Entscheidungsstichwort (Thema)
Samtgemeindeumlage. Umlage. Finanzausgleich. Kommune. Selbstverwaltungsgarantie. Verhältnismäßigkeitsprinzip
Leitsatz (amtlich)
- Durch die Erhebung der niedersächsischen Samtgemeindeumlage wird die Selbstverwaltungsgarantie der Mitgliedsgemeinden gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 2 und 3 GG nicht berührt.
- Der Finanzbedarf der Samtgemeinde kann weitergehende Einschnitte in die Finanzausstattung der Mitgliedsgemeinde rechtfertigen als die, welche das Land mit Blick auf Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG vornehmen dürfte.
Normenkette
GG Art. 28 Abs. 2, Art. 20 Abs. 3; NGO § 76 Abs. 2
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 28.10.2004; Aktenzeichen 10 LB 6/02) |
VG Göttingen (Urteil vom 22.02.2001; Aktenzeichen 1 A 1328/99) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Samtgemeindeumlage für das Haushaltsjahr 1998.
Die Klägerin ist eine kreisangehörige Gemeinde im Landkreis G… von ca. 2 000 Einwohnern. Mit vier anderen Mitgliedsgemeinden bildet sie die Beklagte. Der Haushaltsplan der Klägerin für das Haushaltsjahr 1998 sah Einnahmen aus Steuern und Zuweisungen in Höhe von 1 706 100 DM (Gesamteinnahmen: 1 959 200 DM) und Ausgaben für Umlagen in Höhe von 1 963 800 DM (Gesamtausgaben 2 370 200 DM) vor. Die Ausgaben für Umlagen setzten sich aus einer Samtgemeindeumlage von 1 049 300 DM, einer Kreisumlage und einer Gewerbesteuerumlage zusammen.
Die Beklagte wies für das Haushaltsjahr 1998 nach ihrer Haushaltssatzung vom 16. Februar 1998 einen ausgeglichenen Haushalt aus. Eine Unterdeckung im Vermögenshaushalt sollte durch Kreditaufnahme in Höhe von 561 300 DM ausgeglichen werden.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 27. April 1998 gegenüber der Klägerin die hier angefochtene Samtgemeindeumlage für das Haushaltsjahr 1998 in Höhe von 1 049 232 DM fest. Dem lag ein Hebesatz von 62 % zugrunde, wie ihn die Haushaltssatzung der Beklagten für alle Mitgliedsgemeinden einheitlich vorsah.
Nach erfolglosem Widerspruch hat die Klägerin mit ihrer Klage zum Verwaltungsgericht auf das Zusammenwirken von Kreis- und Samtgemeindeumlage hingewiesen. In der Summe führten die Umlagen zu einer Belastung, die über die Einnahmen aus Steuern und Zuweisungen hinausgingen. Der Gemeinde müsse jedoch grundsätzlich ein Mindesteigenbehalt von 10 % der allgemeinen Deckungsmittel verbleiben. Den Gemeindeverbänden stünden zwar bei der Festsetzung der Umlagen ein Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zur Seite. Ihr Handeln sei aber einer gerichtlichen Kontrolle nicht vollständig enthoben. Einer Überprüfung zugänglich sei die Frage, ob die Samtgemeinde Aufgaben in zulässiger Weise wahrnehme. Auch die Höhe der dafür entstehenden Kosten sei zu untersuchen. Des Weiteren bleibe nach anderweitigen Deckungsmöglichkeiten der Samtgemeinde zu suchen.
Die Klägerin hat vor dem Verwaltungsgericht beantragt, dass der Bescheid der Beklagten vom 27. April 1998 und der Widerspruchsbescheid vom 8. März 1999 aufgehoben werden, soweit der festgesetzte Betrag der Samtgemeindeumlage 874 232 DM übersteigt.
