Entscheidungsstichwort (Thema)
Straßenplanung. Planfeststellung. faktisches Vogelschutzgebiet. naturschutzfachlicher Beurteilungsspielraum. potentielles FFH-Gebiet. fachplanerische Abwägung. Alternativenprüfung. Belange des Naturschutzes. Verkehrslärmschutz. Kostengesichtspunkte
Leitsatz (amtlich)
- Art. 4 Abs. 1 Satz 4 der Vogelschutz-Richtlinie eröffnet den Bundesländern bei der Identifizierung Europäischer Vogelschutzgebiete einen naturschutzfachlichen (ornithologischen) Beurteilungsspielraum, der nur einer eingeschränkten Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegt.
- Ein Bundesland kann das Bestehen eines “faktischen” Vogelschutzgebiets in seinem Bereich nicht dadurch ausschließen, dass es sein Gebietsauswahlverfahren für das europäische Netz “Natura 2000” für beendet erklärt.
- Die Planung eines Straßenbauvorhabens in einem Gebiet, das maßgeblich aus wirtschafts- und verkehrspolitischen Gründen nicht in die Landesliste für das Netz “Natura 2000” aufgenommen wurde, ist rechtswidrig, wenn nicht auszuschließen ist, dass das Gebiet aus ornithologischer Sicht zu den geeignetsten Schutzgebieten in dem Bundesland gehört.
- Die Planung einer Straße, die einen wertvollen und schutzwürdigen Naturraum durchschneidet, leidet an einem fachplanungsrechtlichen Abwägungsfehler, wenn Trassenalternativen, die diesen Raum umfahren, nicht ausreichend untersucht worden sind. Als Alternative kann auch eine ortsnahe Trassenführung in Verbindung mit Maßnahmen des aktiven und passiven Lärmschutzes in Betracht kommen.
Normenkette
FStrG § 17 Abs. 1 S. 2, Abs. 6c; VRL Art. 4 Abs. 1, 4; FFH-RL Art. 6 Abs. 4
Tenor
Der Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberfranken vom 13. Juli 2000 in der Fassung des ergänzenden Planfeststellungsbeschlusses vom 16. Mai 2002 ist rechtswidrig. Er darf nicht vollzogen werden.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger, ein anerkannter Naturschutzverband, wendet sich mit seiner Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberfranken vom 13. Juli 2000 in der Fassung des ergänzenden Planfeststellungsbeschlusses vom 16. Mai 2002, der den Plan für den zweibahnigen (vierstreifigen) Ausbau und die Verlegung der Bundesstraße 173 “Lichtenfels-Kronach” in dem etwa 5 km langen 3. Bauabschnitt zwischen Michelau und Zettlitz feststellt. Der Bedarfsplan 1993 für die Bundesfernstraßen weist dieses Vorhaben als vordringlichen Bedarf aus.
Die Plantrasse verläuft zwischen Michelau und Hochstadt in den Auen des Maintals südlich und im Wesentlichen parallel zu der bestehenden Eisenbahntrasse (ICE-Trasse Berlin – München). Südlich angrenzend liegt das Gebiet des Nassanger Weihers und anderer Wasserflächen (ehemalige Kiesgruben) mit Vorkommen des Blaukehlchens und der Rohrweihe. Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob dieses Gebiet als Europäisches Vogelschutzgebiet einzustufen ist. Nordwestlich von Hochstadt im Zuge der Mainquerung führt die Trasse durch einen Lebensraumtyp (Magere Flachland-Mähwiesen) nach Anhang I der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie – FFH-RL – ABl EG Nr. L 206). Der beklagte Freistaat hat in dem von der Trasse berührten Bereich keine Flächen zum Vogelschutzgebiet erklärt oder als FFH-Gebiet gemeldet.
Der Kläger ist nach Abschluss eines Kaufvertrages im Jahr 1980 Eigentümer einer etwa 75 871 m(2) großen Feucht- und Wasserfläche zwischen Michelau und Hochstadt am Nassanger südlich der Bahnlinie geworden, von der 21 430 m(2) für die planfestgestellte Trasse in Anspruch genommen werden.
Er hat am 14. August 2000 Klage erhoben und vorläufigen Rechtsschutz begehrt. Der erkennende Senat hat die aufschiebende Wirkung der Klage und auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Am 16. Mai 2002 hat der Beklagte (Regierung von Oberfranken) einen ergänzenden Planfeststellungsbeschluss erlassen, der unter Aufrechterhaltung des Beschlusses vom 13. Juli 2000 im Übrigen die naturschutzrechtlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen konkretisiert, ergänzt und erneut bilanziert. Der Kläger hat seine Klage auf diesen Beschluss erstreckt. Er rügt Verfahrensfehler der Planungsbehörde, erhebt Einwände gegen die Bedarfsplanung nach dem Fernstraßenausbaugesetz und macht ferner geltend:
Die planfestgestellte Trasse der B 173 durchquere einen Bereich, der europarechtlich teilweise als faktisches Vogelschutzgebiet und teilweise auch als (nicht prioritäres) FFH-Gebiet einzustufen sei. Die geplante Trasse widerspreche dem Schutzregime der Vogelschutz- und der FFH-Richtlinie. Die Prüfung weiter südlich gelegener Trassenalternativen sei abwägungsfehlerhaft. Insbesondere die ortsnäher an Trieb und Hochstadt vorbeiführenden Alternativtrassen seien entweder nicht erkannt oder nur unzureichend gewürdigt worden. Sie ließen das Vogelschutzgebiet am Nassanger weitgehend unberührt. Fehlerhaft abgewogen seien auch die Alternative eines (nur) zwei- oder dreistreifigen Ausbaus der B 173 sowie die Null-Variante. Die angeführten Ausgleichsflächen stünden teilweise im Widerspruch zu den Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses, würden zugleich für mehrere Straßenbauvorhaben (B 173, Kreisstraße LIF 13) benötigt (unzulässige “Doppelbelegung”) und seien naturschutzfachlich in Teilen ungeeignet. Die Gesamtbilanz des Ausgleichs werde wiederum unvollständig dargestellt und verletze die gesetzlichen Anforderungen.
Der Kläger beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberfranken vom 13. Juli 2000 in der Fassung des Ergänzungsbeschlusses der Regierung von Oberfranken vom 16. Mai 2002 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt Klageabweisung und verteidigt die angefochtenen Beschlüsse.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss ist rechtswidrig und verletzt den Kläger als enteignungsbetroffenen Grundeigentümer in seinen Rechten. Da der Planfeststellungsbeschluss an erheblichen Mängeln bei der Abwägung leidet, die in einem ergänzenden Verfahren behoben werden können, darf er nicht vollzogen werden (§ 17 Abs. 6c Satz 2 FStrG).
Die Klage ist statthaft. Das Bundesverwaltungsgericht ist nach § 5 Abs. 1 VerkPBG im ersten und letzten Rechtszug zuständig. Das hat der Senat bereits mit Beschluss vom 21. November 2001 (– BVerwG 4 VR 13.00 – Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 5 = NuR 2002, 153) im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden. Darauf wird verwiesen.
