Entscheidungsstichwort (Thema)
Enteignung im Sinne des Vermögensgesetzes;. Enteignung, faktische. Enteignung, Aufhebung der faktischen. Enteignung, unlautere Machenschaft bei. faktische Enteignung, Aufhebung der. Rückgängigmachung der Enteignung im Vermögensrecht. unlautere Machenschaft bei Enteignung. Aufbaugesetz der DDR. Inanspruchnahme nach dem Aufbaugesetz der DDR
Leitsatz (amtlich)
Ob eine Enteignung vor In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes rückgängig gemacht wurde, beurteilt sich in erster Linie nach faktischen Kriterien.
Normenkette
VermG § 1 Abs. 3, 1 Buchst. b
Verfahrensgang
VG Potsdam (Entscheidung vom 09.11.2000; Aktenzeichen 1 K 1513/98) |
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 9. November 2000 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Tatbestand
I.
Die Kläger begehren als Erbengemeinschaft die Rückübertragung eines vormals im Eigentum von Otto H. stehenden, teilweise betrieblich genutzten, 67 227 m² großen Grundstücks. Das Grundstück war vormals im Grundbuch von B., Band 27, Blatt 672, Flur 9, Flurstücke 146, 150, 151, 152, 157, 158 und 188 verzeichnet. Heute handelt es sich um die im Grundbuch von D., Bestandsblatt 1458 verzeichneten Flurstücke 9 und 19 der Flur 10 abzüglich einer noch herauszumessenden Fläche von etwa 902 m² des ehemaligen Flurstücks 146/1. Otto H. betrieb auf einer Teilfläche in der rechtlichen Form der Einzelfirma ein Baugeschäft und ein Sägewerk. 1945 wurde er interniert. Seitdem war er vermisst. 1963 wurde er mit Wirkung vom 31. Dezember 1950 für tot erklärt. Der Betrieb wurde 1946 in eine OHG umgewandelt, deren Geschäftsführer und Mitgesellschafter zu 40 % der Gesellschafteranteile Otto H.s Sohn Erwin war.
Im Februar 1953 wurde wegen angeblicher Steuerschulden der OHG deren gesamtes bewegliches und unbewegliches Betriebsvermögen gepfändet. Nachdem Erwin H. am 4. Februar 1953 die DDR ohne Beachtung der polizeilichen Meldebestimmungen verlassen hatte, überführte der Rat des Kreises ausweislich eines Rechtsträgernachweises vom 10. März 1953 rückwirkend zum 3. Februar 1953 das Unternehmen sowie das streitbefangene Grundstück wegen der „Republikflucht” des Erwin H. in Eigentum des Volkes. Der Übergang des Eigentums wurde im Grundbuch eingetragen. Im Mai 1953 ergänzte der Rat des Kreises – ohne zwischen Betriebsvermögen und dem Eigentum an dem streitbefangenen Grundstück zu differenzieren – die Begründung für die Enteignung dahin, dass diese bezüglich von 40 % des Unternehmens wegen der „Republikflucht” und hinsichtlich der restlichen 60 % wegen Steuerrückstände erfolgt sei. Rechtsträger wurde der VEB(K) Sägewerk R. Dieser wurde 1954 aufgelöst. Aufgrund einer persönlichen Vorsprache von Rudi H., eines weiteren Sohns von Otto H., stellte der Bezirk P. in einem Schreiben vom Februar 1955 an den Rat des Kreises fest, dass eine Rechtsgrundlage für die Enteignung des Grundstücks fehle. Der Rechtsträgernachweis beruhe auf einem Irrtum. Daraufhin stellte der Rat des Kreises im Mai 1955 einen neuen Rechtsträgernachweis aus, der das streitgegenständliche Grundstück nicht mehr erfasste, und Otto H. wurde im Juni 1955 im Grundbuch wieder als Eigentümer eingetragen.
