Verfahrensgang
Sächsisches OVG (Urteil vom 18.09.2012; Aktenzeichen 2 A 827/10) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. September 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I
Die Klägerin ist Justizoberinspektorin in Diensten des Beklagten. Sie erhielt bis zum Ende des Jahres 2009 die abgesenkte Besoldung nach der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung aus der Besoldungsgruppe A 10. Ihre Klage auf volle Besoldung für die Jahre 2008 und 2009 hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat im Wesentlichen auf Folgendes abgestellt:
Es sei nicht gleichheitswidrig, dass die Besoldung bis zur Besoldungsgruppe A 9 bereits mit Wirkung ab Januar 2008, die Besoldung der höheren Besoldungsgruppen aber erst zwei Jahre später mit Wirkung ab Januar 2010 auf das volle Besoldungsniveau angehoben worden sei. Diese Unterscheidung sei gerechtfertigt, weil sie in Anlehnung an das Tarifrecht vorgenommen worden sei.
Mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. September 2012 die Bezügemitteilung für Januar 2008 und den Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ab dem 1. Januar 2008 Dienstbezüge in voller Höhe ohne Kürzung (100 %) der für das bisherige Bundesgebiet jeweils geltenden Dienstbezüge zu zahlen,
hilfsweise
unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 28. Mai 2008 festzustellen, dass die Besoldung der Klägerin vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2009 verfassungswidrig zu niedrig bemessen war und ihr Dienstbezüge in voller Höhe ohne Kürzung (100 %) der für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezüge zustehen,
hilfsweise
festzustellen, dass die Besoldung der Klägerin vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2009 verfassungswidrig zu niedrig bemessen war.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin, über die im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 141 Satz 1 VwGO), ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die volle Besoldung, denn die Beibehaltung der abgesenkten Besoldung nach der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands – 2. BesÜV – vom 21. Juni 1991 (BGBl I S. 1345, letztmalig geändert durch Gesetz vom 5. Februar 2009, BGBl I S. 160 ≪462≫) für die Beamten der Besoldungsgruppen A 10 und höher in den Jahren 2008 und 2009 verletzte sie nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.
Die Entscheidung des sächsischen Besoldungsgesetzgebers, im streitgegenständlichen Zeitraum die von ihm vorgefundene bundesgesetzliche Regelung beizubehalten, die differenziert zwischen der Besoldung bei Beamten mit einem Amt bis zur Besoldungsgruppe A 9 einerseits und bei Beamten und Richtern mit einem höherem Amt andererseits (§ 12 Abs. 2 der 2. BesÜV, § 17 Abs. 1 Satz 1 SächsBesG, Anlagen 2, 3, 6, 21, 22 und 25 zum SächsBesG; § 14 Abs. 3 der 2. BesÜV, § 17 Abs. 1 Satz 1 SächsBesG, Anlagen 16, 17, 20, 35, 36 und 39 zum SächsBesG), und diese Regelung auch mit ihren Friktionen bis zum Ablauf des in § 14 Abs. 3 der 2. BesÜV bereits bestimmten Übergangszeitraums fortzuführen, ist im Ergebnis mit dem Grundgesetz noch vereinbar. Die um zwei Jahre hinausgeschobene differenzierte Angleichung ist durch die besondere und einmalige Situation gerechtfertigt, in der sich der sächsische Besoldungsgesetzgeber im Jahr 2008 gegen Ende des Transformationsprozesses der Wiederherstellung der deutschen Einheit befand.
Mit Wirkung ab Januar 2008 hat sich der sächsische Besoldungsgesetzgeber das Regelungssystem des Bundesbesoldungsgesetzes und der 2. BesÜV zu eigen gemacht (Fünftes Gesetz zur Änderung des Sächsischen Besoldungsgesetzes vom 17. Januar 2008, SächsGVBl S. 3).
Mit dem Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004 vom 10. September 2003 (BGBl I S. 1798) hatte der Bundesgesetzgeber die Geltungsdauer der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2009 verlängert (§ 14 Abs. 3 der 2. BesÜV) und die Anwendung des die Höhe der abgesenkten Besoldung regelnden § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV – ab dem 1. Januar 92,5 % der für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezüge – für die Beamten der Besoldungsgruppen A 2 bis A 9 auf den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2007 beschränkt (§ 12 Abs. 2 der 2. BesÜV).
In der Gesetzesbegründung heißt es u.a.: „Die Verlängerung orientiert sich an der Zielsetzung des Tarifabschlusses, die Angleichung bis spätestens 31. Dezember 2009 abzuschließen” (BTDrucks 15/1186, S. 64) und „Mit dem neu eingefügten Absatz 2 wird die nicht kündbare tarifliche Vereinbarung vom 9. Januar 2003, wonach die Angleichung für die Vergütungsgruppen X bis Vb bis zum 31. Dezember 2007 abzuschließen ist, für die entsprechenden Besoldungsgruppen übernommen. (…) Für die übrigen Besoldungsgruppen tritt die Verordnung mit Ablauf des 31. Dezember 2009 außer Kraft” (BTDrucks 15/1186, S. 68).
Der Bundesgesetz- und -verordnungsgeber hatte damit den Tarifabschluss mit der nach Vergütungsgruppen zeitlich gestuften Angleichung an die „West-Vergütung” auf die Beamten übertragen und deshalb eine nach Besoldungsgruppen zeitlich gestufte Angleichung an die „West-Besoldung” angeordnet.
Dies hat der sächsische Landesgesetzgeber bis zum Auslaufen der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung in sein Landesrecht übernommen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 SächsBesG als Teil des Fünften Gesetzes zur Änderung des Sächsischen Besoldungsgesetzes vom 17. Januar 2008, GVBl S. 3). In den Anlagen zum Sächsischen Besoldungsgesetz finden sich demzufolge die Besoldungstabellen sowohl für die Empfänger abgesenkter Besoldung (Anlagen 16, 17, 20, 35, 36 und 39) als auch für die Empfänger nicht abgesenkter Besoldung (Anlagen 2, 3, 6, 21, 22 und 25). Dabei gehören zu Letzteren auch die Besoldungsgruppen A 2 bis A 9, für die nach § 12 Abs. 2 der 2. BesÜV schon zum Jahresbeginn 2008 die Absenkung gegenüber der Normalbesoldung beendet worden ist.
Zwar sind Maßstab bei der Gleichheitsprüfung (Art. 3 Abs. 1 GG) für die Besoldung der sächsischen Beamten und Richter nach dem Übergang der Gesetzgebungskompetenz auf die Länder nunmehr die Verhältnisse in Sachsen. Der Gesetzgeber kann und muss Gleichheit nur innerhalb seiner Zuständigkeit gewähren (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. Dezember 2009 – 2 BvR 1978/09 – BVerfGK 16, 444 ≪448≫ unter Hinweis auf BVerfGE 21, 54 ≪68≫ und BVerfGE 79, 127 ≪158≫). Allerdings war die Übernahme des Regelungsmodells der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung in das sächsische Besoldungsrecht nur bei Fortbestehen seiner inneren Rechtfertigung – die zwischen dem bisherigen Bundesgebiet und dem Beitrittsgebiet unterschiedlichen allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse – zulässig. Diese war auch für die Jahre 2008 und 2009 gegeben, weil sich nach allgemeinkundigen Erkenntnissen die insoweit maßgeblichen Indikatoren betreffend die weitere Entwicklung des Angleichungsprozesses auch in diesem Zeitraum nicht wesentlich geändert haben (vgl. nur die allgemein zugänglichen, insbesondere auf der Homepage des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung abrufbaren Jahresberichte der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit für die Jahre 2008 und 2009; Senatsurteil vom heutigen Tag – BVerwG 2 C 49.11 –Rn. 21 und 31).
Das Alimentationsprinzip verpflichtet den Dienstherrn, den Beamten und seine Familie lebenslang angemessen zu alimentieren und ihm nach seinem Dienstrang, nach der mit seinem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Im Rahmen dieser Verpflichtung zu einer dem Amt angemessenen Alimentierung hat der Gesetzgeber die Attraktivität des Beamtenverhältnisses auch für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte, das Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft, die vom Amtsinhaber geforderte Ausbildung und seine Beanspruchung zu berücksichtigen. Diesen Kriterien muss der Gesetzgeber sowohl bei strukturellen Neuausrichtungen im Besoldungsrecht als auch bei der kontinuierlichen Fortschreibung der Besoldungshöhe über die Jahre hinweg im Wege einer Gesamtschau der hierbei relevanten Kriterien und anhand einer Gegenüberstellung mit jeweils in Betracht kommenden Vergleichsgruppen Rechnung tragen (BVerfG, Urteil vom 14. Februar 2012 – 2 BvL 4/10 – BVerfGE 130, 263 ≪292 f.≫ m.w.N.).
Die durch Art. 33 Abs. 5 GG geforderte Amtsangemessenheit der Regelalimentation beurteilt sich nach dem Nettoeinkommen der Beamten. Ob das jährliche Nettoeinkommen der Beamten den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 33 Abs. 5 GG genügt, hängt von der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse ab. Maßgebend ist vor allem der Vergleich mit den Nettoeinkommen der tariflich Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Daneben kommt es auf die Entwicklung derjenigen Einkommen an, die für vergleichbare Tätigkeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes erzielt werden. Der Gesetzgeber darf die Beamtenbesoldung von der allgemeinen Entwicklung nur ausnehmen, wenn dies durch spezifische, im Beamtenverhältnis wurzelnde Gründe gerechtfertigt ist. Den Beamten dürfen keine Sonderopfer zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte auferlegt werden. Die Besoldung ist nicht mehr amtsangemessen, wenn die finanzielle Ausstattung der Beamten greifbar hinter der allgemeinen Einkommensentwicklung zurückbleibt (stRspr, Urteil vom 20. März 2008 – BVerwG 2 C 49.07 – BVerwGE 131, 20 = Buchholz 11, Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 94, jeweils Rn. 25 f. m.w.N.).
Die durch das Leistungsprinzip, Art. 33 Abs. 2 GG, und das Alimentationsprinzip, Art. 33 Abs. 5 GG, gewährleistete amtsangemessene Besoldung ist eine nach dem Amt abgestufte Besoldung. Die Besoldung des Beamten ist seit jeher nach seinem Amt und der mit diesem Amt verbundenen Verantwortung abgestuft worden. Es gehört daher zu den überkommenen Grundlagen des Berufsbeamtentums, dass mit einem höheren Amt in der Regel auch höhere Dienstbezüge verbunden sind (stRspr; vgl. BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 1954 – 2 BvG 1/54 – BVerfGE 4, 115 ≪135≫; Beschlüsse vom 11. Juni 1958 – 1 BvR 1/52 u.a. – BVerfGE 8,1 ≪14≫, vom 14. Juni 1960 – 2 BvL 7/60 – BVerfGE 11, 203 ≪215≫, vom 4. Juni 1969 – 2 BvR 343/66 – BVerfGE 26, 141 ≪158≫, vom 4. Februar 1981 – 2 BvR 570/76 u.a. – BVerfGE 56, 146 ≪164 f.≫ und vom 6. Mai 2004 – 2 BvL 16/02 – BVerfGE 110, 353 ≪364≫). Durch die Anknüpfung der Alimentation an innerdienstliche, unmittelbar amtsbezogene Kriterien wie den Dienstrang soll sichergestellt werden, dass die Bezüge entsprechend der unterschiedlichen Wertigkeit der Ämter abgestuft sind. Jedem Amt ist eine Wertigkeit immanent, die sich in der Besoldungshöhe widerspiegeln muss. Amtsangemessene Gehälter sind daher so zu bemessen, dass sie dem Beamten eine Lebenshaltung ermöglichen, die der Bedeutung seines jeweiligen Amtes entspricht. Die „amts”-angemessene Besoldung ist deshalb notwendigerweise eine abgestufte Besoldung (vgl. BVerfG, Urteile vom 27. September 2005 – 2 BvR 1387/02 – BVerfGE 114, 258 ≪293≫, vom 6. März 2007 – 2 BvR 556/04 –BVerfGE 117, 330 ≪355≫ und vom 14. Februar 2012 – 2 BvL 4/10 – BVerfGE 130, 263 ≪293≫).
Beim Erlass besoldungsrechtlicher Vorschriften hat der Gesetzgeber einen weiten Spielraum politischen Ermessens (stRspr; vgl. nur BVerfG, Beschluss vom Juni 1969 a.a.O. S. 158 f.), innerhalb dessen er das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen darf. Den Gerichten ist die Überprüfung verwehrt, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat. Das Bundesverfassungsgericht kann, sofern nicht – wie hier möglicherweise Art. 33 Abs. 2 und 5 GG mit dem aus dem Leistungsprinzip und aus dem Alimentationsprinzip folgenden Abstandsgebot – von der Verfassung selbst getroffene Wertungen entgegenstehen, nur die Überschreitung äußerster Grenzen beanstanden, jenseits derer sich gesetzliche Vorschriften bei der Abgrenzung von Lebenssachverhalten als evident sachwidrig erweisen (stRspr; BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2003 – 2 BvL 3/00 – BVerfGE 107, 218 ≪244≫; vgl. auch Beschlüsse vom 6. Oktober 1983 – 2 BvL 22/80 – BVerfGE 65, 141 ≪148 f.≫ und vom 4. April 2001 – 2 BvL 7/98 –BVerfGE 103, 310 ≪319 f.≫). Jede Besoldungsordnung enthält unvermeidbare Härten und mag aus Sicht der Betroffenen fragwürdig sein. Solche Unebenheiten, Friktionen und Mängel müssen in Kauf genommen werden, solange sich für die Regelung ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund anführen lässt (Beschlüsse vom 6. Mai 2004 a.a.O. S. 364 f. und vom 4. Februar 1981 a.a.O. S. 161 ff.; aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vgl. statt aller Urteil vom 28. April 2005 – BVerwG 2 C 1.04 – BVerwGE 123, 308 ≪313≫ = Buchholz 240 § 72a BBesG Nr. 1, S. 4 m.w.N.).
Das Abstandsgebot zwingt den Gesetzgeber nicht, einen einmal festgelegten Abstand zwischen den Besoldungsgruppen absolut oder relativ beizubehalten. Der Gesetzgeber kann ein bestehendes Besoldungssystem neu strukturieren und auch die Wertigkeit von Besoldungsgruppen zueinander neu bestimmen (BVerfG, Urteil vom 14. Februar 2012 – 2 BvL 4/10 – BVerfGE 130, 263 ≪295≫ m.w.N.). Hingegen dürfen die Abstände zwischen den Besoldungsgruppen infolge von Einzelmaßnahmen nicht nach und nach eingeebnet werden. Solche Maßnahmen können unterschiedlich hohe lineare Besoldungsanpassungen etwa für einzelne Besoldungsgruppen sein. Auch regelmäßige, mehr als geringfügige zeitliche Verzögerungen bei den Besoldungsanpassungen für höhere Besoldungsgruppen können zu einer solchen Einebnung beitragen. Da der Abstand im Hinblick auf das Alimentationsprinzip relativ zu bemessen ist – ein absolut gleichbleibender Abstand verliert durch die Inflation an Wert und vermittelt entsprechend weniger Kaufkraft zur Bestreitung des „amtsangemessenen” Unterhalts –, gilt dies auch für die völlige oder teilweise Ersetzung von linearen Besoldungserhöhungen durch Einmalzahlungen. Ob eine der genannten Maßnahmen eine mit dem Abstandsgebot unvereinbare Einebnung des Besoldungsgefüges zur Folge hat, erschließt sich in der Regel nicht durch die Betrachtung allein der konkreten Maßnahme, sondern nur durch eine Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung früherer Besoldungsanpassungen.
Bei Anlegung dieser Maßstäbe ergibt sich für den vorliegenden Fall:
Dauer und Umfang der verzögerten Besoldungsanpassung sind hier schwerwiegend (zwei Jahre; 7,5 Prozent). Eine angespannte Haushaltslage rechtfertigt für sich alleine keine Ungleichbehandlung zu Lasten einzelner Besoldungsgruppen. Daran ändert auch nichts, dass sich die besoldungsrechtliche Regelung an Entgeltvereinbarungen eines Tarifvertrages anlehnt. Zwar sind die Regelungen eines Tarifvertrages ein maßgeblicher Indikator bei der Frage, ob eine Abkopplung des Besoldungsniveaus von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung zu besorgen ist (BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 – 2 BvR 1387/02 – BVerfGE 114, 258 ≪288 ff.≫; Beschluss vom 27. September 2007 – 2 BvR 1673/03 u.a – DVBl 2007, 1435 ≪1438 f.≫; BVerwG, Urteile vom 19. Dezember 2002 – BVerwG 2 C 34.01 – BVerwGE 117, 305 ≪309≫ = Buchholz 240 § 14a BBesG Nr. 1 S. 4 und vom 23. Juli 2009 – BVerwG 2 C 76.08 – Buchholz 11 Art 33 Abs. 5 GG Nr. 108 Rn. 6 f.). Wegen der strukturellen Unterschiede zwischen dem Tarifvertrags- und dem Besoldungsrecht (dort von den Tarifvertragsparteien frei ausgehandelte Entgelte, hier Entscheidung des Gesetzgebers in Erfüllung grundgesetzlicher Verpflichtungen) können Tarifverträge aber dann nicht als Richtschnur für Besoldungsanpassungen dienen, wenn sie ihrem Inhalt nach mit Strukturprinzipien des Besoldungsrechts kollidieren, wie hier mit der Notwendigkeit eines angemessenen Abstands zwischen den Besoldungsgruppen. Tarifvertragliche Vereinbarungen können ein Abrücken von den durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten Strukturprinzipien der Beamten- und Richterbesoldung nicht rechtfertigen.
Des Weiteren rechtfertigt auch die unterschiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beamten die Ungleichbehandlung höherer Besoldungsgruppen grundsätzlich nicht. Zwar kann bei unterschiedlicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit eine Ungleichbehandlung im Bereich des beamtenrechtlichen Fürsorgegrundsatzes zulässig sein (Urteile vom 3. Juli 2003 – BVerwG 2 C 36.02 – BVerwGE 118, 277 ≪284≫ = Buchholz 237.6 § 87c NdsBG Nr. 1 S. 7 und vom 20. März 2008 – BVerwG 2 C 49.07 – BVerwGE 131, 20 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 94, jeweils Rn. 18). Im Besoldungsrecht jedoch kann die unterschiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Hinblick auf das Abstandsgebot lediglich kurzzeitige Verschiebungen von Besoldungserhöhungen für einzelne Besoldungsgruppen rechtfertigen, wie im vorliegenden Fall die viermonatige Verschiebung der Besoldungsanpassung im Jahr 2008 für die Besoldungsgruppen ab A 10 (§ 20 Abs. 3 SächsBesG i.d.F. des Fünften Gesetzes zur Änderung des Sächsischen Besoldungsgesetzes vom 17. Januar 2008, GVBl. S. 3). Bei längeren oder substantiellen Verschiebungen – wie hier bei einem Prozentsatz von 7,5 % für zwei Jahre – kommt eine Rechtfertigung allenfalls dann in Betracht, wenn davon nur die Spitzenämter im höheren Dienst betroffen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Juni 2001 – 2 BvR 571/00 – DVBl. 2001, 1667). Eine Verschiebung um zwei Jahre ist weder kurzzeitig noch sind Besoldungsgruppen ab A 10 höhere Besoldungsgruppen oder gar Spitzenämter in diesem Sinn.
Die hier angegriffene Ungleichbehandlung der Besoldungsempfänger ab der Besoldungsgruppen A 10 ist vielmehr nur im Hinblick auf die besondere, einmalige Situation, in der sich der sächsische Landesgesetzgeber im Jahre 2008 befand, noch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Der sächsische Landesgesetzgeber fand bei Übergang der Gesetzgebungszuständigkeit für das Besoldungsrecht die seit 2003 bundesrechtlich geregelte Abstufung der Besoldungsangleichung vor. Er stand vor der Wahl, entweder die Besoldung für alle Besoldungsgruppen zum 1. Januar 2008 auf das im bisherigen Bundesgebiet geltende Niveau anzuheben oder die Angleichung für alle Besoldungsgruppen zu einem späteren Zeitpunkt vorzunehmen oder schließlich die bereits bundesrechtlich vorgesehene gestufte Angleichung beizubehalten. Im ersten Fall hätte er sich neue finanzielle Lasten aufgebürdet. Im zweiten Fall wäre den geringer besoldeten Beamten bis Besoldungsgruppe A 9 die seit 2003 bundesrechtlich geregelte Angleichung versagt geblieben. Im dritten Fall, den er gewählt hat, musste er die vorübergehende Einebnung des Besoldungsabstandes zwischen den Besoldungsgruppen in Kauf nehmen. Dass er sich in dieser Situation für die dritte Variante entschieden hat, ist von seinem besonders großen Gestaltungsspielraums bei der Bewältigung der Folgen der deutschen Einheit gedeckt (vgl. zum gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum im Zusammenhang mit der deutschen Einheit: BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2003 – 2 BvL 3/00 – BVerfGE 107, 218 ≪246≫; vgl. auch Beschluss vom 12. November 1996 – 1 BvL 4/88 – BVerfGE 95, 143 ≪155 f., 157 f.≫; Urteile vom 28. April 1999 – 1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95 – BVerfGE 100, 1 ≪38≫ und vom 14. März 2000 – 1 BvR 284, 1659/96 – BVerfGE 102, 41 ≪55≫; Beschlüsse vom 4. April 2001 – 2 BvL 7/98 – BVerfGE 103, 310 ≪324 f.≫ und vom 21. November 2001 – 1 BvL 19/93 u.a. – BVerfGE 104, 126 ≪147≫).
Entscheidend dafür ist, dass die Verschiebung der Besoldungsangleichung für die Besoldungsgruppen höher als A 9 zwar weder geringfügig noch kurzfristig, aber immerhin nur vorübergehend war. Sie führte insbesondere nicht zu einer geringeren Basis für spätere Besoldungserhöhungen; die Beamten und Richter dieser Besoldungsgruppen wurden nach Auslaufen der Absenkung in die bereits bestehende und für die Besoldung der aus dem früheren Bundesgebiet stammenden Beamten und Richter sowie der Beamten und Richter mit Anspruch auf einen Zuschuss nach § 4 der 2. BesÜV maßgeblichen Anlage 21 zum Sächsischen Besoldungsgesetz integriert. Die vorübergehende, wenn auch gravierende Einebnung des Besoldungsabstands wirkte sich letztlich nicht auf das dauernde Besoldungsgefüge aus und wiegt damit weniger schwer als etwa die teilweise Ersetzung von linearen Besoldungserhöhungen durch Einmalzahlungen.
Zudem hat der Landesgesetzgeber mit der Zulagenregelung in § 22 SächsBesG ein Absinken der – noch nicht angeglichenen – nach der Besoldungsgruppe A 10 besoldeten Beamten unter die Besoldung der – schon angeglichenen – vergleichbaren nach der Besoldungsgruppe A 9 besoldeten Beamten verhindert. Eine höhere Zulage war in dieser Übergangsphase nicht verfassungsrechtlich zwingend geboten, zumal sie – wenn sie dem Abstandsgebot substanziell hätte Rechnung tragen wollen – in die Nähe der vollständigen Angleichung schon zum 1. Januar 2008 hätte kommen müssen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Domgörgen, Dr. Heitz, Dr. von der Weiden, Dr. Kenntner
Fundstellen