier Wochen nach Eingang der Mitteilung der beabsichtigten Neufassung oder Änderung widersprechen, soweit die beabsichtigten Entscheidungen nicht den Vorschriften des Eisenbahnrechts über den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur entsprachen. Darüber hinaus konnte sie Regelungen über die Höhe oder Struktur der Wegeentgelte und sonstiger Entgelte eines Eisenbahninfrastrukturunternehmens gemäß § 14f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AEG a. F. von Amts wegen überprüfen und das Eisenbahninfrastrukturunternehmen mit Wirkung für die Zukunft zur Änderung der Entgeltregelungen nach ihren Maßgaben verpflichten (§ 14f Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AEG a. F.) oder Entgeltregelungen für ungültig erklären, soweit diese nicht den Vorschriften des Eisenbahnrechts über den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur entsprachen (§ 14f Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AEG a. F.). Dieses Regelungssystem war nicht geeignet, eine substantielle regulierungsbehördliche Kontrolle der Entgelte im Hinblick auf die Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben zu gewährleisten, da die Bundesnetzagentur im Rahmen ihres Aufgreifermessens auf einen Widerspruch nach § 14e AEG a. F. oder eine nachträgliche Prüfung nach § 14f Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AEG a. F. verzichten konnte (vgl. BGH, Urteil vom 1. September 2020 - KZR 12/15, Stationspreissystem II - juris Rn. 36, 41 und vom 21. September 2021 - KZR 88/20, Trassenentgelte II - juris Rn. 3). Die Einführung des Genehmigungserfordernisses sollte deshalb die Kontrollmöglichkeiten der Regulierungsbehörde in verfahrensrechtlicher Hinsicht stärken. In Verbindung mit dem Verbot der Erhebung ungenehmigter Entgelte in § 45 Abs. 2 Satz 1 ERegG stellt die Genehmigungsbedürftigkeit der Entgelte sicher, dass die Regulierungsbehörde ihrer Prüfungspflicht nachkommen kann und für die Erbringung des Mindestzugangspakets nur solche Entgelte erhoben werden, die den materiell-rechtlichen Vorschriften entsprechen (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 1. März 2019 - 13 B 1349/18 - juris Rn. 51; vgl. auch bereits BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2004 - 6 C 1.03 - BVerwGE 120, 54 ≪62 f.≫ zum TKG a. F.). Dass der Bundesnetzagentur mit dem Ex-ante-Genehmigungserfordernis darüber hinaus die Befugnis eingeräumt werden sollte, im Wege einer gestaltenden Entscheidung höhere als die beantragten Einzelentgelte festzulegen, ist nicht erkennbar.
Rz. 34
(d) Gegen die Annahme, dass eine Genehmigung nach § 45 Abs. 1 ERegG aufgrund einer gestaltenden Entscheidung der Bundesnetzagentur zur Gewährleistung der Vollkostendeckung auch zu höheren als den jeweils beantragten Einzelentgelten eines Betreibers der Schienenwege führen kann, sprechen schließlich vor allem die unionsrechtlichen Vorgaben. Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2012/34/EU bestimmt, dass die Mitgliedstaaten eine Entgeltrahmenregelung schaffen, wobei die Unabhängigkeit der Geschäftsführung gemäß Art. 4 der Richtlinie zu wahren ist. Vorbehaltlich dieser Bedingung legen die Mitgliedstaaten auch einzelne Entgeltregeln fest oder delegieren diese Befugnisse an den Infrastrukturbetreiber (Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie). Der Infrastrukturbetreiber nimmt die Berechnung und Erhebung des Wegeentgeltes gemäß den geltenden Rahmenbedingungen und Vorschriften für die Entgelterhebung vor (Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 4 der Richtlinie).
Rz. 35
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) muss der Betreiber der Infrastruktur, damit die durch die Richtlinie geforderte Unabhängigkeit seiner Geschäftsführung gewährleistet wird, in dem von den Mitgliedstaaten definierten Rahmen der Entgelterhebung über einen gewissen Spielraum bei der Berechnung der Höhe der Entgelte verfügen, um hiervon als Geschäftsführungsinstrument Gebrauch machen zu können (vgl. EuGH, Urteil vom 9. September 2021 - C-144/20 [ECLI:EU:C:2021:717], LatRailNet - Rn. 41). Die auch gegenüber der Regulierungsstelle geltende Unabhängigkeit des Betreibers der Eisenbahninfrastruktur bei der Berechnung der Höhe der Entgelte ist im Licht des Gleichgewichts zu beurteilen, das der Unionsgesetzgeber zwischen dem Betreiber der Infrastruktur, insbesondere bei der Ausübung seiner wesentlichen Funktionen im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2012/34/EU, und den anderen Stellen, denen diese Richtlinie Befugnisse zuweist, herstellen wollte. So hat der EuGH entschieden, dass Art. 29 Abs. 1 dieser Richtlinie in Bezug auf die Entgeltregelungen eine Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und dem Betreiber der Infrastruktur vornimmt. Es ist nämlich Sache der Mitgliedstaaten, eine Entgeltrahmenregelung zu schaffen, während die Berechnung und Erhebung des Entgelts grundsätzlich vom Betreiber der Infrastruktur vorgenommen wird (EuGH, Urteil vom 9. September 2021 - C-144/20, LatRailNet - Rn. 43 f. unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 9. November 2017 - C-489/15 [ECLI:EU:C:2017:834], CTL Logistics - Rn. 78; ebenso bereits Urteil vom 28. Februar 2013 - C-556/10 [ECLI:EU:C:2013:116], Kommission./. Deutschland - Rn. 84, 89). Zwar ist die Regulierungsstelle im Rahmen der Ausübung der ihr durch Art. 56 der Richtlinie 2012/34/EU zugewiesenen Rechtmäßigkeitskontrolle (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 9. September 2021 - C-144/20, LatRailNet - Rn. 29 ff.) befugt, dem Unternehmen, das die wesentlichen Funktionen des Betreibers der Eisenbahninfrastruktur ausübt, die Änderungen anzuzeigen, die an der Entgeltregelung vorgenommen werden müssen, um die Unvereinbarkeiten dieser Regelung mit den Anforderungen der Richtlinie 2012/34/EU zu beseitigen. Sie ist jedoch nicht befugt, dieses Unternehmen dazu zu zwingen, sich ihrer Zweckmäßigkeitsbeurteilung zu fügen, da die Regulierungsstelle dadurch den Spielraum beeinträchtigen würde, über den dieser Betreiber verfügen muss (EuGH, Urteil vom 9. September 2021 - C-144/20, LatRailNet - Rn. 45 f.). Diese unionsrechtlich vorgegebene Zuständigkeitsverteilung zwischen Mitgliedstaat und Betreiber der Infrastruktur wird durchbrochen, wenn die Bundesnetzagentur als Regulierungsstelle im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens nicht nur die Einhaltung der gesetzlichen Entgeltrahmenregelung durch den Betreiber der Infrastruktur überprüft und den von diesem berechneten Entgelten gegebenenfalls ganz oder teilweise die Genehmigung versagt, sondern mit Blick auf das Ziel der Vollkostendeckung selbstständig Einzelentgelte festlegt, die die beantragten Entgelte jedenfalls teilweise überschreiten. Der Senat hat deshalb erhebliche Zweifel, ob die seit 2021 geltende Regelung des § 45 Abs. 1 Satz 3 ERegG, wonach die Regulierungsbehörde die Ermittlung der Entgelte im erforderlichen Umfang anpassen und die sich hieraus ergebenden Entgelte genehmigen kann, mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Mangels Anwendbarkeit der Vorschrift in zeitlicher Hinsicht muss diese Frage hier indes nicht vertieft werden.
Rz. 36
(5) Schließlich lässt sich die Annahme der fehlenden Teilbarkeit einer eisenbahnregulierungsrechtlichen Entgeltgenehmigung hinsichtlich der von ihr umfassten Einzelentgelte auch nicht auf die Regelung des § 36 Abs. 1 Satz 1 ERegG stützen.
Rz. 37
Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 ERegG sind, damit ein Betreiber der Schienenwege die ihm entstehenden Kosten vollständig decken kann, Aufschläge auf der Grundlage effizienter, transparenter und nichtdiskriminierender Grundsätze zu erheben, wobei die bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit der Segmente des Eisenbahnmarktes zu gewährleisten ist. Diese Vorschrift fordert zwar entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts, bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entgeltermittlung nicht nur eine Einzelbetrachtung der Tragfähigkeit des jeweils in einem Marktsegment beantragten Entgelts vorzunehmen, sondern die Auswirkungen in anderen Marktsegmenten zu berücksichtigen (a)). Aus dieser materiell-rechtlichen Vorgabe ergibt sich jedoch kein zwingender Grund für die Annahme der Unteilbarkeit der Entgeltgenehmigung hinsichtlich der von ihr umfassten Einzelentgelte (b)).
Rz. 38
(a) § 36 Abs. 1 Satz 1 ERegG fordert bei der Ermittlung und Überprüfung des Vollkostenaufschlags in einem Marktsegment mit Blick auf den Grundsatz der Nichtdiskriminierung sowie das Erfordernis der Gewährleistung der bestmöglichen Wettbewerbsfähigkeit der Segmente des Eisenbahnmarktes die Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Höhe der Aufschläge und damit die Wettbewerbsbedingungen in den anderen Marktsegmenten.
Rz. 39
Die isolierte Betrachtung eines einzelnen Entgelts in einem bestimmten Marktsegment stünde schon nicht in Einklang mit dem in § 36 Abs. 1 Satz 1 ERegG geregelten Kriterium, dass die Aufschläge auf der Grundlage nichtdiskriminierender Grundsätze zu erheben sind. Denn der Grundsatz der Nichtdiskriminierung verlangt, dass sich die Entgelthöhe unter dem Gesichtspunkt der relativen Markttragfähigkeit im Verhältnis zu den Entgelten in anderen Marktsegmenten in ein schlüssiges Gesamtsystem einfügt. Dies folgt insbesondere aus den maßgeblichen unionsrechtlichen Vorgaben. Nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur (ABl. L 75 S. 29), dem Art. 29 Abs. 3 der Richtlinie 2012/34/EU entspricht, tragen die Betreiber der Infrastruktur dafür Sorge, dass die Anwendung der Entgeltregelung zu gleichwertigen und nichtdiskriminierenden Entgelten für unterschiedliche Eisenbahnunternehmen führt, die Dienste gleichwertiger Art in ähnlichen Teilen des Marktes erbringen, und dass die tatsächlich erhobenen Entgelte den in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen vorgesehenen Regeln entsprechen. Der Grundsatz, dass bei den Entgelt- und Kapazitätszuweisungsregelungen allen Unternehmen ein gleicher und nichtdiskriminierender Zugang geboten und den Bedürfnissen aller Nutzer und Verkehrsarten soweit wie möglich gerecht und in nicht diskriminierender Weise entsprochen werden soll, stellt nach Ansicht des EuGH das zentrale Kriterium für die Berechnung und Erhebung des Wegeentgelts dar (EuGH, Urteil vom 9. November 2017 - C-489/15, CTL Logistics - Rn. 47). Dieses Diskriminierungsverbot ist das Gegenstück zu dem Spielraum, den die Richtlinie bei der Berechnung und Erhebung der Wegeentgelte im Eisenbahnverkehr einräumt (EuGH, Urteil vom 9. November 2017 - C-489/15, CTL Logistics - Rn. 50 f.). Dem Grundsatz, dass die zentrale Festlegung der Entgelte unter Beachtung des Diskriminierungsverbots vom Betreiber vorgenommen wird, entspricht die zentrale Überwachung durch die Regulierungsstelle, die gemäß Art. 30 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2001/14/EG (entsprechend jetzt: Art. 56 Abs. 6 der Richtlinie 2012/34/EU) gewährleistet, dass die vom Betreiber der Infrastruktur festgesetzten Entgelte nicht diskriminierend sind (EuGH, Urteil vom 9. November 2017 - C-489/15, CTL Logistics - Rn. 58, 60, 85). In diesem Zusammenhang hat der EuGH unter anderem das Erfordernis einheitlicher Kriterien sowie eines nicht diskriminierenden Systems hervorgehoben (EuGH, Urteil vom 9. November 2017 - C-489/15, CTL Logistics - Rn. 73, 88). Ob sich ein einzelnes Entgelt in ein nicht diskriminierendes System einfügt, lässt sich jedoch nicht ohne Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs beurteilen, in dem die Aufschläge zur Vollkostendeckung auf die einzelnen Marktsegmente verteilt werden.
