Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an eine wirksame vermögensrechtliche Anmeldung: hinreichend konkrete Bezeichnung des Berechtigten. Individualisierbarkeit eines Miterben. Vollmachterteilung durch den wahren Erben innerhalb der Anmeldefrist
Leitsatz (amtlich)
Die Angabe des Erblassers reicht für eine wirksame vermögensrechtliche Anmeldung und die Individualisierbarkeit des Berechtigten (Erbe) aus, wenn die Anmeldung mit dessen Vollmacht vorgenommen wurde.
Normenkette
VermG § 30 Abs. 1 S. 1, § 30a Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
VG Gera (Urteil vom 12.04.2005; Aktenzeichen 3 K 966/01 GE) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 12. April 2005 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin bezüglich eines hälftigen Miteigentumsanteils an einem Hausgrundstück in J… ein Anspruch auf anteilige Erlösauskehr zusteht.
Das Hausgrundstück J…-F…-Straße 11 stand ursprünglich im Miteigentum zu je 1/2 der Frau O…, geborene W…, und ihres Bruders Dr. F… W…. Beide waren seit dem 14. Februar 1935 als Miteigentümer je zur Hälfte im Grundbuch von J… eingetragen.
Für den Eigentumsanteil der Frau O… wurde 1954 Eigentum des Volkes und als Rechtsträger der Rat der Stadt eingetragen, nachdem sie die DDR ohne Beachtung der Meldevorschriften verlassen hatte. Der Miteigentumsanteil des Dr. F… W… wurde auf der Grundlage des § 6 der Verordnung vom 17. Juli 1952 der staatlichen Verwaltung unterstellt.
Mit Bescheid des Rates der Stadt J… vom 27. November 1980 wurde auf Antrag des VEB Gebäudewirtschaft J… das Wohnhaus aufgrund des § 14 des Aufbaugesetzes vom 6. September 1950 zur Sicherung von Instandsetzungsmaßnahmen in Anspruch genommen und der Miteigentumsanteil des Dr. F… W… in Eigentum des Volkes überführt. Eine entsprechende Eintragung in das Grundbuch erfolgte 1980.
1957 verstarb Dr. F… W… in Berlin-Charlottenburg. Das am 16. November 1957 vor dem Amtsgericht Charlottenburg eröffnete gemeinschaftliche Testament vom 9. Oktober 1955 des Dr. F… W… und seiner Ehefrau L… bestimmte u.a. bezüglich des Grundbesitzes, dass die Enkelkinder seiner Schwester, Frau O…, zu gleichen Teilen Nacherben nach Dr. F… W… sein sollten. Diese Nacherben sind die Klägerin und deren Bruder Dr. L… S….
1959 verstarb die Miteigentümerin Frau O…. Ihre Tochter und Vorerbin C… S… verstarb 1993. Nacherben waren deren Kinder, die Klägerin und ihr Bruder Dr. L… S…, der 1992 verstarb und von seinen beiden Töchtern beerbt wurde.
Mit einem Schreiben vom 9. September 1990, das fünf Tage später beim Magistrat der Stadt J… einging, meldete Frau C… S… vermögensrechtliche Ansprüche unter Bezugnahme auf die Verordnung vom 11. Juli 1990 an. Wörtlich heißt es in dem Anmeldeschreiben:
“… hiermit beantrage ich die Wiederherstellung der früheren Eigentumsrechte (Rückübereignung) bzw. die Aufhebung der staatlichen Verwaltung der Grundstücke und Häuser J…-F…-Straße 13 und J…-F…-Straße 11. Den Anspruch des Miterben des Grundstückes und Hauses J…-F…-Straße 11 mache ich hiermit mitgeltend (§ 400 Abs. 3 des Zivilgesetzbuches der DDR).”
Dem Antrag waren u.a. das Testament ihrer verstorbenen Mutter vom 20. April 1958 sowie eine Mitteilung des Amtsgerichts J… vom 30. Mai 1942 über eine Grundbucheintragung beigefügt.
Mit Schreiben vom 22. März 1993 meldete sich die Klägerin für ihre zwischenzeitlich verstorbene Mutter bei dem Vermögensamt.
Mit Teilbescheid vom 16. Dezember 1996 lehnte das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen der Stadt J… den Antrag auf Rückübertragung sowohl hinsichtlich des Anteils der Frau O… als auch bezüglich des Anteils des Dr. F… W… am streitbefangenen Grundstück ab.
Dem hiergegen erhobenen Widerspruch gab das Thüringer Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen bezüglich des ehemaligen hälftigen Miteigentumsanteils der Frau O… statt und stellte die Anspruchsberechtigung ihrer Erben fest.
Mit Kaufvertrag vom 4. April 2000 veräußerte die Beigeladene zwischenzeitlich das Hausgrundstück an einen privaten Investor zu einem Kaufpreis von 380 000 DM.
Bezüglich des früheren hälftigen Miteigentumsanteils des Dr. F… W… wies das Landesamt hingegen den Widerspruch mit Widerspruchsteilbescheid vom 30. Juli 2001 zurück. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass es an einer fristgerechten vermögensrechtlichen Anmeldung der Rechtsnachfolger des Dr. F… W… auf dessen ehemaligen Miteigentumsanteil fehle. Weder die Klägerin noch ihr Bruder bzw. dessen Töchter hätten einen entsprechenden Anspruch rechtzeitig geltend gemacht. Auch in dem Restitutionsantrag der Frau C… S… vom 9. September 1990 sei keine wirksame Anmeldung zu sehen.
Mit ihrer gegen den ablehnenden Widerspruchsteilbescheid gerichteten Klage hat die Klägerin im Wesentlichen vorgetragen, dass Frau C… S… bezüglich der Anmeldung der Ansprüche durch die Klägerin und ihren verstorbenen Bruder intern bevollmächtigt worden sei. Die Klägerin habe als Nacherbin nach Dr. F… W… ihr Anwartschaftsrecht geltend machen wollen. Es seien auch ausreichende Angaben bei der Anmeldung gemacht worden. Im Übrigen sei von einem staatlichen Fehlverhalten der Behörde auszugehen, da kein Hinweis zur Vervollständigung des Antrages gegeben worden sei.
Der Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass selbst bei Annahme einer Bevollmächtigung durch die Klägerin und ihren Bruder keine fristgerechte Anmeldung vorliege, denn das Anmeldeschreiben vom 9. September 1990 lasse den Vertretenen nicht erkennen. Die darin verwandte Bezeichnung “des Miterben” lasse sich allenfalls dahingehend auslegen, dass auch Ansprüche für Dritte angemeldet werden sollten, jedoch seien diese als Person nicht individualisierbar gewesen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Es ist davon ausgegangen, dass kein den Anforderungen des Vermögensgesetzes entsprechender Restitutionsantrag gestellt worden sei. Denn der gestellte Antrag vom 9. September 1990 sei hinsichtlich der Person, um deren Berechtigung es gehe, nicht hinreichend individualisierbar gewesen. Er ließe zwar im Wege der Auslegung noch erkennen, dass er sich neben dem früheren Miteigentumsanteil der Frau O… auch auf den ehemaligen hälftigen Miteigentumsanteil des verstorbenen Dr. F… W… bezog. Welche Personen aber insofern berechtigt sein sollten, lasse sich weder dem Antrag noch sonstigen Umständen entnehmen, die der Behörde bis zum Ablauf der Anmeldefrist am 31. Dezember 1992 bekannt gewesen seien.
Mit ihrer durch den Senat zugelassenen Revision vertieft die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen und rügt die Verletzung materiellen Rechts. Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 12. April 2005 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Teilbescheides des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen der Stadt J… vom 16. Dezember 1996 in der Fassung des Widerspruchsteilbescheides des Thüringer Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 30. Juli 2001 zu verpflichten, der Beigeladenen aufzugeben, die Hälfte des für die Veräußerung des Hausgrundstücks J…-F…-Straße 11 in J… erlangten Erlöses (97 145,48 €) an die Erbengemeinschaft nach Dr. F… W… auszukehren.
Der beklagte Freistaat tritt dem Vorbringen entgegen und beantragt
die Zurückweisung der Revision.
Auch die Beigeladene hält die ergangene Entscheidung des Verwaltungsgerichts für zutreffend und beantragt
die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht, weil das Verwaltungsgericht angenommen hat, dass kein dem § 30 Abs. 1 Satz 1, § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG entsprechender Restitutionsantrag gestellt worden ist.
Das Verwaltungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass Voraussetzung für den von der Klägerin geltend gemachten Erlösauskehranspruch gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 3 VermG ein ordnungsgemäß gestellter Restitutionsantrag ist, § 30 Abs. 1 Satz 1 VermG. Ansprüche auf Rückübertragung von Grundstücken können nach dem 31. Dezember 1992 nicht mehr wirksam angemeldet werden. Sie sind damit erloschen, falls sie nicht bis zu diesem Termin wirksam geltend gemacht wurden (vgl. nur Urteil vom 24. Juni 1999 – BVerwG 7 C 20.98 – BVerwGE 109, 169).
Das Verwaltungsgericht hat aber zu hohe Anforderungen an eine wirksame vermögensrechtliche Anmeldung gestellt. Es entspricht zwar ständiger Rechtsprechung, dass in dem betreffenden Restitutionsantrag u.a. die Person des Berechtigten hinreichend konkret bezeichnet und durch eine hinter dem Rückgabeantrag stehende Willenserklärung des Berechtigten gedeckt sein muss, um dem besonderen öffentlichen Interesse daran zu genügen, dass möglichst bald Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Grundstücksverkehr herbeigeführt werden und der Verfügungsberechtigte Gewissheit über die Verkehrsfähigkeit seines Vermögensgegenstandes erhält, (Beschluss vom 10. März 1997 – BVerwG 7 B 39.97 – Buchholz 428 § 30a VermG Nr. 3; Urteil vom 24. Juni 1999 – BVerwG 7 C 20.98 – Buchholz 428 § 30a VermG Nr. 10 = BVerwGE 109, 169; Urteil vom 5. Oktober 2000 – BVerwG 7 C 8.00 – Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 21 sowie Urteil vom 15. November 2000 – BVerwG 8 C 28.99 – Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 40).
Das Erfordernis einer hinreichend konkreten Bezeichnung ist aber in der Rechtsprechung des Senats so verstanden worden, dass der Restitutionsantrag damit sowohl hinsichtlich der Person als auch in Bezug auf den oder die begehrten Vermögensgegenstände individualisierbar ist (Urteil vom 15. November 2000 – BVerwG 8 C 28.99 – a.a.O.). Mit dieser personen- und gegenstandsbezogenen Individualisierbarkeit soll verhindert werden, dass auch nach Ablauf der Frist zur Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche eine Vielzahl von Personen in Betracht kommt, die sich nachträglich als Berechtigte melden (Beschluss vom 10. März 1997 – BVerwG 7 B 39.97 – a.a.O.). Hierbei auftretende Zweifelsfragen sind, da der Restitutionsantrag eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist, in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB im Wege der Auslegung zu klären.
Im Gegensatz zur Auffassung des Verwaltungsgerichts kann damit nicht ausschließlich darauf abgestellt werden, dass der Antragsteller konkret mit Namen benannt wird. Lässt sich die anmeldende Person durch einen Bevollmächtigten vertreten, so steht der Behörde die Möglichkeit offen, dem Vertreter aufzugeben, den Vertretenen zu benennen und eine Vollmacht vorzulegen. Damit wird dem Gesetzeszweck genüge getan, im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung in den neuen Ländern sobald wie möglich Klarheit und Rechtssicherheit darüber herbeizuführen, welche Grundstücke mit Restitutionsansprüchen belastet sind. Die namentliche Bezeichnung des Antragstellers ist dabei für die Erfüllung des Gesetzeszwecks unerheblich, solange nur gesichert ist, dass keine weiteren vermeintlich Berechtigten nach Ablauf der Anmeldefrist des § 30a VermG benannt werden können. Eine solche Möglichkeit ist aber ausgeschlossen, wenn vor Ablauf der Anmeldefrist dem vor der Behörde auftretenden Vertreter eine Vollmacht erteilt wurde, wie dies bisher in der Rechtsprechung gefordert wurde (vgl. Urteil vom 13. September 2001 – BVerwG 7 C 30.00 – Buchholz 428 § 30a VermG Nr. 25).
Zwar hat die Rechtsprechung eine Anmeldung durch vollmachtlose Vertreter nicht für ausreichend gehalten und die Ausschlussfrist des § 30a VermG nur als gewahrt angesehen, wenn die Person des Berechtigten in der Anmeldung konkret bezeichnet ist (vgl. z.B. Beschluss vom 10. März 1997 – BVerwG 7 B 39.97 – a.a.O.). Dabei fehlt es aber an der Voraussetzung, dass der Restitutionsantrag durch eine hinter dem Rückgabeantrag stehende Willenserklärung des Berechtigten gedeckt sein muss. Denn in den Fällen der Antragstellung durch einen vollmachtlosen Vertreter fehlt es gerade an einer Willensäußerung des Berechtigten, Restitutionsansprüche geltend zu machen. Das ist mit der Anmeldung durch einen bevollmächtigten Vertreter nicht vergleichbar.
Nichts anderes folgt aus der bisherigen Rechtsprechung (vgl. Beschluss vom 10. März 1997 – BVerwG 7 B 39.97 – a.a.O.), dass nach § 31 Abs. 1b VermG der Vermögenswert noch nachträglich konkretisiert werden kann, der Antragsteller aber der Person nach feststehen müsse, weil er sonst seiner Substantiierungspflicht nicht nachkommen könne. Denn der Antragsteller steht auch dann der Person nach fest und ist nicht etwa austauschbar, wenn ein Bevollmächtigter für ihn gegenüber der Behörde auftritt. Jener ist der Ansprechpartner, demgegenüber die Behörde die Aufforderung gemäß § 31 Abs. 1b VermG erlassen kann.
Die Rechtsprechung hat auch Anmeldungen für wirksam gehalten, die der Testamentsvollstrecker oder der Nachlasspfleger für namentlich nicht bekannte Erben nach einem namentlich benannten Erblasser vorgenommen hat (vgl. Urteil vom 28. August 1997 – BVerwG 7 C 70.96 – BVerwGE 105, 172 ff. und die Parallelentscheidung BVerwG 7 C 1.97). Die Angabe des Erblassers in der Anmeldung reicht zur Fristwahrung aus, wenn der Anmeldende hierzu bevollmächtigt war (Urteil vom 8. Mai 2003 – BVerwG 7 C 63.02 – Buchholz 428 § 30a VermG Nr. 27). Die Erben sind damit individualisierbar und können nicht nachträglich ausgetauscht werden. Das gilt auch dann, wenn zunächst z.B. wegen einer falschen Erbscheinserteilung ein Nichterbe als Erbe angesehen wird. Da bei korrekter Behandlung der tatsächliche Erbe feststellbar ist, ist – wenn er seinen Willen, Restitutionsansprüche geltend zu machen, durch Erteilung einer Vollmacht bestätigt hat – seine Person auch ohne ausdrückliche namentliche Bezeichnung individualisierbar.
Ein solcher Fall der Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche durch einen bevollmächtigten Vertreter ist nach dem Vorbringen der Klägerin vor dem Verwaltungsgericht aber vorliegend nicht ausgeschlossen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat der von der Mutter der Klägerin gestellte Restitutionsantrag auch den von der Klägerin hier geltend gemachten Anspruch hinsichtlich des Miteigentumsanteils des Dr. F…W… an dem Grundstück J…-F…-Straße 11 in J… umfasst. Damit hat er die Frist des § 30a Abs. 1 VermG gewahrt, wenn die Klägerin oder ihr Bruder intern die Mutter vor der Antragstellung entsprechend bevollmächtigt hat. Das Verwaltungsgericht ist – von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent – auf eine Klärung dieses Sachverhalts nicht näher eingegangen und hat eine mögliche Vollmachtserteilung für die anmeldende Mutter durch die oder einen der beiden Nacherben nicht geprüft.
Da hierzu tatsächliche Feststellungen fehlen, ist es dem Senat schon deshalb verwehrt, in der Sache selbst zu entscheiden. Im Übrigen wird das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Schädigungstatbestandes im Sinne des § 1 VermG zu prüfen haben, wozu bisher ebenfalls tatsächliche Feststellungen fehlen. Das nötigt den Senat zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
Unterschriften
Gödel, Dr. Pagenkopf, Dr. von Heimburg, Postier, Dr. Hauser
Fundstellen