1. Der Planfeststellungsbeschluss leidet nicht an den vom Kläger geltend gemachten Verfahrensfehlern.
1.1 Der Kläger beanstandet, dass nach Auslegung der Planunterlagen noch weitere “nachgereichte Unterlagen zur Variantenprüfung” vom Juni 1996, das Gutachten Kaule vom 15. Juli 1998 sowie eine erneute Variantenuntersuchung des Straßenbauamts Bamberg vom 28. April 2000 nicht öffentlich ausgelegt worden seien. Der Einwand greift nicht durch. Ob vom Planungsträger eingeholte Gutachten oder behördliche Stellungnahmen zu dem unverzichtbaren Informationsmaterial gehören, das nach § 73 Abs. 3 Satz 1 VwVfG auszulegen ist, hängt davon ab, ob die mit der Auslegung bezweckte Anstoßwirkung ohne die Auslegung dieser Unterlagen in einem wesentlichen Punkt verfehlt würde (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 1986 – BVerwG 4 C 13.85 – BVerwGE 75, 214 ≪224≫). Es ist nicht ersichtlich, dass die Anstoßfunktion der öffentlichen Auslegung hier durch das vom Kläger gerügte Verfahren beeinträchtigt oder gar verfehlt worden sein könnte.
1.2 Der Kläger rügt, dass das Straßenbauamt im Rahmen einer nichtöffentlichen Anhörung (September 1999) die im April 2000 vorgelegte Variantenuntersuchung den Naturschutzverbänden zwar mündlich vorgestellt, dem Kläger jedoch vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses am 13. Juli 2000 nicht in schriftlicher Ausfertigung zugänglich gemacht habe. Das Straßenbauamt habe dem Kläger erst am 30. Juni 2000 mitgeteilt, dass die umfangreichen Planunterlagen nicht übersandt werden, aber eingesehen werden könnten. Die Zeit habe nicht ausgereicht, vor Erlass des Beschlusses die Untersuchung einzusehen. Der Kläger sieht darin eine Verletzung seiner Rechte als Grundeigentümer und als Naturschutzverband.
Es kann offen bleiben, ob dieses Vorgehen des Straßenbauamts einen Verfahrensmangel darstellt. Der Rechtsverstoß wäre jedenfalls unbeachtlich. Es ist nicht erkennbar und vom Kläger auch nicht vorgetragen, dass die etwaige Verletzung eines ihm als Verband eingeräumten Mitwirkungsrechts die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde in der Sache beeinflusst haben könnte. Ist ein Naturschutzverband nicht darauf beschränkt, die ihm durch § 29 BNatSchG a.F. gewährte Verfahrensposition zu verteidigen, sondern wie hier als mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung betroffener Grundeigentümer in der Lage, einen Planfeststellungsbeschluss einer umfassenden gerichtlichen Prüfung anhand der Kriterien des materiellen Rechts unterziehen zu lassen, findet § 46 VwVfG Anwendung. Bei dieser Fallkonstellation gibt es keinen Rechtfertigungsgrund, einem bei Anwendung des § 29 BNatSchG a.F. unterlaufenen Beteiligungsfehler ein stärkeres Gewicht zuzuerkennen als sonstigen Verfahrensmängeln, die nur unter den in Art. 46 BayVwVfG (= § 46 VwVfG) genannten Voraussetzungen die in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO bzw. in § 17 Abs. 6c Satz 2 FStrG bezeichneten Rechtsfolgen nach sich ziehen (vgl. hierzu das Senatsurteil vom 31. Januar 2002 – BVerwG 4 A 15.01 – NVwZ 2002, 1103 ≪1105≫ – A 20, Wakenitzquerung).
1.3 Der Kläger rügt schließlich, der ergänzende Planfeststellungsbeschluss vom 16. Mai 2002 sei verfahrensfehlerhaft ergangen, weil weder ein ordnungsgemäßes Auslegungsverfahren noch ein Erörterungstermin mit Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden habe. Der Einwand ist unbegründet.
Die Planfeststellungsbehörde ist auf der Grundlage des Senatsbeschlusses vom 21. November 2001 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes davon ausgegangen, dass der Planfeststellungsbeschluss vom 13. Juli 2000 hinsichtlich der naturschutzrechtlichen Abwägung (§ 8 Abs. 3 BNatSchG a.F.) fehlerhaft war. Mit dem Ergänzungsbeschluss verfolgt sie das Ziel, diesen Abwägungsmangel nur im Verhältnis zum Kläger zu beseitigen, ohne am Vorhaben selbst etwas zu ändern. Hält die Behörde einen noch nicht bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss für fehlerhaft und nimmt sie daher das Verfahren wieder auf und führt es (erneut) zu Ende, so liegt nach der Rechtsprechung des Senats ein einheitliches Planfeststellungsverfahren vor (Urteil vom 12. Dezember 1996 – BVerwG 4 C 19.95 – BVerwGE 102, 358 ≪360 f.≫ – A 7 Füssen). Das hier durchgeführte “ergänzende” Verfahren ist danach nur ein unselbständiger Abschnitt eines einheitlichen Verfahrens, das mit einer erneuten Entscheidung allein gegenüber dem Kläger endet. Dieses Verfahren unterliegt nicht den Anforderungen des § 73 VwVfG; denn gegenüber allen anderen (privaten) Betroffenen bleibt der Planfeststellungsbeschluss vom 13. Juli 2000 in seiner ursprünglichen Fassung weiterhin unverändert wirksam. Private Dritte werden durch die Regelungen des Ergänzungsbeschlusses nicht erstmalig oder stärker in ihren Rechten berührt. Ein erneutes Auslegungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung war daher nicht erforderlich.
2. Nach § 1 Abs. 2 FStrAbG entspricht das Straßenbauvorhaben den Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG. Die B 173 zwischen Lichtenfels und Kronach ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen, der nach § 1 Abs. 1 Satz 2 des Fernstraßenausbaugesetzes – FStrAbG – in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. November 1993 (BGBl I S. 1878) dem Gesetz als Anlage beigefügt ist, als vordringlicher Bedarf ausgewiesen. Die gesetzliche Bedarfsfeststellung erstreckt sich auch auf den vierstreifigen Ausbau. Das Verkehrsgutachten Kurzak kommt in seiner Prognose für das Jahr 2010 für den Nullfall (ohne Ausbau der B 173) auf eine durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke (DTV) von 18 800 Fahrzeugen zwischen Michelau und Trieb (18 200 Fahrzeuge zwischen Trieb und Hochstadt); für die B 173 in diesem Abschnitt wird eine DTV von 18 500 Fahrzeugen prognostiziert. Das rechtfertigt einen vierstreifigen Ausbau.