Das Ministerium für Aufbau erklärte im Oktober 1955 das Grundstück zum Aufbaugebiet für die Aufbaumaßnahme „Anlage eines Zentralen Großreparaturbetriebes für VEB Kraftfahrzeug-Reparaturbetrieb P.”. Mit Inanspruchnahmebescheid vom November 1955 wurde das Grundstück dann mit Wirkung vom Oktober 1955 zu Gunsten des genannten VEB nach dem Aufbaugesetz in Anspruch genommen. Anschließend bat der Betrieb u.a. um Klärung einiger Fragen zum Wert des Grundstücks. Im November 1956 teilte die Bezirksdirektion für Kraftverkehr P. dem Rat des Kreises mit, die geplante Aufbaumaßnahme sei vorerst nicht realisierbar. Zur Begründung wurde ausgeführt, obwohl das Interesse des Betriebs an dem Vorhaben fortbestehe, habe sich leider dessen Durchführung auf dem grundsätzlich dafür geeigneten Grundstück als untragbar erwiesen. In absehbarer Zeit seien für die Anlage eines Zentralen Großreparaturbetriebs keine Mittel zu erwarten. Eine längere Zurückstellung des ursprünglich beabsichtigten Bauvorhabens sei mit den Aufbauzielen unvereinbar und dürfte angesichts der gesetzlich vorgesehenen Entschädigung des Grundstückseigentümers nicht zu vertreten sein. Anschließend wies der Rat des Kreises das Grundstück einem anderen „Volkseigenen Betrieb” zu. Mit Feststellungsbescheid vom Februar 1963 wurde eine Entschädigung für die Inanspruchnahme des Grundstücks in Höhe von 127 865 M festgesetzt. 1966 setzten sich die Erben nach dem mittlerweile für tot erklärten Otto H. auseinander. Sie teilten die Entschädigungssumme, von der vorab die Ablösebeträge für dingliche Lasten des Grundstücks abgezogen worden waren, untereinander entsprechend ihrer Erbanteile auf. Für die jeweiligen Ansprüche wurden Einzelschuldbuchforderungen der Deutschen Notenbank begründet. Die Anteile der in der DDR ansässigen Berechtigten wurden bis 1971 ausgezahlt.
Den Antrag der Kläger auf Rückübertragung des streitgegenständlichen Grundstücks lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 23. März 1998 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die 1953 erfolgte Enteignung sei zwar ein Willkürakt gewesen, 1955 aber rückgängig gemacht worden. Die anschließende Enteignung sei ordnungsgemäß nach den Vorschriften des Aufbaugesetzes erfolgt.
Die dagegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 9. November 2000 abgewiesen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet: Die im Jahre 1953 erfolgte Enteignung sei 1955 durch die Wiedereintragung von Otto H. in die Abteilung I des Grundbuchs rückgängig gemacht worden. Diese Eintragung sei rechtsgültig und nicht nur „formal” erfolgt. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass kein Familienmitglied von der Wiedereintragung des Otto H. informiert worden sei. Die Eigentumssituation sei allein nach dem Grundbuch zu beurteilen. Der Umstand, dass das Grundstück wenige Monate später wiederum enteignet worden sei, bedeute nicht, dass es sich bei der Eintragung des Otto H. um eine „bloße Buchposition” gehandelt habe. Die Rückübertragung sei auch nach der Rechtsordnung der DDR rechtsgültig gewesen. Der Umstand, dass Otto H. zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben gewesen sei, ändere hieran nichts; denn dessen Tod sei weder zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme noch zum Zeitpunkt der Eintragung den staatlichen Stellen sowie der Familie selbst bekannt gewesen.
Die Enteignung zu Aufbauzwecken im Jahre 1955 sei keine schädigende Maßnahme im Sinne des § 1 VermG. Eine unlautere Machenschaft (§ 1 Abs. 3 VermG) liege nicht vor. Gegen die Rechtsordnung der DDR sei nicht verstoßen worden. Vielmehr sei die Enteignung in Übereinstimmung mit den geltenden Gesetzen der DDR – nämlich den Vorschriften des Aufbaugesetzes – erfolgt. Für die Behauptung des Klägers, bei der Inanspruchnahme zu Gunsten des VEB Kraftfahrzeug-Reparaturbetrieb P. habe es sich lediglich um eine vorgeschobene Investitionsmaßnahme gehandelt, die tatsächlich zu keinem Zeitpunkt habe durchgeführt werden sollen, fände sich in den Verwaltungsvorgängen kein Anhaltspunkt. Das Schreiben der Bezirksdirektion für Kraftverkehr P. vom November 1956 spreche ebenso gegen die Auffassung des Klägers wie das Schreiben des VEB Kraftfahrzeug-Reparaturbetrieb P. vom Dezember 1955.