Die Beklagte hat der Klägerin entgegengehalten, sie übersehe, dass die Mittel aus der Samtgemeindeumlage dazu dienten, Aufgaben der Mitgliedsgemeinden und damit auch deren Aufgaben zu finanzieren.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 22. Februar 2001 die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit eine Umlage von mehr als 1 009 396 DM festgesetzt worden sei. Es hat im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Den Gemeinden müsse ein substantieller finanzieller Spielraum zur eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung verbleiben. Die finanzielle Mindestausstattung der Gemeinde sei zumindest dann unterschritten, wenn die Wahrnehmung freiwilliger Aufgaben mangels finanzieller Mittel unmöglich werde. Das der Samtgemeinde eingeräumte Ermessen finde seine Grenzen in der Selbstverwaltungsgarantie der Mitgliedsgemeinden. In Anlehnung an die Literatur sei davon auszugehen, dass die freie Finanzierungsspitze der Gemeinde statistisch zwischen 5 und 7 % des Gesamthaushaltes liege. Als kommunales Existenzminimum müsse deshalb ein Betrag von 5 % des Gemeindehaushalts angenommen werden. Dies sei die einzig mögliche typisierende Betrachtungsweise, soweit eine dauerhafte Beeinträchtigung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Gemeinde im Raum stehe. Von einer derartigen dauerhaften Beeinträchtigung sei hier auszugehen.
Es bleibe allerdings zu berücksichtigen, dass auch die Beklagte Aufgaben der Kommune wahrnehme. Insofern müsse eine Aufteilung des Existenzminimums erfolgen. Es könne angenommen werden, dass 60 % der Ausgaben für gemeindliche Aufgaben auf die Beklagte entfiele. Das “kommunale Existenzminimum” der Klägerin belaufe sich somit auf 2 % ihres veranschlagten Gesamthaushaltes.
Gegen dieses Urteil haben die Beteiligten die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.
Mit ihrer Berufung hat die Klägerin ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiterverfolgt und dazu ihren Vortrag zum gemeindlichen Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung vertieft. Dieser Anspruch bestehe auch im Verhältnis zwischen den Gemeinden einerseits und der Samtgemeinde als Gemeindeverband andererseits. Er biete selbst dann ein Abwehrrecht gegen eine Umlage, wenn diese durch den Finanzbedarf der umlageerhebenden Körperschaft an sich gerechtfertigt sei. Dies gelte umso mehr, als die Samtgemeinde anders als der Landkreis zur gesteigerten Rücksichtnahme auf den Finanzbedarf der Mitgliedsgemeinden verpflichtet sei. Hieran gemessen berücksichtige die Umlageerhebung durch die Beklagte nicht hinreichend ihre Rechte. Samtgemeinde- und Kreisumlage in der Summe schöpften ihre Steuereinnahmen vollständig ab. Überschüsse aus speziellen Entgelten könne sie aus Rechtsgründen nicht erwirtschaften. Rücklagen und Bedarfszuweisungen ständen ebenfalls nicht zur Verfügung. Selbst wenn man mit dem Verwaltungsgericht nur einen Anspruch auf eine freie Spitze von 2 % annehmen wolle, müssten ihr 155 000 DM zur freien Verfügung verbleiben. Die Berechnung des Verwaltungsgerichts sei insoweit fehlerhaft.
Die Beklagte, die eine Abweisung der Klage im vollen Umfange beantragt hat, ist der Meinung gewesen, dass die Selbstverwaltungsgarantie der Mitgliedsgemeinden keine Grenzen der Erhebung von Samtgemeindeumlagen bilde. Das Verwaltungsgericht verkenne, dass sie als Samtgemeinde ihrerseits selbst Aufgaben der Mitgliedsgemeinden erfülle und damit die Umlage zur Deckung der Kosten für die Wahrnehmung gemeindlicher Aufgaben erhebe. Andere Einnahmemöglichkeiten stünden ihr daneben nicht zur Verfügung. Das kommunale Selbstverwaltungsrecht sei der Klägerin nicht gegenüber der Samtgemeinde garantiert, sondern allein gegenüber dem Land.
