Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 06.05.2003; Aktenzeichen 1 L 517/02) |
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 6. Mai 2003 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er ein altes Wasserrecht besitzt. Er ist Eigentümer eines … an der Saale gelegenen Grundstücks. Auf diesem befindet sich seit 1704 die so genannte P.…mühle. Oberhalb des 1723 erbauten Großen … Wehrs zweigt ein Kanal von der Saale ab. An diesem befindet sich die dem Betrieb der Mühle dienende Turbinenanlage. Auf Antrag des damaligen Eigentümers, des Domänenfiskus des Preußischen Staates, wurde 1920 aufgrund des Preußischen Wassergesetzes (PrWG) vom 7. April 1913 (GS 53) das – auf Ersitzung (unvordenkliche Verjährung) beruhende – Recht, die Saale am domänenfiskalischen Großen Wehr und die Kleine Saale am domänenfiskalischen Kleinen Wehr aufzustauen, in das Wasserbuch der Saale eingetragen. 1958 wurden die Unterhaltspflicht und das Staurecht dem Wasserstraßenamt Halle übertragen. Der Betrieb der wassergetriebenen Turbinen wurde 1972 eingestellt. Die Mühle wurde im Juli 1990 stillgelegt.
Den Antrag des Klägers auf Feststellung, dass das Recht zur Entnahme von Wasser aus der Saale und zum Betrieb der Turbinen der P.…mühle fortgilt, lehnte das Regierungspräsidium Halle durch Bescheid vom 18. Juni 1998 mit der Begründung ab, die Anlage sei im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Wassergesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (WG LSA) nicht betriebsbereit gewesen. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies das Regierungspräsidium mit Bescheid vom 11. Juni 1999 zurück. Zur Begründung führte es ergänzend aus, zwar seien die alten Rechte nach den Wassergesetzen der DDR nicht erloschen. Eine nach den Überleitungsbestimmungen im Wassergesetz des Landes Sachsen-Anhalt notwendige Überprüfung der alten Rechte in einem besonderen Verfahren habe es hier jedoch zu DDR-Zeiten nicht gegeben.
Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 29. August 2002 abgewiesen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und beantragt, in Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils den Bescheid des Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten festzustellen, dass die Altrechte der P.…mühle dem Kläger gegenüber ohne Erlaubnis oder Bewilligung Bestand haben.
Mit Urteil vom 6. Mai 2003 hat das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt:
Die Berufung sei unbegründet. Das Verwaltungsgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen; denn die Ablehnung der beantragten Feststellung in dem angefochtenen Bescheid sei rechtmäßig.
Als Rechtsgrundlage für die begehrte Feststellung komme nur § 32 Halbsatz 1 WG LSA in Betracht. Nach dieser Vorschrift sei eine Erlaubnis oder eine Bewilligung nicht erforderlich für Benutzungen aufgrund von Rechten, die nach den Wassergesetzen der DDR erteilt oder in einem durch diese Gesetze geordneten Verfahren aufrechterhalten worden seien, wenn am 1. Juli 1990 rechtmäßige Anlagen zur Ausübung des Rechts vorhanden gewesen seien. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Das Recht, auf dessen Fortbestand sich der Kläger berufe, sei bereits vor In-Kraft-Treten des Preußischen Wassergesetzes vom 7. April 1913 begründet worden. Das Recht sei nicht in einem durch die Wassergesetze der DDR geordneten Verfahren aufrechterhalten worden. Die Aufrechterhaltung in einem durch die Wassergesetze der DDR geordneten Verfahren setze zum einen voraus, dass der Entscheidung über die Fortgeltung des alten Rechts ein besonderes Verwaltungsverfahren vorangegangen sei. Zum anderen müsse eine ausdrückliche positive Entscheidung hinsichtlich der Fortgeltung des Benutzungsrechts ergangen sein. Sinn des § 32 WG LSA sei es nämlich, eine Ausnahme von der Gestattungspflicht nur dann zuzulassen, wenn die Benutzung aufgrund von Rechten ausgeübt worden sei, bei deren Aufrechterhaltung eine irgendwie geartete öffentlich-rechtliche Überprüfung der Wasserbenutzung in wasserrechtlicher Hinsicht stattgefunden habe. Damit solle sichergestellt werden, dass eine Wasserbenutzung nur dann einer Gestattungspflicht nicht bedürfe, wenn zu DDR-Zeiten eine einzelfallbezogene Überprüfung der Benutzung unter wasserrechtlichen Gesichtspunkten durchgeführt worden sei.
Das Wassergesetz der DDR vom 17. April 1963 (WG DDR 1963) habe unbeschadet der Aufrechterhaltung früherer Nutzungsrechte an Gewässern die Möglichkeit eines besonderen behördlichen Überprüfungsverfahrens nach Aufforderung durch die zuständige Behörde vorgesehen. Auch nach dem Wassergesetz der DDR vom 2. Juli 1982 (WG DDR 1982) hätten die aufgrund früherer wasserrechtlicher Vorschriften getroffenen “Entscheidungen” ihre Gültigkeit behalten.
Ein Überprüfungsverfahren nach dem Wasserrecht der DDR habe hier unstreitig nicht stattgefunden. Darauf, ob ein solches Verfahren vom Inhaber des Rechts oder nur von der zuständigen Behörde habe in Lauf gesetzt werden können, komme es nicht an; denn § 32 WG LSA sei keine Sanktion dafür, dass es der Nutzungsberechtigte unterlassen habe, eine behördliche Überprüfung seines alten Rechts zu veranlassen, die angesichts des Umstands, dass die alten Rechte ohnehin von Gesetzes wegen fortgegolten hätten, nicht in seinem Interesse gelegen habe.
§ 32 WG LSA verstoße auch nicht gegen Art. 14 GG. Vielmehr handele es sich im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG um eine als Ausdruck der Sozialbindung entschädigungslos hinzunehmende (Neu-)Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers. Er beantragt, die Urteile des Oberverwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichts sowie den angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten festzustellen, dass er ohne Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung zur Entnahme von Wasser aus der Saale und zum Aufstau der Saale am Großen … Wehr zum Betrieb der P.…mühle berechtigt ist. Zur Begründung führt er aus, die Auslegung der §§ 32 ff. WG LSA durch das Oberverwaltungsgericht sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts sei das Wasserrecht des Klägers mit In-Kraft-Treten des Landeswassergesetzes untergegangen. Dadurch werde sein Eigentumsrecht (Art. 14 GG) verletzt. Eine verfassungskonforme Auslegung des Landeswassergesetzes durch das Bundesverwaltungsgericht sei möglich.
Der Beklagte tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts mit einer Begründung zurückgewiesen, die mit Bundesverfassungsrecht nicht vereinbar ist. In der Auslegung durch das Berufungsgericht verletzt § 32 WG LSA die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Ob eine andere (verfassungskonforme) Auslegung der Vorschrift möglich ist oder ob diese (erst) im Zusammenwirken mit § 38 WG LSA eine insgesamt verfassungskonforme Überleitungsregelung ergibt, erfordert eine Auslegung irrevisiblen Landesrechts. Die Beantwortung der Frage, ob die Klage bereits deshalb – insgesamt oder teilweise – unbegründet ist, weil am 1. Juli 1990 keine rechtmäßigen Anlagen zur Ausübung der alten Wasserrechte vorhanden waren, bedarf ergänzender tatsächlicher Feststellungen. Deshalb wird die Sache zur Klärung der landesrechtlichen Fragen und zur weiteren Sachaufklärung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO, § 173 VwGO i.V.m. § 563 Abs. 4 ZPO). In der Sache hat das Oberverwaltungsgericht unter Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, dass er ohne Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung zur Entnahme von Wasser aus der Saale sowie zum Aufstau der Saale am Großen … Wehr und zum Betrieb der P.…mühle berechtigt ist.
Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch hat das Oberverwaltungsgericht § 32 WG LSA herangezogen. Soweit hier von Interesse, bestehen nach dieser irrevisiblen Vorschrift alte Rechte fort, wenn sie nach dem Wassergesetz der DDR vom 17. April 1963 (GBl I S. 77) oder nach dem Wassergesetz der DDR vom 2. Juli 1982 (GBl I S. 467) in einem durch diese Gesetze geordneten Verfahren aufrechterhalten worden sind und am 1. Juli 1990 rechtmäßige Anlagen zur Ausübung des Rechts vorhanden waren. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, erlöschen die alten Rechte. Die Vorschrift ordnet nur positiv den Fortbestand bestimmter alter Rechte an, ohne ausdrücklich die allerdings selbstverständliche Kehrseite auszusprechen, dass die davon nicht erfassten Rechte nicht mehr bestehen, mithin erlöschen.
Das Oberverwaltungsgericht hat die irrevisible Bestimmung des § 32 WG LSA für den Senat verbindlich dahin ausgelegt, dass es nicht ausreicht, wenn das alte Recht nach Maßgabe der Wassergesetze der DDR nur kraft Gesetzes aufrechterhalten geblieben ist. Vielmehr muss die zuständige Behörde ausdrücklich über die Fortgeltung des Rechts positiv entschieden haben. Dieser behördlichen Entscheidung muss ein besonderes Verwaltungsverfahren mit einer einzelfallbezogenen Überprüfung der Gewässernutzung in wasserrechtlicher Hinsicht vorausgegangen sein. Das Oberverwaltungsgericht hat § 32 WG LSA dahin verstanden, dass diese Voraussetzungen unabhängig davon erfüllt sein müssen, ob nach den Wassergesetzen der DDR ein solches Verfahren mit abschließender ausdrücklicher Entscheidung vom Inhaber des Rechts überhaupt in Lauf gesetzt werden konnte. Ob solche Verfahren in der Rechtspraxis der DDR durchgeführt wurden, hat es nicht geprüft, weil es nach seiner Rechtsauffassung darauf offensichtlich nicht ankam.
Für die revisionsgerichtliche Überprüfung ist deshalb davon auszugehen, dass nach § 32 WG LSA alte Rechte auch dann erlöschen, wenn es in der DDR keine Verfahren zu ihrer Überprüfung gegeben hat, welche den Anforderungen des § 32 WG LSA genügen.
In dieser Auslegung ist § 32 WG LSA mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar.
Die nach § 379 Abs. 1 PrWG aufrechterhaltenen und in das Wasserbuch eingetragenen alten Wasserrechte sind Eigentum im Sinne des Grundgesetzes. Sie sind dem Berechtigten von der objektiven Rechtsordnung ebenso ausschließlich wie Eigentum an einer Sache zur privaten Nutzung und zur eigenen Verantwortung zugeordnet. Dabei ist unerheblich, ob das hier in Rede stehende Recht ursprünglich öffentlich-rechtlich begründet worden ist. Zum einen waren die Umstände seines Erwerbs schon bei seiner Eintragung in das Wasserbuch nach dem Preußischen Wassergesetz nicht mehr feststellbar; das Recht ist vielmehr nach der Beweisregel der unvordenklichen Verjährung als bestehend angenommen worden. Zum anderen waren und sind zur Ausübung des Rechts umfangreiche Investitionen für die Errichtung und Erhaltung der erforderlichen Anlagen notwendig. Die geleistete Arbeit und den Einsatz von Kapital hat bereits das Preußische Wassergesetz anerkannt. Die aufrechterhaltenen alten Wasserrechte konnten nur gegen Entschädigung zurückgenommen oder beschränkt werden (§ 379 Abs. 5 PrWG i.V.m. § 84 PrWG).
Dass der Landesgesetzgeber in § 32 WG LSA unter bestimmten Voraussetzungen das Erlöschen alter Rechte angeordnet hat, stellt allerdings keine Legalenteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG dar, die mangels einer vorgesehenen Entschädigung zur Verfassungswidrigkeit der Norm führen müsste. Art. 14 Abs. 3 GG ist nicht unmittelbar anwendbar, wenn der Gesetzgeber im Zuge der generellen Neugestaltung eines Rechtsgebiets bestehende Rechte abschafft, für die es im neuen Recht keine Entsprechung gibt (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 9. Januar 1991 – 1 BvR 929/89 – BVerfGE 83, 201 ≪211 f.≫). Darum geht es hier. Der Gesetzgeber hat bereits mit dem Wasserhaushaltsgesetz, das aufgrund des Einigungsvertrages für das Gebiet der DDR in Kraft gesetzt wurde, das Recht neu gestaltet, Gewässer über den Gemeingebrauch hinaus zu nutzen. Von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen, können derartige Rechte oder Befugnisse künftig nur noch durch eine wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung erworben werden. Die bis dahin bestehenden vielfältigen anderen Rechte, die derartige Nutzungen erlaubten, finden im neuen Recht keine Entsprechung.
Greift der Gesetzgeber bei der Umgestaltung eines Rechtsgebiets in bisher bestehende Rechte ein, liegt darin vielmehr eine neue Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, deren Verfassungsmäßigkeit an Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu messen ist. Der Gesetzgeber darf dabei die nach altem Recht begründeten Rechte der Neuregelung angleichen, selbst wenn dabei die bisher mit dem Recht verbundenen Befugnisse eingeschränkt werden. Selbst die völlige Beseitigung bisher bestehender, durch die Eigentumsgarantie geschützter Rechtspositionen ist ihm nicht ausnahmslos verwehrt (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 9. Januar 1991 – 1 BvR 929/89 – BVerfGE 83, 201 ≪212≫).
Voraussetzung der Zulässigkeit eines Eingriffs in bestehende Rechtspositionen durch eine gesetzliche Neuregelung ist zunächst, dass die Neuregelung als solche, unabhängig von der Frage der Beseitigung oder Einschränkung bestehender Rechtspositionen, verfassungsmäßig ist (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 9. Januar 1991 – 1 BvR 929/89 – a.a.O.). Das liegt hier auf der Hand. Der Gesetzgeber darf im öffentlichen Interesse einer geordneten Bewirtschaftung des Wassers die Nutzung der Gewässer über den Gemeingebrauch hinaus von einer vorherigen hoheitlichen Zulassung in Form einer Erlaubnis oder Bewilligung abhängig machen.
Die Beseitigung oder Umgestaltung bestehender Rechtspositionen ist aber noch nicht deshalb verfassungsgemäß, weil das künftige Recht verfassungsgemäß ist. Der Eingriff in die nach früherem Recht entstandenen Rechte muss vielmehr darüber hinaus durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein. Die Gründe des öffentlichen Interesses, die für einen solchen Eingriff sprechen, müssen so schwer wiegen, dass sie Vorrang haben vor dem Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand seines Rechts, das durch die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gesichert wird. Selbst wenn Art. 14 Abs. 3 GG nicht unmittelbar eingreift, ist das darin zum Ausdruck kommende Gewicht des Eigentumsschutzes bei der vorzunehmenden Abwägung zu beachten, da sich der Eingriff für den Betroffenen wie eine (Teil- oder Voll-)Enteignung auswirkt. Der Gesetzgeber muss danach die Umgestaltung oder Beseitigung eines Rechts zwar nicht durchweg mit einer Entschädigungs- oder Übergangsregelung abmildern. Die völlige, übergangs- und ersatzlose Beseitigung einer Rechtsposition kann jedoch nur unter besonderen Voraussetzungen in Betracht kommen. Durch das bloße Bedürfnis nach Rechtseinheit im Zuge einer Neuregelung wird sie nicht gerechtfertigt (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 9. Januar 1991 – 1 BvR 929/89 – a.a.O. ≪212 f.≫).
Es bestand allerdings ein öffentliches Interesse, die auf alten Rechten beruhenden Benutzungen der Gewässer dem Erlaubnis- und Bewilligungsverfahren der öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung zu unterstellen. Das Wasserhaushaltsgesetz und in seiner Ausfüllung das Wassergesetz für das Land Sachsen-Anhalt verfolgen das berechtigte Anliegen, für die Zukunft eine geordnete Bewirtschaftung des zur Verfügung stehenden Wasserschatzes und eine Verminderung der für das Wasser bestehenden Gefahren sicherzustellen. Dieses für die Bevölkerung und die Gesamtwirtschaft lebenswichtige Ziel hätte kaum erreicht werden können, wenn die bis dahin weder registrierten noch auf ihre wasserwirtschaftliche Unbedenklichkeit geprüften Eingriffe in den Wasserhaushalt auf Dauer hätten fortgeführt werden dürfen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 15. Juli 1981 – 1 BvL 77/78 – BVerfGE 58, 300 ≪351≫ für die entschädigungslose Beseitigung alter Eigentümernutzungen).
Hieran anknüpfend hat der Gesetzgeber grundsätzlich das Bestandsinteresse des Eigentümers ausreichend gewahrt, wenn er nur die alten Rechte aufrechterhält, bei deren Erteilung oder Aufrechterhaltung eine irgendwie geartete öffentlich-rechtliche Überprüfung der Wasserbenutzung in wasserrechtlicher Hinsicht stattgefunden hat (vgl. zu § 15 Abs. 1 WHG Urteil vom 22. Januar 1971 – BVerwG 4 C 94.69 – BVerwGE 37, 103 ≪105≫). Damit soll die gesetzliche Neuordnung nur für die Gewässernutzungen durchgesetzt werden, deren wasserwirtschaftliche Unbedenklichkeit nicht überprüft ist.
Ebenfalls kann nicht schon grundsätzlich beanstandet werden, dass der Landesgesetzgeber mit § 32 WG LSA abweichend von § 15 Abs. 1 WHG eine Überprüfung nach früherem Landesrecht nicht ausreichen lässt, sondern eine Überprüfung auf der Grundlage der Wassergesetze der DDR verlangt. Wegen des zeitlichen Abstands zu den früheren Landesrechten und den seither weiter gewandelten Anforderungen an den Wasserhaushalt ist es jedenfalls im Ansatz gerechtfertigt, den Bestandsschutz auf die alten Rechte zu beschränken, die nach den unmittelbar vorausgehenden wasserrechtlichen Vorschriften begründet oder aufrechterhalten worden sind.
In der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts kann diese Vorschrift aber den Bestandsschutz in einer Weise beschränken, die mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht mehr vereinbar ist. Die Auslegung des Oberverwaltungsgerichts lässt es zu, dass die bis dahin fortbestehenden alten Rechte flächendeckend und ersatzlos erlöschen.
Die Wassergesetze der DDR wären nur dann ein geeigneter und damit verhältnismäßiger Anknüpfungspunkt für die Entscheidung über den Fortbestand alter Rechte, wenn sie sowohl nach ihrem Inhalt als auch nach ihrer regelmäßigen praktischen Handhabung zu einer (nachvollziehbaren) Überprüfung der alten Rechte auf ihre materielle Vereinbarkeit mit den Anforderungen des Wasserhaushalts geführt hätten. Nur dann könnten sie ohne weiteres die Filterfunktion erfüllen, die ihnen nach der Konzeption des § 32 WG LSA zukommt, nämlich ohne eigene (erneute) Prüfung zwischen solchen Rechten zu unterscheiden, die wegen ihrer schon nachgewiesenen materiellen Vereinbarkeit mit den Anforderungen des Wasserhaushalts fortbestehen können, und solchen Rechten, die mangels dieser (schon nachgewiesenen) Vereinbarkeit ersatzlos beseitigt werden sollen.
Konnten die Wassergesetze der DDR jedenfalls nach ihrer seinerzeitigen regelmäßigen praktischen Handhabung diese Unterscheidung nicht leisten, wie das Oberverwaltungsgericht bei seiner Auslegung des § 32 WG LSA hinnimmt, durfte der Gesetzgeber nicht davon ausgehen, dass aufgrund seiner Übergangsregelung nur die alten Rechte ersatzlos erlöschen, deren materielle Vereinbarkeit mit den Anforderungen des Wasserhaushalts schon in der Vergangenheit nicht hat nachgewiesen werden können. In der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts bewirkt die Vorschrift vielmehr ein unterschiedsloses Erlöschen aller alten Rechte, die nach den Wassergesetzen der DDR kraft Gesetzes und ohne Überprüfung im Einzelfall fortbestanden haben. Mit diesem Inhalt enttäuscht die Vorschrift das Vertrauen des Inhabers dieser Rechte, dass er die zugelassene Nutzung der Gewässer auch weiter ausüben kann, und zwar unabhängig davon, ob er nach dem Ende der DDR ausgehend vom Fortbestand der Berechtigung Investitionen zur Erhaltung oder Modernisierung der zu ihrer Ausübung erforderlichen Anlagen vorgenommen hat.
Verhältnismäßig wäre die Regelung in der Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht nur, wenn der Gesetzgeber sie durch eine weitere Übergangsregelung abgefedert hätte. Das hat das Oberverwaltungsgericht übersehen. Hierin liegt sein Verstoß gegen Bundesrecht. Diese notwendige Übergangsregelung kann mit § 38 WG LSA vorhanden sein. Dem hätte das Oberverwaltungsgericht nachgehen müssen.
Nach dieser Vorschrift hat der Inhaber des alten Wasserrechts einen Anspruch auf eine wasserrechtliche Bewilligung im Umfang des erloschenen Rechts, wenn er sein Recht aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht nach den Wassergesetzen der DDR aufrechterhalten oder die zur Ausübung des Rechts erforderlichen Anlagen nicht erhalten hat.
Diese Vorschrift kann geeignet sein, die Härte abzumildern, die § 32 WG LSA in der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts innewohnt. Sie kann den Inhabern alter Wasserrechte einen Ersatz für das erloschene Recht gewähren, wenn dieses schon nach dem maßgeblichen früheren Recht materiell mit den Anforderungen des Wasserhaushalts vereinbar war. § 38 WG LSA lässt ohne weiteres eine Auslegung dahin zu, dass die Vorschrift auch die Fälle erfasst, in denen ein altes Recht nach § 32 WG LSA deshalb erloschen ist, weil die Wassergesetze der DDR wegen ihrer konkreten Handhabung nicht zur Aufrechterhaltung der alten Wasserrechte in einem geordneten Verfahren geführt haben. Auch dies lässt sich unschwer als ein Fall begreifen, in dem der Inhaber des alten Rechts dieses aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht hat aufrechterhalten können.
Die Vorschrift ist aber nur dann geeignet, die Härte eines ersatzlosen Wegfalls der alten Rechte zu mildern, wenn sie dem Inhaber des erloschenen Rechts einen angemessenen Vorteil im Vergleich mit einem Antragsteller verschafft, der für die erstmals aufzunehmende Nutzung eines Gewässers eine wasserrechtliche Bewilligung benötigt. Anderenfalls bliebe von dem ohne sein Zutun erloschenen Recht keine nachwirkende Rechtsposition übrig.
§ 38 WG LSA bewirkt zunächst, dass die Erteilung der Bewilligung nicht im Ermessen der Wasserbehörde steht, sondern bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen als gebundene Entscheidung ergeht. Dies reicht aber nicht aus. Müsste der Inhaber des erloschenen alten Rechts uneingeschränkt alle jetzt geltenden Anforderungen an neu zu erteilende Bewilligungen erfüllen, hätte er aus der Überleitungsvorschrift des § 38 WG LSA keinen Vorteil, der seinem erloschenen alten Recht angemessen wäre.
Es kommt jedoch in Betracht, § 38 WG LSA in einem das alte Recht respektierenden Sinne auszulegen. Soweit alte Rechte nach § 32 WG LSA aufrechterhalten bleiben, bleibt nach § 33 Satz 3 WG LSA hiervon die Möglichkeit der Wasserbehörde unberührt, nachträgliche Anforderungen zu stellen und Maßnahmen zu verlangen, wie sie bei Erteilung einer Bewilligung Gegenstand eines Vorbehalts nach § 8 WG LSA sein könnten. § 38 WG LSA wäre dann ein angemessener Ausgleich für das ohne Zutun des Inhabers erloschene alte Wasserrecht, wenn für dessen erneute Begründung als Bewilligung keine weitergehenden Anforderungen nach neuem Recht gestellt werden dürften, als sie bei einem aufrechterhaltenen Recht nach § 33 Satz 3 WG LSA über nachträgliche Anforderungen und Maßnahmen möglich sind. Dadurch würde in dieser Hinsicht der Inhaber eines Rechts, das aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen erloschen ist, dem Inhaber eines Rechts gleichgestellt, das aufrechterhalten geblieben ist.
Allerdings lässt § 38 WG LSA nach seinem Wortlaut diese Einschränkung nicht erkennen. Der Inhaber alter Rechte muss vielmehr davon ausgehen, dass er nach § 38 WG LSA an Stelle seines erloschenen Rechts nur dann und nur in dem Umfang eine Bewilligung erhalten kann, wie das jetzt geltende Recht dies bei neuen Bewilligungsanträgen zulässt. Es besteht deshalb die nahe liegende Möglichkeit, dass sich Inhaber alter Rechte davon haben abhalten lassen, überhaupt einen Antrag nach § 38 WG LSA zu stellen. Die Frist für derartige Anträge ist inzwischen abgelaufen. Sie betrug nach § 38 Satz 2 WG LSA drei Jahre und begann mit dem In-Kraft-Treten des Wassergesetzes für das Land Sachsen-Anhalt in seiner ursprünglichen Fassung vom 8. September 1993. Eine nachträgliche (verfassungskonforme) Auslegung des § 38 WG LSA wäre für die Inhaber erloschener alter Rechte nutzlos. Verfassungskonform wäre es nur, wenn auch sie in den Genuss einer Übergangsregelung kämen, die erst die Verhältnismäßigkeit des Erlöschens ihrer alten Rechte durch eine Ersatzgewährung herstellt. Bei § 38 Satz 2 WG LSA dürfte es sich um eine Ausschlussfrist handeln, bei deren Versäumung eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht kommt. Eine insgesamt verfassungskonforme Übergangsregelung wäre nur dann hergestellt, wenn den Inhabern alter Rechte Nachsicht gewährt würde, welche von einem fristgerechten Antrag abgesehen haben, weil sie wegen der von der Vorschrift nahe gelegten Gleichstellung mit “normalen” Antragstellern keine Aussichten für ihren Antrag gesehen haben. Auch wenn Ausschlussfristen versäumt sind, kommt die Gewährung von Nachsicht in Betracht, etwa wenn die Fristversäumnis auf staatlichem Fehlverhalten beruht und der Zweck der Fristbestimmung gewahrt bleibt (vgl. Urteil vom 28. März 1996 – BVerwG 7 C 28.95 – BVerwGE 101, 39 ≪45≫).
Danach ist die bisher für die Klageabweisung gegebene Begründung mit Bundesrecht nicht vereinbar. Ob das angefochtene Urteil im Ergebnis mit Bundesrecht in Einklang steht, kann nicht abschließend beurteilt werden. Das Oberverwaltungsgericht hat – nach seiner Rechtsauffassung konsequenterweise – nicht geprüft, ob die Klage deshalb insgesamt oder teilweise unbegründet ist, weil am 1. Juli 1990 keine rechtmäßigen Anlagen zur Ausübung der alten Wasserrechte vorhanden waren. Das Oberverwaltungsgericht wird dies aufzuklären haben und/oder das Übergangsrecht der §§ 32 ff. WG LSA daraufhin auszulegen haben, ob sich aus ihm insgesamt eine Übergangsregelung ergibt, die vor den Anforderungen der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG bestehen kann.
Unterschriften
Sailer, Kley, Herbert, Krauß, Neumann
Fundstellen