Rz. 40
Dass die Rechtmäßigkeit der Höhe eines Einzelentgelts in einem bestimmten Marktsegment nicht isoliert beurteilt werden kann, folgt darüber hinaus vor allem aus dem in § 36 Abs. 1 Satz 1 ERegG genannten Erfordernis, bei der Erhebung der Aufschläge zur vollständigen Kostendeckung die bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit der Segmente des Eisenbahnmarktes zu gewährleisten. Der Wortlaut des § 36 Abs. 1 Satz 1 ERegG stellt im Zusammenhang mit der Gewährleistung der bestmöglichen Wettbewerbsfähigkeit nicht allein auf das jeweils betroffene Marktsegment, sondern weitergehend auf die Segmente des Eisenbahnmarktes ab. Die Verwendung des Plurals deutet darauf hin, dass eine isolierte Prüfung der Tragfähigkeit eines Aufschlags in dem jeweiligen Marktsegment nicht ausreichend ist. In diesem Zusammenhang ist auch der terminologische Unterschied zu der Vorgängerregelung in § 14 Abs. 4 Satz 2 und 3 AEG a. F. hervorzuheben. Danach konnten Betreiber der Schienenwege Aufschläge auf die Kosten erheben, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen, wobei sowohl je nach den Verkehrsleistungen Schienenpersonenfernverkehr, Schienenpersonennahverkehr oder Schienengüterverkehr als auch nach Marktsegmenten innerhalb dieser Verkehrsleistungen differenziert werden konnte und die Wettbewerbsfähigkeit insbesondere des grenzüberschreitenden Schienengüterverkehrs zu gewährleisten war. Die Höhe der Entgelte durfte jedoch bezogen auf ein Marktsegment nicht die Kosten, die jeweils unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen, zuzüglich einer Rendite, die am Markt erzielt werden konnte, übersteigen. Die frühere Regelung enthielt somit ein eingeschränkteres Prüfprogramm, das auf die Wettbewerbsfähigkeit eines konkreten Marktsegments und die Höhe des auf dieses Marktsegment bezogenen Entgelts begrenzt war.
Rz. 41
Die Erweiterung des Prüfprogramms nach der neuen Rechtslage wird durch das in § 3 Nr. 1 ERegG genannte Ziel, den Anteil schienengebundenen Verkehrs am gesamten Verkehrsaufkommen zu steigern, sowie den sich aus den Materialien ergebenden Gesetzeszweck bestätigt. Denn der Gesetzgeber bezweckt ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs nicht die Optimierung des Wettbewerbs in jeweils abgegrenzten Marktsegmenten, sondern in erster Linie die Förderung des Wettbewerbs auf der Schiene insgesamt. Ziel des Gesetzes ist es, dass der umweltfreundliche Verkehrsträger Schiene wettbewerbsfähiger wird, auch im intermodalen Wettbewerb, und dadurch insgesamt gestärkt wird. Der Markt für den Schienenpersonenverkehr und der Markt für den Güterverkehr sollen durch bessere Wettbewerbsbedingungen attraktiver und eine Verlagerung von Verkehren auf die Schiene soll gefördert werden (BT-Drs. 18/8334, S. 85 f.). Die Erreichung dieses gesetzlichen Ziels setzt voraus, dass eine Abstimmung und Ausbalancierung der Entgelte unter Berücksichtigung der Tragfähigkeit aller Marktsegmente angestrebt wird. Die Fixkosten der Trassennutzung sind durch die Bildung der Aufschläge in einer Weise auf die Marktsegmente zu verteilen, die zu einer optimalen Auslastung der Schienenwegkapazität führt. In diesem Zusammenhang ist zudem zu berücksichtigen, dass Grundlage für einen funktionsfähigen und unverfälschten Wettbewerb zwischen den Anbietern von Eisenbahnverkehrsleistungen, die auf die Nutzung der Schieneninfrastruktur angewiesen sind, ein transparentes, widerspruchsfreies und nachvollziehbares Preissystem ist, da hiervon die unternehmerischen Entscheidungen der zugangsberechtigten Eisenbahnverkehrsunternehmen über den Markteintritt und das Angebot neben der konkreten Ausgestaltung des Zugangs maßgeblich abhängen (BGH, Urteil vom 21. September 2021 - KZR 88/20, Trassenentgelte II - juris Rn. 45 f.). Dieses Ziel eines konsistenten Preissystems würde - wie bereits im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung ausgeführt - bei einer Einzelbetrachtung jedes Marktsegments nicht wirksam erreicht werden können.
Rz. 42
Die Auslegung, dass das Kriterium der Gewährleistung der bestmöglichen Wettbewerbsfähigkeit der Segmente des Eisenbahnmarktes einer isolierten Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Höhe eines Einzelentgelts in einem bestimmten Marktsegment entgegensteht, entspricht auch den unionsrechtlichen Vorgaben. § 36 ERegG dient der Umsetzung des Art. 32 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 und 2 der Richtlinie 2012/34/EU. Danach kann ein Mitgliedstaat, um eine volle Deckung der dem Infrastrukturbetreiber entstehenden Kosten zu erhalten, sofern der Markt dies tragen kann, Aufschläge auf der Grundlage effizienter, transparenter und nichtdiskriminierender Grundsätze erheben, wobei die bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit der Segmente des Eisenbahnmarktes zu gewährleisten ist; die Entgeltregelung muss dem von den Eisenbahnunternehmen erzielten Produktivitätszuwachs Rechnung tragen. In Bezug auf die entsprechende Vorgängerregelung in Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 und 2 der Richtlinie 2001/14/EG hat der EuGH klargestellt, dass eines der Ziele, die mit der von der Richtlinie geschaffenen Entgeltregelung verfolgt werden, darin besteht, die Unabhängigkeit der Geschäftsführung des Betreibers der Infrastruktur zu gewährleisten. Dieser soll von der Entgeltregelung als Gestaltungsinstrument Gebrauch machen. In dem von den Mitgliedstaaten abgesteckten Rahmen sollen die Entgelt- und Kapazitätszuweisungsregelungen den Betreibern der Eisenbahninfrastruktur einen Anreiz geben, die Nutzung ihrer Fahrwege zu optimieren. Die genannten Betreiber müssen somit, um eine derartige Optimierung möglich zu machen, über eine gewisse Flexibilität verfügen (EuGH, Urteil vom 28. Februar 2013 - C-556/10, Kommission./. Deutschland - Rn. 82 f.). Geht das Unionsrecht somit von dem Ansatz aus, dass die Infrastrukturbetreiber die Entgelte als Gestaltungsinstrument mit dem Ziel einer Optimierung der Nutzung ihrer Fahrwege einsetzen sollen, folgt hieraus, dass sich das bei der Aufschlagbildung zu beachtende Kriterium der Gewährleistung der bestmöglichen Wettbewerbsfähigkeit der Segmente des Eisenbahnmarktes nur auf das gesamte Trassenangebot beziehen kann. Bei einer isolierten Betrachtung der Wettbewerbsfähigkeit einzelner Segmente ist das Ziel der Optimierung der Trassennutzung nicht erreichbar.
Rz. 43
(b) Das der Vorschrift des § 36 Abs. 1 Satz 1 ERegG zu entnehmende materiellrechtliche Erfordernis, bei der Ermittlung des Vollkostenaufschlags in einem Marktsegment die Auswirkungen auf die Höhe der Aufschläge und damit die Wettbewerbsbedingungen in den anderen Marktsegmenten zu berücksichtigen, steht jedoch nicht der Annahme entgegen, dass eine Entgeltgenehmigung auch auf einzelne von ihr umfasste Entgelte beschränkt angegriffen werden kann. Dies folgt aus der bereits erwähnten unionsrechtlich vorgegebenen Gestaltungsfreiheit des Betreibers der Schienenwege bei der Ausgestaltung seiner Trassenentgelte. Dieser Gestaltungsfreiheit ist in prozessualer Hinsicht dadurch Rechnung zu tragen, dass dem Betreiber der Schienenwege innerhalb bestimmter Grenzen ein Spielraum bei der Entscheidung verbleiben muss, ob er eine teilweise abweichend von seinem Antrag erteilte Entgeltgenehmigung der Bundesnetzagentur insgesamt oder nur hinsichtlich einzelner Entgelte angreift.
Rz. 44
Die Grenzen des Entscheidungsspielraums des Betreibers der Schienenwege ergeben sich aus den gesetzlichen Vorgaben für die Entgeltermittlung: Zum einen muss vermieden werden, dass die Summe der beantragten Entgelte die durch die Verpflichtung zur Deckung der Gesamtkosten des Mindestzugangspakets im Sinne des § 31 Abs. 2 ERegG gezogene Untergrenze unterschreitet. Zum anderen darf die mit den Betriebsleistungen nach § 25 Abs. 1 ERegG gewichtete Summe der Entgelte gemäß § 26 Abs. 2 Satz 2 ERegG die Obergrenze der Gesamtkosten nicht überschreiten. In der hier noch maßgeblichen Übergangszeit ergeben sich - wie bereits erwähnt - vergleichbare Unter- und Obergrenzen aus der Regelung des § 80 Abs. 5 Satz 2 ERegG. Innerhalb des durch diese Unter- bzw. Obergrenzen eröffneten Bereichs darf der Betreiber der Schienenwege im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit grundsätzlich selbst entscheiden, auf welche Weise er die Aufschläge bildet, um eine optimale Trassennutzung zu erreichen.
Rz. 45
Auch die Handlungsmöglichkeiten der Bundesnetzagentur im Genehmigungsverfahren hängen vor dem Hintergrund der gesetzlichen Systematik der Entgeltbildung davon ab, ob die genannten Unter- bzw. Obergrenzen eingehalten sind oder nicht. Gelangt die Bundesnetzagentur im Rahmen der Überprüfung der von dem Betreiber der Schienenwege beantragten Entgelte zu dem Ergebnis, dass ein Einzelentgelt nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht, ist sie befugt, das betreffende Entgelt gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 ERegG in abgesenkter Höhe zu genehmigen, solange die Absenkung nicht in der Gesamtbetrachtung dazu führt, dass die Summe der Entgelte die Untergrenze der Deckung der Vollkosten unterschreitet. Wird hingegen aufgrund der Absenkung einzelner Entgelte im Rahmen der regulierungsbehördlichen Überprüfung die durch die Verpflichtung zur Deckung der Vollkosten gezogene Untergrenze in der Summe der Entgelte unterschritten, hat die Bundesnetzagentur - wie bereits ausgeführt - nach § 45 Abs. 1 Satz 2 ERegG keine Befugnis, einzelne Entgelte in anderen Marktsegmenten über den Genehmigungsantrag hinaus zu erhöhen, um auf diese Weise die Vollkostendeckung zu gewährleisten. Vielmehr muss sie, ebenso wie in dem Fall einer Überschreitung der gemäß § 26 Abs. 2 Satz 2 ERegG bzw. § 80 Abs. 5 Satz 2 ERegG einzuhaltenden Obergrenze, die Genehmigung insgesamt versagen.