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 28. Oktober 2004 das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage im vollen Umfang abgewiesen. Gleichzeitig hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hierzu heißt es in dem Urteil im Wesentlichen: Die Höhe der Samtgemeindeumlage, wie sie in den angefochtenen Bescheiden festgesetzt sei, begegne keinen Bedenken. Sie bestimme sich maßgeblich nach dem Finanzbedarf der Beklagten, der wiederum durch den Katalog der obliegenden Aufgaben definiert werde. Einen beachtlichen Finanzbedarf begründeten allerdings nur solche Aufgaben, die sie in zulässiger Weise wahrnehme. Entgegen der Auffassung der Klägerin habe die Beklagte aber keine unzulässigen Aufgaben erledigt. Wie weit der Spielraum der Samtgemeinde reiche, könne nicht anhand konkreter Zahlenwerte oder Verteilungsverhältnisse beschrieben werden. Ob sich der Umlagesatz noch im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen bewege, bleibe vielmehr individuell und für jeden Einzelfall gesondert zu beurteilen.
Der Beklagten stehe bei der Festsetzung der Hebesatzhöhe ein weites Ermessen zu. Angesichts ihrer Bedeutung als Finanzierungsinstrument sei die Umlage wesentlicher Bestandteil der Finanzhoheit der Samtgemeinde und unterfalle der kommunalen Selbstverwaltung. Eingeschlossen sei hierin das Recht zur eigenverantwortlichen Festsetzung des Umlagesatzes. Deshalb habe auch nicht die Pflicht bestanden, einen niedrigeren Hebesatz festzusetzen und dafür die vom Land gezahlten Schlüsselzuweisungen vollständig einzubehalten.
Bei der Finanzprüfung sei die Kontrolldichte des Senats beschränkt. Denn die Festsetzungsbefugnis der Beklagten sei maßgeblich durch eine komplexe Prognose der Finanzlage der betreffenden Mitgliedsgemeinden geprägt, mit der eine Einschätzungsprärogative einhergehe. Der gerichtlichen Überprüfung unterliege nur die Frage, ob die Beklagte im Rahmen der Wertung alle ihr bekannt gewordenen und erkennbaren Gesichtspunkte berücksichtigt habe und ob das Entscheidungsergebnis nicht offensichtlich fehlerhaft sei. Ein solcher Fehler sei nicht ersichtlich. Nach den Ansätzen ihres Haushaltsplanes sei die Klägerin in der Lage gewesen, 12 700 DM für freiwillige Verwaltungsangelegenheiten vorzusehen. Die Möglichkeit, freiwillige Selbstverwaltungsangelegenheiten in nicht völlig unerheblichem Umfange wahrzunehmen, sei maßgebliches Kennzeichen für eine gerade noch gegebene finanzielle Betätigungsmöglichkeit. Eine dauerhafte Beeinträchtigung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Klägerin sei ebenfalls nicht zu befürchten gewesen. Ein Verstoß gegen die finanzielle Mindestausstattung sei auch nicht gleichsam automatisch anzunehmen, wenn die Gemeinde weniger als 5 bis 10 % ihrer Mittel für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben aufwenden könne. In Zeiten knapper Einnahmen komme der Gemeinde die Entscheidungskompetenz zu, weniger Mittel für die Erfüllung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben aufzuwenden. Ihre finanzielle Mindestausstattung sei dadurch nicht gefährdet.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin, welche die Verletzung materiellen Rechts rügt und beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. Oktober 2004 und des Urteils des Verwaltungsgerichts Göttingen vom 22. Februar 2001 den Bescheid der Beklagten vom 27. April 1998 und ihren Widerspruchsbescheid vom 8. März 1999 aufzuheben, soweit der festgesetzte Betrag der Samtgemeindeumlage 874 232 DM übersteigt.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision hat keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil verletzt nicht Bundesrecht. Die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung und Anwendung des Landesrechts, an die das Revisionsgericht gebunden ist (§ 137 Abs. 1 VwGO), verstößt weder gegen Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG (1.) noch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (2.).
1. Mit ihrer Revision trägt die Klägerin vor, ihr müsse eine hinreichende Finanzausstattung verbleiben. Es genüge nicht, wenn die Kommune gerade die pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben und die staatlichen Auftragsangelegenheiten wahrnehmen könne. Kommunale Selbstverwaltung ziele vielmehr auf die Aktivierung der Beteiligten für ihre eigenen Angelegenheiten ab. Ihr, der Klägerin, verblieben jedoch keinerlei Mittel für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben. Ihr Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung sei verletzt.