Das Grundstück sei auch nicht gegen eine geringere Entschädigung enteignet worden, als sie Bürgern der früheren Deutschen Demokratischen Republik zugestanden habe (§ 1 Abs. 1 Buchst. b VermG). Die Entschädigung sei vielmehr ordnungsgemäß nach den DDR-Vorschriften berechnet, festgesetzt und an die Betroffenen, soweit sie DDR-Bürger gewesen seien, ausgezahlt worden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Kläger, die beantragen,
unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 9. November 2000 und des Bescheids vom 23. März 1998 den Beklagten zu verpflichten, das Eigentum an dem vormals im Grundbuch von B., Band 27, Blatt 672 verzeichneten Grundstücks Flur 9, Flurstücke 146, 150, 151, 152, 157, 158 und 188, heute Bestandteil der im Grundbuch von D., Bestandsblatt 1458 verzeichneten Flurstücke 9 und 19 der Flur 10 abzüglich einer noch herauszumessenden Fläche von 902 m² des ehemaligen Flurstücks 146/1, an die Kläger zurückzuübertragen.
Der Beklagte tritt der Revision entgegen und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt nicht Bundesrecht. Das streitgegenständliche Grundstück ist nicht an die Kläger zurückzuübertragen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 VermG). Diese sind nicht Berechtigte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 VermG). Das streitgegenständliche Grundstück war zwar entschädigungslos enteignet und in Volkseigentum überführt worden (§ 1 Abs. 1 Buchst. a VermG). Diese Enteignung ist aber rückgängig gemacht worden (vgl. 1.). Die anschließende Enteignung nach dem Aufbaugesetz ist keine schädigende Maßnahme im Sinne des § 1 VermG (vgl. 2.). Tatsachen, die den gerügten Verfahrensmangel ergeben, werden nicht prozessordnungsgemäß angegeben (§ 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO, vgl. 3.).
1. Das streitgegenständliche Grundstück war 1953 entschädigungslos enteignet und in Volkseigentum überführt worden (vgl. § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG). Diese Enteignung ist aber 1955 von DDR-Behörden rückgängig gemacht worden.
In ständiger Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht es als einen das gesamte Vermögensrecht prägenden Rechtsgedanken bezeichnet, dass ein wieder gutzumachendes staatliches Unrecht nicht erst dann anzunehmen ist, wenn der staatliche Zugriff auf das Vermögen nach der maßgeblichen Rechtslage in jeder Beziehung einwandfrei erfolgt ist; denn für viele als wieder gutmachungsbedürftig anzuerkennende Sachverhalte ist es typisch, dass Vermögenswerte nicht rechtswirksam entzogen wurden. Eine Enteignung im Sinne des Vermögensgesetzes ist deshalb immer dann anzunehmen, wenn der frühere Eigentümer durch hierauf gerichtete staatliche Maßnahmen vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt wurde, wobei keine bestimmte Form der Enteignung vorausgesetzt ist (vgl. Urteil vom 18. Oktober 2000 – BVerwG 8 C 23.99 – Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 19 S. 49 ≪51 f.≫ m.w.N.). Unerheblich ist es also, ob die Enteignung zivilrechtlich wirksam ist. Ob der frühere Eigentümer vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt wurde, muss vornehmlich nach faktischen Kriterien beurteilt werden. Entscheidend ist, ob überhaupt und ggf. wann die Vermögensentziehung in der Rechtswirklichkeit greifbar zum Ausdruck kam. Eine Enteignung liegt demnach vor, wenn der Eigentümer in einer nach den Verhältnissen in der DDR unangreifbaren Weise aus seinem Eigentum verdrängt worden ist (stRspr; vgl. Beschluss vom 14. Januar 1998 – BVerwG 7 B 339.97 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 134 S. 406 ≪408≫ m.w.N.). Dies setzt voraus, dass die Enteignung von den DDR-Behörden als wirksam angesehen wurde (vgl. Beschlüsse vom 23. Januar 1996 – BVerwG 7 B 4.96 – Buchholz 111 Art. 41 EV Nr. 2 S. 3 und vom 8. März 1999 – BVerwG 8 B 210.98 – n.v.).
Entsprechendes gilt für die Rückgängigmachung der Enteignung. In erster Linie nach faktischen Kriterien ist deshalb zu beurteilen, ob eine Enteignung rückgängig gemacht worden ist. Entscheidend ist, ob die Rückabwicklung der Enteignung in der Rechtswirklichkeit der DDR greifbar zum Ausdruck kam. Dies setzt voraus, dass der von der Enteignung Betroffene oder sein Rechtsnachfolger von den DDR-Organen (wieder) als Eigentümer angesehen wurde. Unerheblich ist dagegen, ob die Rückabwicklung der Enteignung nach der maßgeblichen Rechtslage überhaupt möglich war und in jeder Beziehung einwandfrei erfolgt ist. Ebenso unerheblich ist, ob die Rückabwicklung der Enteignung zivilrechtlich wirksam ist.