Rz. 46
Hat sich die Bundesnetzagentur in der Annahme, dass die Summe der Entgelte die Untergrenze der Deckung der Vollkosten nicht unterschreitet, dafür entschieden, einzelne beantragte Entgelte gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 ERegG nur in abgesenkter Höhe zu genehmigen und im Übrigen die Entgeltgenehmigung wie beantragt zu erteilen, muss es vor dem Hintergrund der unionsrechtlich vorgegebenen Gestaltungsfreiheit, über die nach der erwähnten Rechtsprechung des EuGH der Betreiber der Schienenwege bei der Ausgestaltung seiner Trassenentgelte verfügt, diesem überlassen bleiben, in welchem Umfang er die Entgeltgenehmigung angreift. Führt die im Rahmen der Genehmigung durch die Bundesnetzagentur vorgenommene Absenkung einzelner Entgelte nach der betriebswirtschaftlichen Einschätzung des Betreibers der Schienenwege zu dem Erfordernis einer Kompensation durch die Erhöhung anderer Einzelentgelte, muss der Betreiber die Möglichkeit haben, die Entgeltgenehmigung insgesamt zum Gegenstand der Verpflichtungsklage zu machen. Hierfür wird in aller Regel auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis bestehen. Gelangt der Betreiber der Schienenwege bei seiner betriebswirtschaftlichen Prüfung hingegen zu dem Ergebnis, dass trotz der erfolgten Absenkung einzelner Entgelte insgesamt noch ein für ihn rentables Gesamtniveau der Entgelte erreicht wird, kann es andererseits in seinem unternehmerischen Interesse liegen, die Entgeltgenehmigung nur teilweise anzugreifen mit der Folge, dass hinsichtlich der Entgelte in den anderen Marktsegmenten Bestandskraft und damit Planungssicherheit eintritt. Dies gilt auch in der hier vorliegenden besonderen Konstellation, dass die Bundesnetzagentur - in Verkennung ihrer Regelungskompetenz - die Entgelte in anderen Marktsegmenten unter Anwendung des Berechnungsmodells der Klägerinnen erhöht hat.
Rz. 47
Die Annahme einer Teilbarkeit der Entgeltgenehmigung trägt darüber hinaus auch den Rechtsschutzbelangen derjenigen Zugangsberechtigten Rechnung, die aufgrund ihres jeweiligen Geschäftsmodells von vornherein lediglich durch einzelne Entgelte belastet werden und die deshalb regelmäßig kein Interesse daran haben werden, die gesamte Entgeltgenehmigung mit der Anfechtungsklage anzugreifen. Schließlich sprechen nicht zuletzt auch Gründe der Prozessökonomie dagegen, die Verwaltungsgerichte selbst dann mit einer vollständigen Überprüfung aller Teile einer eisenbahnregulierungsrechtlichen Entgeltgenehmigung zu befassen, wenn von vornherein lediglich einzelne Entgelte in Streit stehen, von deren Änderung keine Auswirkungen auf die Deckung der Vollkosten zu erwarten sind.
Rz. 48
b) Die von der Beklagten geltend gemachte Unzulässigkeit der Verpflichtungsklage folgt auch nicht aus dem Fehlen einer vorherigen Antragstellung bei der Behörde.
Rz. 49
In der Rechtsprechung des Senats ist anerkannt, dass die Zulässigkeit der Verpflichtungsklage allgemein davon abhängt, dass der Kläger den klageweise verlangten Erlass des Verwaltungsakts in dem vorangegangenen Verwaltungsverfahren ohne Erfolg beantragt hat. Diese Zulässigkeitsvoraussetzung ergibt sich aus § 68 Abs. 2, § 75 Satz 1 VwGO ("Antrag auf Vornahme") und stellt eine Ausprägung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Gewaltenteilung dar, nach dem es zunächst Sache der Verwaltung ist, sich mit Ansprüchen zu befassen, die an sie gerichtet werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 2020 - 6 C 7.19 - BVerwGE 170, 345 Rn. 36 m. w. N.).
Rz. 50
Die Beklagte bestreitet nicht, dass die Klägerinnen einen Entgeltgenehmigungsantrag gestellt haben. Sie macht vielmehr geltend, das Verwaltungsgericht habe den Genehmigungsantrag der Klägerinnen vom 7. Oktober 2016 falsch ausgelegt. Die Auslegung von Willenserklärungen ist vor allem im Hinblick auf die Erfassung des Erklärungswortlauts sowie die Sichtung und Aufklärung der für die Bedeutung der Erklärung erheblichen Umstände ein Akt der Tatsachenfeststellung (BVerwG, Beschluss vom 4. Dezember 2017 - 6 B 39.17 - juris Rn. 11). Dies gilt grundsätzlich auch für im Verwaltungsverfahren gestellte Anträge (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Mai 2020 - 6 B 54.19 - NVwZ 2021, 812 Rn. 16). Da die Sprungrevision gemäß § 134 Abs. 4 VwGO nicht auf Mängel des Verfahrens gestützt werden kann, ist der Senat an Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz gebunden. Anders verhält es sich indes, wenn die Auslegung des bei der Behörde gestellten Antrags - wie hier - für die Frage maßgeblich ist, ob die Verpflichtungsklage unstatthaft ist, weil es an dem Erfordernis der behördlichen Vorbefassung fehlt. Denn bei den Sachurteilsvoraussetzungen der Klage handelt es sich um sogenannte Prozesstatsachen, die das Revisionsgericht selbst feststellen kann (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 2. März 2022 - 6 C 7.20 - NVwZ 2022, 1205, Rn. 59 m. w. N.). Insoweit sieht die Verwaltungsgerichtsordnung für die Sprungrevision keine Ausnahme vor. Allerdings hat das Revisionsgericht die im Verwaltungsverfahren gestellten Anträge nicht selbst auszulegen. Vielmehr ist es darauf beschränkt, die Auslegung durch die Tatsacheninstanz daraufhin zu überprüfen, ob allgemeine Auslegungsregeln verletzt sind (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2001 - 8 C 17.01 - BVerwGE 115, 302 ≪307≫).
Rz. 51
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind bei der Auslegung von Anträgen und von bei einer Behörde einzulegenden Rechtsbehelfen ebenso wie bei der Auslegung von Prozesshandlungen die für die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts geltenden Rechtsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB) anzuwenden. Hiernach ist nicht erkennbar, dass das Verwaltungsgericht in Bezug auf die Entgelte für die Marktsegmente "Charter-/Nostalgieverkehr" und "Lok-/Leerfahrt" (aa)) oder die in Ziffer 6.4.3 SNB 2018 enthaltene Regelung der Minderung auf Verlangen in der durch das Verwaltungsgericht vorgeschlagenen Fassung (bb)) den Entgeltgenehmigungsantrag der Klägerinnen fehlerhaft ausgelegt hat.
Rz. 52
aa) Das Verwaltungsgericht ist jedenfalls konkludent davon ausgegangen, dass die Klägerinnen ein Entgelt in Höhe von 2,46 € je Trassenkilometer für die Marktsegmente "Charter-/Nostalgieverkehr" und "Lok-/Leerfahrt" im Schienenpersonenfernverkehr nicht nur, wie die Beklagte unterstellt, unter der - wegen der durch die Bundesnetzagentur vorgenommenen Anpassungen nicht eingetretenen - Bedingung beantragt haben, dass auch die übrigen Einzelentgelte wie beantragt genehmigt werden. Diese Auslegung ist nicht zu beanstanden. Zwar trifft es zu, dass die Klägerinnen die Entgelte für die Marktsegmente "Charter-/Nostalgieverkehr" und "Lok-/Leerfahrt" im Schienenpersonenfernverkehr ursprünglich als Bestandteile einer Gesamtheit von Entgelten zur Genehmigung gestellt haben. Soweit die Beklagte vor diesem Hintergrund geltend macht, der Fokus liege auf der Erzielung eines bestimmten Zielerlöses einerseits und einer Genehmigung der Entgeltbildungssystematik andererseits, so dass der Ausweisung der sich aus der beantragten Entgeltbildungssystematik ergebenden Entgelte im Genehmigungsantrag im Wesentlichen eine deklaratorische Bedeutung zukomme, ist dies nicht nachvollziehbar. Schon der Wortlaut des mit Schreiben vom 7. Oktober 2016 gestellten Genehmigungsantrags steht der Auslegung der Beklagten eindeutig entgegen. Gegenstand des Antrags sind danach die "in Anlage 2 zum Entgeltgenehmigungsantrag enthaltenen Entgelte". Dies entspricht der gesetzlichen Vorgabe in § 45 Abs. 1 ERegG, wonach "die Entgelte" eines Betreibers der Schienenwege für die Erbringung des Mindestzugangspakets einschließlich der Entgeltgrundsätze nach Anlage 3 Nr. 2 zu genehmigen sind. Für die Annahme, dass sich der Antrag der Klägerinnen entgegen dieser gesetzlichen Vorgabe auf eine bestimmte Entgeltbildungssystematik oder ein Berechnungsmodell beziehen könnte, ist dem insoweit maßgeblichen Schreiben vom 7. Oktober 2016 kein Anhaltspunkt zu entnehmen. Der von der Beklagten erwähnte Umstand, dass die Klägerinnen ihrem Entgeltgenehmigungsantrag eine bestimmte Berechnungslogik zugrunde gelegt haben und sich die Einzelentgelte aus dem "Mastermodell" der Klägerinnen ergeben, ist nicht geeignet, eine vom Antragswortlaut abweichende Auslegung zu stützen.
Rz. 53
bb) In Bezug auf den Antrag der Klägerinnen, die in Ziffer 6.4.3 SNB 2018 enthaltene Regelung der Minderung auf Verlangen in der durch das Verwaltungsgericht mit Verfügung vom 25. Mai 2020 vorgeschlagenen Fassung zu genehmigen, hat das Verwaltungsgericht angenommen, die Geltendmachung eines Anspruchs auf Genehmigung der Regelung in der aus dem Tenor ersichtlichen Fassung sei als Minus in dem Genehmigungsantrag der Klägerinnen im Verwaltungsverfahren enthalten gewesen.