Diesen Einwand, soweit er verfassungsrechtlich auf die Selbstverwaltungsgarantie von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gestützt wird, kann die Klägerin der umstrittenen Samtgemeindeumlage nicht entgegenhalten.
In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts ist allerdings geklärt, dass die bundesverfassungsrechtliche Garantie der gemeindlichen Selbstverwaltung in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG den Gemeinden einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte in diesem Bereich zusichert (zuletzt Urteil vom 25. Januar 2006 – BVerwG 8 C 13.05 – BVerwGE 125, 68 = NVwZ 2006, 690 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Der Senat hat auch in seinem Urteil vom 25. März 1998 – BVerwG 8 C 11.97 – (BVerwGE 106, 280 ≪286 f.≫) bekräftigt, dass die durch Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG materiellrechtlich verstärkte Gewährleistung der kommunalen Finanzhoheit eine aufgabenadäquate Finanzausstattung beinhaltet (zum Ganzen jüngst Dombert, DVBl 2006, 1136 ff. m.w.N.).
Die Erhebung der Samtgemeindeumlage durch Samtgemeinden nach § 76 Abs. 2 der Niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO) fällt jedoch aus dem Gewährleistungsbereich von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG heraus. Zwar gilt die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung auch im Verhältnis zwischen Ortsgemeinde und Verbandsgemeinde (Urteil vom 27. Januar 1984 – BVerwG 8 C 128.81 – Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 45 S. 28 ≪29 f.≫). Dieser Schutz greift gegenüber Eingriffen, die staatlicherseits zugunsten von Gemeindeverbänden vorgenommen werden, wie etwa bei Aufgabenverlagerungen des Zuständigkeiten verteilenden staatlichen Gesetzgebers auf die Landkreise (vgl. BVerfGE 79, 127 ≪150 f.≫). Art. 28 Abs. 2 GG wendet sich nach seinem Wortlaut und seiner systematischen Stellung im Grundgesetz (Abschnitt “II. Der Bund und die Länder”) an die Länder, deren verfassungsgemäße Ordnungen gemäß Art. 28 Abs. 3 GG den Bestimmungen des Absatzes 2 zu entsprechen haben. Soweit im interkommunalen Bereich die Gemeinden ihre aus der Selbstverwaltungsgarantie fließende Planungshoheit gegen Nachbargemeinden in Stellung bringen dürfen, durch deren Bauleitplanungen sie sich betroffen fühlen, wird diese Drittwirkung nicht Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, sondern der einfach-gesetzlichen Norm von § 2 BauGB entnommen (vgl. Urteil vom 15. Dezember 1989 – BVerwG 4 C 36.86 – BVerwGE 84, 209 ≪215≫). Ob der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie eine interkommunale Geltung unmittelbar zukommt (vgl. Schmidt-Jortzig, Zur Verfassungsmäßigkeit von Kreisumlagesätzen, 1977, S. 18 ff.; Stern, Staatsrecht Bd. 1, 2. Auflage S. 417 f. ≪Stichwort: “Rundumverteidigung”≫ jeweils m.w.N.), kann jedoch dahinstehen. Eine solche “Binnenwirkung der Selbstverwaltungsgarantie” (Faber, in: Alternativkommentar Grundgesetz, Stand August 2002, Art. 28 Abs. 1 II, Abs. 2 Rn. 51) besteht im Verhältnis zwischen den Beteiligten nicht, wie sich aus Folgendem ergibt:
Die Aufgabenstellung der beklagten Samtgemeinde leitet sich – abgesehen von der Erfüllung der Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises der Mitgliedsgemeinden (§ 72 Abs. 2 NGO) – nach § 71 Abs. 1, § 72 Abs. 1 NGO ausschließlich aus den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft seiner Mitglieder ab. Die Beklagte besorgt deren Selbstverwaltungsaufgaben. Diese Tätigkeitsverlagerung beruht auf der Entscheidung der Mitgliedsgemeinde, mit anderen gemäß § 71 Abs. 1 NGO die Samtgemeinde zu bilden. Andere als lokal-örtliche Gemeindeaufgaben – wie etwa regional-örtliche Angelegenheiten – obliegen der Samtgemeinde nicht. Soweit die Beklagte die Aufgaben des eigenen Wirkungskreises nur einer einzelnen Mitgliedsgemeinde erfüllt, liegt dem nach § 72 Abs. 1 Satz 2 NGO das Einvernehmen aller übrigen Mitgliedsgemeinden zugrunde. Diese Abwesenheit von Fremdbestimmtheit und die Freiwilligkeit des Zusammenschlusses machen das Gemeinschaftsverhältnis zwischen Samt- und Mitgliedsgemeinde aus. Sie nehmen ihre Angelegenheiten in demselben Aufgabenbereich wahr, der ihnen insgesamt zusteht. Der durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Aufgabenbestand (“alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft”) und die garantierte Regelungsweise (“in eigener Verantwortung”) kann danach durch den konkreten durch Umlage erfolgten Finanzausgleich nicht nachteilig berührt sein. Besteht ein Aufkommensmangel, so ist er unter ihnen auszugleichen. Dieser interkommunale Lastenausgleich findet seine Rechtfertigung darin, dass die Samtgemeinde die Aufgaben für ihre Mitglieder in deren Einvernehmen erfüllt, die auf diese Weise von eigenen Ausgaben entlastet sind. Solange das Umlageaufkommen im kommunalen Raum verbleibt, sind Einwände aus Art. 28 Abs. 2 GG nicht zu erheben (BVerfGE 83, 363 ≪386≫).
2. Das Oberverwaltungsgericht hat mit seiner Auslegung und Anwendung des Landesrechts nicht gegen den bundesrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen (vgl. auch hierzu das Urteil vom 25. Januar 2006 – BVerwG 8 C 13.05 – a.a.O.). Dessen Anforderungen verlangen vorliegend, dass die Erhebung der konkreten Umlage aus Gründen der Allgemeinheit gerechtfertigt sowie der gewählte Umlagesatz geeignet und erforderlich ist, ferner dass eine Gesamtabwägung zwischen der Belastung für die klagende Mitgliedsgemeinde und dem Gewicht der die Umlage rechtfertigenden Gründe keine Unzumutbarkeit ergibt. Diese Anforderungen sind gewahrt.
Die generelle Notwendigkeit der Erhebung einer Samtgemeindeumlage steht nicht in Zweifel. Die beklagte Samtgemeinde ist nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts neben der Schlüsselzuweisung des Landes auf die Erhebung der ihr nach § 76 Abs. 2 Satz 1 NGO grundsätzlich zustehenden Umlage angewiesen gewesen. Die im Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 1998 festgestellte Unterdeckung im Vermögenshaushalt der Beklagten zeigt dies anschaulich auf.
Gegen den von der Beklagten festgesetzten Hebesatz von 62 % ist aus bundesverfassungsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern. Er entsprach dem des Vorjahres und reichte, was seine Eignung anbelangt, nicht einmal aus, um der Beklagten zu einem ausgeglichenen Vermögenshaushalt zu verhelfen.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fordert auch nicht, zugunsten der Klägerin von vornherein die Höhe der Umlage auf 50 % der Bemessungsgrundlagen für die Kreisumlage festzusetzen. Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, die Qualität der im Streit stehenden Umlage als Instrument des Finanzausgleichs zwischen öffentlichen Aufgabenträgern schließe eine “Frakturlinie” aus, die an den sogenannten Halbteilungsgrundsatz im Vermögensteuerrecht anknüpfe, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Samtgemeindeumlage ist wesentliches Finanzierungselement der Samtgemeinden. Es geht bei ihrer Erhebung nicht um einen staatlichen Zugriff auf grundrechtlich geschütztes Vermögen, um den allgemeinen Finanzbedarf des Staates zu decken, wie das Oberverwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat.
Nach den nicht mit begründeten Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hatte die Beklagte die von ihr wahrgenommenen Aufgaben fehlerfrei mit der Folge erfüllt, dass der daraus resultierende Finanzbedarf der Höhe der Samtgemeindeumlage zugrunde gelegt werden durfte. Soweit die Klägerin in ihrer Revisionsbegründung darauf hinweist, sie habe im Berufungsverfahren auf Einsparpotenziale bei den von der Beklagten unterhaltenen Einrichtungen hingewiesen, liegt darin keine Verfahrensrüge. Das Oberverwaltungsgericht ist auf dieses Vorbringen eingegangen, ist ihm aber aus materiellrechtlichen Gründen nicht gefolgt (vgl. UA S. 13 ff.).
Soweit die Klägerin ferner vorbringt, die Beklagte hätte die Schlüsselzuweisung ausschließlich für sich verwenden müssen, um auf diese Weise den Umlagesatz verringern zu können, wendet sie sich gegen die nicht revisible Auslegung und Anwendung von § 6 des Niedersächsischen Gesetzes über den Finanzausgleich (NFAG). Die Schlüsselzuweisung ergibt sich danach aus der Summe der Steuerkraftmesszahlen der Mitgliedsgemeinden, und die Samtgemeinde ist im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet, mit der Schlüsselzuweisung die Finanzkraft ihrer Mitgliedsgemeinden so auszugleichen, dass diese bei angemessener Ausschöpfung ihrer Einnahmequellen ihre Aufgaben erfüllen können. War danach ein vollständiger Einbehalt der Schlüsselzuweisungen nicht geboten, so ist dieses Ergebnis in die Prüfung der Verhältnismäßigkeit als maßgeblicher Gesichtspunkt einzustellen. Ähnlich verhält es sich mit dem Einwand der Klägerin, den sie im Hinblick auf das finanzrechtliche Instrumentarium der Bedarfszuweisung erhoben hat. Wenn die Klägerin meint, die Beklagte hätte bewusst eine Unterfinanzierung in Kauf nehmen müssen, um Ansprüche gegenüber dem Land Niedersachsen auf Bedarfszuweisung anmelden und gegebenenfalls durchsetzen zu können, so hält sie eine Verhaltensweise für gerechtfertigt, die sich nach Landesrecht beurteilt, sich einer revisionsrechtlichen Überprüfung aber entzieht.
Die aus der Höhe der Samtgemeindeumlage folgende Belastung für den kommunalen Haushalt der Klägerin ergibt, dass diese nach ihrer eigenen Haushaltsplanung in der Lage war, einen, wenn auch geringen, Betrag für freiwillige Selbstverwaltungsangelegenheiten auszugeben. Der Klägerin waren demnach nicht jegliche Mittel zur freien Verfügung entzogen. Demgegenüber musste die Beklagte nach ihrem Haushaltsansatz Kredite von insgesamt 561 300 DM aufnehmen, um zu einem ausgeglichenen Vermögenshaushalt zu gelangen. Der Finanzverbund auf rein kommunaler Ebene und die Gleichwertigkeit der Aufgaben führen dazu, dass zwischen Samt- und Mitgliedsgemeinde eine kommunale Solidarität besteht, die in finanziellen Mangelsituationen eine gemeinsame Lastenteilung abverlangt. Daher sind weitergehende Einschnitte in die Finanzausstattung der einzelnen Mitgliedsgemeinde gerechtfertigt, als sie das Land mit Blick auf Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG vornehmen dürfte.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Gödel, Dr. von Heimburg, Postier, Dr. Hauser
RiBVerwG Dr. Pagenkopf ist wegen Urlaubs verhindert zu unterschreiben.
Gödel
Fundstellen
BVerwGE 2007, 155 |
BayVBl. 2007, 285 |
DVBl. 2007, 258 |
NordÖR 2007, 19 |
UPR 2007, 99 |
FuNds 2007, 339 |
Landkreis 2007, 139 |
NdsVBl. 2007, 97 |
SächsVBl. 2007, 63 |