Entscheidungsstichwort (Thema)
Eisenbahnrechtliche Plangenehmigung. Lärmschutz. Erschütterungsschutz. Schutzvorkehrung. erheblicher baulicher Eingriff. Trassenverschiebung. Bahndammverbreiterung. Abschirmwirkung. Schall 03. besonders überwachtes Gleis. Gleispflege. Lärmschutzmaßnahme. Entscheidungsvorbehalt. Konflikttransfer
Leitsatz (amtlich)
1. Das Verfahren „besonders überwachtes Gleis” ist eine Schallschutzmaßnahme, die der Einhaltung der Immissionsgrenzwerte des § 2 der 16. BImSchV dient. Sein Lärmminderungseffekt darf nicht schon bei der Beurteilung der Frage berücksichtigt werden, ob sich durch einen erheblichen baulichen Eingriff der Beurteilungspegel des von dem zu ändernden Schienenweg ausgehenden Verkehrslärms in dem in § 1 Abs. 2 der 16. BImSchV geregelten Umfang erhöht.
2. Die Voraussetzung des § 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AEG für die Erteilung einer Plangenehmigung kann nicht dadurch erfüllt werden, dass die Bewältigung eines durch die Beeinträchtigung von Rechten anderer verursachten Planungskonflikts mittels Entscheidungsvorbehalt in einen anderen Planungsabschnitt verlagert wird.
Normenkette
BImSchG § 3 Abs. 6, § 41; AEG § 18 Abs. 2 S. 1; 16. BImSchV § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 2 Abs. 1, Anlage 2 Tabelle C; EBO § 10, Anlage 4 Nr. 2; VwVfG § 74 Abs. 2-3
Tenor
Die Beklagte wird verpflichtet, über die von den Klägerinnen zu 2 und 3 geforderten Lärmschutzmaßnahmen sowie über die vom Kläger zu 1 und den Klägerinnen zu 2 und 3 geforderten Schutzmaßnahmen gegen Erschütterungen im Hinblick auf ihre jeweiligen Wohngrundstücke an der Bahnstrecke Berlin-Nordkreuz – Karow unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Klage des Klägers zu 1 abgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen der Kläger zu 1 ein Sechstel sowie die Beklagte und die Beigeladene je fünf Zwölftel. Von den außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt der Kläger zu 1 ein Sechstel und die Beigeladene selbst fünf Sechstel.
Tatbestand
I.
Die Kläger sind Miteigentümer von Wohngrundstücken, die in einem Abstand von 110 m (Kläger zu 1), 34 m (Klägerin zu 2) bzw. 50 m (Klägerin zu 3) zu den Gleisanlagen der Bahnstrecke Berlin-Nordkreuz – Karow zwischen km 8,8 und km 9,039 gelegen sind. Sie wenden sich gegen die Plangenehmigung zum Plan der Beigeladenen für den Planungsabschnitt 5 dieser Strecke (km 4,2 bis km 7,039 und km 7,829 bis km 9,039).
Die Planung der Beigeladenen sieht vor, die Strecke, die Teil der Bahnlinie Berlin – Stralsund (Stettiner Bahn) ist, wieder zweigleisig und – im Bereich der Kläger – für eine Regelgeschwindigkeit von 160 km/h aufzubauen, nachdem als Folge des Zweiten Weltkrieges ein Gleis entfernt worden war. Dazu sollen u.a. das zweite Fernbahngleis in veränderten Gleisabständen (4 m zwischen den Fernbahngleisen, 6,40 m zwischen Fern- und der ebenfalls auf dem Bahndamm verlaufenden S-Bahn) mit teilweiser Dammverbreiterung wieder ergänzt werden, das vorhandene Gütergleis angepasst und ein zwischen dem Grundstück der Klägerin zu 2 und den Gleisanlagen gelegenes Stellwerk abgerissen werden. Im Bereich der Kläger (Bahnhof Blankenburg) soll kein weiteres Gleis hinzugefügt, sondern lediglich die jeweilige Gleisachse der hier noch vorhandenen beiden Fernbahngleise und des Gütergleises bei einer Gradientenanhebung von 20 cm verschoben werden.
Nach der aufgrund der Behördenbeteiligung im Plangenehmigungsverfahren nachträglich eingeholten schalltechnischen Untersuchung ergibt sich für die Kläger folgende Schallsituation: Beim Kläger zu 1 steigt der Lärm vorhabenbedingt am Tag um 0,1 auf maximal 55,1 dB(A) an; nachts tritt keine Lärmerhöhung auf. An den verschiedenen Immissionsorten der Klägerin zu 2 ergeben sich am Tag Lärmerhöhungen von maximal 1,2 auf maximal 67,7 dB(A), nachts von 1,1 auf 58,8 dB(A) und im Übrigen von 0,5 bis 0,8 auf 60,3 bis 64,1 dB(A). Bei der Klägerin zu 3 erhöht sich der Pegel am Tag um maximal 0,3 auf maximal 63,2 dB(A), nachts um 0,2 auf maximal 59,6 dB(A).
Das Eisenbahn-Bundesamt erteilte am 30. Juni 2000 die Plangenehmigung. Zur Lärmsituation wird ausgeführt, das Vorhaben stelle am Abschnittsende wegen der Planumsverbreiterung von 2 m einen erheblichen baulichen Eingriff dar. Aufgrund der von der Beigeladenen im Wege der Planänderung nunmehr vorgesehenen lärmtechnischen Gegenmaßnahme des „besonders überwachten Gleises” (büG) im Abschnitt km 8,3 bis km 9,039 trete jedoch für keinen Immissionsort eine nach § 1 Abs. 2 der 16. BImSchV relevante Beurteilungspegelerhöhung ein; vielmehr ergebe sich eine Verbesserung. Damit seien Dritte von dem Vorhaben nicht betroffen. Die nachgewiesenen Auswirkungen des erheblichen baulichen Eingriffs am Abschnittsende würden abschließend wegen der räumlichen Auswirkungen des hauptsächlich im angrenzenden Planfeststellungsabschnitt stattfindenden erheblichen baulichen Eingriffs erst im Rahmen der für diesen Abschnitt erforderlichen Entscheidung bewertet.