Davon ausgehend ist hier 1955 die 1953 erfolgte Enteignung rückgängig gemacht worden: Der Rechtsträgernachweis wurde geändert und Otto H. wurde wieder in das Grundbuch eingetragen. Dies geschah seitens der staatlichen Stellen willentlich und nicht etwa aus Versehen. Ob allerdings die Grundbuchberichtigung genügt, kann dahinstehen; denn danach wurde ein Enteignungsverfahren nach dem Aufbaugesetz durchgeführt, in dem auch eine Entschädigung zu Gunsten des Otto H. bzw. seiner Erben festgesetzt und teilweise ausbezahlt wurde. All dies zeigt, dass die Rückabwicklung der Enteignung in der Rechtswirklichkeit der DDR greifbar zum Ausdruck kam und die Enteignung von den zuständigen Behörden als rückgängig gemacht angesehen wurde. Hätten die Behörden dies nicht so gesehen, hätten sie insbesondere keine Veranlassung gehabt, ein Enteignungsverfahren nach dem Aufbaugesetz durchzuführen sowie eine Entschädigung festzusetzen und teilweise auszubezahlen.
2. Die im Jahre 1955 erfolgte Enteignung nach dem Aufbaugesetz ist keine schädigende Maßnahme im Sinne des § 1 VermG.
a) Das Grundstück wurde nicht gegen eine geringere Entschädigung enteignet, als sie Bürgern der früheren Deutschen Demokratischen Republik zustand (§ 1 Abs. 1 Buchst. b VermG). Diese Bestimmung erfasst grundsätzlich nur solche Enteignungen, bei denen gegenüber den Betroffenen in bewusster Abkehr von den ansonsten für Bürger der DDR geltenden einschlägigen Vorschriften Entschädigungsbestimmungen zur Anwendung kamen, die den diskriminierenden Zugriff auf das Eigentum erleichtern sollten (stRspr; vgl. Urteile vom 24. März 1994 – BVerwG 7 C 11.93 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 20 S. 18 ≪20 f.≫ und vom 28. April 1999 – BVerwG 8 C 3.98 – Buchholz 428 § 1 Abs. 1 VermG Nr. 4 S. 9). Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist dies hier nicht der Fall.
Der bloße Umstand, dass einer nach der Rechtsordnung der DDR bestehenden – diskriminierungsfreien – Entschädigungsregelung im Einzelfall nicht voll entsprochen und eine geringere als die in der DDR übliche Entschädigung gezahlt worden ist, kann für sich genommen noch keine die Vermögensrückgabe rechtfertigende Enteignung im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG darstellen (stRspr; vgl. Urteile vom 24. März 1994 – BVerwG 7 C 11.93 – a.a.O. und vom 28. April 1999 – BVerwG 8 C 3.98 – a.a.O.). Selbst wenn der Vortrag der Kläger, die Entschädigung sei hier zu niedrig festgesetzt worden, zuträfe, läge also keine schädigende Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG vor. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht einen solchen Sachverhalt nicht festgestellt.
b) Das Grundstück ist auch nicht aufgrund einer unlauteren Machenschaft erworben worden (§ 1 Abs. 3 VermG).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteile vom 27. Juli 1995 – BVerwG 7 C 12.94 – BVerwGE 99, 82 = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 49 und vom 2. Februar 2000 – BVerwG 8 C 29.98 – Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 10 S. 33 ≪36≫) betrifft der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG Vorgänge, bei denen im Einzelfall in manipulativer, sittlich vorwerfbarer Weise unter Verstoß gegen die Rechtsordnung der DDR auf bestimmte Vermögenswerte zugegriffen wurde. Ein derartiges qualifiziertes Einzelfallunrecht liegt deshalb nicht vor, wenn bei dem Erwerbsvorgang – gemessen an den in der DDR gültigen Rechtsvorstellungen und den sie tragenden ideologischen Grundsätzen – „alles mit rechten Dingen zugegangen” ist. Die einfache Rechtswidrigkeit eines Eigentumsentzugs unterhalb der Schwelle der Willkürlichkeit reicht demgemäß für die Annahme einer unlauteren Machenschaft nicht aus (vgl. Urteile vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 25.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 113 und vom 25. Juli 2001 – BVerwG 8 C 3.01 – ZOV 2001, 416 ≪zur Veröffentlichung in Buchholz unter 428 § 1 Abs. 3 VermG vorgesehen≫). Der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG erfordert grundsätzlich eine an den Einzelumständen orientierte Beurteilung (vgl. Urteile vom 28. Oktober 1999 – BVerwG 7 C 38.98 – Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 6 S. 22 ≪24≫ und vom 25. Juli 2001 – BVerwG 8 C 3.01 – a.a.O.).
