Verfahrensgang
Sächsisches OVG (Urteil vom 19.07.2004; Aktenzeichen 5 B 161/02) |
Tenor
Das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 19. Juli 2004 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Die Klägerin betrieb 1999 zwei Spielhallen im Stadtgebiet der Beklagten.
Die Beklagte erhebt eine Vergnügungssteuer auf das Halten von Spiel- und Geschicklichkeitsapparaten. Der Steuersatz betrug für das Jahr 1999 nach § 3 Abs. 2 ihrer Vergnügungssteuersatzung – VStS – vom 27. Juni 1991 in der maßgeblichen Fassung der Satzungsänderung vom 19. Dezember 1994 für in Spielhallen aufgestellte Geräte mit Gewinnmöglichkeit 400 DM und für Geräte ohne Gewinnmöglichkeit 120 DM monatlich.
Mit Bescheid vom 4. Januar 1999 setzte die Beklagte die Vergnügungssteuer für das Jahr 1999 gegenüber der Klägerin für die in einer der Spielhallen aufgestellten zehn Automaten mit Gewinnmöglichkeit und 16 Automaten ohne Gewinnmöglichkeit auf insgesamt 71 040 DM fest.
Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage, beschränkt auf die Besteuerung der Geräte mit Gewinnmöglichkeit (48 000 DM), hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Zwar hätten die von der Klägerin vorgelegten Statistiken über die Einspielergebnisse der von ihr aufgestellten Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit „Schwankungsbreiten von einigen 100 %” ergeben, die im Übrigen durch weitere, der Kammer in Parallelverfahren vorliegende Zahlen von Spielapparateaufstellern im Satzungsgebiet der Beklagten bestätigt würden. Über einen längeren Zeitraum betrachtet, relativierten sich diese Unterschiede der einzelnen Geräte jedoch erheblich. Die Schwankungen könnten sich im Einzelfall zu Lasten wie auch zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken. Die Steuererhebung nach Pauschsätzen sei nach wie vor durch Gründe der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt und bewege sich im Rahmen einer zulässigen Pauschalierung und Typisierung.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und den Steuerbescheid der Beklagten sowie den ihn bestätigenden Widerspruchsbescheid insoweit aufgehoben, als die Vergnügungssteuer auf den die Geräte mit Gewinnmöglichkeit betreffenden Betrag von mehr als 23 040 DM festgesetzt worden ist. Für Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit fehle es an einer wirksamen satzungsrechtlichen Bestimmung des Steuermaßstabs. Der in der Vergnügungssteuersatzung vorgesehene Stückzahlmaßstab verstoße in Bezug auf Geräte mit Gewinnmöglichkeit in dem hier maßgeblichen Veranlagungszeitraum gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Die Automatensteuer dürfe von den Gemeinden nach Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG nur als örtliche Aufwandsteuer erhoben werden. Dies verlange einen zumindest lockeren Bezug zwischen dem Steuermaßstab und dem verfassungsrechtlich vorgegebenen Kriterium des Vermögensaufwands der Spieler. Der Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers sei insofern deutlich begrenzter, als wenn es allein um die Berücksichtigung des Grundsatzes der Steuergerechtigkeit ginge. Als Wirklichkeitsmaßstab komme für die Erhebung der Spielautomatensteuer vor allem die Höhe der auf die einzelnen Geräte entfallenden Einspielergebnisse in Betracht. Dieser Maßstab sei im Veranlagungsjahr 1999 auch praktisch anwendbar gewesen, weil Geräte mit Gewinnmöglichkeit nach der Selbstverpflichtung der Spielgerätehersteller seit dem 1. Januar 1997 nur noch mit manipulationssicherem Zählwerk gewerblich aufgestellt sein dürften. Nach der von der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren eingereichten Aufstellung über die Einspielergebnisse der von ihr aufgestellten Geräte im Jahr 1999, an deren Richtigkeit Zweifel von der Beklagten nicht erhoben worden seien, betrage die Schwankungsbreite zwischen den einzelnen Geräten durchweg weit über 100 %. Die Beklagte, die hinsichtlich der Erfüllung der Anwendungsvoraussetzungen für den von ihr gewählten Maßstab darlegungspflichtig sei, habe im Übrigen auch keine anderen Zahlen vorgelegt. Bezogen auf das Jahr 1999 bestünden auch keine durchgreifenden Praktikabilitätsgründe mehr für das Festhalten am Stückzahlmaßstab.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht die Beklagte geltend, das Berufungsgericht sei von nicht aussagekräftigen Daten ausgegangen. Zur Bestimmung der maßgeblichen Schwankungsbreite der Einspielergebnisse könnten nämlich zunächst nur über in der Regel mindestens zwölf Monate ermittelte Ergebnisse einzelner Automaten verwertet werden, da nur so die durch die Spielverordnung vorgeschriebenen kurzzeitigen Schwankungen ausgeglichen werden könnten. Ferner müssten entweder die Ergebnisse aller Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit von sämtlichen Aufstellern im Satzungsgebiet über einen entsprechenden Zeitraum erhoben werden oder es müsse auf eine nach mathematisch-statistischen Regeln ermittelte repräsentative Stichprobe aus dieser Grundgesamtheit zurückgegriffen werden. Keinesfalls dürften, wie dies hier geschehen sei, Daten herangezogen werden, die von den Automatenaufstellern selbst nach dem Günstigkeitsprinzip ausgewählt worden seien. Selbst die von der Klägerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Einspielergebnisse der Gewinnspielgeräte für 1999 erbrächten bei richtiger Auswertung Zahlen, die lediglich bis zu +/- 32 % um den Gesamtmittelwert schwankten. Das liege noch innerhalb der zulässigen Bandbreite.
Die Beklagte beantragt,
unter vollständiger Abänderung des angefochtenen Urteils des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 19. Juli 2004 die Klägerin in vollem Umfang mit der Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das berufungsgerichtliche Urteil. Die von ihr vorgelegten Zahlen seien von der Beklagten vor den Tatsachengerichten nicht angegriffen worden; auch im Revisionsverfahren habe die Beklagte keine Verfahrensrüge erhoben. Aus diesen Daten ergebe sich, dass die zulässige Schwankungsbreite bei weitem überschritten sei.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht. Das Berufungsgericht hat auf einer hierfür nicht ausreichenden Tatsachengrundlage die Unvereinbarkeit des Stückzahlmaßstabs mit höherrangigem Recht in der Vergnügungssteuersatzung der Beklagten angenommen, soweit die Satzung Spielapparate mit Gewinnmöglichkeit betrifft. Die Feststellungen des Berufungsgerichts erlauben es dem Senat nicht, in der Sache selbst zu entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 VwGO). Die Sache ist deshalb zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
1. a) Zur Vereinbarkeit des Stückzahlmaßstabs mit Bundesrecht in einer gemeindlichen Satzung zur Besteuerung von Spielautomaten hat der Senat mit Urteil vom heutigen Tage in der Sache BVerwG 10 C 5.04 entschieden. Er hat in diesem Urteil im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Dezember 1999 (BVerwG 11 CN 1.99 – BVerwGE 110, 237) ausgeführt, dass der durch Art. 105 Abs. 2 a GG für eine Aufwandsteuer, wie sie die Spielautomatensteuer darstellt, geforderte zumindest lockere Bezug des verwendeten Steuermaßstabs – der dort wie hier ein Maßstab nach der Zahl der aufgestellten Spielgeräte war – zu dem letztlich zu besteuernden Vergnügungsaufwand der Spieler nur gewahrt ist, wenn die Einspielergebnisse von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit nicht mehr als 50 % von dem Durchschnitt der Einspielergebnisse dieser Automaten im Satzungsgebiet abweichen. Ob dies der Fall ist, kann spätestens seit 1997 jedenfalls für Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit hinreichend zuverlässig anhand der seitdem flächendeckend in diese Automaten eingebauten „manipulationssicheren” Zählwerke festgestellt werden.
Die Frage, ob sich der Stückzahlmaßstab mangels des erforderlichen zumindest lockeren Bezugs zum eigentlichen Besteuerungsziel, dem in den Einspielergebnissen zum Ausdruck kommenden Vergnügungsaufwand der Spieler, in einem Gemeindegebiet als generell untauglich erweist, kann dabei nicht durch die bloße Feststellung der Differenz zwischen einzelnen Minimal- und Maximalwerten von Automateneinspielergebnissen beantwortet werden. Es bedarf hierzu vielmehr eines Vergleichs mit dem hinreichend aussagekräftig ermittelten Durchschnitt der Einspielergebnisse von Gewinnspielautomaten in der betreffenden Gemeinde. Dabei ist zudem zu prüfen, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es sich bei den Minimal- und Maximalwerten um „Ausreißer” handelt, die völlig aus dem Rahmen der anderen im unteren oder oberen Bereich liegenden Einspielergebnisse fallen oder deshalb atypisch sind, weil die übrigen Einspielergebnisse ganz überwiegend sehr nahe am ermittelten Gesamtdurchschnitt liegen.
Welchen Mindestanforderungen eine etwa bereits vorhandene Erkenntnislage oder die Erhebung entsprechender Daten über die Einspielergebnisse der jeweiligen Gerätegruppe genügen muss, um eine ausreichende Grundlage für die Ermittlung des maßgeblichen Durchschnitts zu gewährleisten, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls im jeweiligen Satzungsgebiet ab und entzieht sich einer allgemeinen Festlegung. Im Streitfall ist es in erster Linie eine Frage der Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch das Tatsachengericht, die wesentlich von den konkreten örtlichen Gegebenheiten – etwa der Zahl und Größe der Automatenaufsteller und der Zahl der Gewinnspielautomaten und ihrer Verteilung im Gemeindegebiet – abhängt, ob die ihm vorgelegten oder von ihm erhobenen Daten einen tragfähigen Schluss auf das durchschnittliche Einspielergebnis der Automaten mit Gewinnmöglichkeit im Gemeindegebiet zulassen. Eine Bindung des Tatsachengerichts an bestimmte mathematisch-statistische Regeln für die Erlangung eines repräsentativen Durchschnitts besteht hierbei nicht. Auch eine nicht statistisch abgesicherte Erhebung kann eine aussagekräftige Grundlage für die Durchschnittsbildung liefern. Auf der anderen Seite wird sich ein belastbarer Durchschnitt der Einspielergebnisse für das Satzungsgebiet in aller Regel nicht bilden lassen, wenn nur Einspielergebnisse der Geräte eines von mehreren Aufstellern oder von insgesamt einem nur sehr geringen Prozentsatz aller Automaten derselben Gerätegruppe im Satzungsgebiet vorliegen. Um Verzerrungen durch jahreszeitliche Schwankungen in der Automatennutzung und sporadische Gewinnausschüttungen zu vermeiden, sollten die Angaben über die einzelnen Spielautomaten zudem einen jeweils längeren Zeitraum von in der Regel acht bis zwölf Monaten umfassen.
Wegen der Einzelheiten zur Festlegung der 50 %-Grenze, zur Bestimmung und Bewertung der hierfür maßgeblichen Schwankungsbreite der Einspielergebnisse und der rechtlichen Begründung hierfür wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Urteilsgründe in der Entscheidung des Senats in der Sache BVerwG 10 C 5.04 verwiesen, das als Anlage den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens zugeht.
b) Da der Senat in jenem Urteil vom heutigen Tage auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts im Ergebnis dessen Entscheidung wegen der Unvereinbarkeit des Stückzahlmaßstabs mit Art. 105 Abs. 2 a GG bestätigen konnte, bedurfte es dort keiner näheren Ausführungen zu der Frage, ob der Stückzahlmaßstab vor dem Hintergrund der tatsächlichen Erkenntnisse über die unterschiedlichen Einspielergebnisse der Gewinnspielautomaten auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.
Die aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Anforderungen an die Zulässigkeit einer am Maßstab der Automatenstückzahl erhobenen Vergnügungssteuer werden, wie sich bereits aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt, durch ihren Charakter als Steuer auf den Vergnügungsaufwand der Spieler geprägt. Deshalb ist die Vereinbarkeit einer nach dem Stückzahlmaßstab erhobenen Vergnügungssteuer mit dem Gleichheitssatz im Ausgangspunkt nach vergleichbaren Grundsätzen zu beurteilen, wie ihre Übereinstimmung mit Art. 105 Abs. 2 a GG. Die als Grundsatz der Steuergerechtigkeit das Steuerrecht beherrschende Ausprägung des Art. 3 Abs. 1 GG lässt dem Normgeber eine weite Gestaltungsfreiheit auch bei der Wahl des Steuermaßstabs. Durchbrechungen des Gleichheitssatzes durch Typisierungen und Pauschalierungen können – insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen – durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität gerechtfertigt sein, solange die durch jede typisierende Regelung entstehende Ungerechtigkeit noch in einem angemessenen Verhältnis zu den steuerlichen Vorteilen der Typisierung steht. Praktikabilitätserwägungen können aber nur bei der Prüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG von rechtfertigender Bedeutung sein, nicht hingegen, wenn es um verfassungsrechtliche Wertentscheidungen geht, die den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum aus Art. 3 Abs. 1 GG einschränken (BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 1995 – BVerwG 8 N 2.93 – Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 28; Urteil vom 22. Dezember 1999, a.a.O., S. 239 f.).
Gemessen hieran kann ein Verstoß der nach einem Stückzahlmaßstab erhobenen Vergnügungssteuer gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht schon durch den Nachweis einzelner mehr oder minder stark voneinander abweichender Einspielergebnisse unter Berufung auf die damit einhergehende gleiche Besteuerung ungleicher Sachverhalte begründet werden. Denn diese Ungleichbehandlungen sind die grundsätzlich hinzunehmende Folge aus der Verwendung des für die Gemeinden mit erheblichen Praktikabilitätsvorteilen verbundenen pauschalen Stückzahlmaßstabs. Unter Berücksichtigung des Art. 105 Abs. 2 a GG, der als eigentliches Besteuerungsziel den Vergnügungsaufwand der Spieler vorgibt, braucht eine solche ungleiche Besteuerung von den betroffenen Automatenaufstellern allerdings dann nicht mehr hingenommen zu werden, wenn die unterschiedlichen Einspielergebnisse in solcher Zahl und solchem Umfang auftreten, dass sie ein strukturelles Gleichheitsdefizit bei ihrer Besteuerung zur Folge haben. Dies ist dann der Fall, wenn die Schwankungsbreite der Einspielergebnisse gemessen am Gesamtdurchschnitt nicht nur im Einzelfall erheblich ist, was sich wiederum nach den vorstehend zu Art. 105 Abs. 2 a GG entwickelten Grundsätzen über die Festlegung und Ermittlung der noch tolerablen Schwankungsbreite der Einspielergebnisse bestimmt.
Jedenfalls bei einer nicht auf atypische Einzelfälle beschränkten Abweichung der Einspielergebnisse der Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit von dem Einnahmedurchschnitt um mehr als 50 % ist danach der Stückzahlmaßstab in der Regel auch mit dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit nicht mehr zu vereinbaren. Liegt die hinreichend verlässlich ermittelte Schwankungsbreite darunter, kann die insoweit gleichwohl verbleibende gleichheitswidrige Besteuerung hingegen durch Gründe der Praktikabilität und Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigt sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1995, a.a.O., S. 13 ff.). Hinzu kommt, dass sich Schwankungen durch die gleiche Besteuerung ungleicher Einspielergebnisse zu Lasten wie auch zugunsten des einzelnen Aufstellers auswirken können. Die gemessen an den Einspielergebnissen ungleiche Steuerlast je Gerät kann sich so mit Blick auf den Belastungsdurchschnitt innerhalb eines Unternehmens im Ergebnis ausgleichen und führt auch im Verhältnis zu anderen Aufstellern zu keinen gleichheitswidrigen Belastungen, sofern sich die Unternehmen in ihrer Struktur nicht wesentlich voneinander unterscheiden (Urteil des Senats vom heutigen Tage in der Sache BVerwG 10 C 5.04, UA S. 19; BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 1995, a.a.O., S. 13 f.; Urteil vom 22. Dezember 1999, a.a.O., S. 241 sowie BVerfG, Teilurteil vom 10. Mai 1962 – 1 BvL 31/58 – BVerfGE 14, 76 S. 103). Liegen diese Voraussetzungen vor, kann unter Umständen sogar eine die Toleranzschwelle von 50 % überschreitende Schwankungsbreite der Einspielergebnisse mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sein. Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem vom Berufungsgericht zusätzlich herangezogenen Art. 18 Satz 1 SächsVerf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1997 – 2 BvN 1/95 – BVerfGE 96, 345 ≪365≫).
2. Mit den vorstehend umschriebenen bundesrechtlichen Vorgaben aus Art. 105 Abs. 2 a und Art. 3 Abs. 1 GG steht das Urteil des Berufungsgerichts nicht in Einklang.
a) Das Berufungsgericht hat zwar im Ausgangspunkt zutreffend die Frage aufgeworfen, ob der von der Beklagten für ihre Vergnügungssteuersatzung verwendete Stückzahlmaßstab angesichts der ihm vorliegenden Erkenntnisse über die stark schwankenden Einspielergebnisse mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und den bei seiner Anwendung zu beachtenden sonstigen verfassungsrechtlichen Vorgaben für die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern vereinbar ist. Dabei bleibt es im Ergebnis unschädlich, dass das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang statt des eigentlich maßgeblichen Art. 105 Abs. 2 a GG den Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG herangezogen hat. Die letztgenannte Vorschrift gewährt den Gemeinden die Ertragshoheit bei den örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern. Eine Aussage zum zulässigen Steuermaßstab kann dem Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG hingegen, anders als dem Art. 105 Abs. 2 a GG, nicht entnommen werden. Die eigenständige Bedeutung des Art. 105 Abs. 2 a GG für die Begrenzung des kommunalen Gestaltungsspielraums bei der Wahl eines zulässigen Steuermaßstabs hat das Berufungsgericht so zwar verkannt, ist aber ungeachtet dessen zu Anforderungen des Grundsatzes der Steuergerechtigkeit an den Steuermaßstab gelangt, wie sie nach der vorstehend dargelegten Rechtsprechung des Senats im Ausgangspunkt auch aus Art. 105 Abs. 2 a GG folgen.
b) Das Berufungsgericht hat jedoch bei der Bestimmung der mit Verfassungsrecht noch zu vereinbarenden Schwankungsbreite der Einspielergebnisse einen Maßstab gewählt, der von den – ihm naturgemäß noch nicht bekannten – Grundsätzen abweicht, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom heutigen Tage in der Sache BVerwG 10 C 5.04 hierzu entwickelt hat. Zudem hat sich das Berufungsgericht gemessen an diesem Maßstab bei seiner Entscheidung auf eine ungenügende Tatsachengrundlage gestützt.
Für seine Erkenntnis, dass die Schwankungsbreite der Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit „durchweg weit mehr als 100 %” betrage, zieht das Berufungsgericht lediglich die von der Klägerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Einspielergebnisse heran. Es legt allerdings nicht näher dar, auf welche konkreten Zahlen es sich dabei stützt. Offensichtlich gibt die vom Berufungsgericht genannte Schwankungsbreite jedoch nicht die Abstände der Minimal- und Maximalwerte aus den durchschnittlichen Einspielergebnissen der Gewinnspielautomaten zum Durchschnitt dieser Einspielergebnisse im Gemeindegebiet der Beklagten wieder.
Grundlage der Entscheidung des Berufungsgerichts sind ausschließlich Angaben der Klägerin über eigene Spielautomaten, die während des Jahres 1999 in zwei Spielhallen in Dresden aufgestellt waren. Dies waren durchschnittlich rund 20 Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit. Nur für einen Teil dieser Automaten liegen Angaben über mehr als acht Monate vor. Einspielergebnisse von Automaten anderer Aufsteller wurden weder von den Beteiligten vorgetragen noch von dem Berufungsgericht ermittelt.
Gemessen daran, dass nach dem insoweit unwidersprochenen Vortrag der Beklagten in ihrem Stadtgebiet im Jahre 1999 insgesamt über 850 Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit aufgestellt waren, bieten die vorhandenen Einspielergebnisse von Gewinnspielautomaten keine ausreichende Datenbasis für eine verlässliche Beantwortung der Frage, ob die Einspielergebnisse von Gewinnspielautomaten im Satzungsgebiet der Beklagten im maßgeblichen Erhebungsjahr 1999 mehr als 50 % von dem Durchschnitt abweichen und dies nicht nur in atypischen Einzelfällen. Anhaltspunkte dafür, dass Besonderheiten im Stadtgebiet der Beklagten auch bei Vorliegen der Angaben nur eines Aufstellers und zudem der Daten einer relativ geringen Anzahl von Gewinnspielautomaten gleichwohl einen hinreichend begründeten Schluss auf die maßgebliche Schwankungsbreite der Einspielergebnisse zulassen könnten, sind nicht erkennbar und vom Berufungsgericht auch nicht dargelegt. Über eine in diesem Maße ungenügende Datengrundlage kann auch die dem Tatsachengericht vorbehaltene Befugnis zur Sachverhalts- und Beweiswürdigung nicht hinweghelfen, zumal sie vom Berufungsgericht – aus seiner Sicht konsequent – im Hinblick auf die gebotene Repräsentativität der Zahlen, abgesehen von seinen Ausführungen zur Mindesterhebungsdauer für Einspielergebnisse, nicht erkennbar in Anspruch genommen worden ist.
c) Das Berufungsgericht durfte schließlich auch nicht etwa deshalb auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage entscheiden, weil die Beklagte selbst keine anderen Zahlen vorgelegt hat. Soweit das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass die Beklagte „hinsichtlich der Erfüllung der Anwendungsvoraussetzungen für den von ihr gewählten Maßstab darlegungspflichtig ist”, lässt es mit dieser Formulierung nicht erkennen, welche konkreten prozessualen Schlussfolgerungen es hieraus zieht. Sollte das Berufungsgericht der Beklagten hiermit eine förmliche Beweisführungslast auferlegt haben, wäre dies nicht vereinbar mit Bundesrecht.
Zwar sind die Beteiligten auch in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verwaltungsprozess verpflichtet, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken. Gleichwohl ist es Aufgabe des Gerichts, von sich aus den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln und dazu von Amts wegen die erforderliche Sachverhaltsaufklärung zu betreiben (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Mitwirkungspflichten der Beteiligten entbinden das Gericht daher grundsätzlich nicht von seiner eigenen Aufklärungspflicht. Eine Verletzung der Mitwirkungspflichten durch die Beteiligten kann allerdings die Anforderungen an die Ermittlungspflicht des Gerichts herabsetzen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die gerichtliche Aufklärungspflicht dort ihre Grenze findet, wo das Vorbringen der Beteiligten keinen tatsächlichen Anlass zu weiterer Aufklärung bietet (vgl. dazu im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 29. Juni 1999 – BVerwG 9 C 36.98 – BVerwGE 109, 174 ≪177 f.≫). Erst wenn die entscheidungserhebliche Tatsachenfrage danach unaufklärbar bleibt, ist es eine Frage der materiellen Beweislast, zu wessen Lasten dies geht. Wer die materielle Beweislast trägt, bestimmt sich dabei nach materiellem Recht und ist in Auslegung der im Einzelfall einschlägigen Normen zu ermitteln. Enthalten diese keine besonderen Regelungen, so greift der allgemeine Rechtsgrundsatz ein, dass die Nichterweislichkeit von Tatsachen, aus denen eine Partei ihr günstige Rechtsfolgen herleitet, zu ihren Lasten geht (BVerwG, Urteil vom 29. Juni 1999, a.a.O., S. 179 f.).
Die Anwendung dieser Grundsätze auf die hier in Streit stehende Frage nach der Schwankungsbreite der Einspielergebnisse von Gewinnspielautomaten im Gemeindegebiet der Beklagten innerhalb eines bestimmten Zeitraums hat dem Umstand Rechnung zu tragen, dass dem klagenden Automatenaufsteller grundsätzlich nur Zahlen über die Einspielergebnisse seiner eigenen Geräte vorliegen werden und er auch keinen Auskunftsanspruch gegenüber den anderen Automatenaufstellern hinsichtlich ihrer Einspielergebnisse hat. Die beklagte Gemeinde wird ebenfalls in aller Regel auf der Grundlage einer am Stückzahlmaßstab orientierten Vergnügungssteuersatzung nicht über Einspielergebnisse der Geräte der Aufsteller verfügen und sie nach Maßgabe einer solchen Satzung grundsätzlich auch nicht zur Vorlage entsprechender Daten verpflichten können (vgl. dazu VGH Kassel, Beschluss vom 12. August 2004 – 5 N 4228/98 – KStZ 2004, 192). Werden allerdings – wie hier aus Anlass des vorliegenden Verfahrens – konkrete Anhaltspunkte dafür an die Gemeinde herangetragen, dass im Hinblick auf stark schwankende Einspielergebnisse einzelner Automatenaufsteller Zweifel daran bestehen, ob der Stückzahlmaßstab rechtmäßig aufrechterhalten werden kann, ist die Gemeinde verpflichtet, dem nachzugehen. Denn sie hat als Satzungsgeber die Norm unter Kontrolle zu halten, wenn Unklarheiten an ihren tatsächlichen Voraussetzungen oder Auswirkungen bestehen (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 16. März 2004 – 1 BvR 1778/01 – NVwZ 2004, 597 m.w.N. zur Rspr des BVerfG; BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2000 – BVerwG 11 C 8.99 – BVerwGE 110, 265 ≪276≫; Beschluss vom 24. Oktober 2001 – BVerwG 6 C 3.01 – BVerwGE 115, 189 ≪194 f.≫). Verdichten sich die Zweifel, ist die Gemeinde gehalten, entsprechende Anstrengungen zu unternehmen, um sich Kenntnis über die tatsächlichen Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit ihrer Steuererhebung zu verschaffen. Hierzu kann sie klären, ob das kommunale Abgabenrecht ihr eine Handhabe gibt, die Automatenaufsteller zur Angabe über die Einspielergebnisse zu verpflichten, oder versuchen, entsprechende Daten auf freiwilliger Basis zu erhalten.
Die Berücksichtigung dieser Umstände im Verwaltungsprozess ändert nichts daran, dass es zunächst Aufgabe des Gerichts ist, den entscheidungserheblichen Sachverhalt aufzuklären, soweit hinreichender Anlass dazu besteht. Die von der Klägerin vorgelegten Zahlen begründen angesichts der in ihnen zum Ausdruck kommenden Schwankungsbreite der Einspielergebnisse Zweifel an der Zulässigkeit des Stückzahlmaßstabs, tragen indes, wie ausgeführt, noch nicht die gerichtliche Entscheidung hierüber. Es ist nicht ersichtlich und vom Berufungsgericht auch nicht dargelegt, dass die Beklagte über vorhandene Zahlen zu den Einspielergebnissen anderer Automatenaufsteller verfügt, die sie ohne weiteres hätte vorlegen können. Das Berufungsgericht hat auch nicht näher begründet, weshalb es durch die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens mit dem Ziel einer Datenerhebung durch Befragung bei den Unternehmen nicht zu weiterführenden aussagekräftigen Zahlenangaben über die Einspielergebnisse gelangen könnte. Erst wenn ein solcher Aufklärungsversuch keine ausreichende Datengrundlage zur Beantwortung der Frage erbringt, ob die zulässige Schwankungsbreite der Einspielergebnisse von Gewinnspielautomaten im Stadtgebiet der Beklagten überschritten ist, oder wenn das Tatsachengericht begründet zu der Auffassung gelangt, dass nach den Umständen des Einzelfalls eine solche Beweiserhebung keine verwertbaren Daten erwarten lässt, ist Raum für eine Beweislastentscheidung, bei der der Verantwortung der Beklagten für die Rechtmäßigkeit ihrer Satzung je nach Erkenntnislage angemessen Rechnung getragen werden kann.
3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).
a) Der Senat kann das Urteil des Berufungsgerichts nicht deshalb als im Ergebnis richtig bestätigen, weil sich die Vergnügungssteuersatzung der Beklagten mangels Abwälzbarkeit der Steuer auf die Nutzer der Spielautomaten als verfassungswidrig erwiese. Die Klägerin meint zu Unrecht, das Bundesverfassungsgericht habe insoweit in seinem Urteil vom 20. April 2004 zur „Öko-Steuer” (1 BvR 1748/99 u.a. – BVerfGE 110, 274 ≪295≫) neue Grundsätze zur Abwälzbarkeit indirekter Steuern aufgestellt. Die verfassungsrechtlich gebotene generelle Abwälzbarkeit der beim Automatenaufsteller erhobenen Steuer auf die Nutzer der Automaten als die eigentlichen Steuerträger ist als wirtschaftlicher Vorgang zu verstehen. Dabei bleibt es dem Steuerschuldner überlassen, den Steuerbetrag in die Kalkulation einzubeziehen und die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens auch dann zu wahren. Die rechtliche Gewähr, dass er den von ihm entrichteten Betrag immer von demjenigen erhält, der nach der Konzeption des Gesetzgebers letztlich die Steuer tragen soll, muss dem Steuerschuldner dabei nicht geboten werden. Für die erforderliche kalkulatorische Abwälzbarkeit genügt es, dass der Steuerschuldner nach Einstellung der Steuer in seine Selbstkosten durch geeignete Maßnahmen – Umsatzsteigerung oder Senkung sonstiger Kosten – die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens aufrechterhalten kann (stRspr; vgl. insoweit nur BVerfG, Teilurteil vom 10. Mai 1962, a.a.O., S. 95 ff.; Kammerbeschluss vom 3. Mai 2001 – 1 BvR 624/00 – NVwZ 2001, 1264; BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 1989 – BVerwG 8 B 228.97 – Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 32 S. 25 f.). An diesen Grundsätzen hat sich entgegen der Auffassung der Klägerin durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur „Ökosteuer” nichts geändert; das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr ausdrücklich daran festgehalten (BVerfG, Urteil vom 20. April 2004, a.a.O., S. 295).
b) Mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen des Berufungsgerichts kann der Senat auch nicht selbst entscheiden, ob im Stadtgebiet der Beklagten bei Anlegung des bundesrechtlich gebotenen Maßstabs die allenfalls noch zulässige Schwankungsbreite der Einspielergebnisse bei Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit überschritten ist. Dies gilt sowohl im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Maßstab aus Art. 105 Abs. 2 a GG als auch gemessen an Art. 3 Abs. 1 GG. Was den Grundsatz der Steuergerechtigkeit betrifft, vermag der Senat eine etwaige Unvereinbarkeit des Stückzahlmaßstabs mit Art. 3 Abs. 1 GG auch deshalb nicht selbst festzustellen, weil keine Erkenntnisse über die betriebliche Struktur der anderen im Stadtgebiet der Beklagten tätigen Automatenaufsteller vorliegen und deshalb nicht darüber befunden werden kann, ob jedenfalls die durchschnittliche Belastung der Klägerin mit derjenigen der anderen Aufsteller im Stadtgebiet übereinstimmt.
4. Das Berufungsgericht wird bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung über die Sache zunächst die Beteiligten aufzufordern haben mitzuteilen, ob und inwieweit sie über weitergehende Angaben von Einspielergebnissen auch anderer Aufsteller aus dem maßgeblichen Erhebungsjahr verfügen oder sich diese verschaffen können. Dies ist bisher nicht geschehen. Weder das Verwaltungsgericht noch das Berufungsgericht haben entsprechende Aufklärungsverfügungen an die Beteiligten gerichtet. Erst danach stellt sich die Frage einer gerichtlichen Beweiserhebung. Die dann vorliegenden Angaben hat das Berufungsgericht nach Maßgabe der vom Senat hierzu in seinem Urteil vom heutigen Tage in der Sache BVerwG 10 C 5.04 aufgestellten Grundsätze frei zu würdigen.
Unterschriften
Hien, Vallendar, Prof. Dr. Rubel, Prof. Dr. Eichberger, Dr. Nolte
Fundstellen