Gegen die ihrem Prozessbevollmächtigten am 31. Oktober 2000 zugestellte Plangenehmigung haben die Kläger am 30. November 2000 Klage erhoben. Sie beanstanden den nach ihrer Auffassung unzureichenden Lärm- und Erschütterungsschutz. Die Beklagte komme nur deswegen zum Ergebnis einer Verbesserung der Beurteilungspegel, weil sie entgegen ihrer bisherigen Praxis die Maßnahme des „besonders überwachten Gleises” als „besondere Fahrbahnart” und somit bereits bei der Ermittlung der Lärmprognose im Ansatz bringe, wodurch der vorhabenbedingte Lärmanstieg ausgeglichen werde. Dies widerspreche jedoch der Regelungssystematik des § 41 Abs. 1 BImSchG und der 16. BImSchV.
Als betriebliche Maßnahme zur Lärmminderung könne das Verfahren „besonders überwachtes Gleis” auch nicht mit den in Tabelle C der Anlage 2 der 16. BImSchV genannten – baulichen und vom Eisenbahn-Bundesamt besonders zuzulassenden – Fahrbahnarten verglichen werden. Die schalltechnische Untersuchung weise darüber hinaus zahlreiche Mängel auf. Die ausbaubedingte Erhöhung der Streckengeschwindigkeit von 120 auf 160 km/h werde ebenso wenig berücksichtigt wie die Gradientenanhebung, durch die die abschirmende Wirkung vor den jeweiligen Wohnhäusern liegender Hindernisse entfalle. Auch der Wegfall der Abschirmwirkung des Stellwerks spiegele sich nicht wieder. Die schalltechnische Untersuchung für den Planungsabschnitt 5 weise im Übrigen hinsichtlich des zugrunde gelegten Betriebsprogramms und der Beurteilungspegel unklare Differenzen gegenüber derjenigen für den anschließenden Planungsabschnitt 4 auf. Bei zutreffender Berechnung müsse von einer Pegelerhöhung von über 2 dB(A) ausgegangen werden. Die Untersuchung der Erschütterungen sei schon deswegen fehlerhaft, weil eine neuere, bei Ergehen der Plangenehmigung bereits bekannte Untersuchung, nämlich diejenige zum Planungsabschnitt 4, zum Ergebnis komme, dass trotz geringerer Zugzahlen die Anforderungen der DIN 4150 Teil 2 an drei von vier Immissionsorten der Klägerin zu 2 überschritten seien und Schutzansprüche deswegen gegeben sein könnten. Allerdings unterschätze auch diese Untersuchung die Erschütterungsbelastung der Kläger, weil sie von zu geringen Zugzahlen ausgehe und die vorhabenbedingten höheren Geschwindigkeiten nicht berücksichtige. Die in der Plangenehmigung angesprochene Verlagerung der Problembewältigung in das Verfahren zum nächsten Planungsabschnitt sei fehlerhaft, da über aktive Schutzmaßnahmen allein im vorliegenden Planfeststellungsabschnitt entschieden werden könne.
Die Kläger beantragen,
- die Plangenehmigung der Beklagten vom 30. Juni 2000 zu dem Plan der DB Netz AG für die Strecke Nordkreuz-Karow (Gesch.-Z.: 1011.1035 P/339) aufzuheben,
hilfsweise,
die Vollziehbarkeit der angefochtenen Plangenehmigung auszusetzen, bis die Beklagte sichergestellt hat, dass auf den Grundstücken und an den Wohngebäuden der Klägerinnen und des Klägers durch künftig von der Bahnstrecke Nordkreuz-Karow ausgehenden Bahnlärm die Lärmgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung für reine und allgemeine Wohngebiete und durch künftig von dieser Bahnstrecke ausgehende Erschütterungen die Anhaltswerte für die Beurteilung von Erschütterungsimmissionen in Wohnungen und vergleichbar genutzten Räumen nach DIN 4150, Teil 2, Ausgabe Juni 1999, Tabelle 1, nicht überschritten werden,
äußerst hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, durch Auflagen oder Nebenbestimmungen zur Plangenehmigung vom 30. Juni 2000 sicherzustellen, dass auf den Grundstücken und an den Wohngebäuden der Klägerinnen und des Klägers durch künftig von der Bahnstrecke Nordkreuz-Karow ausgehenden Bahnlärm die Grenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung für reine und allgemeine Wohngebiete sowie durch künftig von dieser Bahnstrecke ausgehende Erschütterungen die Anhaltswerte für die Beurteilung von Erschütterungen Wohnungen und vergleichbar genutzten Räumen nach DIN 4150, Teil 2, Ausgabe Juni 1999, Tabelle 1 nicht überschritten werden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie sieht die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt. Die Abschnittsbildung und die Wahl des Verfahrens hätten sich daraus ergeben, dass nach der ursprünglichen Planung erhebliche bauliche Eingriffe im Planungsabschnitt 5 nicht vorgesehen gewesen seien. Aufgrund der Planungsfortschreibungen hätten die zunächst ausschließlich für den Planungsabschnitt 4 vorgesehene Dammverbreiterung sowie der Bau einer Stützmauer in einer Länge von 20 m bereits im vorliegenden Planungsabschnitt begonnen werden müssen. Rechte Dritter würden hierdurch nicht eingeschränkt. Der veränderten Lärmsituation sei durch das Verfahren büG Rechnung getragen worden. Etwaigen Erschütterungsauswirkungen könne mangels Verhältnismäßigkeit ohnehin nicht durch aktive Schutzmaßnahmen begegnet werden; über passive Schutzmaßnahmen könne abschließend erst im Planungsabschnitt 4 entschieden werden. Davon gehe die Plangenehmigung ausdrücklich aus. Die Kläger hätten insoweit bereits