Rz. 54
Entgegen der Einschätzung der Beklagten handelt es sich nicht um ein aliud im Vergleich zu der von ihnen im Genehmigungsverfahren ursprünglich beantragten Fassung. Im Hinblick auf die Voraussetzungen für die Geltendmachung einer Minderung durch Zugangsberechtigte ist der zuletzt mit der Klage verfolgte Antrag vielmehr auf die Schaffung einer Rechtsposition der Klägerinnen im Verhältnis zu den Zugangsberechtigten gerichtet, die gegenüber derjenigen Rechtsposition, die mit dem im Verwaltungsverfahren gestellten Antrag begehrt wurde, eingeschränkt ist. Demgegenüber sind keine Elemente erkennbar, durch die die Rechtsposition der Klägerinnen erweitert wird: In Bezug auf die erste Voraussetzung, dass der Mangel nicht im Risikobereich des Zugangsberechtigten liegen darf, sind beide Antragsfassungen identisch. Hinsichtlich der zweiten Voraussetzung erweitert die mit der Klage beantragte Fassung die Rechtsposition der Zugangsberechtigten, da diese einen Mangel nicht mehr nur - wie nach der im Genehmigungsverfahren beantragten Fassung - in den Fällen geltend machen können, in denen sie bei Vertragsschluss keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vom Mangel hatten oder die Klägerin zu 1. den Mangel arglistig verschwiegen hat, sondern auch dann, wenn sie sich bei Vertragsschluss in Kenntnis des Mangels die Geltendmachung ihres Minderungsrechts bezüglich dieses Mangels vorbehalten haben. Zu einer derartigen Erweiterung der Rechtsposition der Zugangsberechtigten im Vergleich zu der im Verwaltungsverfahren beantragten Fassung der Regelung führt die im Klageverfahren beantragte Fassung der Klausel auch hinsichtlich der dritten Voraussetzung. Denn das ursprünglich vorgesehene Erfordernis, dass der Zugangsberechtigte den Mangel unverzüglich nach Kenntnis der Klägerin zu 1. anzeigen muss, wird nunmehr dahingehend eingeschränkt, dass die Anzeigepflicht in bestimmten Fällen entfällt, nämlich bei Kenntnis der Klägerin zu 1. von dem Mangel, bei Offensichtlichkeit des Mangels oder wenn sich der Zugangsberechtigte in Kenntnis des Mangels die Geltendmachung seines Minderungsrechts bezüglich dieses Mangels vorbehalten hat. Soweit in der ursprünglich beantragten Fassung der Regelung - viertens - vorgesehen war, dass eine Minderung für bestimmte Mängel ausgeschlossen ist, ist diese Einschränkung des Minderungsrechts der Zugangsberechtigten in der im Klageverfahren beantragten Fassung ersatzlos entfallen. Ferner war in der beantragten Fassung der Regelung vorgesehen, dass die Minderung auf Verlangen aufgrund einer konkreten schriftlichen Mängelanzeige vorgenommen wird.
Rz. 55
Schließlich rechtfertigt entgegen der Auffassung der Beklagten auch die Aufnahme der Formulierung, dass die Minderung auf Verlangen aufgrund einer konkreten Mängelanzeige in Textform gemäß § 126b BGB vorgenommen wird, nicht die Annahme einer Überschreitung des Genehmigungsantrags. Denn in der ursprünglich beantragten Fassung der Regelung war bereits vorgesehen, dass die Minderung auf Verlangen aufgrund einer konkreten schriftlichen Mängelanzeige vorgenommen wird. Da jede schriftliche Willenserklärung zugleich eine Erklärung in Textform im Sinne des § 126b BGB darstellt, während dies umgekehrt nicht gilt, die Textform folglich die im Vergleich zum Schriftformerfordernis weniger strenge Formvorschrift ist, wird der Spielraum der Zugangsberechtigten bei der Geltendmachung des Minderungsrechts durch die Fassung der Regelung im Klageantrag gegenüber der im Verwaltungsverfahren beantragten Regelung erweitert und die Rechtsposition der Klägerinnen mithin graduell eingeschränkt.
Rz. 56
c) Revisibles Recht im Sinne des § 137 Abs. 1 VwGO verletzt das angegriffene Urteil hingegen dadurch, dass das Verwaltungsgericht im Zusammenhang mit dem von ihm in der Sache bejahten Anspruch der Klägerinnen auf Genehmigung der in der Anlage 6.2 zu den SNB 2018 jeweils in Höhe von 2,46 € je Trassenkilometer enthaltenen Entgelte für die Marktsegmente "Charter-/Nostalgieverkehr" und "Lok-/Leerfahrt" im Schienenpersonenfernverkehr von der Annahme ausgegangen ist, § 36 Abs. 1 Satz 1 ERegG fordere bei der rechtlichen Überprüfung des Vollkostenaufschlags in einem Marktsegment nicht die Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Höhe der Aufschläge und damit die Wettbewerbsbedingungen in den anderen Marktsegmenten.
Rz. 57
Wie bereits im Zusammenhang mit der Frage der Teilbarkeit der Entgeltgenehmigung ausgeführt (s. a. Rn. 38 ff.), fordert die Regelung des § 36 Abs. 1 Satz 1 ERegG mit Blick auf den Grundsatz der Nichtdiskriminierung sowie vor allem das Erfordernis der Gewährleistung der bestmöglichen Wettbewerbsfähigkeit der Segmente des Eisenbahnmarktes die Einbeziehung der Auswirkungen auf Entgelte in deren Marktsegmenten bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Einzelentgelts. Das Verwaltungsgericht hat unter Verstoß gegen diese Maßgabe den Anspruch der Klägerinnen auf Genehmigung der von ihnen für die Marktsegmente "Charter-/Nostalgieverkehr" sowie "Lok-/Leerfahrt" im Schienenpersonenfernverkehr beantragten Entgelte in Höhe von 2,46 € je Trassenkilometer in der Sache bejaht, ohne zu prüfen, ob bei dieser Entgelthöhe in einer Gesamtschau aller Entgelte die bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit der Segmente des Eisenbahnmarktes gewährleistet ist. Diese Prüfung ist nicht deshalb entbehrlich, weil § 45 Abs. 1 Satz 2 ERegG der Bundesnetzagentur - wie ebenfalls bereits ausgeführt - keine Befugnis zu einer gestaltenden Entscheidung einräumt, die im Hinblick auf das Prinzip der Vollkostendeckung auch zu höheren als den vom Betreiber der Schienenwege jeweils beantragten Einzelentgelten führen könnte. Sowohl die Bundesnetzagentur als auch im Streitfall das Verwaltungsgericht sind berechtigt und verpflichtet zu prüfen, ob das vom Betreiber der Schienenwege beantragte Entgelt den in § 45 Abs. 1 Satz 2 ERegG in Bezug genommenen Vorgaben des § 36 ERegG entspricht. Hierzu gehört auch die Frage, ob der Betreiber der Schienenwege die Auswirkungen auf Entgelte in anderen Marktsegmenten in den Blick genommen hat. Dieser Umfang der Prüfungsbefugnis ist bereits unionsrechtlich vorgegeben. Denn nach Art. 56 Abs. 6 der Richtlinie 2012/34/EU gewährleistet die Regulierungsstelle, dass die vom Betreiber der Infrastruktur festgesetzten Entgelte dem Kapitel IV Abschnitt 2 der Richtlinie entsprechen und nichtdiskriminierend sind. Der EuGH hat klargestellt, dass die Regulierungsstelle in diesem Rahmen nicht nur die im Einzelfall anwendbaren Entgelte zu beurteilen, sondern zudem dafür Sorge zu tragen hat, dass die Gesamtheit der Entgelte mit der Richtlinie in Einklang steht (EuGH, Urteil vom 9. November 2017 - C-489/15, CTL Logistics - Rn. 57). Fehlt es an der damit gebotenen Kohärenz des Entgeltsystems insgesamt, hat dies aus den genannten Gründen zwar nicht zur Folge, dass die Regulierungsbehörde das Entgelt selbst festsetzen kann, um den rechtlichen Vorgaben Rechnung zu tragen. In Betracht kommt jedoch gegebenenfalls die Versagung der Entgeltgenehmigung.
Rz. 58
Die Verletzung revisiblen Rechts betrifft auch den vom Verwaltungsgericht bejahten Anspruch auf Genehmigung eines Entgelts in Höhe von 2,46 € je Trassenkilometer für das Marktsegment "Lok-/Leerfahrt" im Schienenpersonenfernverkehr. Denn da der in Ziffer 1.4.1.1 der Anlage 6c zu den SNB 2018 enthaltene, weder von der Beklagten noch vom Verwaltungsgericht beanstandete Entgeltgrundsatz vorsieht, dass sich das Entgelt für Lok- und Leerfahrten aufgrund des fehlenden Endkundenbezugs nach dem Entgelt für die günstigste Leerfahrt des jeweiligen Verkehrsdienstes berechnet und es sich bei dem Entgelt im Marktsegment "Charter-/Nostalgieverkehr" um das günstigste Entgelt im Schienenpersonenfernverkehr handelt, führen Rechtsfehler bei der Genehmigung des Entgelts im Marktsegment "Charter-/Nostalgieverkehr" im Schienenpersonenfernverkehr - wie die Beklagte zutreffend geltend macht - automatisch auch zur Fehlerhaftigkeit der Entgelte in dem Marktsegment "Lok-/Leerfahrt".
Rz. 59
d) Soweit das Verwaltungsgericht mit seiner Annahme, die einzelnen beantragten Entgelte seien grundsätzlich nicht miteinander verbunden, so dass bei der Rechtmäßigkeitsprüfung jeweils nur eine Einzelbetrachtung erforderlich sei, § 36 Abs. 1 Satz 1 ERegG verletzt hat, beruht das Urteil jedoch nicht im Sinne des § 137 Abs. 1 VwGO auf dieser Rechtsverletzung. Bei einem - hier vorliegenden - materiellen Rechtsverstoß ist die erforderliche Kausalität nur gegeben, wenn die Vorinstanz ohne den Rechtsverstoß eine andere Entscheidung getroffen hätte; die bloße Möglichkeit einer anderen Entscheidung reicht nicht aus (Kraft, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 137 Rn. 42; Neumann/Korbmacher, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 137 Rn. 17).
Rz. 60
Das Verwaltungsgericht hätte im Ergebnis keine andere Entscheidung treffen können, als dem Genehmigungsantrag der Klägerinnen in Bezug auf die Entgelte in den Marktsegmenten "Charter-/Nostalgieverkehr" sowie "Lok-/Leerfahrt" im Schienenpersonenfernverkehr stattzugeben und die Beklagte zu verpflichten, diese Entgelte jeweils in Höhe von 2,46 € je Trassenkilometer zu genehmigen. Denn bei der individuellen, auf das konkrete Marktsegment beschränkten Betrachtung der Markttragfähigkeit war die von den Klägerinnen beantragte Entgelthöhe, wie das Verwaltungsgericht insoweit noch rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, rechtlich nicht zu beanstanden. Die bei zutreffendem Verständnis des revisiblen Rechts zusätzlich erforderliche Überprüfung, ob sich die Entgelthöhe unter dem Gesichtspunkt der relativen Markttragfähigkeit im Verhältnis zu den Entgelten in anderen Marktsegmenten gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 ERegG als nichtdiskriminierend erweist, also sich vor allem in ein schlüssiges Gesamtsystem einfügt, und im Sinne einer optimalen Auslastung der Schienenwegkapazität die bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit der Segmente des Eisenbahnmarktes gewährleistet, konnte unter den hier vorliegenden Umständen nicht mehr zu einer abweichenden Festlegung der Entgelte in den genannten Marktsegmenten führen.
Rz. 61
Einer Erhöhung der genannten Entgelte über die Höhe von 2,46 € je Trassenkilometer hinaus stand der bereits erwähnte Umstand des Fehlens einer Befugnis der Beklagten - und dementsprechend auch des Verwaltungsgerichts - entgegen, die Entgelte über die von den Klägerinnen beantragte Höhe heraufzusetzen. Auch die Genehmigung der Entgelte in einer Höhe, die oberhalb der in dem angegriffenen Beschluss der Bundesnetzagentur genehmigten Höhe von 2,05 € je Trassenkilometer, aber unterhalb des von den Klägerinnen beantragten Betrags von 2,46 € je Trassenkilometer liegt, kam in dieser besonderen Fallkonstellation ausnahmsweise nicht in Betracht. Denn nach der Berechnungslogik der Klägerinnen, die die Beschlusskammer als grundsätzlich zutreffend gewertet hat, war bei der Festlegung eines Entgelts in der beantragten Höhe von 2,46 € je Trassenkilometer die gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 ERegG anzustrebende bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit der Segmente des Eisenbahnmarktes im Sinne einer Gesamtschau nur unter der Bedingung gewahrt, dass auch die Entgelte in den anderen Marktsegmenten in der beantragten Höhe festgelegt werden. Durch die in dem angegriffenen Beschluss der Bundesnetzagentur erfolgte Festlegung höherer als der beantragten Entgelte in anderen Marktsegmenten war diese Bedingung indes nicht mehr erfüllt. Eine Änderung der heraufgesetzten Entgelte in den anderen Marktsegmenten mit dem Ziel der Wiederherstellung des ursprünglich konzipierten Gesamtgefüges ist aber rechtlich ausgeschlossen, da die Klägerinnen die Entgeltgenehmigung nur hinsichtlich der Entgelte in den Marktsegmenten "Charter-/Nostalgieverkehr" sowie "Lok-/Leerfahrt" im Schienenpersonenfernverkehr zum Gegenstand ihrer Verpflichtungsklage gemacht haben und die teilbare Genehmigung hinsichtlich der Einzelentgelte in den übrigen Marktsegmenten daher bestandskräftig geworden ist. Eine Herabsetzung der Entgelte in den Marktsegmenten "Charter-/Nostalgieverkehr" sowie "Lok-/Leerfahrt" unterhalb des von den Klägerinnen beantragten Betrags von 2,46 € je Trassenkilometer würde das durch den gestaltenden Eingriff der Bundesnetzagentur verursachte Ungleichgewicht zwischen den Belastungen, die die einzelnen Marktsegmente zu tragen haben, offensichtlich nicht vermindern, sondern im Gegenteil zusätzlich vertiefen. Eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten kommt deshalb nicht in Betracht.
Rz. 62
e) Ohne Erfolg bleibt ferner die Rüge der Beklagten, das Verwaltungsgericht habe eine falsche Bewertung der der Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachen vorgenommen. Die Beklagte führt hierzu aus, ihr hätten zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt keine Erkenntnisse vorgelegen, die die Annahme gerechtfertigt hätten, dass die von den Klägerinnen angenommene Besetzungszahl eines Zuges im Marktsegment "Charter-/Nostalgieverkehr" und damit einhergehend der der Entgeltbildung zugrunde gelegte Umsatz, den die Eisenbahnverkehrsunternehmen je Trassenkilometer erzielen, nicht überhöht war. Die gegenteilige Annahme des Verwaltungsgerichts widerspreche allgemeinen Erfahrungssätzen und verstoße gegen Denkgesetze. Mit diesem und ihrem weiteren Vorbringen rügt die Beklagte der Sache nach Verfahrensfehler in Gestalt von Verstößen gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Diese Rüge kann jedoch schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die von der Beklagten eingelegte Sprungrevision gemäß § 134 Abs. 4 VwGO nicht auf Mängel des Verfahrens gestützt werden kann.
Rz. 63
f) Soweit das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet hat, die Regelung der Minderung auf Verlangen in Ziffer 6.4.3 SNB 2018 in der vom Verwaltungsgericht tenorierten Fassung zu genehmigen, beruht das angegriffene Urteil ebenfalls nicht auf einer Verletzung revisiblen Rechts.
Rz. 64
aa) Die von der Beklagten geltend gemachte Verletzung des § 46 Abs. 1 Satz 2 ERegG ist schon im Ansatz nicht erkennbar. Nach dieser Vorschrift sind dem Antrag die Unterlagen nach Anlage 4 und eine Darlegung der Übereinstimmung mit den Vorgaben dieses Gesetzes beizufügen. Ob der Zweck dieser Regelung, der Regulierungsbehörde eine umfassende Prüfung des Antrags zu ermöglichen sowie ein zügiges Genehmigungsverfahren zu gewährleisten, verfehlt wird, wenn eine ursprünglich beantragte Klausel der Schienennetz-Nutzungsbedingungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine erhebliche Modifizierung erfährt, kann dahingestellt bleiben. Selbst bei Unterstellung dieser Annahme könnte das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten nicht zum Erfolg ihrer Revision führen. Denn eine derartige Modifizierung liegt in Bezug auf die Regelung der Minderung auf Verlangen in Ziffer 6.4.3 SNB 2018 aus den bereits dargelegten Gründen nicht vor.
Rz. 65
bb) Die in Ziffer 6.4.3 SNB 2018 vorgesehene Regelung der Minderung auf Verlangen in der aus dem Tenor des angegriffenen Urteils ersichtlichen Fassung steht auch in Einklang mit § 39 Abs. 1 ERegG. Danach ist ein Betreiber der Schienenwege verpflichtet, den Zugangsberechtigten den Zugang zu Eisenbahnanlagen zu angemessenen, transparenten und nichtdiskriminierenden Entgelten und Entgeltregelungen zu gestatten.
Rz. 66
Das Verwaltungsgericht hat angenommen, Entgelte und Entgeltgrundsätze in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen des Betreibers der Schienenwege seien im Sinne des § 39 Abs. 1 ERegG angemessen, wenn sie unter Berücksichtigung der Vertragsgestaltungsfreiheit des Betreibers geeignet seien, die nationalen sowie unionsrechtlichen Regulierungsziele zu erreichen und das Zugangsrecht möglichst gut zu gewährleisten sowie eine Vertragspartei nicht unbillig benachteiligen. Bei der Bewertung, ob der Zugang zur Eisenbahninfrastruktur zu angemessenen Bedingungen im Sinne von § 39 Abs. 1 ERegG gewährt wird, könnten die auf das Eisenbahnregulierungsrecht übertragbaren grundlegenden zivilrechtlichen Wertungen, auch diejenigen über die AGB-Kontrolle, zur Orientierung herangezogen werden, soweit sie den Besonderheiten der Trassennutzungsverträge im Eisenbahnsektor sowie den Vorgaben des Eisenbahnregulierungsgesetzes gerecht würden.
Rz. 67
Diese Auslegung des Kriteriums der Angemessenheit im Sinne des § 39 Abs. 1 ERegG ist revisionsgerichtlich mit der Maßgabe nicht zu beanstanden, dass eine auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls abstellende Billigkeitskontrolle im Ergebnis ausgeschlossen bleiben muss. Aus § 45 Abs. 2 Satz 3 ERegG, wonach das genehmigte Entgelt als billiges Entgelt im Sinne des § 315 BGB gilt, ergibt sich, dass neben das regulierungsbehördliche Entgeltgenehmigungsverfahren keine Billigkeitskontrolle durch die ordentlichen Gerichte tritt. Dies entspricht den unionsrechtlichen Vorgaben. Nach der Rechtsprechung des EuGH stand die Richtlinie 2001/14/EG, insbesondere deren Art. 4 Abs. 5 und deren Art. 30 Abs. 1, 3, 5 und 6 der Anwendung einer nationalen Regelung entgegen, wonach die Wegeentgelte im Eisenbahnverkehr von den ordentlichen Gerichten im Einzelfall auf Billigkeit überprüft und gegebenenfalls unabhängig von der in Art. 30 der Richtlinie vorgesehenen Überwachung durch die Regulierungsstelle abgeändert werden können (EuGH, Urteil vom 9. November 2017 - C-489/15, CTL Logistics - Rn. 69 ff.). Für die entsprechenden Vorgaben der nunmehr maßgeblichen Richtlinie 2012/34/EU, insbesondere deren Art. 29 Abs. 3, Art. 55 Abs. 1 sowie Art. 56 Abs. 6, 9 und 10, gilt nichts Anderes (vgl. Ludwigs, NVwZ 2016, 1665 ≪1668≫).
Rz. 68
Der Ausschluss einer inter partes wirkenden Billigkeitskontrolle durch die ordentlichen Gerichte hat jedoch nicht zur Folge, dass nunmehr eine entsprechende Überprüfung der Entgelte und Entgeltgrundsätze anhand zivilrechtlicher Maßstäbe durch die Regulierungsbehörde bzw. im Streitfall durch das Verwaltungsgericht an die Stelle tritt. Denn der EuGH hat nicht nur auf die der Regulierungsstelle durch Art. 30 der Richtlinie 2001/14/EG - entsprechend Art. 55 und 56 der Richtlinie 2012/34/EU - zuerkannte ausschließliche Zuständigkeit bei der Kontrolle der Entgelte (EuGH, Urteil vom 9. November 2017 - C-489/15, CTL Logistics - Rn. 84 ff.) und den verbindlichen Charakter der Entscheidungen der Regulierungsstelle nach Art. 30 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/14/EG - entsprechend Art. 56 Abs. 9 Unterabs. 2 der Richtlinie 2012/34/EU - abgestellt (a. a. O. Rn. 94 ff.). Er hat auch hervorgehoben, dass eine auf den Einzelfall abstellende Billigkeitskontrolle zum einen im Widerspruch zu dem in Art. 4 Abs. 5 und im elften Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/14/EG - entsprechend Art. 29 Abs. 3 und 42. Erwägungsgrund der Richtlinie 2012/34/EU - niedergelegten Diskriminierungsverbot steht, da hierbei keine einheitlichen Kriterien angewandt werden, sondern von Fall zu Fall je nach Vertragszweck und den Interessen der Parteien des Rechtsstreits die Äquivalenz der Leistungen betreffende materielle Kriterien (a. a. O. Rn. 70 ff.), und zum anderen den der Optimierung der Fahrwege dienenden Spielraum des Betreibers der Infrastruktur bei der Entgelterhebung in einem nicht mit den Zielen der Richtlinie vereinbaren Maß einengt (a. a. O. Rn. 77 ff.). Im Hinblick auf diese materiell-rechtlichen Vorgaben des Unionsrechts muss die Auslegung des Begriffs der Angemessenheit im Sinne des § 39 Abs. 1 ERegG dem Charakter der eisenbahnregulierungsrechtlichen Entgeltgenehmigung als erga omnes wirkender Regulierungsentscheidung Rechnung tragen. Dies steht einer Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls entgegen, wie sie für eine Billigkeitskontrolle kennzeichnend ist.
Rz. 69
Mit der Maßgabe, dass die Entgelte und Entgeltgrundsätze des Betreibers der Schienenwege keiner einzelfallbezogenen Billigkeitskontrolle unterzogen werden dürfen, sind jedoch weder die Regulierungsbehörde noch im Streitfall das Verwaltungsgericht daran gehindert, sich bei der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit im Sinne des § 39 Abs. 1 ERegG auch an abstrakt-generellen Wertungen des Zivilrechts zu orientieren. Der Heranziehung zivilrechtlicher Grundsätze als Hilfsmaßstäbe in diesen Grenzen steht nicht entgegen, dass der Senat in Bezug auf das früher in § 21 Abs. 6 Satz 2 EIBV ausdrücklich geregelte Gebot, dass Wegeentgelte bei nicht vertragsgemäßem Zustand des Schienenweges zu mindern sind, die Auffassung vertreten hat, zum Zivilrecht - insbesondere zum Mietrecht - gezogene Parallelen seien auf § 21 Abs. 6 Satz 2 EIBV in seiner Funktion als besondere Eisenbahninfrastrukturzugangsvorschrift nicht übertragbar (BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 6 C 17.10 - BVerwGE 140, 359 Rn. 40). Im geltenden Eisenbahnregulierungsrecht findet sich keine Nachfolgeregelung dieser speziellen Entgeltminderungspflicht eines Betreibers der Schienenwege.
Rz. 70
cc) Von dem dargelegten Maßstab ausgehend ist die Feststellung des Verwaltungsgerichts revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden, die von der Beklagten genehmigte Regelung über die Minderung auf Verlangen sei nicht mit den Anforderungen des § 39 Abs. 1 ERegG vereinbar, da sie die Klägerinnen unbillig benachteilige und somit nicht angemessen sei.
Rz. 71
Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die in der von der Beklagten genehmigten Fassung der Klausel vorgesehene Möglichkeit, Mängel nach den zivilrechtlichen Regelungen geltend zu machen, schließe die von § 536c Abs. 1 Satz 1 BGB vorausgesetzte Formfreiheit der Mängelanzeige ein. Dies werde den Besonderheiten der Eisenbahninfrastrukturnutzung jedoch nicht gerecht; denn die Klägerinnen hätten ein berechtigtes Interesse an der Dokumentation von Mängelanzeigen, die ihnen eine effiziente Mängelbeseitigung auf dem von ihnen betriebenen großen Schienennetz ermögliche. Da die Eisenbahninfrastruktur der Klägerinnen von einer Vielzahl von Zugangsberechtigten innerhalb kurzer zeitlicher Abstände genutzt werde, seien die Klägerinnen mit einer Vielzahl von potentiellen Mängelanzeigen konfrontiert. Erhielten sie nicht eine zumindest schriftliche Anzeige eines Mangels, die den Anforderungen des § 126b BGB genüge, würde angesichts der Besonderheiten der Eisenbahninfrastrukturnutzung der Zweck der Mängelanzeige nicht erfüllt. Die Klägerinnen würden bei formfrei eingehenden Mängelanzeigen nicht in angemessener Weise in die Lage versetzt, die jeweiligen Mängel effizient zu beseitigen und damit ihrer vertraglich geschuldeten Leistungspflicht nachzukommen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass eine Mängelanzeige in Textform in der Regel eine qualitativ hochwertigere Mängelbeschreibung enthalte und auch dadurch zu einer effizienteren Mängelbeseitigung befähigen könne. Darüber hinaus hätten die Klägerinnen ein berechtigtes Interesse daran, nicht in einer - bei einer formfrei möglichen Mängelanzeige zu erwartenden - Vielzahl von Fällen Streitigkeiten über den von den Zugangsberechtigten nachzuweisenden Zugang der Mängelanzeige ausgesetzt zu sein. Die Forderung einer Mängelanzeige zumindest in Textform benachteilige auf der anderen Seite die Zugangsberechtigten nicht unangemessen. Durch die Möglichkeit, die Mängelanzeige etwa per E-Mail zu erstatten, würden sie gegenüber einer formfreien Anzeige nicht maßgeblich belastet. Eine solche E-Mail lasse sich innerhalb kurzer Zeit und ohne erheblichen Aufwand verfassen. Zudem komme den Zugangsberechtigten die mit der Textform verbundene Beweisfunktion zugute, da sie die Mängelanzeige und deren Zugang im Streitfall nachweisen können müssten. Diese Erwägungen sind plausibel und werden durch das Vorbringen der Beklagten nicht durchgreifend in Frage gestellt. Der Einwand der Beklagten, die Kommunikation zwischen Fahrdienstleiter und Zugführer werde standardmäßig aufgezeichnet, so dass keine Beweisprobleme bestehen dürften, ist schon deshalb im Revisionsverfahren unbeachtlich, weil er sich auf Tatsachen stützt, die das Verwaltungsgericht nicht festgestellt hat.
Rz. 72
2. Die Revision der Klägerinnen bleibt gleichfalls ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage ohne Verstoß gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO) abgewiesen, soweit die Klägerinnen die Verpflichtung der Beklagten zur Genehmigung des in Ziffer 6.4.8 SNB 2018 geregelten Mindeststornierungsentgelts ohne Obergrenze begehren. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen ergibt sich aus § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 ERegG nicht, dass die Eignung des Nichtnutzungsentgelts zur Setzung von Anreizen für die effiziente Nutzung der Schienenwegkapazität das entscheidende Angemessenheitskriterium ist und andere Kriterien allenfalls als Korrektiv herangezogen werden können (a)). Auch die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die von den Klägerinnen beabsichtigte Klausel zum Mindeststornierungsentgelt erfülle nicht die Anforderungen an ein angemessenes Nichtnutzungsentgelt, weil dieses Entgelt die Zugangsberechtigten angesichts seiner nach dem Berechnungsmodell der Klägerinnen lediglich durch die Faktoren der Verkehrstage und der Trassenkilometer begrenzten Höhe unbillig benachteilige, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden (b)).
Rz. 73
a) Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 ERegG kann ein Betreiber der Schienenwege von einem Zugangsberechtigten ein angemessenes Entgelt für Schienenwegkapazität verlangen, die vertraglich zugewiesen, aber nicht in Anspruch genommen wurde. § 40 Abs. 1 Satz 2 ERegG bestimmt, dass das Entgelt insbesondere angemessen ist, wenn es Anreize für die effiziente Nutzung der Schienenwegkapazität schafft. Das Verwaltungsgericht hat diese Regelung dahingehend ausgelegt, dass ein Nichtnutzungsentgelt Anreize für die effiziente Nutzung der Schienenwegkapazität schaffen und als angemessenes Entgelt geeignet sein muss, die nationalen und unionsrechtlichen Regulierungsziele zu realisieren, sowie das Zugangsrecht möglichst gut zu gewährleisten, ohne eine Vertragspartei unbillig zu benachteiligen. Die Prüfung der Angemessenheit könne sich an zivilrechtlichen Regelungen und Wertungen orientieren, soweit diese auf das Eisenbahnregulierungsrecht übertragbar seien und die Besonderheiten der Trassennutzung im Eisenbahnverkehr beachteten. Die Aspekte der Anreizsetzung und der Angemessenheit seien miteinander in einen Ausgleich zu bringen, der den Zweck des Nichtnutzungsentgelts wahre, die Zugangsberechtigten zu einer sorgfältigen Trassenbestellung und -nutzung anzuhalten. Diese Auslegung steht - mit der bereits im Zusammenhang mit § 39 Abs. 1 ERegG erwähnten Maßgabe, dass eine auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls abstellende Billigkeitskontrolle im Ergebnis ausgeschlossen bleiben muss - im Einklang mit dem revisiblen Recht.
Rz. 74
Die abweichende Rechtsauffassung der Klägerinnen, nach der die Angemessenheit entscheidend von der Eignung des Nichtnutzungsentgelts zur Setzung von Anreizen für die effiziente Nutzung der Schienenwegkapazität abhängen und anderen Kriterien allenfalls eine Korrektivfunktion zukommen soll, widerspricht bereits dem Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 2 ERegG, wonach das Entgelt insbesondere angemessen ist, wenn es Anreize für die effiziente Nutzung der Schienenwegkapazität schafft. Das Wort "insbesondere" wird üblicherweise vom Gesetzgeber verwendet, um Regelbeispiele einzuführen, die die Auslegung der Tatbestandsmerkmale steuern sollen, auf die sie sich beziehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2020 - 5 C 9.19 - BVerwGE 171, 49 Rn. 31). Kennzeichnend für derartige Regelbeispiele ist jedoch gerade ihr nicht abschließender Charakter (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Mai 2019 - 1 C 10.18 - BVerwGE 165, 360 Rn. 14). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, kann der Formulierung daher nur entnommen werden, dass die Anreizwirkung ein Indiz für die Angemessenheit darstellt. Die Gesetzesmaterialien stützen diese Auslegung. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung wird zu § 40 Abs. 1 ERegG ausgeführt, die Nichtnutzung von zugewiesener Schienenwegkapazität führe zu einer Schwächung des Verkehrssystems Eisenbahn, da die Kapazität unter Umständen von anderen Zugangsberechtigten zur Erbringung von Verkehrsdiensten genutzt worden wäre. Um Missbrauch vorzubeugen sehe die Regelung daher vor, dass angemessene Entgelte trotz Nichtnutzung von Trassen seitens der Zugangsberechtigten von Betreibern der Schienenwege erhoben werden müssten. Dieses Nichtnutzungsentgelt solle zugleich Anreize für die effiziente Nutzung der Schienenwegkapazität schaffen (BT-Drs. 18/8334, S. 202). Das Wort "zugleich" impliziert, dass bei der Erhebung des Nichtnutzungsentgelts nicht nur der Anreizwirkung, sondern noch weiteren Belangen gleichrangig Rechnung zu tragen ist. Dass nach der Begründung zu § 18 ERegG die Anwendung der nachfolgenden Regelungen stets nach der Maßgabe zu erfolgen hat, dass sie nicht zu einer ineffizienten Zuteilung von Schienenwegkapazitäten führen darf (BT-Drs. 18/8334, S. 185), steht entgegen der Auffassung der Klägerinnen hierzu nicht in Widerspruch. Der Bestimmung des § 40 Abs. 1 Satz 2 ERegG, dass das Nichtnutzungsentgelt insbesondere angemessen ist, wenn es Anreize für die effiziente Nutzung der Schienenwegkapazität schafft, verbleibt auch dann ein Regelungszweck, wenn die Aspekte der Anreizsetzung und der Angemessenheit miteinander in einen Ausgleich zu bringen sind. Denn es wird jedenfalls klargestellt, dass der Eignung des Nichtnutzungsentgelts zur Setzung von Anreizen für die effiziente Nutzung der Schienenwegkapazität bei der Bemessung der Höhe des Entgelts eine hervorgehobene Bedeutung zukommt und allenfalls ergänzend auf die Kosten abgestellt werden kann, die dem Betreiber der Schienenwege durch den zusätzlichen administrativen Aufwand im Zusammenhang mit einer Nichtnutzung entstehen.
Rz. 75
Die Auffassung der Klägerinnen, weitere Kriterien wie die Vermeidung unbilliger Benachteiligungen hätten im Rahmen der Angemessenheitsprüfung neben der Setzung von Anreizen für die effiziente Nutzung der Schienenwegkapazität allenfalls eine Korrektivfunktion, steht vor allem in Widerspruch zu den unionsrechtlichen Vorgaben. Art. 36 der Richtlinie 2012/34/EU, dessen Umsetzung § 40 Abs. 1 ERegG dient, sieht in seinem Satz 1 vor, dass die Infrastrukturbetreiber ein angemessenes Entgelt für Fahrwegkapazität erheben können, die zugewiesen, aber nicht in Anspruch genommen wurde. Weiter bestimmt Art. 36 Satz 2 der Richtlinie 2012/34/EU, dass das Nichtnutzungsentgelt Anreize für die effiziente Nutzung der Fahrwegkapazität schafft. Die in § 40 Abs. 1 Satz 2 ERegG hergestellte Verknüpfung zwischen dem Erfordernis der Angemessenheit des Nichtnutzungsentgelts und der Anreizwirkung für die effiziente Nutzung der Fahrwegkapazität findet in dem Wortlaut der Richtlinienbestimmung keine Entsprechung. Erst recht besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass es sich bei der in Art. 36 Satz 2 der Richtlinie erwähnten Anreizwirkung um eine übergeordnete oder sogar abschließende materiell-rechtliche Anforderung bei der Erhebung von Nichtnutzungsentgelten handeln und der in Art. 36 Satz 1 der Richtlinie genannten Voraussetzung, dass das Entgelt angemessen sein muss, daneben kein selbstständiger Gehalt mehr zukommen könnte. Dafür, dass der deutsche Gesetzgeber in § 40 ERegG eine von den Vorgaben des Art. 36 der Richtlinie 2012/34/EU abweichende Regelung treffen wollte, bei der dem Kriterium der Angemessenheit keine selbstständige Bedeutung mehr neben der Vorgabe der Anreizwirkung zukommt, sind ebenfalls keine Anhaltspunkte ersichtlich. Schließlich lässt sich entgegen der Ansicht der Klägerinnen auch aus dem vom EuGH hervorgehobenen Spielraum des Betreibers der Schienenwege bei der Ausgestaltung von Entgeltregelungen, die Nutzer zu rationalen Entscheidungen veranlassen sollen (EuGH, Urteil vom 9. November 2017 - C-489/15, CTL Logistics - Rn. 54), nicht ableiten, dass andere Angemessenheitskriterien neben der Anreizwirkung außer Betracht zu lassen sind. Die unionsrechtlichen Vorgaben sind in diesen Punkten derart offenkundig, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt, so dass es der von den Klägerinnen angeregten Herbeiführung einer Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht bedarf (vgl. zu der sog. acte-clair-Doktrin EuGH, Urteile vom 6. Oktober 1982 - C-283/81 [ECLI:EU:C:1982:335], CILFIT - und vom 15. September 2005 - C-495/03 [ECLI:EU:C:2005:552], Intermodal Transports -).
Rz. 76
Bei der Bestimmung der übrigen Kriterien für die Beurteilung der Angemessenheit des Nichtnutzungsentgelts hat sich das Verwaltungsgericht in den durch Sinn und Zweck des § 40 Abs. 1 ERegG gezogenen Grenzen gehalten. Dass das Entgelt geeignet sein muss, die nationalen und unionsrechtlichen Regulierungsziele zu realisieren, ergibt sich daraus, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die gesamte Regulierung an den in § 3 ERegG aufgeführten Zielen der Regulierung auszurichten ist (BT-Drs. 18/8334, S. 174). Das Kriterium der möglichst guten Gewährleistung des Zugangsrechts folgt aus den Zielen der Steigerung des Anteils des schienengebundenen Personen- und Güterverkehrs am gesamten Verkehrsaufkommen (§ 3 Nr. 1 ERegG) sowie der Wahrung der Interessen der Zugangsberechtigten auf dem Gebiet der Eisenbahnmärkte bei der Förderung und Sicherstellung eines wirksamen Wettbewerbs in den Eisenbahnmärkten (§ 3 Nr. 2 Alt. 1 ERegG). Denn eine Entgeltregelung, die es den Zugangsberechtigten im Ergebnis erschwert, Verkehrsdienste zu erbringen und damit am Wettbewerb teilzunehmen, führt letztlich zu einer Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit des Eisenbahnmarktes insgesamt und kann deshalb nicht angemessen sein.
Rz. 77
Schließlich ist auch das Kriterium der Vermeidung einer unbilligen Benachteiligung der Zugangsberechtigten oder des Betreibers der Schienenwege von dem Sinn und Zweck der Regelung in § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 ERegG umfasst, sofern ein abstrakt-genereller Maßstab angelegt wird und die Umstände des jeweiligen Einzelfalls außer Betracht bleiben. Wie bereits ausgeführt, verfolgt der Gesetzgeber mit der Regelung ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs das Ziel, eine Schwächung des Verkehrssystems Eisenbahn infolge der Nichtnutzung von zugewiesener Schienenwegkapazität zu vermeiden. Führt die Höhe von Nichtnutzungsentgelten zu einer als unbillig zu qualifizierenden Benachteiligung von Zugangsberechtigten, kann dies jedoch im Ergebnis ebenfalls eine Schwächung des Verkehrssystems Eisenbahn zur Folge haben und damit den gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 ERegG beabsichtigten Anreiz zur Vermeidung blockierter Schienenwege konterkarieren. Wie das Verwaltungsgericht überzeugend ausführt, könnte es nämlich zu einer Verlagerung des Bestellverhaltens kommen, welche die dem Ziel der frühzeitigen Bewältigung von Nutzungskonflikten dienende Netzfahrplanerstellung (vgl. § 52 ERegG) und damit einen effizienten Betrieb der Schienenwege erschweren würde. Denn zur Vermeidung des Mindeststornierungsentgelts könnten Zugangsberechtigte dazu übergehen, Trassen nicht zum Netzfahrplan, sondern erst kurzfristig zum Gelegenheitsverkehr anzumelden, weil sie zu diesem Zeitpunkt sichergehen können, dass die Trassen auch durchgeführt werden können.
Rz. 78
b) Soweit das Verwaltungsgericht unter Anwendung des dargelegten Maßstabs zu der Feststellung gelangt ist, die von den Klägerinnen beabsichtigte Klausel zum Mindeststornierungsentgelt erfülle die Anforderungen an ein angemessenes Nichtnutzungsentgelt nicht, weil dieses Entgelt die Zugangsberechtigten angesichts seiner nach dem Berechnungsmodell der Klägerinnen lediglich durch die Faktoren der Verkehrstage und der Trassenkilometer begrenzten Höhe unbillig benachteilige, steht dies ebenfalls in Einklang mit dem revisiblen Recht.
Rz. 79
aa) Die Rüge der Klägerinnen, das Verwaltungsgericht habe mit der Feststellung, eine parallel mit der Anzahl von Verkehrstagen und Trassenkilometern steigende Anreizwirkung sei nicht ersichtlich, gegen einen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts verstoßen, dass die Anreizwirkung von Zahlungsverpflichtungen mit ihrer Höhe steige, kann keinen Erfolg haben. Denn die Klägerinnen machen insoweit der Sache nach einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO bei der Tatsachenwürdigung des Verwaltungsgerichts geltend. Wie bereits ausgeführt, kann jedoch die - auch von den Klägerinnen eingelegte - Sprungrevision gemäß § 134 Abs. 4 VwGO nicht auf Mängel des Verfahrens gestützt werden. Im Übrigen ist ein allgemeiner Erfahrungssatz, den das Tatsachengericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung unter Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO übergangen haben könnte, auch nicht feststellbar. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt diese Qualifizierung nämlich voraus, dass der Satz jedermann zugänglich ist, nach allgemeiner Erfahrung unzweifelhaft gilt und durch keine Ausnahme durchbrochen ist (BVerwG, Urteile vom 22. März 1983 - 9 C 860.82 - BVerwGE 67, 83 ≪84≫, vom 15. Oktober 1991 - 1 C 24.90 - BVerwG 89, 107 ≪117≫ und vom 22. April 1994 - 8 C 29.92 - BVerwGE 95, 341 ≪351≫). Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf die von den Klägerinnen für maßgeblich gehaltene Aussage offensichtlich nicht erfüllt.
Rz. 80
bb) Die Annahme des Verwaltungsgerichts, das Mindeststornierungsentgelt erfülle wegen der Möglichkeit sehr hoher Entgelte nicht die Anforderungen des § 40 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ERegG an ein angemessenes Nichtnutzungsentgelt, verletzt auch kein revisibles Unionsrecht. Der von den Klägerinnen in diesem Zusammenhang erwähnten Vorgabe, dass die von Entgeltregelungen ausgehenden wirtschaftlichen Signale für Eisenbahnunternehmen widerspruchsfrei und die Nutzer zu rationalen Entscheidungen veranlassen sollten (vgl. EuGH, Urteil vom 9. November 2017 - C-489/15, CTL Logistics - Rn. 54 unter Bezugnahme auf den 35. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/14/EG), trägt die Erwägung des Verwaltungsgerichts Rechnung, dass bei sehr hohen Mindeststornierungsentgelten Änderungen des Bestellverhaltens der Zugangsberechtigten eintreten könnten, die im Ergebnis der angestrebten Anreizwirkung zuwiderlaufen.
Rz. 81
cc) Soweit die Klägerinnen Verstöße gegen "rechtsmethodische Standards" darin sehen, dass das Verwaltungsgericht aus der angenommenen Unbilligkeit eines Stornierungsentgelts in einem hypothetischen Extremfall Rückschlüsse für die rechtliche Bewertung des von den Klägerinnen entwickelten Systems der Bestimmung der Mindeststornierungsentgelte insgesamt abgeleitet sowie angenommen habe, Zugangsberechtigte könnten angesichts des Stornierungsentgelts motiviert sein, für sie nutzlose Trassen zu nutzen, zielen diese Rügen erneut auf die Tatsachenwürdigung des Verwaltungsgerichts, die indes im Rahmen der vorliegenden Sprungrevision nicht mit Verfahrensrügen angegriffen werden kann (§ 134 Abs. 4 VwGO).
Rz. 82
dd) Die von den Klägerinnen im Zusammenhang mit der Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Anreizwirkung eines Nichtnutzungsentgelts nach § 40 Abs. 1 Satz 2 ERegG unabhängig von den Risikosphären der Vertragsparteien von Trassennutzungsverträgen realisiert werden soll, erhobene Rüge einer unzutreffenden Zuordnung von Risikosphären, hat ebenfalls keinen Erfolg. Dem Senat erschließt sich schon nicht, auf welchen Rechtsfehler diese Rüge abzielt.
Rz. 83
ee) Der von den Klägerinnen gerügte Verstoß gegen § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 ERegG i. V. m. § 45 Abs. 1 Satz 2 ERegG liegt ebenfalls nicht vor. Denn die vom Verwaltungsgericht gebilligte Entscheidung der Beschlusskammer, den von den Klägerinnen in Ziffer 6.4.8 SNB 2018 vorgesehenen Entgeltgrundsatz, Mindeststornierungsentgelte in Abhängigkeit von der Zahl der Verkehrstage und Trassenkilometern zu erheben, nur im Rahmen bestimmter Kappungsgrenzen zu genehmigen, führt nicht zu einem aliud im Sinne einer vom Genehmigungsantrag inhaltlich abweichenden Regelung, sondern ist als Minus in dem im Verwaltungsverfahren gestellten Genehmigungsantrag bereits enthalten gewesen.
Rz. 84
Mit der Begrenzung der Höhe der sich unter Anwendung der Berechnungsmethode der Klägerinnen ergebenden Mindeststornierungsentgelte in bestimmten Fällen hat sich die Bundesnetzagentur auch keine eigene Gestaltungsbefugnis angemaßt, die ihr - wie bereits ausgeführt - mit Blick auf Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 4 der Richtlinie 2012/34/EU nicht zusteht. Sie hat ihrer Genehmigung vielmehr den von den Klägerinnen in Ziffer 6.4.8.2 SNB 2018 gewählten Ansatz zugrunde gelegt, das Mindeststornierungsentgelt aus den Fahrplankosten im Netzfahrplan multipliziert mit den von der Änderung betroffenen Trassenkilometern multipliziert mit der Anzahl der geänderten Verkehrstage zu errechnen. Mit der Einführung von bestimmten Kappungsgrenzen hat sie weder die Berechnungsmethode der Klägerinnen ersetzt oder modifiziert noch die sich hieraus ergebenden Entgelte generell abgesenkt, sondern lediglich solche Entgelte begrenzt, die in einem konkreten Einzelfall eine bestimmte Höhe überschreiten.
Rz. 85
Die Annahme einer unzulässigen Beschneidung des den Klägerinnen als Betreibern der Schienenwege bei der Berechnung und Erhebung der Entgelte zustehenden Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums lässt sich auch nicht auf die Erwägung stützen, es seien andere Kappungsgrenzen zwischen den von der Bundesnetzagentur festgelegten Beträgen und dem vom Verwaltungsgericht gebildeten, hypothetischen Extremfall mit einem Stornierungsentgelt von 10 000 € denkbar, die die Angemessenheitskriterien des § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 ERegG unter Effizienzgesichtspunkten besser erfüllt hätten. Denn die Höchstwerte für das Mindeststornierungsentgelt von 241 € im Schienenpersonenfernverkehr, 422 € im Schienenpersonennahverkehr und 416 € im Schienengüterverkehr ergeben sich nicht aus einer gestaltenden Entscheidung der Regulierungsbehörde, sondern - nach den im Verfahren der Sprungrevision bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts - daraus, dass die Beklagte - ausgehend von dem Berechnungsmodell der Klägerinnen - jeweils die durchschnittliche Trassenlänge mit der durchschnittlichen Anzahl der Verkehrstage pro Trasse und den von den Klägerinnen beantragten Mindeststornierungsentgelten pro Trassenkilometer in Höhe von 0,01 € bzw. 0,03 € multipliziert hat. Das Verwaltungsgericht hat weiter festgestellt, dass die Obergrenzen, welche die Beklagte festgelegt hat, indem sie die im konkreten Stornierungsfall tatsächlich betroffenen Trassenlängen und Verkehrstage durch Durchschnittswerte in den jeweiligen Verkehrsarten ersetzt hat, die Gegebenheiten der jeweiligen Verkehrsdienste realistisch abbilden. Das allgemein gehaltene Vorbringen der Klägerinnen lässt nicht erkennen, nach welchem anderen, besser geeigneten Verfahren die Kappungsgrenzen hätten ermittelt werden können.
Rz. 86
ff) Ohne Erfolg bleibt schließlich auch die Rüge der Klägerinnen, das Verwaltungsgericht habe die Bedeutung des allgemein für den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur geltenden Diskriminierungsverbots aus § 10 ERegG für die Bemessung des Stornierungsentgelts verkannt. Etablierte und marktmächtige Zugangsberechtigte würden potentiell begünstigt, weil sie für die Stornierung großer Trassenkontingente lediglich dieselben, auf einen niedrigen Betrag gedeckelten Mindeststornierungsentgelte bezahlen müssten wie kleinere Unternehmen, die Trassen üblicherweise in geringerem Umfang bestellten.
Rz. 87
Nach der Rechtsprechung des Senats fordert das - früher in der allgemeinen Zugangsvorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 AEG a. F. enthaltene - eisenbahnrechtliche Diskriminierungsverbot die Gleichbehandlung beim Zugang zur Eisenbahninfrastruktur und erlaubt die unterschiedliche Behandlung nur bei sachlich gerechtfertigtem Grund. Der Kern des Diskriminierungsverbots entspricht damit dem Regelungsgehalt des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG.
Rz. 88
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet nicht nur wesentliches Gleiches willkürlich ungleich, sondern auch wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Da das eisenbahnrechtliche Diskriminierungsverbot auch diesen Regelungsgehalt des allgemeinen Gleichheitssatzes erfasst, steht es Schienennetz-Nutzungsbedingungen entgegen, welche Unternehmen beim Zugang zur Eisenbahninfrastruktur formal gleich behandeln, obwohl zwischen ihnen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, die diese Gleichbehandlung als diskriminierende Behinderung des Zugangs für einzelne Zugangsberechtigte erscheinen lässt. Schienennetz-Nutzungsbedingungen können auch dann diskriminieren, wenn sie zwar formal für alle Adressaten der Nutzungsbedingung gelten, also nach ihrem Tatbestand allen zugangsberechtigten Unternehmen eine Pflicht auferlegen oder eine Vergünstigung gewähren, die Nutzungsbedingung faktisch aber nur einzelne von ihnen benachteiligt oder begünstigt. Außer Betracht zu bleiben hat dabei jedoch, dass die Nutzungsbedingung mal dieses, mal jenes Unternehmen oder ein Unternehmen häufiger trifft als andere. Es entspricht der Eigenart abstrakt-genereller Regelungen, dass sie bei ihren Adressaten nicht gleich häufig zum Tragen kommen. Eine faktische Ungleichbehandlung liegt nur vor, wenn dieses Ergebnis normativ dadurch vorgezeichnet ist, dass eine Regelung im Tatbestand an Merkmale anknüpft, die ausschließlich oder jedenfalls typischerweise nur bei bestimmten Unternehmen als Adressaten der Regelung eintreten können. Insoweit erfordert die Feststellung, dass eine Schienennetz-Nutzungsbedingung zugangsberechtigte Unternehmen faktisch ungleich behandelt, die Bildung von Vergleichsgruppen. Zu vergleichen sind zugangsberechtigte Unternehmen. Sie sind einerseits Adressaten des Zugangsrechts und andererseits Adressaten der Schienennetz-Nutzungsbedingungen, mit denen das Eisenbahninfrastrukturunternehmen das Zugangsrecht ausgestalten will. In die Bildung von Vergleichsgruppen sind nur Zugangsberechtigte einzubeziehen, die miteinander im Wettbewerb stehen. Es müssen Unternehmen identifiziert werden können, welche sich in ihren Strukturmerkmalen oder Geschäftsfeldern unterscheiden. Mit Blick auf diese zugangsberechtigten Unternehmen ist zu fragen, ob eine Schienennetz-Nutzungsbedingung Unternehmen als Adressaten dieser Bedingung ungleich behandelt, weil sie im Tatbestand an Merkmale anknüpft, die ausschließlich oder typischerweise bei nur einer dieser Gruppen auftreten (BVerwG, Urteil des 6. Senats vom 11. November 2015 - 6 C 58.14 - BVerwGE 153, 192 Rn. 38 ff.).
Rz. 89
Wird dieser Maßstab zugrunde gelegt, entfaltet die in Ziff. 6.4.8.2 SNB 2018 enthaltene Regelung der Mindeststornierungsentgelte mit der von der Bundesnetzagentur in der Entgeltgenehmigung eingefügten Deckelung auf Höchstbeträge keine diskriminierende Wirkung im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 ERegG. Der Entgeltgrundsatz behandelt zugangsberechtigte Unternehmen nicht unterschiedlich, sondern findet auf alle zugangsberechtigten Unternehmen in gleicher Weise Anwendung. Ein durch die Obergrenzen gegebenenfalls gedeckeltes Mindeststornierungsentgelt hat jedes Unternehmen zu zahlen, bei dem einer der in der Regelung genannten Tatbestände vorliegt (Änderungen Start- und/oder Zielpunkt; Laufwegeinkürzungen; Änderung der Geschwindigkeit, wenn durch die Änderung auch der Verkehrstag geändert wird; Änderung der zeitlichen Lage, wenn durch die Änderung auch der Verkehrstag geändert wird; Abbestellung einer Zugtrasse oder eines Teils einer Zugtrasse an einem oder mehreren Verkehrstagen und/oder Änderung des Verkehrstags). Die Deckelung der Entgelte auf Höchstbeträge bewirkt keine faktische Ungleichbehandlung von zugangsberechtigten Unternehmen. Anders verhielte es sich nur, wenn die Geltung der Kappungsgrenzen an ein Merkmal anknüpfen würde, das typischerweise bei einer bestimmten Gruppe von Unternehmen etwa wegen deren Geschäftsfelds oder sonstigen, sie von anderen Unternehmen unterscheidenden Strukturmerkmalen auftritt. Diese würden durch die gleiche Anwendung der Entgeltregelung gegenüber den mit ihnen im Wettbewerb stehenden Unternehmen schlechter gestellt, weil das fragliche Merkmal typischerweise nur bei ihnen, nicht aber bei ihren Wettbewerbern eintritt.
Rz. 90
Einen solchen Sachverhalt hat das Verwaltungsgericht indes nicht festgestellt. Es hat vielmehr im Gegenteil ausgeführt, die Obergrenzen der Mindeststornierungsentgelte führten nicht zu einer Begünstigung derjenigen Eisenbahnverkehrsunternehmen, die unnötig viele Trassen bestellen, die sie letztendlich nicht benötigen. Eine solche Ungleichbehandlung sei bereits deshalb nicht ersichtlich, weil die Klägerinnen eine entsprechende strukturelle Missbrauchsgefahr im Bestellverhalten der Zugangsberechtigten nicht substantiiert dargelegt hätten. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen können auch nicht etwa etablierte und marktmächtige Zugangsberechtigte im Rahmen der Prüfung einer Ungleichbehandlung kleineren Unternehmen gegenübergestellt werden, die Trassen üblicherweise in geringerem Umfang bestellen. Denn beide Gruppen müssen für die Stornierung großer Trassenkontingente dieselben, gegebenenfalls auf einen niedrigen Betrag gedeckelten Mindeststornierungsentgelte bezahlen. Soweit die Klägerinnen hierin wegen des unterschiedlichen Bestellverhaltens eine Begünstigung etablierter und marktmächtiger Zugangsberechtigter gegenüber kleinen Unternehmen und Newcomern sehen, übersehen sie, dass das Verwaltungsgericht zu den angeblichen Unterschieden des Bestellverhaltens der von den Klägerinnen benannten Vergleichsgruppen keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat. Im Revisionsverfahren kann dieses Vorbringen daher nicht berücksichtigt werden.
Rz. 91
Selbst wenn eine Ungleichbehandlung unterstellt wird, besteht für die Deckelung der Mindeststornierungsentgelte auf Höchstbeträge jedenfalls ein sachlich rechtfertigender Grund. Dieser besteht darin, dass die von den Klägerinnen beabsichtigte Klausel zum Mindeststornierungsentgelt ohne die Obergrenzen - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht die Anforderungen an ein angemessenes Nichtnutzungsentgelt im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 ERegG erfüllt, weil die Höhe der anfallenden Entgelte die Zugangsberechtigten in bestimmten Fällen einer außergewöhnlich hohen Anzahl von Verkehrstagen und Trassenkilometern unverhältnismäßig stark belastet und daher unbillig benachteiligt.
Rz. 92
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 159 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO. Hinsichtlich der Kostenquoten hat der Senat berücksichtigt, dass Gegenstand des Revisionsverfahrens noch drei Komplexe sind, nämlich die Entgelte für die Marktsegmente "Charter-/Nostalgieverkehr" und "Lok-/Leerfahrt", die Regelung der Minderung auf Verlangen sowie die Festlegung von Kappungsgrenzen für das Mindeststornierungsentgelt. Mangels Kenntnis der jeweiligen wirtschaftlichen Bedeutung ist von einem vergleichbaren Gewicht auszugehen. Der in Bezug auf die ersten beiden Komplexe unterliegenden Beklagten sind damit 2/3 und den in Bezug auf den dritten Komplex unterliegenden Klägerinnen jeweils 1/6 der Kosten aufzuerlegen.
Fundstellen
Haufe-Index 15547247 |
BVerwGE 2023, 342 |
DÖV 2023, 403 |
JZ 2023, 109 |