Zu Unrecht meint der Kläger, die gesetzliche Bedarfsfeststellung für den Bau der B 173 sei inzwischen obsolet geworden, weil die in § 4 Satz 1 FStrAbG nach Ablauf von 5 Jahren vorgesehene Überprüfung des Bedarfsplans (Bundesverkehrswegeplan 1992) noch ausstehe. Die Fortschreibung ist zwar noch nicht erfolgt. Aus den vom Beklagten vorgelegten Unterlagen ergibt sich auch nicht, dass das Bauvorhaben der B 173 in dem hier umstrittenen Abschnitt zwischen Michelau und Zettlitz als hochprioritäre oder als prioritäre Maßnahme in das Investitionsprogramm des Bundesverkehrsministeriums für die Jahre 1999 bis 2002 aufgenommen worden ist. Der Kläger übersieht jedoch, dass der Bedarfsplan selbst dann nicht automatisch gegenstandslos wird, wenn die Prüfung, ob ein Anpassungsbedarf besteht, nicht innerhalb des Zeitrahmens des § 4 Satz 1 FStrAbG stattfindet. Nach § 4 Satz 2 FStrAbG ist die Anpassungsentscheidung dem Gesetzgeber vorbehalten. Diese Regelung schließt es, solange der Gesetzgeber an einer von ihm getroffenen Bedarfsfeststellung festhält, im Regelfall aus, sich über einen Bedarfsplan allein deshalb hinwegzusetzen, weil der Gesetzgebungsakt, der ihm zugrunde liegt, deutlich mehr als fünf Jahre zurückliegt. Zweifel daran, ob die gesetzliche Regelung weiterhin Geltung beansprucht, sind allenfalls dann angebracht, wenn sich die Verhältnisse in der Zwischenzeit so grundlegend gewandelt haben, dass sich die ursprüngliche Bedarfsentscheidung nicht mehr rechtfertigen lässt (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2000 – BVerwG 4 A 18.99 – BVerwGE 112, 140 ≪148 f.≫). Von einem solchen Wandel der Verhältnisse geht der Kläger selbst nicht aus. Er ist nach den Angaben des Beklagten zur Verkehrsentwicklung zwischen Michelau und Zettlitz auch nicht erkennbar (PFB S. 43 – 47).
3. Der Planfeststellungsbeschluss ist rechtswidrig, weil er die Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten (Vogelschutz-Richtlinie – VRL – ABl EG Nr. L 103 mit späteren Änderungen) verletzt. Der Beklagte ist den Anforderungen des Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL an die Identifizierung eines Europäischen Vogelschutzgebiets nicht gerecht geworden. Seiner Auffassung, der von der Plantrasse betroffene Bereich des Nassangers sei nicht als Vogelschutzgebiet einzustufen, liegen unzulässige Bewertungskriterien zugrunde.
3.1 Die Frage, ob der Nassanger und seine Umgebung den Rechtsstatus eines Vogelschutzgebiets verdienen, ist entscheidungs-erheblich. Nach Art. 4 Abs. 4 Satz 1 VRL sind Beeinträchtigungen und Störungen der Lebensräume und Vogelarten in den geschützten Gebieten zu vermeiden. In den Anwendungsbereich dieser Vorschrift fallen auch Straßenbauvorhaben. Nur überragende Gemeinwohlbelange wie etwa der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen oder der Schutz der öffentlichen Sicherheit sind geeignet, das Beeinträchtigungs- und Störungsverbot des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 VRL zu überwinden (EuGH, Urteil vom 28. Februar 1991 – Rs. C 57/89 – Slg. I S. 883 Rn. 22). Diese hohen Anforderungen dürften hier nicht erfüllt sein. Gebiete, die nicht zu Schutzgebieten im Sinne der Vogelschutz-Richtlinie erklärt worden sind, obwohl dies erforderlich gewesen wäre, unterliegen weiterhin dem strengen Schutzregime dieser Richtlinie und nicht dem milderen Rechtsregime des Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL, a.a.O., S. 7; vgl. EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2000 – Rs. C 374/98 – NuR 2001, 210 – Basses Corbières).
3.2 Die Vogelschutz-Richtlinie setzt der straßenrechtlichen Fachplanung rechtliche Schranken, die im Wege der fachplanerischen Abwägung nicht überwunden werden können. Im Einzelnen ist von folgender Rechtslage auszugehen:
3.2.1 Die Richtlinie bezweckt den Schutz, die Pflege und Wiederherstellung einer ausreichenden Vielfalt und einer ausreichenden Flächengröße (Lebensräume) für die Erhaltung aller im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten wild lebenden Vogelarten (Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 VRL). Für die in Anhang I der Richtlinie aufgeführten Arten sind besondere Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Insbesondere haben die Mitgliedstaaten die für die Erhaltung dieser Arten “zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete” zu Schutzgebieten zu erklären (Art. 4 Abs. 1 Satz 1 und 4 VRL). Nach Art. 3 Abs. 1 der FFH-Richtlinie errichten die Mitgliedstaaten ein europäisches ökologisches Netz “Natura 2000”, das neben den FFH-Gebieten auch die nach Art. 4 Abs. 1 VRL erklärten (ausgewiesenen) Vogelschutzgebiete umfasst. Die Bundesländer erfüllen die sich hieraus ergebenden Verpflichtungen nunmehr nach Maßgabe der §§ 33 ff. BNatSchG i.d.F. des BNatSchGNeuregG vom 25. März 2002 (BGBl I S. 1193), die auch der Umsetzung der Vogelschutz-Richtlinie in das deutsche Naturschutzrecht dienen.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs findet die Vogelschutz-Richtlinie auch in Gebieten, die der Mitgliedstaat n i c h t nach Art. 4 Abs. 1 VRL zum Vogelschutzgebiet erklärt hat, die jedoch die besonderen Anforderungen an ein Schutzgebiet im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL erfüllen, unmittelbar Anwendung (EuGH, Urteil vom 2. August 1993 – Rs. C 355/90 – NuR 1994, 521 ≪522≫ – Santona). Es kann daher auch nicht erklärte Gebiete geben, die den Rechtsstatus eines “faktischen” Vogelschutzgebiets besitzen und dem Rechtsregime des Art. 4 Abs. 4 VRL unterliegen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (vgl. Urteile vom 19. Mai 1998 – BVerwG 4 C 11.96 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 138 – B 15 Regensburg, vom 19. Mai 1998 – BVerwG 4 A 9.97 – BVerwGE 107, 1 ≪18 f.≫ – A 20 Südumfahrung Lübeck – und vom 31. Januar 2002, a.a.O., S. 1105 – A 20 Wakenitzquerung).
3.2.2 Der Beklagte wendet hiergegen ein, die Rechtsfigur des “faktischen” Vogelschutzgebiets setze ein richtlinienwidriges Verhalten des Mitgliedstaates voraus. Art. 4 Abs. 1 VRL werde verletzt, wenn ein Mitgliedstaat keine oder nur solche Gebiete zu besonderen Schutzgebieten erklärt habe, deren Zahl und Gesamtfläche offensichtlich unter der Zahl und Gesamtfläche der objektiv geeigneten Gebiete liege. Ein solcher rechtswidriger Zustand bestehe hinsichtlich der Auswahl der Schutzgebiete in Bayern nicht. Die Auswahl der “Natura-2000-Gebiete” sei abgeschlossen, die ausgewählten Gebiete seien über das Bundesumweltministerium der Europäischen Kommission gemeldet worden. Bayern habe 57 Gebiete mit insgesamt ca. 364 000 ha Fläche (5,2 der Landesfläche) zu Vogelschutzgebieten erklärt. Da ein offensichtlich richtlinienwidriger Zustand nicht (mehr) vorliege, bestehe kein Raum (mehr) für eine unmittelbare Anwendung der Vogelschutz-Richtlinie und eine von der Gebietsauswahl der zuständigen Landesbehörden abweichende “faktische” Auswahl durch die Gerichte.
Dieser Einwand steht der rechtlichen Existenz “faktischer” Vogelschutzgebiete nicht entgegen. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, alle Landschaftsräume zu besonderen Schutzgebieten zu erklären, die für die Erhaltung der betreffenden Vogelarten am geeignetsten erscheinen (EuGH, Urteil vom 19. Mai 1998 – Rs. C 3/96 – NuR 1998, 538 ≪541≫). Ob die Ausweisungspflichten nach Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL sowie die Meldepflichten nach Art. 4 Abs. 1 FFH-RL und § 33 Abs. 1 BNatSchG im Zuge der Errichtung des Gebietsnetzes “Natura 2000” erfüllt worden sind, unterliegt grundsätzlich der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung. Auch Meldelisten, die ein Bundesland als abschließend betrachtet, sind nicht von vornherein einer gerichtlichen Vollständigkeitskontrolle entzogen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Gebietsmeldungen und Vorschlagslisten der Länder nach den übereinstimmenden Angaben beider Beteiligter in der mündlichen Verhandlung gegenwärtig auf sog. “kontinentalen Bewertungstreffen” fachwissenschaftlich überprüft werden und möglicherweise Anlass zu Nachmeldungen an die Europäische Kommission geben. Der Beklagte kann die Diskussion um die Existenz “faktischer” Vogelschutzgebiete im Land Bayern nicht dadurch beenden, dass er das Gebietsauswahlverfahren selbst für abgeschlossen erklärt (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2002, a.a.O., S. 1107 – A 20 Wakenitzquerung – zur Meldung von FFH-Gebieten). Damit ist indes über die richterliche Kontrolldichte im Einzelfall noch nichts gesagt.
3.2.3 Die Identifizierung Europäischer Vogelschutzgebiete in den Bundesländern unterliegt nur einer eingeschränkten Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte.
Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL eröffnet den Mitgliedstaaten einen fachlichen Beurteilungsspielraum in der Frage, welche Gebiete nach ornithologischen Kriterien für die Erhaltung der in Anhang I der Richtlinie aufgeführten Vogelarten “zahlen- und flächenmäßig” am geeignetsten sind (EuGH, Urteile vom 28. Februar 1991, a.a.O., vom 2. August 1993, a.a.O., – Santona – und vom 11. Juli 1996 – Rs. C 44/95 – NuR 1997, 36 – Lappel-Bank). Zu den Bewertungskriterien gehören neben Seltenheit, Empfindlichkeit und Gefährdung einer Vogelart u.a. die Populationsdichte und Artendiversität eines Gebiets, sein Entwicklungspotential und seine Netzverknüpfung (Kohärenz) sowie die Erhaltungsperspektiven der bedrohten Art.
Die Eignungsfaktoren mehrerer Gebiete sind vergleichend zu bewerten. Gehört ein Gebiet nach dem naturschutzfachlichen Vergleich zu den für den Vogelschutz “geeignetsten” Gebieten, ist es zum Vogelschutzgebiet zu erklären. Unterschiedliche fachliche Wertungen sind möglich. Die Nichtmeldung eines Gebiets ist nicht zu beanstanden, wenn sie fachwissenschaftlich vertretbar ist. Die Vertretbarkeitskontrolle umfasst auch die Netzbildung in den einzelnen Bundesländern, hat aber auch insoweit den Beurteilungsrahmen der Länder zu beachten. In dem Maße, in dem sich die Gebietsvorschläge eines Landes zu einem kohärenten Netz verdichten, verringert sich die richterliche Kontrolldichte. Mit dem Fortschreiten des mitgliedstaatlichen Auswahl- und Meldeverfahrens steigen die prozessualen Darlegungsanforderungen für die Behauptung, es gebe ein (nicht-erklärtes) “faktisches” Vogelschutzgebiet, das eine “Lücke im Netz” schließen solle.
Die Identifizierung Europäischer Vogelschutzgebiete hat sich ausschließlich an ornithologischen Kriterien zu orientieren. Eine Abwägung mit anderen Belangen findet nicht statt. Die in Art. 2 VRL erwähnten Gründe wirtschaftlicher oder freizeitbedingter Art sind bei der Auswahl eines Vogelschutzgebiets außer Betracht zu lassen; denn Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL ist das Ergebnis einer bereits vom europäischen Richtliniengeber getroffenen Abwägungsentscheidung, die keiner weiteren Relativierung zugänglich ist (EuGH, Urteile vom 2. August 1993, a.a.O. – Santona, vom 11. Juli 1996 a.a.O. – Lappel-Bank – und vom 19. Mai 1998, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2002, a.a.O., S. 1106 – A 20 Wakenitzquerung).
3.3 Der Planfeststellungsbeschluss ist rechtswidrig, weil für die Entscheidung des beklagten Freistaats, das Gebiet um den Nassanger nicht zum Europäischen Vogelschutzgebiet zu erklären und nicht in die bayerische Meldeliste für das Netz “Natura 2000” aufzunehmen, naturschutzfremde Erwägungen wirtschaftlicher Art mitbestimmend waren.
3.3.1 Während des Planfeststellungsverfahrens ist der Status des Nassanger-Gebiets zwischen Michelau und Hochstadt als Europäisches Vogelschutzgebiet mehrfach erörtert und bejaht worden. Das Bayerische Landesamt für Umweltschutz (LfU) hatte dieses Gebiet als “das ornithologisch bedeutsamste Feuchtgebietssystem” in Oberfranken 1998 in sein Konzept zur Umsetzung der Vogelschutz-Richtlinie in Bayern eingestellt (vgl. Anlage 1 zum Gutachten BIO-CONSULT November 2002). In einer Besprechung bei der Obersten Baubehörde am 8. Oktober 1999 bestand Übereinstimmung darüber, dass “für das von der Planung betroffene Gebiet eine künftige Ausweisung als EU-Vogelschutzgebiet angenommen werden muss” (Ergebnisvermerk vom 15. Oktober 1999, Verfahrensakte der Regierung von Oberfranken, Bl. 371).
Im Planfeststellungsbeschluss vom 13. Juli 2000 (S. 100 – 101) heißt es hierzu: Das Gebiet um den Nassanger sei zwar ursprünglich in den Prüflisten als Vogelschutzgebiet aufgeführt, im (seinerzeit noch laufenden) Dialogverfahren zur endgültigen Erstellung einer bayerischen Vorschlagsliste für das Netzwerk “Natura 2000” sei es jedoch nicht mehr enthalten. Die landesweite Gesamtbeurteilung habe zur Nichtaufnahme des Gebiets in die Vorschlagsliste geführt. In der Bekanntmachung der an die Europäische Union gemeldeten FFH-Gebiete und der Europäischen Vogelschutzgebiete Bayerns vom 15. Oktober 2001 (AllMBl Nr. 11/2001) ist das Nassanger-Gebiet nicht aufgeführt.
3.3.2 Der erkennende Senat hat auf der Grundlage der Verfahrensakten der Regierung von Oberfranken und des Prozessvorbringens des Klägers sowie nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung die Überzeugung gewonnen, dass die Nichtmeldung des Nassanger-Gebiets maßgeblich auf wirtschafts- und verkehrspolitische Gründe zurückzuführen ist. Der Kläger hat in seiner dem Senat vorgelegten Stellungnahme zur bayerischen Gebietsauswahl von FFH- und Vogelschutzgebieten (Schreiben an das Bayerische Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen vom 26. Mai 2000) substantiiert unter Heranziehung von Veröffentlichungen und Pressemitteilungen der Staatsregierung dargelegt, dass Gebiete aus der ursprünglichen “Prüfliste” des LfU u.a. deshalb gestrichen wurden, weil sie Flächen für Straßenbauprojekte im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen enthielten. Zitiert wird eine an alle bayerischen Kommunen übersandte Publikation “Umwelt & Entwicklung in Bayern 1/2000, StMLU” (S. 5), in der es heißt, die bei der Gebietsauswahl beachteten Grundsätze sollten gewährleisten, “dass auch den wesentlichen Anforderungen von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur, Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft sowie den regionalen und örtlichen Besonderheiten Rechnung getragen wird” (a.a.O., S. 8 und 10). Auf Vorhalt des Senats in der mündlichen Verhandlung haben die Vertreter des Beklagten die hieraus zu ziehende Schlussfolgerung einer naturschutzexternen Einflussnahme auf die Nichtmeldung des Nassanger-Gebiets nicht entkräften können. Der Einwand des Beklagten, eine Einstufung des Nassangers und seiner Umgebung als Vogelschutzgebiet scheide ungeachtet wirtschaftlicher Erwägungen schon aus ornithologischen Gründen aus, ist nicht geeignet, die Ursächlichkeit naturschutzexterner Gesichtspunkte bei der Gebietsauswahl zu widerlegen (s. unten 3.3.3).
Der Beurteilungsfehler schlägt auf die Planfeststellung durch. Sicher obliegt es der Bayerischen Staatsregierung und nicht der Regierung von Oberfranken als Planfeststellungsbehörde, die abschließende Entscheidung über die Gebietsauswahl für das Netz “Natura 2000” zu treffen. Die Planfeststellungsbehörde ist daher im Innenverhältnis an die auf der Ministerialebene gefällten Auswahlentscheidungen gebunden. Nach außen hat sie jedoch für deren Rechtmäßigkeit einzustehen, wenn der Schutzstatus eines Gebiets für die Zulassung eines dort geplanten Straßenbauvorhabens entscheidungserheblich ist. Denn der Ausschluss des Gebiets aus dem Netz “Natura 2000” geht inhaltlich in die sich anschließende Planfeststellung ein und steht mit dieser zur gerichtlichen Überprüfung (zur insoweit vergleichbaren Rechtslage bei der fernstraßenrechtlichen Linienbestimmung vgl. Senatsurteil vom 10. April 1997 – BVerwG 4 C 5.96 – BVerwGE 104, 236 ≪252≫).
3.3.3 Der festgestellte Richtlinienverstoß nötigt nicht zur Aufhebung der angefochtenen Planungsentscheidung. Er ist im Sinne von § 17 Abs. 6c Satz 1 FStrG offensichtlich und auch auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen; er kann ferner durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden (§ 17 Abs. 6c Satz 2 FStrG). Der Planfeststellungsbeschluss ist daher für rechtswidrig und bis zur Behebung des Fehlers für nicht vollziehbar zu erklären.
Der Gesetzgeber hat mit § 17 Abs. 6c FStrG eine spezifische Fehlerfolgenregelung für fernstraßenrechtliche Planungsentscheidungen getroffen, die sich auch auf Fehler erstreckt, die darauf beruhen, dass die planende Behörde Schranken nicht beachtet hat, die “bei der Abwägung” unüberwindbar sind. Zu diesen Schranken des strikten Rechts gehören auch die Anforderungen an die Identifizierung Europäischer Vogelschutzgebiete in Art. 4 Abs. 1 VRL (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2000, a.a.O., S. 165 f. – zu § 8 Abs. 3 BNatSchG a.F. und Urteil vom 17. Mai 2002 – BVerwG 4 A 28.01 – NVwZ 2002, 1243 ≪1247≫ – zu Art. 6 Abs. 4 FFH-RL).
Entgegen der Ansicht des Beklagten kann der Senat nicht ausschließen, dass eine erneute ornithologische Beurteilung des Nassanger-Gebiets unter Ausklammerung wirtschafts- und verkehrspolitischer Erwägungen zu einer Nachmeldung als Europäisches Vogelschutzgebiet führt. Die Gutachtenlage bietet konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bereich des Nassangers nach dem als wissenschaftliches Erkenntnismittel geeigneten IBA-Verzeichnis 2000 (C 6-Kriterium, vgl. Heath/Evans ≪ed.≫, Important Bird Areas in Europe, Priority sites for conservation, 2000, S. 11) zu den zahlen- und flächenmäßig bedeutendsten Gebieten in Bayern gehört. Das gilt vor allem im Hinblick auf die Population der Blaukehlchen. Da der Verbreitungsschwerpunkt dieser Vogelart in Bayern liegt, trägt dieses Bundesland für die Erhaltung dieser Art eine besondere Verantwortung. Das Gutachten von Prof. Kaule (Teil II, August 1998) spricht von einem “landesweiten Schwerpunktvorkommen” am Obermain, das “überregional bedeutsam” sei (a.a.O., S. 11, 16). Das Gutachten BIO-CONSULT 2000 hebt das “gute Habitatangebot” und die “konstant hohe Dichte” hervor (S. 23).
Der Planfeststellungsbeschluss zieht die hohe naturschutzfachliche Bedeutung des Gebiets für die Blaukehlchenvorkommen und die Rohrweihe auch nicht in Zweifel und bezeichnet den Gebietsstatus als “kritisch” (PFB S. 100 – 101). Der Beklagte rechtfertigt die Nichtmeldung des Nassanger-Gebiets zwar mit dem Hinweis auf sechs andere zum Schutz dieser Vogelarten gemeldete Gebiete, die in Ober- und Mittelfranken, in den Donauniederungen sowie im Bereich von Isar und Inn liegen (PFB S. 101). Dabei beschränkt er sich im Wesentlichen auf einen zahlenmäßigen Vergleich der Brutpaare, der im Klageverfahren noch konkretisiert worden ist. Die für den Bereich des Nassangers gutachterlich ermittelte Anzahl der Brutpaare, die der Beklagte nicht bezweifelt, halten sich jedoch noch im (unteren) Rahmen der Zahlenangaben für die gemeldeten Gebiete. Zum Vergleich der flächenmäßigen Geeignetheit (artgerechtes Habitat, größere Biotopzusammenhänge, Entwicklungspotenzial und Erhaltungsperspektiven) werden keine Angaben gemacht.
4. Der Planfeststellungsbeschluss verletzt hingegen nicht das aus dem Europäischen Gemeinschaftsrecht folgende Verbot, die Ziele der FFH-Richtlinie zu unterlaufen und vollendete Tatsachen zu schaffen, die im Hinblick auf potenzielle FFH-Gebiete geeignet sind, die Erfüllung der vertraglichen Pflichten bei der Errichtung des Netzes “Natura 2000” unmöglich zu machen.
In dem planfestgestellten 3. Bauabschnitt der B 173 zwischen Michelau und Zettlitz, der hier allein im Streit ist, liegen nach den Angaben der Planungsbehörde und den damit übereinstimmenden Gutachten keine Gebiete mit prioritären natürlichen Lebensräumen oder prioritären Tier- und Pflanzenarten im Sinne der Anhänge I und II der FFH-Richtlinie. Der hier umstrittene Bauabschnitt ist somit nicht an den Anforderungen des Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL zu messen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 17. Mai 2002, a.a.O., S. 1244 – A 44).
Der geplante Anbau einer zweiten südlichen Fahrbahn an die vorhandene einbahnige B 173 im westlich angrenzenden 2. Bauabschnitt (AS Lichtenfels Ost – Michelau) würde zwar Restbestände eines (nicht in der bayerischen Meldeliste enthaltenen) prioritären Auwaldes (Lebensraumtyp 91 EO – Gaabsweiher) “anschneiden”, der als potenzielles FFH-Gebiet in Betracht zu ziehen ist (Gutachten Kaule, Teil II, August 1998, S. 8, 18, 19). Daraus lässt sich jedoch für den hier zu beurteilenden 3. Bauabschnitt kein unüberwindbares rechtliches Planungshindernis herleiten. Die Netzfunktion der B 173 im 3. Bauabschnitt steht und fällt nicht mit dem zweibahnigen Ausbau im 2. Bauabschnitt (keine “Torsobildung”).
Das Bauvorhaben in dem hier umstrittenen 3. Planungsabschnitt verletzt auch nicht das für potenzielle nicht-prioritäre FFH-Gebiete geltende Beeinträchtigungsverbot (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 17. Mai 2002, a.a.O. sowie vom 27. Oktober 2000, a.a.O., S. 155 f. – A 71). Die Plantrasse durchquert zwar nördlich von Hochstadt den nicht-prioritären Lebensraumtyp “Magere Flachland-Mähwiesen” (Nr. 6510 des Anhangs I der FFH-RL), in dem mehrere der in Anhang II der FFH-Richtlinie aufgeführten (nicht-prioritären) Tagfalterarten (Heller und Schwarz-Blauer Wiesenknopf-Ameisenbläuling) heimisch sind. Der Senat kann unterstellen, dass hier ein potenzielles FFH-Gebiet besteht. Das gemeinschaftsrechtliche Beeinträchtigungsverbot gilt nicht ausnahmslos. Nach Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL kann ein Plan oder Projekt in einem Schutzgebiet, das weder einen prioritären Lebensraumtyp noch prioritäre Tier- und Pflanzenarten beherbergt, aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art zugelassen werden, wenn eine Alternativlösung nicht vorhanden ist.
Die Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestands wären hier erfüllt. Die Hochstadt weiträumig südlich umfahrenden Varianten Süd 1, 2 und 3 scheiden aus den im Planfeststellungsbeschluss (S. 69 f.) und der Variantenuntersuchung 2000 des Straßenbauamts Bamberg genannten Gründen mangelnder Umweltverträglichkeit als Alternativlösung aus. Die verbleibenden Südvarianten durchschneiden im Zuge der Mainquerung ebenfalls den Lebensraumtyp 6510 nördlich von Hochstadt. Die Unfallbilanz der B 173 auf den engen Ortsdurchfahrten von Trieb und Hochstadt sowie deren für das Jahr 2010 prognostizierte durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke von etwa 18 000 Kfz/24 h (vgl. PFB S. 45 – 47) zwingen nach Ansicht aller Beteiligten zu einer erheblichen Verbesserung der überörtlichen Verkehrsabwicklung und der innerörtlichen Verkehrsverhältnisse und begründen ein überwiegendes öffentliches Interesse wirtschaftlicher und sozialer Art im Sinne von Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL am Ausbau und der Verlegung der B 173 in diesem Bereich.
5. Der angefochtene Beschluss leidet ferner an einem fach-planerischen Abwägungsmangel bei der Prüfung von Trassen-alternativen, der ebenfalls zu seiner Rechtswidrigkeit führt.
5.1 Das Abwägungsgebot in § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG erstreckt sich auch auf planerische Trassenalternativen. Sie müssen untersucht und im Verhältnis zueinander gewichtet werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 1985 – BVerwG 4 C 15.83 – BVerwGE 71, 166 ≪171 ff.≫ – B 16, Urteil vom 5. Dezember 1986, a.a.O., S. 253 ff. – Flughafen München II; vgl. ferner Urteil vom 22. März 1974 – BVerwG 4 C 42.73 – Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 6; Beschluss vom 20. Dezember 1988 – BVerwG 7 NB 2.88 – BVerwGE 81, 128 ≪136 f.≫).
Ernsthaft in Betracht kommende Alternativtrassen müssen soweit untersucht werden, bis erkennbar wird, dass sie nicht eindeutig vorzugswürdig sind. Eine gleichermaßen tiefgehende Prüfung aller in Betracht kommenden Alternativen ist nicht geboten. Die jeweilige Untersuchungstiefe hängt vor allem vom Grad der Beeinträchtigung öffentlicher und privater Belange ab; je schwerwiegender die Beeinträchtigung anderer Belange ist, umso weitgehender sind die Anforderungen an die Alternativenprüfung. Das gilt auch für Alternativen, die sich nicht “auf den ersten Blick” anbieten oder aufdrängen. Wird eine unter Umständen vorzugswürdige, weil öffentliche und/oder private Belange weniger stark beeinträchtigende Alternative nicht erkannt oder vorzeitig ausgeschieden, liegt ein Abwägungsmangel vor (vgl. Senatsurteil vom 25. Januar 1996 – BVerwG 4 C 5.95 – BVerwGE 100, 238 ≪250≫ – A 60; Urteil vom 26. März 1998 – BVerwG 4 A 7.97 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 137 – A 241/ Schwerin = UPR 1998, 382; Beschluss vom 26. Juni 1992 – BVerwG 4 B 1 – 11.92 – DVBl 1992, 1435 = NVwZ 1993, 572).
Die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege (“Integritätsinteresse”) sind mit dem Gewicht in die Abwägung einzustellen, das ihnen aus ökologischer Sicht objektiv zukommt. Sie gehören zum Abwägungsmaterial unabhängig davon, ob dem von einem Straßenbauvorhaben betroffenen Gebiet der Status eines Europäischen Schutzgebiets nach der Vogelschutz- oder der FFH-Richtlinie zukommt. Auch ein Gebiet, das nicht in den Anwendungsbereich der europarechtlichen Regelungen fällt, kann sich als so schützenswert erweisen, dass es einer “Tabuzone” gleich- oder doch nahe kommt. In diesem Fall ist auf der Stufe der fachplanerischen Abwägung zu ermitteln, ob das Vorhaben an anderer Stelle mit geringeren Eingriffen in Natur und Landschaft zu verwirklichen ist. Erst die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung (§§ 18 ff. BNatSchG n.F.), die an die fachplanerische Trassenwahl anknüpft, nimmt den Ort des Eingriffs als unvermeidbar hin.
5.2 Gemessen hieran ist der Planfeststellungsbeschluss abwägungsfehlerhaft, weil er die Belange des Naturschutzes im trassennahen Raum zutreffend als sehr hoch und die trassenbedingten Beeinträchtigungen dieses Naturraums als “außerordentlich stark” einschätzt, vom Kläger aufgezeigte und nicht fern liegende Alternativen einer Südumgehung des Nassanger-Gebiets aber nicht ausreichend untersucht hat.
5.2.1 Im Planfeststellungsverfahren sind die Bedeutung der Tierwelt im Talraum des Mains zwischen Michelau und Zettlitz und die Auswirkungen der planfestgestellten Trasse eingehend gewürdigt worden. Die Planfeststellungsbehörde stützt sich im Wesentlichen auf die Ergebnisse der landschaftspflegerischen Begleitplanung, insbesondere auf den Bestands- und Konflikt-plan (Planunterlage 12.2). Danach würde die Plantrasse zu einem weitgehenden “Totalverlust überregional bedeutender Lebensräume”, der Zerschneidung des Gesamtlebensraumes Main- und Rodachtal und zu Funktionsverlusten im “überregionalen Verbund” führen.
Der Planfeststellungsbeschluss umschreibt die Betroffenheit der Tierwelt durch die Plantrasse im Grundsätzlichen wie folgt (PFB S. 58):
- “Die Tierwelt im Talraum ist durch die Ergebnislinie hier außerordentlich stark betroffen. Die Trasse zerschneidet den Talraum des Mains. Der Gesamtkomplex der Auelebensräume zwischen Lichtenfels und Hochstadt hat gesamtstaatliche Bedeutung für den Naturschutz, sowohl hinsichtlich des vorhandenen Artenbestandes als auch bezüglich des vorhandenen hohen Entwicklungspotentials. Er zeichnet sich aus durch seine Größe, die Artenvorkommen, spezielle Lebensräume, die enge räumliche Vernetzung der zahlreichen verschiedenen Biotope und einer speziellen Lebensraumdynamik. Im Talraum verläuft die Trasse durchgehend durch besonders wertvolle Kernbereiche des Biotopmosaiks innerhalb der Mainaue.”
Zusammenfassend heißt es ferner (PFB S. 63):
- “Durch den Trassenverlauf werden wertvolle Kernbereiche des Biotopmosaiks innerhalb des Lebensraumkomplexes ‘Maintal zwischen Lichtenfels und Hochstadt’, der bundes- und landesweite Bedeutung hat, zerstört und vom Gesamtraum abgeschnitten. Die Funktion als großer zusammenhängender Lebensraum gerade für bedrohte Tierarten mit großen Arealansprüchen wird somit unwirksam. Die verbleibenden Biotopflächen sind großen Störungen durch das Bauwerk und den Verkehrsbetrieb ausgesetzt …”
5.2.1 Diese Einschätzung der Planfeststellungsbehörde wird von den vorliegenden Gutachten (Universität Stuttgart 1994, Kaule 1998, BIO-CONSULT) geteilt. Nach den Angaben von BIO-CONSULT (September 2000) brüten im trassennahen Bereich am Nassanger neben einer “extrem hohen Vielfalt” von Arten nach Anhang I der Vogelschutz-Richtlinie (nach Angaben des LfU 1998 10 – 12 nachgewiesene Brutvogelarten) mindestens 40 Arten der bayerischen Roten Liste gefährdeter Vögel und 19 Arten der deutschen Roten Liste (a.a.O., S. 25 mit Tabelle 2).
5.2.2 Angesichts dieser außerordentlich starken Betroffenheit der Schutzgüter Natur und Landschaft rücken die Trassenalternativen einer südlichen Umfahrung des Nassanger-Gebiets in das Blickfeld.
Die Planungsbehörde hat die Varianten 5 und Süd 4, die zwischen Trieb und dem Nassanger-Gebiet (etwa 50 m vom Südende des Nassanger-Weihers entfernt) deckungsgleich verlaufen, eingehend untersucht und verworfen, weil die Plantrasse (Ergebnislinie) im Hinblick auf die Belange verkehrlicher Art (u.a. kürzeste Streckenlänge), der Raumordnung (Bündelung mit der Bahntrasse), der Landwirtschaft (keine Zerschneidung hochwertiger, bereits flurbereinigter und hofnaher Grundstücke bei Trieb und Hochstadt), der Siedlungsentwicklung bei Trieb (Verkehrsimmissionen in unbelastetem Gebiet, neues “Störungsband”) und der Wirtschaftlichkeit vorzugswürdig sei. Die Varianten 5 und Süd 4 wirkten sich ebenfalls noch negativ (wenn auch geringer als die Plantrasse) auf Vegetation und Tierwelt am Nassanger aus; sie seien außerdem wegen der Durchschneidung des Trinkwasserschutzgebiets bei Hochstadt “nur äußerst schwer” zu realisieren (PFB S. 69 – 70).
5.2.3 Dieser Trassenvergleich wird dem hohen Stellenwert des Naturraums am Nassanger aus mehreren Gründen nicht gerecht:
Zunächst treffen die herausgestellten Nachteile der Südvarianten für die Varianten Süd 1, 2 und 3 in deutlich stärkerem Umfang zu als für die Variante Süd 4. Die Ergebnislinie hat zwischen Lichtenfels und Zettlitz (AS Lichtenfels Ost – AS Redwitz) eine Baulänge von 9,25 km, die Variante Süd 4 eine Baulänge von 9,75 km. Die Investitionskosten (Bau- und Grunderwerbskosten) betragen bei der Ergebnislinie 217,7 Millionen Deutsche Mark, bei der Variante Süd 4 nur 210,1 Millionen Deutsche Mark. Der Flächenbedarf der Ergebnislinie liegt bei 134,7 ha (31,8 ha landwirtschaftliche Nutzfläche), bei der Variante Süd 4 beträgt er 106,5 ha (32,6 ha landwirtschaftliche Nutzfläche); der Anteil hoch bonitierter Ackerflächen ist bei der Variante Süd 4 allerdings höher (vgl. hierzu insgesamt die Variantenuntersuchung des Straßenbauamts Bamberg vom 28. April 2000, Unterlage 2, S. 1, 2 und 7). Der für die Plantrasse angeführte Belang der Raumordnung wird an anderer Stelle abgeschwächt. Im Planfeststellungsbeschluss vom 13. Juli 2000 (S. 84) heißt es, die Vorteile der Bündelung der Verkehrswege (Bahntrasse, B 173) kämen hier weitgehend nicht zum Tragen, weil die geplante Trasse in diesem Bereich wegen der straßenverkehrsbedingten Lärmdauerbelastung lärmempfindlicher Vogelarten “einer (Erst-) Durchschneidung des betroffenen Gebiets nahe- bzw. gleichkommt”.
Bei dieser Sachlage war es abwägungsfehlerhaft, den Alternativenvergleich in dem Korridor zwischen dem Nassanger-Gebiet und der Ortschaft Trieb auf die Varianten 5 und Süd 4 zu beschränken. Diese Varianten wurden so gewählt (“trassiert”), dass sie ohne Maßnahmen des aktiven und passiven Lärmschutzes die Immissionsgrenzwerte für die weiter südlich liegenden Misch- und Wohngebiete von Trieb möglichst nicht überschreiten. Das zeigt ein Blick auf die Isophonen-Linien der Variante Süd 4 (Straßenbauamt Bamberg 2000, Unterlage Nr. 6, Bl. Nr. 7) deutlich. Der Immissionsgrenzwert von 49 dB(A), der für reine und allgemeine Wohngebiete (nachts) gilt, berührt die Ortslage nur am äußersten nördlichen Rand, an dem ein Mischgebiet liegt; damit wird der nächtliche Grenzwert von 54 dB(A) für Dorf- und Mischgebiete erheblich unterschritten (vgl. § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV). Das ersichtliche Bestreben, die Lärmgrenzwerte nicht nur einzuhalten, sondern aus Vorsorgegründen deutlich zu unterschreiten, hat dazu geführt, dass die Varianten 5 und Süd 4 an den südlichen Rand des Nassanger Weihers gelegt werden. Zum Schutz dieses Naturraums hätte der Beklagte jedoch eine deutliche Südverschiebung der Varianten 5 und Süd 4 zum Ortsrand von Trieb hin ins Auge fassen und die Vor- und Nachteile einer derartigen Variante unter Einsatz von Maßnahmen des aktiven und passiven Lärmschutzes zugunsten der Bevölkerung von Trieb untersuchen und vergleichend gewichten müssen.
Der im Klageverfahren vorgebrachte Einwand des Beklagten, Natur und Landschaft würden durch die im Detail untersuchte Variante Süd 4 und eine nach Süden verschobene Trasse Süd 4, wie sie der Kläger befürworte, “fast identisch” betroffen, eine Südverschiebung stelle für den Bereich des Nassangers nur eine “minimale” Verbesserung dar, erfordere jedoch vermehrte Lärmschutzmaßnahmen, greift nicht durch. Bei einem Abrücken der Trasse um etwa 200 bis 250 m vom Südrand des Nassanger Weihers würden die verkehrsbedingten Lärmbelastungen für die Tierwelt im Gebiet des Nassangers deutlich reduziert; die 49 dB(A) Isophonen-Linie berührte nur den südlichen Randbereich des Weihers (vgl. die vom Kläger vorgelegte nach Süden verschobene Variante der Trasse Süd 4 vom 7. September 2000; zur Abnahme des “Raumwiderstands” s. auch Planunterlage 13.2, Bl. 2.6).
Dem Beklagten ist zwar einzuräumen, dass es nach § 50 BImSchG zu den Grundsätzen des Planungsrechts gehört, Flächen für unterschiedliche Nutzungen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen wie Lärmbeeinträchtigungen und Luftverunreinigungen soweit wie möglich vermieden werden. Dass für zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen oder sonstige Vorkehrungen zum Schutz von Natur und Landschaft höhere Kosten entstehen, rechtfertigt es jedoch nicht, eine in der Gesamtbetrachtung möglicherweise vorzugswürdige Alternative frühzeitig auszuscheiden. Der wirksame Schutz “naturschutzfachlich äußerst wertvoller” und “außerordentlich stark” betroffener Lebensräume (PFB S. 58, 109) kostet naturgemäß Geld. Das Aufbringen dieser Kosten kann sich jedoch im Rahmen einer Gesamtabwägung als verhältnismäßig und “vernünftigerweise” geboten erweisen (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 27. Oktober 2000, a.a.O. – Sicherungsmaßnahmen für ein Trinkwasserschutzgebiet, A 71 – und vom 23. November 2001 – BVerwG 4 A 46.99 – NVwZ 2002, 1125 = UPR 2002, 192 – “Grünbrücken”, A 113). Der Beklagte macht auch nicht geltend, dass Mehrkosten für den Lärmschutz von Trieb (sowie etwaige Folgekosten für die Verlegung von Betriebseinrichtungen eines Kieswerks westlich von Trieb) außer Verhältnis zu dem mit der Planung verfolgten Zweck stehen.
5.2.4 Der Abwägungsfehler bei der Alternativenprüfung ist erheblich und kann in einem ergänzenden Verfahren behoben werden (§ 17 Abs. 6c Satz 1 und 2 FStrG). Er ist insbesondere auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen.
Rechtliche oder tatsächliche Hindernisse, die den Ausschluss weiterer Südvarianten aus einem überwiegenden Grund offensichtlich rechtfertigen oder ihrer Realisierung jede konkrete Aussicht auf Verwirklichung nehmen könnten, bestehen nicht.
Die Durchschneidung der weiteren Schutzzone III des Trinkwasserschutzgebiets westlich von Hochstadt in einem Korridor zwischen den engeren Schutzzonen II bildet entgegen der Ansicht des Beklagten kein derartiges Hindernis.
Nach § 3 der WasserschutzgebietsVO der Gemeinde Hochstadt vom 19. April 1971 ist in der weiteren Schutzzone der Straßenbau nicht verboten. In den engeren Schutzzonen, in denen hier jeweils in 90 m Tiefe ein Brunnen liegt, ist Straßenbau verboten, sofern ihre Oberflächenwässer nicht schadlos aus der engeren Schutzzone herausgeleitet werden können (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 4.3 VO). Ein absolutes Straßenbauverbot besteht also nicht; außerdem enthält § 4 VO Ausnahmetatbestände.
Die planfestgestellte (bahnparallele) Trasse durchschneidet die weitere Schutzzone bei Hochstadt im nördlichen Randbereich über eine Länge von 650 m; die vom Kläger aufgezeigten Südvarianten würden die weitere Schutzzone (wie die Variante Süd 4, vgl. Variantenuntersuchung Straßenbauamt Bamberg, April 2000, Unterlage 2, S. 6) über eine Länge von 700 m durchschneiden. Der Längenunterschied ist gering. Ferner werden für die planfestgestellte Trasse im Bereich des Wasserschutzgebiets Schutzmaßnahmen nach den “Richtlinien für bautechnische Maßnahmen an Straßen in Wassergewinnungsgebieten (RiStWag 1982)” durchgeführt, die vom Bundesverkehrsminister durch Rundschreiben vom 22. März 1982 für die Bundesfernstraßen eingeführt worden sind (VkBl 1982, 175). Das in dichten Rohrleitungen gesammelte Straßenoberflächenwasser wird einem außerhalb des Schutzgebiets gelegenen Regenrückhaltebecken zugeführt und von dort vorgeklärt und gedrosselt in den Main eingeleitet (Erläuterungsbericht S. 69). Der Planfeststellungsbeschluss vom 13. Juli 2000 enthält hierzu zahlreiche Auflagen (S. 19 f., 23 f.). Die Planungsbehörde schreibt damit für die Plantrasse den Sicherheitsstandard in engeren Schutzzonen vor. Es ist nicht erkennbar, dass diese Vorgaben und etwaige weitere Auflagen (z.B. Betonschutzwände an den Fahrbahnseiten zur Erhöhung der Durchbruchssicherheit) nicht auch geeignet sein könnten, die Risiken einer Trinkwassergefährdung durch die Südvarianten in der weiteren Schutzzone bei Hochstadt auf ein vertretbares Maß zu senken.
6. Bei dieser Sach- und Rechtslage kann dahinstehen, ob die vom Kläger gegen die Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung (§ 8 Abs. 1 bis 3 BNatSchG a.F.) im ergänzenden Planfeststellungsbeschluss vom 16. Mai 2002 erhobenen Einwendungen begründet sind.
7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Paetow, Lemmel, Halama, Rojahn, Jannasch
Fundstellen
Haufe-Index 879748 |
BVerwGE 2003, 149 |
BauR 2003, 850 |
NVwZ 2003, 65 |
NuR 2003, 360 |
ZUR 2003, 287 |
ZfBR 2003, 389 |
UPR 2003, 183 |
AuUR 2003, 213 |