Einwendungen erhoben. Die Kritik der Kläger an der schalltechnischen Untersuchung sei unberechtigt. Die Vergrößerung des Ferngleisabstandes auf 4 m sei nicht geschwindigkeitsabhängig, sondern ausschließlich auf die Einführung eines größeren Lichtraumprofils zurückzuführen. Ebenso diene die Vergrößerung des Abstandes zwischen Fern- und S-Bahn allein der Durchführung von Arbeiten innerhalb einer viergleisigen Anlage. Eine Trassenänderung und mithin ein erheblicher baulicher Eingriff finde zwischen km 6,2 und km 6,6 statt, wirke sich aber auf die Kläger nicht aus. Die Gradientenanhebung sei in der schalltechnischen Untersuchung berücksichtigt worden und im Übrigen schalltechnisch kaum nachweisbar. Die abschirmende Wirkung des Stellwerks sei allenfalls eine zufällige Auswirkung, deren Aufrechterhaltung nicht beansprucht werden könne und die weder bei der Ermittlung der Vorbelastung noch der Prognosebelastung berücksichtigt worden sei. Eine etwaige Lärmerhöhung sei jedenfalls nicht als Erhöhung des vom Schienenweg ausgehenden Verkehrslärms zu werten. Differenzen der Betriebsprogramme in den Planungsabschnitten 4 und 5 ergäben sich ausschließlich daraus, dass in Abschnitt 4 bereits auf das Gütergleis zur Fahrt in den Berliner Außenring gewechselte Züge abgezogen worden seien. Hieraus folgten auch Veränderungen bei den Immissionspegeln. Dass der Immissionspegel in Abschnitt 4 bei weniger Zügen als in Abschnitt 5 höher sei als dort, sei durch die höhere Geschwindigkeit im Planungsabschnitt 4 bedingt. Die allein bei den Klägerinnen zu 2 und zu 3 gegebene Erhöhung der Beurteilungspegel werde durch das Verfahren büG ausgeglichen. Dieser Berechnungsansatz entspreche dem Vermeidungsgebot des § 41 BImSchG und sei vom Eisenbahn-Bundesamt durch die Verfügung vom 16. März 1998, der allerdings noch nicht alle Planungen der Beigeladenen hätten angepasst werden können, eröffnet worden. Ein Anspruch auf Lärmschutz bestehe erst, wenn – anders als hier bzw. vorbehaltlich abweichender Entscheidungen im Planungsabschnitt 4 – die Vermeidung schädlicher Umweltauswirkungen beim Bau oder der Änderung von Schienenwegen nicht gelinge. Auch die erschütterungstechnische Untersuchung weise keine Mängel auf. In der zum Zeitpunkt der Plangenehmigung vorliegenden Untersuchung werde zwar das Gebäude der Klägerin zu 2 als potentiell von Erschütterungen betroffen erfasst; es sei jedoch dem Planungsabschnitt 4 zugeordnet worden. Die Betroffenheit ergebe sich im Übrigen erst dann, wenn das äußerste Gleis in der beantragten Form planfestgestellt werde. Aufgrund der – wahrgenommenen – Möglichkeit der Kläger, ihre Einwendungen im Planungsabschnitt 4 geltend zu machen, seien sie nicht in ihren Rechten betroffen. Hinsichtlich des zugrunde gelegten Betriebsprogramms und der Geschwindigkeiten gelte das zum Lärmschutz Gesagte.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
Ein Aufhebungs- oder Nichtvollziehbarkeitsanspruch der Kläger sei von vornherein nicht erkennbar, weil etwaige Mängel beim Erschütterungs- oder Lärmschutz die Gesamtkonzeption der Planung nicht berührten. Solche Mängel seien aber auch nicht gegeben. Das Verfahren büG sei – wie sich aus Tabelle C der Anlage 2 der 16. BImSchV ergebe – zutreffend als Fahrbahnart in Ansatz gebracht worden. Es handele sich um eine die Unterhaltung, Wartung und Überwachung einer baulichen Anlage betreffende und somit bauliche, nicht um eine betriebliche Regelung. Der Unterschied zu Lärmschutzwänden und -fenstern ergebe sich auch daraus, dass der Verordnungsgeber die rechtssystematische Anwendung der Maßnahme in Form des Korrektursummanden D(Fb) und damit im Rahmen des Beurteilungspegels vorgeschrieben habe.
Entscheidungsgründe
II.
Gemäß § 88 VwGO ist der Senat an die Fassung der in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge nicht gebunden. Entscheidend für die Auslegung der Anträge ist das mit der Klage verfolgte Begehren. Die Kläger haben ausdrücklich erklärt, ihr Klageziel sei auf die Verpflichtung des Beklagten zu Schutzmaßnahmen gegen Lärm und Erschütterungen gerichtet. Für sie komme es allein darauf an, Schutz vor Immissionen zu erlangen und das ihnen zustehende Schutzniveau gegenüber Beeinträchtigungen durch das plangenehmigte Vorhaben durchzusetzen. Diesem Begehren wird – wie noch zu zeigen sein wird – durch den Antrag auf Verpflichtung zu entsprechenden Schutzvorkehrungen vollständig Rechnung getragen. Weitergehender Anträge auf Aufhebung der Plangenehmigung oder auf Aussetzung der Vollziehbarkeit zur Durchführung eines ergänzenden Verfahrens bedarf es hierzu nicht, so dass diesen Anträgen hier keine eigenständige Bedeutung zukommt.
Mit dem genannten Antrag ist die Klage zulässig; sie ist auch im Wesentlichen begründet. Alle Kläger können im Hinblick auf Beeinträchtigungen durch Erschütterungen, die Klägerinnen zu 2 und 3 darüber hinaus im Hinblick auf Beeinträchtigungen durch Lärm beanspruchen, dass die Beklagte über die von ihnen geforderten Schutzmaßnahmen nach Maßgabe der Urteilsgründe erneut entscheidet.
1. Der Anspruch der Kläger auf Schutzvorkehrungen ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass für das Vorhaben der Beigeladenen eine Plangenehmigung erteilt worden ist. Zwar wird der Schutz Dritter bei der Plangenehmigung bereits durch die hierfür geltenden Erteilungsvoraussetzungen sichergestellt: Eine Plangenehmigung kann anstelle eines Planfeststellungsbeschlusses nur erteilt werden, wenn Rechte anderer nicht beeinträchtigt werden (inzwischen § 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AEG i.d.F. des Gesetzes vom 27. Juli 2001, BGBl I S. 1950). Für entsprechende Schutzauflagen nach § 74 Abs. 2 Sätze 2 und 3 VwVfG ist deswegen grundsätzlich kein Raum (vgl. BVerwGE 102, 74 ≪76≫). Etwas anderes muss aber gelten, wenn die Genehmigung unter Verstoß gegen § 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AEG erteilt wird und Rechte anderer beeinträchtigt. Für einen Anspruch auf Lärmschutzvorkehrungen auf der Grundlage von § 41 BImSchG i.V.m. der 16. BImSchV ergibt sich dies bereits daraus, dass dieser Anspruch nicht an einen Planfeststellungsbeschluss gebunden, sondern vielmehr verfahrensunabhängig gegeben ist (vgl. auch Kühling/Herrmann, Fachplanungsrecht, 2. Aufl., Rn. 414 und 653). Für auf § 74 Abs. 2 Sätze 2 und 3 VwVfG gestützte Ansprüche auf Schutzmaßnahmen gegen Erschütterungen kann im Ergebnis nichts anderes gelten. Anderenfalls wären ein effektiver Rechtsschutz und die Sicherstellung des materiellrechtlich geforderten Schutzniveaus in Frage gestellt (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 5. März 1999 – BVerwG 4 A 7.98 (4 VR 3.98) – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 149 S. 18 m.w.N. der ständigen Rechtsprechung). Mithin kann, wer von einer Plangenehmigung in seinen Rechten beeinträchtigt ist, diejenigen Schutzvorkehrungen verlangen, auf die ein gesetzlicher Anspruch besteht oder ohne die seine rechtlich geschützten Interessen nicht im Wege der Abwägung überwunden werden könnten (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22. Februar 1980 – BVerwG 4 C 24.77 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 33 S. 105 f.; Urteil vom 21. September 1984 – BVerwG 4 C 51.80 – Buchholz 406.16 Eigentumsschutz Nr. 40 S. 23 f.; Beschluss vom 23. Juni 1989 – BVerwG 4 B 100.89 – Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 8 S. 13).
2. Den Klägerinnen zu 2 und 3, nicht jedoch dem Kläger zu 1, stehen Ansprüche auf Lärmschutzvorkehrungen gemäß § 41 Abs. 1 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 16. BImSchV zu, über deren konkrete Ausgestaltung die Beklagte noch zu befinden hat.
a) Zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, bei dem Vorhaben handele es sich um einen „erheblichen baulichen Eingriff” im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 16. BImSchV. Ob sich dies – wie die Beklagte meint – allein daraus ergibt, dass am Abschnittsende auf einer Länge von 20 m eine Planumsverbreiterung durch den Einbau einer Stützmauer erreicht wird, erscheint dem Senat allerdings zweifelhaft. Nach seiner Rechtsprechung ist das Tatbestandsmerkmal des „erheblichen baulichen Eingriffs” nur dann erfüllt, wenn in die Substanz des Schienenwegs, d.h. der Gleisanlage mit ihrem Unter- und Überbau einschließlich der Oberleitung eingegriffen wird, soweit es sich nicht lediglich um Erhaltungs- und Unterhaltungsmaßnahmen oder um kleinere Baumaßnahmen handelt (BVerwG, Urteil vom 12. April 2000 – BVerwG 11 A 18.98 – Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 49 S. 18 f.). Auf dieser Grundlage hat der Senat eine bloße Bahndammverbreiterung von 1,30 m (BVerwG, Urteil vom 12. April 2000, a.a.O.) bzw. 2,30 m (Urteil vom 17. November 1999 – BVerwG 11 A 4.98 – Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 31 S. 54) als kleinere, nicht erhebliche Baumaßnahme bezeichnet. Diese Frage bedarf aber keiner näheren Betrachtung. Denn zwischen den Beteiligten ist in der mündlichen Verhandlung unstreitig gewesen, dass das Vorhaben der Beigeladenen auf längeren Streckenabschnitten im Bereich der Kläger zu Trassenverschiebungen von mehr als 2 m führt. Bei solchen die Substanz betreffenden und nicht nur punktuellen Veränderungen des Schienenweges handelt es sich jedenfalls um einen erheblichen baulichen Eingriff im Sinne der genannten Vorschrift.
b) Nur im Hinblick auf den Kläger zu 1 trifft die Einschätzung der Beklagten zu, dass Ansprüche auf Lärmschutzvorkehrungen mangels einer nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 16. BImSchV relevanten Erhöhung des Beurteilungspegels nicht gegeben sind.
aa) Entgegen der Auffassung der Kläger ist die der Plangenehmigung zugrunde liegende Lärmprognose der Beklagten, soweit sie nicht die Einbeziehung des Verfahrens büG betrifft, allerdings nicht zu beanstanden. Deswegen steht zum einen dem Kläger zu 1, bei dem keine vorhabenbedingte Erhöhung des Beurteilungspegels festgestellt wurde, ein Anspruch auf Lärmschutzvorkehrungen nicht zu. Zum anderen ist auszuschließen, dass die Klägerinnen zu 2 und 3 in einem den von der Beklagten mit 3 dB(A) angesetzten Lärmreduzierungseffekt des Verfahrens büG von vornherein übersteigenden Ausmaß von vorhabenbedingten Lärmerhöhungen betroffen werden könnten.
Der Einwand der Kläger, die Beklagte sei bei der Ermittlung der Vorbelastung zu Unrecht von einer bisher zulässigen Streckengeschwindigkeit von 160 km/h ausgegangen, weil diese Geschwindigkeit erst aufgrund der vorhabenbedingten Vergrößerung der Gleisabstände auf 4 m zulässig sei, geht fehl. Die Kläger sind den Darlegungen der Beklagten, die Vergrößerung des Gleisabstandes sei ausschließlich auf die Einführung eines größeren Lichtraumprofils zurückzuführen, nicht mehr entgegengetreten. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass § 10 Abs. 2 Satz 1 EBO einen Mindestgleisabstand von 4 m lediglich bei Neubauten und umfassenden Umbauten vorschreibt; für Bestandsstrecken beträgt der Mindestgleisabstand gemäß § 10 Abs. 1 EBO i.V.m. Anlage 4 Nr. 2 im vorliegenden Fall für eine Geschwindigkeit von 160 km/h nur 3,50 m.
Der Behauptung der Kläger, die Gradientenanhebung von 20 cm sei in der schalltechnischen Untersuchung nicht berücksichtigt worden, hat die Beklagte widersprochen. Für die Richtigkeit der Position der Beklagten sprechen die Ausführungen zur Methodik in der schalltechnischen Untersuchung vom 21. September 1998, wonach u.a. Schienenachsen und Höhenlinien erfasst wurden (S. 5 Ziff. 4). Da die Kläger ihren Einwand nicht weiter substantiiert haben, sieht der Senat insoweit keinen Anlass zu weiterer Aufklärung.
Dass die Beklagte den Wegfall der abschirmenden Wirkung des zurückgebauten Stellwerks bei der Berechnung des prognostischen Beurteilungspegels nicht berücksichtigt hat, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Ob sich dies mit der Erwägung der Beklagten rechtfertigen lässt, die mögliche immissionssteigernde Auswirkung des Abbruchs sei keine Erhöhung des vom Schienenweg ausgehenden Verkehrslärms und eine Abschirmwirkung sei jedenfalls nicht die Funktion, sondern allenfalls eine zufällige Auswirkung des Stellwerks (vgl. VGH Baden-Württemberg BImSchG-Rspr § 41 Nr. 35), erscheint allerdings zumindest dann fraglich, wenn – wie hier – der Abbruch nicht lediglich bei Gelegenheit des Vorhabens stattfindet, sondern – wie die Beklagte ausdrücklich hervorgehoben hat – „zur Verwirklichung der Planungen unvermeidbar” ist. Darauf kommt es aber nicht entscheidungserheblich an. Denn Änderungen des Beurteilungspegels aufgrund baulicher Anlagen sind gemäß Anlage 2 der 16. BImSchV nach der insoweit anzuwendenden Richtlinie zur Berechnung der Schallimmissionen von Schienenwegen (Schall 03) zu berechnen. Danach ist die Abschirmung durch Gebäude nur im Fall einer langen geschlossenen Häuserzeile oder einer Bebauung mit Lücken bedeutsam (Kap. 7.5.). Daraus folgt, dass ein Einzelgebäude, das nicht ausnahmsweise aufgrund seiner Ausmaße mit einer langen geschlossenen Häuserzeile vergleichbar ist, nach dem Willen des Normgebers unberücksichtigt bleiben soll, weil von ihm eine nennenswerte Abschirmwirkung nicht ausgeht. Dass diese vergröbernde und abschließend geregelte rechnerische Ermittlung der Lärmsituation die Wirklichkeit unzulänglich abbildete und der Verordnungsgeber deswegen seinen Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum überschritten hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2000 – BVerwG 11 A 7.00 – Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 36, S. 89 m.w.N.), ist nicht ersichtlich. Die genannten Voraussetzungen von Kap. 7.5. der Schall 03 erfüllt das Stellwerk nicht. Bei dem Stellwerk handelt es sich um ein allein stehendes Gebäude mit einer Länge von weniger als 10 m, das sich im Übrigen nicht etwa auf einer rechtwinklig zum Gleisverlauf gedachten Achse zwischen Bahndamm und Haus der Klägerin zu 2, sondern in einer Entfernung zu diesem Haus befindet, die größer ist als diejenige zwischen dem Haus und dem nächstgelegenen Bahngleis. Zu den Häusern der übrigen Kläger beträgt die Entfernung ein Vielfaches. Das lässt im Hinblick auf eine Abschirmwirkung nicht einmal eine entfernte Vergleichbarkeit mit der in Kap. 7.5. aufgeführten Fallgestaltung erkennen.
Schließlich gehen auch die Einwendungen der Kläger gegen das von der Beklagten ihrer Lärmprognose zugrunde gelegte Betriebsprogramm fehl. Die Kläger meinen, die den schalltechnischen Untersuchungen der Planungsabschnitte 4 und 5 jeweils zugrunde liegenden Betriebsprogramme wiesen unerklärliche Unterschiede auf. Im Übrigen gelange die Beklagte trotz höherer Zugzahlen im Abschnitt 5 zu geringeren, andererseits trotz gleicher Zugzahlen zu abweichenden Mittelungspegeln. Dem gegenüber hat die Beklagte geltend gemacht, die Unterschiede in den Betriebsprogrammen beider Planungsabschnitte ergäben sich durch den Gleiswechsel von Zügen. Das ist nachvollziehbar, wenn man die auf S. 15 bis 17 der schalltechnischen Untersuchung dargestellte Belegung der Einzelgleise für die jeweiligen Streckenabschnitte unter Beachtung der Gleisüberleitungen in einer Zusammenschau betrachtet. Eine solche Gesamtbetrachtung belegt die gleich bleibende Zahl von Zügen in den einzelnen Streckenabschnitten. Auf dieser Grundlage erklären sich die von den Klägern beanstandeten unterschiedlichen Immissionspegel aus den in den jeweiligen Streckenabschnitten gefahrenen unterschiedlichen Geschwindigkeiten von 100, 140 bzw. 160 km/h. Weitere substantiierte Einwendungen, die den Senat zu weitergehenden Ausführungen oder Aufklärungen veranlassen könnten, haben die Kläger insoweit nicht erhoben.
bb) Wegen der mithin bei den Klägerinnen zu 2 und 3 zutreffend festgestellten, durch einen erheblichen baulichen Eingriff bedingten Pegelerhöhungen, die ohne Berücksichtigung des Verfahrens büG jeweils – im Falle der Klägerin zu 3 aufgerundet gemäß Anlage 2 der 16. BImSchV – mindestens 60 dB(A) nachts erreichen, sind die Anspruchsvoraussetzungen für Lärmschutzvorkehrungen gemäß § 41 Abs. 1 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV erfüllt.
Die genannten Vorschriften gestatten es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht, den Lärmreduzierungseffekt des Verfahrens büG bereits bei der Beurteilung der Frage einzubeziehen, ob die baulichen Maßnahmen zu einer Lärmerhöhung führen und deswegen als „wesentliche Änderung” im Sinne von § 41 Abs. 1 BImSchG anzusehen sind. Eine „Kompensation” vorhabenbedingter Erhöhungen des Beurteilungspegels durch entsprechende Lärmreduzierungseffekte des Verfahrens büG mit der Folge, dass bereits der Tatbestand des § 41 Abs. 1 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 2 BImSchV nicht erfüllt ist und deswegen ein Anspruch auf Einhaltung der Immissionsgrenzwerte des § 2 der 16. BImSchV erst gar nicht entsteht, ist ausgeschlossen. Das Verfahren büG ist seiner objektiven Funktion nach als Lärmschutzmaßnahme zu qualifizieren und deswegen allein der Rechtsfolgeseite des § 41 Abs. 1 BImSchG i.V.m. der 16. BImSchV zuzuordnen.
Auf die objektive Funktion ist bei der Zuordnung lärmreduzierender Maßnahmen in das Regelungssystem des § 41 Abs. 1 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 2 der 16. BImSchV abzustellen, weil es anderenfalls in das Belieben der Planfeststellungsbehörde gestellt wäre, über den Eintritt der Sanierungspflicht aus § 2 der 16. BImSchV zu entscheiden. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, der es rechtfertigen könnte, dieselbe lärmreduzierende Maßnahme in einem Fall als Teil der wesentlichen Änderung eines Schienenweges, im anderen Fall als bloße aktive Schallschutzmaßnahme zu behandeln. Dient eine solche Maßnahme nach ihrer objektiven Funktion ausschließlich oder ganz überwiegend dem Lärmschutz, darf sie nicht in die vorhabenbedingte Lärmprognose einbezogen werden, sondern ist zwingend der Rechtsfolgeseite des Regelungssystems des § 41 Abs. 1 BImSchG i.V.m. der 16. BImSchV zuzuordnen, die auf die Einhaltung der Grenzwerte des § 2 der 16. BImSchV gerichtet ist. Anderenfalls würde der Mechanismus dieses Regelungssystems umgangen. Er zielt nicht in erster Linie darauf, vorhabenbedingte Erhöhungen des Beurteilungspegels von vornherein zu vermeiden, sondern ist vielmehr darauf gerichtet, aus Anlass größerer Baumaßnahmen Lärmsanierung zu gewähren. Wenn dabei die wesentliche Änderung eines Verkehrsweges einem Neubau gleichgestellt wird, beruht dies auf dem Gedanken, dass zum einen die Planfeststellungsbedürftigkeit des Vorhabens ohnehin dazu zwingt, bezüglich des Verkehrslärms – wenn dieser vorhabenbedingt ansteigt – in eine neue planerische Abwägung einzutreten, und zum anderen sich – wie bei einem Neubau – aus Gründen der Kostenersparnis regelmäßig das Abwägungsergebnis aufdrängen wird, den gebotenen Lärmschutz von vornherein „mit einzubauen”. Dieser vom Gesetz- und Verordnungsgeber vorweggenommenen Abwägungsentscheidung würde es zuwider laufen, wenn Lärmschutzmaßnahmen, die gerade dazu dienen, die Einhaltung der Grenzwerte des § 2 der 16. BImSchV sicherzustellen, bereits auf der Tatbestandsseite berücksichtigt werden könnten, um den Mechanismus der 16. BImSchV erst gar nicht in Gang zu setzen. Das liegt beim Beispiel einer Lärmschutzwand auf der Hand, gilt aber nicht nur für Lärmschutzmaßnahmen, die die Ausbreitung des Lärms verhindern, sondern auch für solche, die wie das Verfahren büG bereits die Entstehung von Lärm an der Quelle vermeiden. Denn die Rechtsfolge des § 41 Abs. 1 BImSchG, die darauf gerichtet ist sicherzustellen, dass durch den Bau oder die wesentliche Änderung keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche hervorgerufen werden können, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, bezieht sich, wie die in der Legaldefinition des „Standes der Technik” in § 3 Abs. 6 BImSchG genannten Alternativen verdeutlichen, gleichermaßen auf Lärmschutzmaßnahmen an der Quelle („Maßnahmen zur Begrenzung von Emissionen”) wie auf dem Übertragungsweg.
Das Verfahren büG ist seiner objektiven Funktion nach eine Lärmschutzmaßnahme. Es erfüllt keine andere Funktion als die der Lärmminderung. Hierzu ist es entwickelt worden, und diese Funktion bestimmt die Entscheidung über seinen Einsatz. Dass es bei Anwendung dieses Verfahrens entbehrlich sein mag, die Schienenwege einer aus Sicherheitsgründen sonst erforderlichen Oberflächenschleifung zu unterziehen, ist eine bloße Nebenfolge dieser Maßnahme, prägt ihre Funktion nicht und war – soweit ersichtlich – für ihre Entwicklung und ihren Einsatz unerheblich. Auch der Verordnungsgeber der 16. BImSchV hat das Verfahren büG als „lärmmindernde Maßnahme” eingeordnet (BRDrucks 661/89, S. 47). Das entspricht der bisherigen Praxis der Planfeststellungsbehörden, das Verfahren büG ausschließlich als aktive Lärmschutzmaßnahme einzusetzen. Auch in der den Beteiligten bekannten Verfügung des Eisenbahn-Bundesamtes vom 16. März 1998, die den Nachweis der lärmmindernden Wirkung des Verfahrens büG als erbracht ansieht und die die Beklagte zur Rechtfertigung ihrer nunmehr erstmals veränderten Praxis heranzieht, wird dieses Verfahren ausdrücklich als Maßnahme des aktiven Schallschutzes bezeichnet, für deren Einsatzentscheidung das Eisenbahn-Bundesamt im Übrigen nicht anders als bei Lärmschutzwänden die Regelung des § 41 Abs. 2 BImSchG in Anspruch nehmen will. Die Einordnung des Verfahrens büG als Lärmschutzmaßnahme steht nicht in Widerspruch zu den Regelungen der 16. BImSchV. Zu Unrecht meint die Beigeladene, aus Tabelle C der Anlage 2 der 16. BImSchV ergebe sich, dass das Verfahren büG als Fahrbahnart ausgestaltet und mithin der baulichen Anlage zuzurechnen sei. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Berücksichtigung eines lärmwirksamen Umstandes bei der Berechnung des Beurteilungspegels noch nichts über seine Einordnung in das Regelungssystem der 16. BImSchV besagt, weil sowohl die Tatbestandsseite (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 16. BImSchV) als auch die Rechtsfolgeseite (§ 2 der 16. BImSchV) auf den „Beurteilungspegel” Bezug nimmt, in dessen Berechnung etwa auch die Lärmschutzwand eingeht (Summand D(B)). Die Einordnung muss daher wertend anhand des dargelegten – inhaltlichen – Kriteriums der objektiven Funktion als Lärmschutzmaßnahme erfolgen. Der Qualifizierung des Verfahrens büG als Lärmschutzmaßnahme widerspricht Tabelle C nicht, weil sie dieses Verfahren – anders als die zuvor anwendbare Regelung der Schall 03 – gerade nicht als Fahrbahnart, sondern als „besondere Vorkehrung” zur Lärmminderung bezeichnet, deren Effekt zusätzlich zum Korrekturfaktor D(Fb) berücksichtigt werden kann. Sie stellt somit lediglich klar, dass die Lärmbewertung der einzelnen Fahrbahnarten die Berücksichtigung insbesondere des Verfahrens büG und seines Lärmminderungseffektes nicht ausschließt, ohne dieses Verfahren deswegen als Bestandteil der baulichen Anlage zu behandeln. Ob der Verordnungsgeber angesichts der gesetzlichen Ermächtigung (vgl. § 43 BImSchG) dennoch einen Spielraum gehabt hätte, das Verfahren büG als eine weitere Fahrbahnart einzustufen, kann dahinstehen. Denn entgegen der Ansicht der Beigeladenen lässt die 16. BImSchV eine dahin gehende Entscheidung des Verordnungsgebers nicht erkennen.
Die mithin fehlerhafte Einordnung des Verfahrens büG in das Regelungssystem des § 41 Abs. 1 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 16. BImSchV ist nicht etwa deswegen unbeachtlich, weil der Planfeststellungsbeschluss einen Vorbehalt enthält, wonach die „nachgewiesenen Auswirkungen … abschließend … erst im Rahmen der für (den nächsten Planfeststellungs-)Abschnitt erforderlichen Entscheidung bewertet” werden (S. 56). Es ist bereits nicht erkennbar, dass sich dieser Vorbehalt auf Lärmbeeinträchtigungen beziehen soll, weil die Plangenehmigung selbst im unmittelbar vorangehenden Text solche Auswirkungen im Gegensatz zu Erschütterungen gerade verneint. Im Übrigen ist ein Entscheidungsvorbehalt nur zulässig, wenn eine abschließende Entscheidung zum Zeitpunkt der Planfeststellung mangels Entscheidungsreife nicht möglich ist, aber hinreichend gewährleistet ist, dass sich im Wege der Planergänzung der Konflikt entschärfen und ein Planungszustand schaffen lässt, der den gesetzlichen Anforderungen gerecht wird, und sich die Entscheidung oder die vorbehaltene Teilregelung nicht als untauglicher Planungstorso erweist (vgl. insbesondere BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 1995 – BVerwG 4 B 30.95 – Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 16, S. 6 f. m.w.N.). Zur Nachbesserung von – wie hier – rechtlich unzulänglichen Planungsentscheidungen kommt der Entscheidungsvorbehalt dagegen von vornherein nicht in Betracht.
3. Alle Kläger können beanspruchen, dass die Beklagte über die von den Klägern jeweils geforderten Schutzmaßnahmen gegen vorhabenbedingte Erschütterungen entsprechend § 74 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVfG erneut entscheidet.
Hinsichtlich der Kläger zu 1 und 3 ist die Beklagte abwägungsfehlerhaft davon ausgegangen, dass insoweit keine vorhabenbedingten Verstärkungen der Erschütterungsvorbelastung auftreten. Zwar trifft es zu, dass das den Klägern nächstgelegene Gleis nicht näher an ihre Wohnhäuser heranrückt. Jedoch können sich auch durch – hier wie dargelegt gegebene – Verschiebungen der Achsen weiter entfernt liegender Gleise stärkere Erschütterungen ergeben. Davon geht auch das Erschütterungsgutachten aus, das allgemein Achsverschiebungen von mehr als 1 m als bedeutsam ansieht (S. 5). Solche vorhabenbedingten Erhöhungen der Erschütterungsauswirkungen können bei den Klägern zu 1 und 3 nicht ausgeschlossen werden. Zwar bejaht das Erschütterungsgutachten nur hinsichtlich der Klägerin zu 2 eine Anspruchsberechtigung auf erschütterungstechnische Vorsorgemaßnahmen, hält aber Ansprüche für andere, nicht untersuchte Häuser, zu denen auch diejenigen der Kläger zu 1 und 3 gehören, ausdrücklich für möglich. Hierzu hat die Beklagte lediglich vorgetragen, dass die Häuser der Kläger zu 1 und 3 weiter vom Bahndamm entfernt liegen als das Haus der Klägerin zu 2. Daraus mag zwar eine geringere Wahrscheinlichkeit der Betroffenheit dieser Kläger ableitbar sein, nicht jedoch der Ausschluss ihrer Schutzansprüche.
b) Auch hinsichtlich der Klägerin zu 2 erweist sich die von der Beklagten zur Bewältigung der vorhabenbedingten Erschütterungsproblematik getroffene Regelung als rechtlich unzureichend.
Auf die im Erschütterungsgutachten festgestellte und von der Beklagten nicht in Zweifel gezogene Anspruchsberechtigung der Klägerin zu 2 auf erschütterungstechnische Vorsorgemaßnahmen hat die Beklagte mit einem „Konflikttransfer” in den Planungsabschnitt 4 reagiert. Dem hierzu in die Plangenehmigung (S. 56 vorletzter Absatz) aufgenommenen Entscheidungsvorbehalt fehlt jedoch schon die erforderliche Bestimmtheit. Die bereits wiedergegebene Formulierung lässt offen, welche Grundstücke von der Regelung erfasst sein sollen, um welche Auswirkungen es insoweit geht und in welchem Umfang Entscheidungen vorbehalten werden. Eine solche Regelung lässt die Betroffenen hinsichtlich des möglichen und zur Vermeidung von Rechtsnachteilen gebotenen Rechtsschutzes im Unklaren und ist deswegen rechtswidrig. Keinesfalls kann ihr die von der Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zeitweise geltend gemachte Bedeutung beigemessen werden, das Grundstück der Klägerin zu 2 trotz seiner Lage am Planungsabschnitt 5 dem weiter entfernt liegenden Planungsabschnitt 4 „zuzuordnen”.
Unabhängig hiervon ist der vorgenommene „Konflikttransfer” von § 74 Abs. 3 VwVfG nicht gedeckt. Zwar lässt es diese Vorschrift zu, dass bei der Planfeststellung Einzelfragen einer nachträglichen Regelung vorbehalten bleiben können. Das gilt aber nur, soweit eine abschließende Entscheidung noch nicht möglich ist. Darüber hinaus muss der Vorbehalt den Anforderungen des Abwägungsgebots gerecht werden (BVerwGE 104, 123 ≪138≫ m.w.N.). Diese Voraussetzungen erfüllt der in der Plangenehmigung enthaltene Entscheidungsvorbehalt nicht. Es fehlt bereits an einem sachlichen Grund, der den angeordneten „Konflikttransfer” rechtfertigen könnte. Die Beklagte hätte vielmehr auf der Grundlage ihrer Ermittlungen und Erwägungen schon im Zeitpunkt der Plangenehmigung über Schutzvorkehrungen gegen Erschütterungen zugunsten der Klägerin zu 2 entscheiden können. Die im Erschütterungsgutachten festgestellte Anspruchsberechtigung der Klägerin zu 2 hat die Beklagte nicht in Frage gestellt. Ferner hat sie auf der Grundlage der ergänzenden erschütterungstechnischen Stellungnahme vom 12. August 1998 aktive Erschütterungsschutzmaßnahmen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ausgeschlossen, so dass allein noch passive Schutzmaßnahmen in Betracht kamen. Es ist nicht ersichtlich, dass sich durch die Verlagerung der Entscheidung in den Planungsabschnitt 4 neue entscheidungserhebliche Gesichtspunkte ergeben könnten. Insbesondere ist weder dargetan noch erkennbar, dass die Erschütterungsbeeinträchtigung durch bauliche Maßnahmen im weiter entfernt liegenden Planungsabschnitt 4 noch zunehmen könnte und deswegen zusätzliche oder andere Schutzmaßnahmen zugunsten der Klägerin zu 2 erforderlich werden könnten. Wäre dies dennoch der Fall, entfiele allerdings die Rechtfertigung für die Abschnittsbildung zwischen den Planungsabschnitten 4 und 5. Der Entscheidungsvorbehalt der Plangenehmigung lässt sich auch nicht mit dem – erstmals in der mündlichen Verhandlung erfolgten – Hinweis der Beklagten rechtfertigen, möglicherweise werde das äußerste Gleis im Planungsabschnitt 4 aus planerischen Gründen nicht wie vorgesehen planfestgestellt, so dass vom plangenehmigten äußersten Gleis im Planungsabschnitt 5 mangels Fortsetzung im Planungsabschnitt 4 keine Beeinträchtigung der Klägerin zu 2 ausgehen könne. Dieser Umstand mochte es rechtfertigen, erforderliche Schutzvorkehrungen unter den Vorbehalt einer erneuten Prüfung zu stellen, falls sie sich aufgrund absehbarer Planungsänderungen in anderen Planabschnitten als gegenstandslos erweisen sollten. Dagegen gestattete er es der Planfeststellungsbehörde nicht, den Konflikt zunächst gänzlich unbewältigt zu lassen und seine Lösung einem späteren Planungsabschnitt vorzubehalten. Denn die von der Planfeststellungsbehörde zu leistende Konfliktbewältigung bezieht sich auf das planfestgestellte bzw. plangenehmigte Vorhaben, nicht jedoch auf Umstände, die sich – wie hier – in dieser Planung noch nicht niedergeschlagen haben. Das schließt allerdings nicht aus, dass die Beklagte die von ihr geltend gemachten neuen Umstände – wenn sie zutreffen – im Rahmen der ihr vom Senat auferlegten Verpflichtung zur Neubescheidung berücksichtigt und die Voraussetzungen für einen Entscheidungsvorbehalt nach § 74 Abs. 3 VwVfG nunmehr als gegeben ansieht mit der Folge, dass sie unter Berufung auf die Unsicherheit des weiteren Streckenausbaus die Entscheidung über Schutzansprüche der Kläger zurückstellt, bis insoweit eine Klärung erzielt worden ist.
Dass schließlich ein sachlicher Grund für den „Konflikttransfer” nicht darin gesehen werden kann, trotz Beeinträchtigung von Rechten Dritter (vgl. § 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AEG) anstelle eines Planfeststellungsbeschlusses eine Plangenehmigung erteilen zu können, liegt auf der Hand, zumal ein Entscheidungsvorbehalt insoweit nicht die Beeinträchtigung entfallen ließe, sondern lediglich die Konfliktlösung verlagerte.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und Abs. 3 und § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Hien, Dr. Storost, Kipp, Vallendar, Prof. Dr. Rubel
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 14.11.2001 durch Oertel Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BVerwGE, 237 |
DÖV 2002, 963 |
NuR 2002, 491 |
DVBl. 2002, 560 |
UPR 2002, 190 |