Die Anwendung dieser Grundsätze auf Enteignungen ergibt, dass Enteignungen auf der Grundlage des Aufbaugesetzes oder des Baulandgesetzes der DDR in der Regel bei zwei Fallgruppen eine unlautere Machenschaft darstellen: Dies ist zum einen dann der Fall, wenn der wahrheitsgemäß angegebene Zweck der Inanspruchnahme offenkundig von keiner Rechtsgrundlage gedeckt sein konnte, der Enteignungsbeschluss also nur den äußeren Schein einer gesetzmäßigen Vermögensentziehung begründen sollte (stRspr; vgl. Urteile vom 28. Juli 1994 – BVerwG 7 C 41.93 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 28 S. 57 ≪59 f.≫ und vom 25. Juli 2001 – BVerwG 8 C 3.01 – a.a.O.). Dieser Fall liegt hier ersichtlich nicht vor.
Die zweite Fallgruppe betrifft Enteignungen, bei denen der geltend gemachte Enteignungszweck nur vorgeschoben war, also die bereits von vornherein beabsichtigte zweckwidrige Verwendung verschleiert werden sollte (vgl. Urteile vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 25.96 – a.a.O. ≪S. 346≫ und vom 25. Juli 2001 – BVerwG 8 C 3.01 – a.a.O.). Auch daran fehlt es hier. In der Erklärung zum Aufbaugebiet vom Oktober 1955 wurde als Enteignungszweck angegeben die „Anlage eines Zentralen Großreparaturbetriebs für VEB Kraftfahrzeug-Reparaturbetrieb P.”. Diese Aufbaumaßnahme wurde nicht realisiert. Stattdessen wurde das Grundstück später einem anderen „Volkseigenen Betrieb” zugewiesen. Das Verwaltungsgericht ist unter Würdigung der von ihm festgestellten Tatsachen nicht zu dem Ergebnis gelangt, dass der nicht realisierte Enteignungszweck nur vorgeschoben war. Zur Begründung hat es vor allem ausgeführt:
Insbesondere das an den Rat des Kreises gerichtete Schreiben der Bezirksdirektion für Kraftverkehr vom 23. November 1956 spräche gegen eine solche Schein-Aufbaumaßnahme. In dem Schreiben sei in sich schlüssig auf fehlende Mittel zur Durchführung des an sich benötigten Projekts hingewiesen und das fortbestehende Interesse an der Errichtung eines Großreparaturbetriebs, für den das Gelände an sich geeignet sei, versichert worden. Gegen die Annahme, dass der VEB Kraftfahrzeug-Reparaturbetrieb von Anfang an keine Verwendung für das Grundstück gehabt hätte, spräche auch sein Schreiben an den Rat des Kreises vom 28. Dezember 1955, in dem Fragen zum Umfang und zum Wert des Grundstücks aufgeworfen worden seien, nicht aber die Durchführung der Aufbaumaßnahme auch nur ansatzweise in Frage gestellt werde.
Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dass es zweckmäßig gewesen wäre, nach dem in den Verwaltungsvorgängen nur genannten und mit Aktenzeichen bezeichneten Aufbauplan zu suchen, vermag daran nichts zu ändern (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO).
Ob die spätere Zuweisung des Grundstücks an einen anderen Betrieb den Rechtsvorschriften der DDR entsprach, ist für die Beantwortung der Frage, ob die Enteignung nach dem Aufbaugesetz eine unlautere Machenschaft (§ 1 Abs. 3 VermG) darstellt, ohne Bedeutung.
3. Die Tatsachen, die den gerügten Verfahrensmangel ergeben, werden nicht prozessordnungsgemäß angegeben (§ 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO). Soweit die Revision die Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) rügt, werden nicht einmal Tatsachen genannt, die nach der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts aufklärungsbedürftig gewesen wären. Auch wenn man zugunsten der Revision annimmt, sie wolle auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO) und des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 VwGO) rügen, genügt ihr Vortrag nicht dem Darlegungsgebot. Die allgemeine Kritik am Urteil des Verwaltungsgerichts und der darin enthaltenen Würdigung des Einzelfalls sowie die Behauptung, das Verwaltungsgericht habe eine Tatsache bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, genügen nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Dr. Müller, Dr. Pagenkopf, Krauß, Golze, Postier
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 12.12.2001 durch Jesert Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen