Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückübertragung von Grundeigentum;. Ausschluss der Rückübertragung. Unmöglichkeit der Rückgabe. Widmung zum Gemeingebrauch öffentliche und betrieblich-öffentliche Straße nach der Straßenverordnung der DDR vom 22. August 1974 (GBl I, 515). Fortgelten nach Beitritt
Leitsatz (amtlich)
Der Ausschluss der Rückübertragung von Eigentumsrechten gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG setzt voraus, dass das zu restituierende Grundstück überhaupt jemals „dem Gemeingebrauch gewidmet” wurde. Der Begriff der Widmung umschreibt die zulassungsfreie Benutzung einer öffentlichen Sache durch jedermann oder mindestens einem nicht individualisierten Personenkreis (wie Urteil vom 30. November 1995 – BVerwG 7 C 55.94 – BVerwGE 100, 70 ≪74≫).
Ein Grundstück, das bis zum 29. September 1990 als reiner Betriebsparkplatz diente und lediglich in den Nachtstunden vereinzelt faktisch von Dritten als Parkfläche genutzt wurde, war nicht dem Gemeingebrauch im Sinne von § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG – auch nicht als betrieblich-öffentliche Straße gemäß § 3 Abs. 3 der Straßenverordnung der DDR vom 22. August 1974 – gewidmet.
Unter diesen Umständen bewirkte auch die Fiktionsregelung des § 52 Abs. 6 des Thüringer Straßengesetzes vom 7. Mai 1993 keine Widmung im Sinne von § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG.
Ob die die Rückübertragung eines Vermögenswertes ausschließende Widmung zum Gemeingebrauch (§ 5 Abs. 1 Buchst. b VermG) am 29. September 1990 vorgelegen haben muss, kann deshalb offen bleiben.
Normenkette
VermG § 4 Abs. 1 S. 1, § 5 Abs. 1 Buchst. b; Thüringer Straßengesetz § 52 Abs. 4, 6, § 53 Abs. 1
Verfahrensgang
VG Weimar (Entscheidung vom 29.08.2000; Aktenzeichen 3 K 2073/97.We) |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 29. August 2000 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt die Rückübertragung des 816 qm großen Grundstücks Gemarkung W., Flur 3, Flurstück 496/1. Bis zur 1969 erfolgten Trennvermessung war das Grundstück Teil des über 3 000 qm großen Flurstücks 496. Die Großmutter des Klägers erwarb dieses Grundstück 1958 von einem Puppenmanufakturbetrieb, der sein Betriebsgelände auf der dem streitbefangenen Grundstück gegenüberliegenden Straßenseite hatte. Das im Grundbuch als Gartenfläche ausgewiesene Grundstück ist in der Folgezeit als Parkplatz für die Angehörigen des genannten Betriebes genutzt worden. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts war der Parkplatz zwar nicht abgesperrt, aber von allen Seiten eingefriedet. Ein Schild wies das Gelände als Parkfläche für Betriebsangehörige aus. Vereinzelt stellten Betriebsfremde ihre Fahrzeuge außerhalb der Betriebszeiten auf der Parkfläche ab. Nach einer auf § 45 Abs. 1 bis 3 der StVO gestützten Anordnung der Stadtverwaltung der Beigeladenen vom 28. Januar 1993 wurde am streitbefangenen Grundstück das Verkehrszeichen 314 (Parkplatz) mit dem Zusatzzeichen 1048-10 (Sinnbild Pkw) aufgestellt.
Der Vater und Rechtsvorgänger des Klägers erbte 1964 das Grundstück, hatte aber 1960 die DDR „ungesetzlich” verlassen. Sein Vermögen wurde gemäß § 1 der Anordnung Nr. 2 vom 20. August 1958 über die Behandlung des Vermögens von Personen, die die DDR nach dem 10. Juni 1953 verlassen haben, unter staatliche Treuhandverwaltung gestellt. 1966 wurden sowohl der Eigentumswechsel auf den Vater des Klägers als auch die staatliche Treuhandverwaltung zu Lasten des Grundstücks in das Grundbuch eingetragen. Mit Wirkung zum 4. Juli 1964 ist der VEB Kommunale Wohnungsverwaltung W. (VEB KWV) zum Treuhänder bestellt worden. Durch Kaufvertrag vom 3. Juni 1969 verkaufte der Treuhänder das Grundstück an den Rat des Kreises Gotha zum Eigentum des Volkes. Mit Wirkung zum 6. Juni 1969 wurde der VEB KWV Rechtsträger des Grundstücks. Nach der Teilung des Grundstücks trat bezüglich des Flurstücks 496/1 ein Rechtsträgerwechsel auf den Rat der Stadt W. ein. Derzeit ist die Beigeladene Eigentümerin des streitbefangenen Grundstücks.
Im September 1990 beantragte der Vater des Klägers u.a. die Rückübertragung des Grundstücks. Mit Bescheid vom 3. Juli 1996 lehnte das Landratsamt Gotha die Rückübertragung auf den Kläger ab. Er sei zwar Berechtigter im Sinne des Vermögensgesetzes und ihm stehe ein Entschädigungsanspruch in Geld zu. Eine Rückübertragung sei jedoch ausgeschlossen, da das Grundstück dem Gemeingebrauch gewidmet sei. Den Widerspruch des Klägers wies das Thüringer Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen weitgehend mit derselben Begründung zurück.
Seine am 14. Oktober 1997 erhobene Klage hat der Kläger im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG nicht eingreife. Die Aufstellung des straßenverkehrsrechtlichen Schildes stelle keinen straßenrechtlichen Widmungsakt dar. Es fehle auch eine Bekanntgabe eines straßenrechtlichen Widmungsakts. Eine Widmung zum Gemeingebrauch sei jedenfalls nicht vor dem maßgeblichen Stichtag des 29. September 1990 erfolgt.
Der Beklagte hat im Wesentlichen vorgetragen, dass für das Vorliegen einer Widmung die Erkennbarkeit des Behördenwillens maßgebend sei und dass dieser durch das Aufstellen des Verkehrszeichens zum Ausdruck gelangt sei. Im Übrigen sei der Platz 1993 nicht als Parkfläche neu ausgewiesen, vielmehr sei das veraltete Parkplatzschild durch ein neues ersetzt worden. Entscheidend sei im Übrigen die Grundstücksnutzung im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Auf eine frühere Nutzung komme es nicht an.
Mit Urteil vom 29. August 2000 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Die Rückübertragung des streitbefangenen Grundstücks sei zu Unrecht abgelehnt worden. Die beteiligten Verwaltungsinstanzen hätten die Berechtigung des Klägers im Sinne des § 2 Abs. 1 VermG nicht bezweifelt. Das Eigentum des Rechtsvorgängers des Klägers sei von einer Maßnahme nach § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG betroffen, da es gemäß der genannten DDR-Anordnung unter staatliche Treuhandverwaltung gestellt und anschließend durch den Treuhänder an das Eigentum des Volkes verkauft worden sei. Die begehrte Rückgabe sei auch nicht durch §§ 4 und 5 VermG ausgeschlossen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob ein Gemeingebrauch im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG vorgelegen habe, sei das In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes am 29. September 1990. Zu diesem Zeitpunkt habe es sich bei dem streitbefangenen Grundstück aber, wie die Beweisaufnahme ergeben habe, nur um einen Betriebsparkplatz gehandelt, der nicht der Öffentlichkeit gewidmet gewesen sei. Aus den beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beigeladenen seien keine schlüssigen Anhaltspunkte dafür zu gewinnen, dass das Grundstück bereits 1990 als Parkplatz für die Öffentlichkeit freigegeben worden sei. Aus ihnen ergebe sich lediglich, dass auf dem streitbefangenen Grundstück aufgrund einer straßenverkehrsrechtlichen Anordnung aus dem Jahre 1993 ein Parkplatzschild mit dem Zusatzzeichen Pkw aufgestellt worden sei. Ob das Grundstück seither ein öffentlicher Parkplatz sei, könne dahinstehen.
Gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil hat der beklagte Freistaat die vom Verwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Widmung zum Gemeingebrauch nicht bereits am 29. September 1990 vorliegen müsse, da dieser in § 5 Abs. 2 VermG genannte Stichtag gerade nicht für die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG gelte.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 29. August 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger, der das angegriffene Urteil verteidigt, beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene äußert sich nicht und stellt keinen Antrag.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht hält das Urteil des Verwaltungsgerichts für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Ob das Urteil des Verwaltungsgerichts Bundesrecht verletzt, kann offen bleiben. Die entscheidungstragende Ansicht des Verwaltungsgerichts, das streitbefangene Grundstück sei an den Kläger zurückzuübertragen, weil der hier allein in Betracht kommende Ausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG nicht eingreife, entspricht jedenfalls im Ergebnis der Rechtslage.
1. Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass die Berechtigung des Rechtsvorgängers des Klägers im Sinne des § 2 Abs. 1 VermG zwischen den Beteiligten außer Streit steht und das streitbefangene Grundstück einer schädigenden Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG unterlag. Gegenstand der revisionsgerichtlichen Überprüfung ist deshalb allein die Frage, ob der hier allein in Betracht kommende Ausschlusstatbestand der § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG vorliegt.
2. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend das Eingreifen dieses Ausschlusstatbestandes abgelehnt. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG ist eine Rückübertragung des Eigentumsrechts oder sonstiger Rechte an Vermögenswerten ausgeschlossen, wenn dies von der Natur der Sache her nicht mehr möglich ist. In Konkretisierung dieses allgemeinen Ausschlussgrundes zählt § 5 Abs. 1 VermG Tatbestände auf, bei deren Vorliegen die rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit eine Rückübertragung kraft Gesetzes angeordnet wird (vgl. Urteil vom 18. Mai 1995 – BVerwG 7 C 19.94 – BVerwGE 98, 261 ≪264≫; Urteil vom 1. Dezember 1995 – BVerwG 7 C 27.94 – BVerwGE 100, 77 ≪80≫). Die Rückübertragung des Grundstücks an den Kläger ist nicht durch die hier allein einschlägige Regelung des § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG ausgeschlossen, da das Grundstück nicht im Sinne dieser Vorschrift dem Gemeingebrauch gewidmet ist.
Das Vermögensgesetz verwendet damit einen Begriff des öffentlichen Sachenrechts der Bundesrepublik Deutschland, den das DDR-Recht zuvor nicht kannte. Er umschreibt seinem herkömmlichen Verständnis nach die Benutzung einer öffentlichen Sache, die jedermann oder mindestens einem nicht individualisierten Personenkreis ohne besondere Zulassung eröffnet ist (vgl. Urteil vom 30. November 1995 – BVerwG 7 C 55.94 – BVerwGE 100, 70 ≪74≫). Eine derartige Widmung verschafft nach Maßgabe ihrer Zweckbestimmung jedermann unmittelbaren Zugriff auf die Sache. Hauptanwendungsfall dieses Rechtsinstituts sind Verkehrseinrichtungen (vgl. Urteil vom 30. November 1995 – BVerwG 7 C 55.94 – a.a.O., S. 74, 76, m.w.N.).
Um eine solche gewidmete öffentliche Verkehrseinrichtung handelt es sich indes bei dem Grundstück des Klägers nicht, unabhängig davon, ob hierfür, wie das Verwaltungsgericht angenommen hat, auf den Stichtag des 29. September 1990 abzustellen ist. Für die Zeit bis zum In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes am 29. September 1990 hat das Verwaltungsgericht mangels Erhebung zulässiger und begründeter Verfahrensrügen in für den Senat bindender Weise (§ 137 Abs. 2 VwGO) festgestellt, dass eine Widmung in diesem Sinne nicht vorlag. Insbesondere die Beweisaufnahme hat durch die Aussage des Zeugen D. ergeben, dass das streitbefangene Grundstück damals als Parkfläche für Betriebsangehörige, nicht hingegen für jedermann oder mindestens für einen nicht individualisierten Personenkreis ohne besondere Zulassung nutzbar war. Das vereinzelte Abstellen von Fahrzeugen durch Betriebsfremde außerhalb der Arbeitszeiten konnte keine Widmung zu einem Gemeingebrauch zur Folge haben, auch nicht als „betrieblich-öffentliche Straße” im Sinne des § 3 Abs. 3 der Straßenverordnung der DDR vom 22. August 1974 (GBl der DDR I, 515), wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat.
Nach In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes liegt ebenfalls keine Widmung zum Gemeingebrauch im Sinne der vorstehenden straßenrechtlichen Definition aus der Sicht des Rechts der Bundesrepublik Deutschland vor. Denn weder aus den Verwaltungsvorgängen noch nach dem Vortrag der Beteiligten ist für diesen Zeitraum ersichtlich, dass eine förmliche Widmung oder eine faktisch andere Nutzung des streitbefangenen Grundstücks vorgenommen wurde. Damit stellt sich die vom Verwaltungsgericht für klärungsbedürftig gehaltene Frage nicht, ob auch eine nach dem 29. September 1990 erfolgte Widmung der Rückübertragung entgegenstehen kann.
In der Aufstellung des Verkehrszeichens 314 (Parkplatz) mit dem Zusatzzeichen 1048-10 (Sinnbild Pkw), mit der die entsprechende straßenverkehrsrechtliche Anordnung der Stadtverwaltung der Beigeladenen vom 28. Januar 1993 verlautbart worden ist, konnte keine Widmung im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG verbunden sein. Denn eine auf § 45 Abs. 1 bis 3 der StVO gestützte straßenverkehrsrechtliche Anordnung stellt keine straßenrechtliche Widmung dar. Vielmehr deckt das Straßenverkehrsrecht nur Regelungen innerhalb des Rahmens, in dem der Verkehr durch eine vorausgegangene wegerechtliche Widmung zugelassen worden ist. Das Straßenverkehrsrecht knüpft mithin an eine wegerechtliche Widmung in ihrem Bestand an und befasst sich nicht selbst mit deren Voraussetzungen, insbesondere mit ihrem Umfang (vgl. Urteil vom 26. Juni 1981 – BVerwG 7 C 27.79 – NJW 1982, 840 ≪841≫ m.w.N.). Das Straßenverkehrsrecht setzt damit das Straßenrecht voraus (BVerfGE 40, 371 ≪378≫). Die Widmung ist damit ausschließlich ein Institut des Straßenrechts. Durch sie wird bestimmt, welche Verkehrsarten als solche auf der jeweiligen Straße zulässig sein sollen und damit der Gemeingebrauch eröffnet wird, während über die Ausübung des Gemeingebrauchs vom Straßenverkehrsrecht entschieden wird (BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 1984 – 2 BvL 10/82 – NJW 1985, 371 ≪373≫).
Aus den Verwaltungsvorgängen und aus dem Vortrag der Beteiligten ist ebenso wenig ersichtlich, dass im Zeitraum vom 29. September 1990 bis zum In-Kraft-Treten des Thüringer Straßengesetzes vom 7. Mai 1993 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Thüringen 1993, 273), das nach seinem § 53 Abs. 1 am Tage nach der am 13. Mai 1993 erfolgten Verkündung in Kraft trat, eine Widmung aufgrund des bis dahin geltenden Rechts erfolgt ist. Nach Anlage II Kapitel XI Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 1 des Einigungsvertrages galt die Verordnung über die öffentlichen Straßen – Straßenverordnung – vom 22. August 1974 (GBl der DDR I, 515) als Landesrecht fort. Zwar ist dem Revisionsgericht im Grundsatz die Auslegung und Anwendung von Landesrecht verwehrt. Hat sich das Tatsachengericht jedoch nicht mit dem Landesrecht befasst, ist es dem Revisionsgericht ermöglicht, bei seiner Sachentscheidung auch nicht revisibles Landesrecht anzuwenden (stRspr; vgl. Urteil vom 26. August 1964 – BVerwG 5 C 128 und 129.63 – BVerwGE 19, 204 ≪211 f.≫; Urteil vom 6. September 1988 – BVerwG 1 C 15.86 – BVerwGE 80, 164 ≪168≫). Der Senat kann mithin das Thüringer Landesrecht vorliegend anwenden.
Nach § 3 Abs. 3 der fortgeltenden Straßenverordnung der DDR sind auch solche Straßen öffentlich, „die überwiegend den Interessen ihrer Rechtsträger oder Eigentümer und daneben der öffentlichen Nutzung dienen”. Sie wurden als betrieblich-öffentliche Straßen bezeichnet. Diese Regelung ist in der Ersten Durchführungsbestimmung zur Straßenverordnung vom 22. August 1974 (GBl der DDR I, 522) unter § 1 Abs. 1 vierter Spiegelstrich näher erläutert. Danach gehören Parkplätze, deren Benutzung überwiegend einem begrenzten Personenkreis vorbehalten ist und die außerhalb der Straßenbegrenzungslinien liegen, z.B. Parkplätze für Hotels, Betriebe, Einrichtungen „in der Regel” zu den betrieblich-öffentlichen Straßen. Das setzt voraus, dass die betroffene Fläche neben ihrer Hauptnutzung als Betriebsparkplatz auch noch einem speziellen öffentlichen Nutzungszweck dienen muss. Eine mögliche gelegentliche Nutzung der Fläche durch private Dritte erfüllt diese Voraussetzung noch nicht. Aus den Verwaltungsvorgängen der beigeladenen Stadt und der Beklagten und aufgrund der Feststellung des Verwaltungsgerichts ist aber nichts dafür ersichtlich, dass das streitbefangene Grundstück neben der betrieblichen Verwendung einem derartigen speziellen öffentlichen Nutzungszweck – als Parkfläche für die Allgemeinheit – dienen sollte und tatsächlich diente. Vielmehr spricht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch das Verwaltungsgericht alles dafür, dass die gelegentliche Nutzung des Geländes zu Parkzwecken durch Dritte außerhalb der Betriebszeiten nur vereinzelt und lediglich rein faktisch erfolgte. Es kommt hinzu, dass auch die nach § 4 Abs. 1 der Straßenverordnung der DDR notwendige Entscheidung über die Öffentlichkeit der Straße nicht feststellbar ist. Diese Entscheidung über die Öffentlichkeit ist durch Beschluss des Rates der Gemeinde bzw. der Stadt zu treffen. Jedenfalls nach dem Beitritt der DDR zum Bundesgebiet durfte allein aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit von der strikten Einhaltung dieser Regelung nicht mehr abgesehen werden, wenn eine Widmung begründet werden sollte. Ein solcher Ratsbeschluss ist ausweislich der Stellungnahme der Beigeladenen aber nicht gefasst worden.
Auch aus der ebenfalls vom Bundesverwaltungsgericht anzuwendenden Übergangsbestimmung des § 52 Abs. 6 des Thüringer Straßengesetzes folgt nichts anderes. Es ist schon fraglich, ob diese Regelung überhaupt eingreifen kann, da sich § 52 Abs. 4 des Thüringer Straßengesetzes ausdrücklich mit den – hier allenfalls in Betracht kommenden – bisherigen betrieblich-öffentlichen Straßen in spezieller Weise befasst und deren Übergang zu öffentlichen Gemeindestraßen davon abhängig macht, dass die Gemeinde darüber ausdrücklich eine Entscheidung trifft. Auch eine derartige Entscheidung ist ausweislich der Verwaltungsvorgänge und der Stellungnahme der Beigeladenen offenbar nicht getroffen worden. Unabhängig davon gelten nach § 52 Abs. 6 des Thüringer Straßengesetzes „die nach den §§ 3 und 4 der Straßenverordnung als öffentlich bezeichneten Straßen … mit In-Kraft-Treten dieses Gesetzes als gewidmet”. Es ist aber, wie oben dargelegt, nichts dafür ersichtlich, dass die streitbefangene Grundstücksfläche neben ihrer Hauptnutzung als Betriebsparkplatz noch einem speziellen öffentlichen Parkzweck für die Allgemeinheit diente und deshalb zu den öffentlichen Straßen im Sinne der §§ 3, 4 der Straßenverordnung der DDR gezählt hatte.
Schließlich ist auch ausweislich der Stellungnahme der Beigeladenen und der vorliegenden Verwaltungsvorgänge nichts dafür ersichtlich, dass eine Widmung nach § 6 des am 14. Mai 1993 in Kraft getretenen Thüringer Straßengesetzes erfolgt ist. Mithin fehlt es auf jeden Fall an einer Widmung im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. b des Vermögensgesetzes, so dass dem Rückübertragungsanspruch des Klägers kein Ausschlussgrund entgegensteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller ist wegen Urlaubs gehindert zu unterzeichnen. Dr. Pagenkopf, Dr. Pagenkopf, Sailer, Krauß, Golze
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 12.12.2001 durch Jesert Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen