Entscheidungsstichwort (Thema)
Wein. Weinprüfung. Sinnenprüfung. organoleptische Prüfung. Prüfungskommission. Kollegialentscheidung. Mehrheitsprinzip. Durchschnittsprinzip. Beurteilungsspielraum. maßgeblicher Zeitpunkt. Feststellungsklage. Fortsetzungsfeststellungsklage
Leitsatz (amtlich)
Die Beurteilung der zuständigen Behörde, ob ein Wein in Aussehen, Geruch und Geschmack frei von Fehlern ist, kann vom Gericht nur eingeschränkt überprüft werden (Aufgabe der im Urteil des Senats vom 25. November 1993 – BVerwGE 94, 307 – vertretenen Auffassung).
Aus Gemeinschaftsrecht oder Bundesrecht ergibt sich nicht, ob die Weinprüfungskommission ihre Gesamtbeurteilung nach dem Durchschnitt der Einzelbeurteilungen ihrer Mitglieder oder nach dem Mehrheitsprinzip zu bilden hat.
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 1493/1999 Art. 54-55; Verordnung (EG) Nr. 1607/2000 Art. 8; GG Art. 19 Abs. 4; VwGO §§ 43, 91, 113-114; WeinG § 19; WeinV §§ 21-22, 24-25
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 30.08.2005; Aktenzeichen 7 A 11902/04) |
VG Mainz (Urteil vom 15.07.2004; Aktenzeichen 1 K 367/04) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. August 2005 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I
Der Kläger erzeugt Wein. Mit seiner Klage hat er ursprünglich die Verpflichtung der Beklagten begehrt, ihm eine amtliche Prüfungsnummer für einen bestimmten Wein zu erteilen. Nachdem die Beklagte dem während des Berufungsrechtszugs entsprochen hat, begehrt er noch die Feststellung, dass die vorherige Weigerung der Beklagten rechtswidrig gewesen sei.
Abgefüllter inländischer Wein darf als Qualitätswein b.A. nur bezeichnet werden, wenn für ihn eine amtliche Prüfungsnummer zugeteilt worden ist. Das setzt unter anderem voraus, dass der Wein in Aussehen, Geruch und Geschmack frei von Fehlern ist. Hierzu wird eine Sinnenprüfung durch eine Kommission aus mehreren Sachverständigen durchgeführt. Dabei muss der Wein in den Merkmalen Geruch, Geschmack und Harmonie jeweils mindestens 1,5 Punkte und im Durchschnitt der Bewertungen für alle drei Merkmale – als sog. Qualitätszahl – 1,50 Punkte erzielen.
Im März 2004 stellte der Kläger 5 100 Liter Spätburgunder Rotwein des Jahrgangs 2003 als Spätlese zur Prüfung an. Mit Bescheid vom 15. März 2004 lehnte die Beklagte die Erteilung einer amtlichen Prüfungsnummer ab, weil der Wein nicht fehlerfrei sei; ein böckserähnlicher Fremdton sei sensorisch wahrnehmbar. Die Sachverständigen hätten den Wein im Durchschnitt nur mit der Qualitätspunktzahl 0,88 bewertet. Zwei von vier Prüfern hatten dem Wein in allen drei Merkmalen ebenso wie als Qualitätszahl 0 Punkte erteilt, der dritte Prüfer jeweils 1,5 Punkte und der vierte Prüfer jeweils 2 Punkte.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. März 2004 zurück. Der Wein sei als biologisch nachteilig verändert beurteilt worden. Er habe bei einer erneuten Sinnenprüfung im Durchschnitt aller Prüfer nur die Qualitätszahl 0,90 erreicht. Zwei von fünf Prüfern hatten dem Wein in allen Merkmalen ebenso wie als Qualitätszahl 0 Punkte, die anderen drei Prüfer hingegen jeweils 1,5 Punkte erteilt.
Mit seiner Klage hat der Kläger Privatgutachten vorgelegt, die seinen Wein als fehlerfrei ansehen. Er hat geltend gemacht, die Prüfer der Beklagten hätten zu Unrecht Charakteristika des Jahrgangs 2003 als Fehler angesehen. Behörde und Gericht seien aber an die Kommissionsbewertung nicht gebunden, sondern müssten ein eigenes Urteil fällen. Hierbei müsse den Ausschlag geben, dass der Wein in beiden Kommissionen von der Mehrzahl der Prüfer akzeptiert worden sei. Hilfsweise sei eine sachverständige Prüfung durch eine unabhängige Stelle vorzunehmen. Die Beklagte hat entgegnet, nach der einschlägigen Verwaltungsvorschrift des Landes komme es nicht auf die Mehrheit der Prüfer, sondern auf den Durchschnitt ihrer Bewertungen an.
Das Verwaltungsgericht Mainz hat die Beklagte mit Urteil vom 15. Juli 2004 verpflichtet, die amtliche Prüfungsnummer zu erteilen. Entscheidend sei, dass der Wein nach dem mehrheitlichen Urteil der Sachverständigen im Widerspruchsverfahren die erforderlichen Mindestwerte erreicht habe.
Das Berufungsgericht hat am 19. April 2005 die Durchführung einer erneuten Sinnenprüfung beschlossen. Damit hat es das Weinbauamt Neustadt a.d.W. beauftragt. Die Prüfung ist am 12. Mai 2005 durchgeführt worden. Sie hat eine durchschnittliche Qualitätszahl aller Prüfervoten von 2,71 erbracht. Daraufhin hat die Beklagte die begehrte amtliche Prüfungsnummer erteilt.
Der Kläger hat sein Verpflichtungsbegehren für erledigt erklärt und nunmehr die Feststellung begehrt, dass die Versagung der amtlichen Prüfungsnummer rechtswidrig gewesen sei. Er sei mehr als ein Jahr lang an einer Vermarktung seines Weines gehindert gewesen und beabsichtige, die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Außerdem sei mit einer Fortsetzung der strittigen Praxis der Beklagten zu rechnen.
Mit Urteil vom 30. August 2005 hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Anders als bei der jetzt erledigten Verpflichtungsklage sei der Beurteilung der Fortsetzungsfeststellungsklage der Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung zugrunde zulegen; denn der Kläger begehre die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines in der Vergangenheit liegenden Behördenhandelns. Die versagenden Bescheide seien formell rechtmäßig. Zwar sei die Verwaltungsvorschrift des Landes im Außenverhältnis zum Kläger nicht verbindlich. Ihr liege aber ein zutreffendes Verständnis des Weinrechts zugrunde. Dessen Auslegung ergebe, dass das Ergebnis der Prüfung der sensorischen Merkmale von Weinen durch die Bildung eines Mittelwertes aus den Bewertungen aller Prüfer (Durchschnittsverfahren) festzustellen sei. Das folge schon daraus, dass die Vorgabe, die sensorischen Merkmale anhand einer von 0 bis 5 reichenden Punkteskala zu bewerten, bei einem bloßen Mehrheitsverfahren sinnlos wäre. Es entspreche auch allein dem Zweck einer Kommissionsprüfung, die zwangsläufige Subjektivität der Bewertung einzelner Prüfer im Wege der Mittelung mehrerer Bewertungen möglichst zurückzudrängen. Dagegen könne nicht eingewendet werden, ein einzelner Prüfer habe es in der Hand, einen von mehreren anderen Prüfern mit der Mindestpunktzahl bewerteten Wein unter die Bestehensgrenze zu ziehen. Ein derartiger Wein sei ohnehin “grenzwertig”; ihm die Anerkennung zu versagen, lasse sich nicht beanstanden. Für seine andere Auffassung berufe sich das Verwaltungsgericht zu Unrecht auf das Demokratieprinzip. Dieses finde auf Verwaltungstätigkeiten, die nach rechtlichen Kriterien auszuführen seien, von vornherein keine Anwendung, zumal die sensorische Prüfung hier ohnehin lediglich entscheidungsvorbereitenden Charakter habe. Auch ein Verstoß gegen Art. 12 GG lasse sich nicht feststellen. Die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage sei hinlänglich bestimmt, die Regelung auch inhaltlich durch die Belange der Qualitätssicherung bei Weinen und des Verbraucherschutzes gerechtfertigt. Die versagenden Bescheide seien auch in der Sache nicht zu beanstanden. Insbesondere könne nicht festgestellt werden, dass die zugrundeliegenden Sinnenprüfungen sachlich falsch gewesen seien. Das ergebe sich weder aus den vom Kläger beigebrachten Privatgutachten, deren regelgerechte Erstellung nicht dargetan sei, noch aus der gerichtlichen Beweisaufnahme, deren Abweichung durchaus auf die jeweilige Subjektivität sowie vor allem darauf zurückzuführen sei, dass der geprüfte Wein sich in der Zwischenzeit verändert habe. Aus diesem Grunde scheide auch eine nochmalige, nunmehr rückschauende Beweisaufnahme aus.
Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Revision führt der Kläger aus: Nach allgemeiner Auffassung komme es für den Erfolg einer Fortsetzungsfeststellungsklage auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erledigung an. Dass das Berufungsgericht stattdessen auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abgestellt habe, sei überraschend erfolgt. Damit stehe auch in Widerspruch, dass für die zur Entscheidung über das Verpflichtungsbegehren durchgeführte Beweisaufnahme der gegenwärtige Zeitpunkt zugrunde gelegt worden sei. Selbst wenn es auf den Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung ankommen sollte, so sei der zur Prüfung angestellte Wein doch fehlerfrei. Das ergebe sich schon aus der nur vierzehn Monate später durchgeführten Beweisaufnahme; die Annahme des Berufungsgerichts, der Wein habe sich verändert, sei sachlich falsch und verfahrensfehlerhaft, nämlich unter Übergehen eines Beweisantritts für das Gegenteil erfolgt. Es ergebe sich auch aus allgemeinen Beweisgrundsätzen; die Beklagte habe einen zeitnahen Beweis der Fehlerfreiheit in der ersten Instanz vereitelt und trage deshalb jedenfalls die Beweislast. Es ergebe sich schließlich daraus, dass der Wein im Widerspruchsverfahren von der Mehrzahl der Prüfer für fehlerfrei erachtet wurde. Bis 2003 habe Rheinland-Pfalz zutreffend das Mehrheitsprinzip zugrunde gelegt. Dass das Land 2003 zum Durchschnittsprinzip übergegangen sei, sei mit höherrangigem Recht unvereinbar, wie das Verwaltungsgericht erkannt und ausführlich begründet habe.
Die Beklagte ist der Revision entgegengetreten. Sie meint, die Klage sei zu keinem Zeitpunkt begründet gewesen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sei die amtliche Weinprüfung im gerichtlichen Verfahren nur eingeschränkt überprüfbar. Die hier in Rede stehende Weinprüfung sei aber in diesem eingeschränkten Umfang nicht zu beanstanden. Das gelte auch für die Regeln, nach denen die einzelnen Prüfervoten zu einer Gesamtqualitätszahl für den Wein zusammengeführt worden seien. Das Land Rheinland-Pfalz habe sich im Rahmen seines Verfahrensermessens für eine Mittelung der einzelnen Prüfervoten entschieden. Dass hiergegen keine rechtlichen Einwände erhoben werden könnten, habe das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision erweist sich im Ergebnis als unbegründet.
1. Das Berufungsgericht hat den zuletzt gestellten Sachantrag des Klägers dahin verstanden, dieser begehre die Feststellung, dass die Versagung der amtlichen Prüfungsnummer im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides rechtswidrig gewesen sei. Damit hat es das Klageziel zutreffend erfasst (§ 88 VwGO). Mit seiner Revision hat der Kläger zunächst gerügt, sein Feststellungsbegehren habe in Wahrheit auf den Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses abgezielt. Diese Rüge hat er mit Recht fallen gelassen; sie wäre seinem eigenen Begehren nicht gerecht geworden.
Nachdem die Beklagte während des Berufungsverfahrens die amtliche Prüfungsnummer erteilt hatte, hat der Kläger sein ursprüngliches Verpflichtungsbegehren für erledigt erklärt und ist zu einem Feststellungsbegehren übergegangen. Er hat hierzu selbst den Antrag formuliert, festzustellen, dass die Versagung der amtlichen Prüfungsnummer mit dem Bescheid des Beklagten vom 15. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2004 rechtswidrig gewesen sei; in dieser – rückschauenden – Fassung hat das Berufungsgericht den Antrag auch protokolliert. Sein Interesse an einer gerichtlichen Feststellung hat der Kläger in erster Linie daraus hergeleitet, er wolle von der Beklagten Ersatz des Schadens verlangen, der durch die um über ein Jahr verzögerte Erteilung der Prüfungsnummer verursacht worden sei. Ein derartiger Schadensersatzanspruch setzte aber voraus, dass die Beklagte die Prüfungsnummer schon im März 2004 hätte erteilen müssen. Mit einer gerichtlichen Feststellung, die nicht diesen Zeitpunkt, sondern den Zeitpunkt der Erledigung beträfe, wäre dem Kläger nicht gedient. Dann nämlich hätte nicht festgestanden, dass die Beklagte die Prüfungsnummer rechtswidrig erst um ein Jahr verzögert erteilt habe, wie der Kläger geltend macht.
2. Das Berufungsgericht hat die Feststellungsklage für zulässig erachtet. Auch dies erweist sich im Ergebnis als richtig.
a) Der Kläger ist nach Erledigung seines ursprünglichen Verpflichtungsbegehrens zur Feststellungsklage übergegangen. Das Berufungsgericht hat dies als ohne weiteres zulässig erachtet, weil dem Kläger die Erleichterung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zugute komme, und hat demzufolge nicht geprüft, ob die Voraussetzungen vorliegen, an die § 91 VwGO die Zulässigkeit einer Klageänderung knüpft. Das ist zweifelhaft.
Der Übergang von einem Verpflichtungs- zu einem Feststellungsbegehren nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO setzt voraus, dass der Streitgegenstand nicht ausgewechselt oder erweitert wird. Das ergibt sich aus dem Zweck, dem die Fortsetzungsfeststellungsklage dient. Sie soll verhindern, dass ein Kläger, der infolge eines erledigenden Ereignisses seinen ursprünglichen, den Streitgegen stand kennzeichnenden Antrag nicht weiterverfolgen kann, um die “Früchte” der bisherigen Prozessführung gebracht wird. Er darf daher das in der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage subsidiär enthaltene Feststellungsbegehren als Hauptantrag fortführen, wenn er ein entsprechendes Feststellungsinteresse vorweisen kann. Ohne weiteres zulässig ist eine solche Fortsetzungsfeststellungsklage mithin nur, wenn der Streitgegenstand von dem bisherigen Antrag umfasst war (Urteil vom 24. Januar 1992 – BVerwG 7 C 24.91 – BVerwGE 89, 354 ≪355≫ m.w.N.).
Daran fehlt es, wenn das ursprüngliche Verpflichtungsbegehren einen anderen Zeitpunkt betrifft als das spätere Feststellungsbegehren. Bestandteil des Streitgegenstands der Verpflichtungsklage ist nicht die Feststellung, dass der Verwaltungsakt, in dem die Ablehnung nach außen Gestalt gefunden hat, rechtswidrig ist, sondern die Feststellung, dass die Weigerung der Behörde in dem für das Verpflichtungsbegehren entscheidenden Zeitpunkt, den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen, die Rechtsordnung verletzt. Eine Weiterführung des Verfahrens mit dem Antrag, der ablehnende Bescheid sei rechtswidrig gewesen, ist daher auf der Grundlage des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nur zulässig, wenn der für eine solche Feststellung maßgebliche Zeitpunkt sich mit dem des bisherigen Verpflichtungsbegehrens deckt. Andernfalls geht der Fortsetzungsfeststellungsantrag über den ursprünglichen Streitgegenstand hinaus. Richtet sich nach dem einschlägigen materiellen Recht die Begründetheit der Verpflichtungsklage nach dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, so muss auch der Fortsetzungsfeststellungsantrag diesen Zeitpunkt betreffen (Urteil vom 24. Januar 1992 a.a.O. S. 356). Weicht der Feststellungsantrag hiervon ab, so ist er nicht schon nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig. Vielmehr liegt dann eine Klageänderung vor, die nur unter den Voraussetzungen des § 91 VwGO zulässig ist (Urteil vom 28. April 1999 – BVerwG 4 C 4.98 – BVerwGE 109, 74 ≪78 ff.≫ m.w.N.).
Im vorliegenden Fall ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass sich die Begründetheit des ursprünglichen Verpflichtungsbegehrens nach dem Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung richtete (vgl. Urteil vom 25. November 1993 – BVerwG 3 C 38.91 – BVerwGE 94, 307 ≪315 f.≫). Dementsprechend betraf seine Beweisaufnahme die Sachlage zu diesem Zeitpunkt. Der Feststellungsantrag des Klägers betraf demgegenüber den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. oben 1.). Vom Ausgangspunkt des Berufungsgerichts aus lag mithin kein Übergang zu einer Fortsetzungsfeststellungsklage, sondern eine Klageänderung vor. Diese war gleichwohl zulässig. Die Voraussetzungen des § 91 VwGO lagen ersichtlich vor. Die Beklagte hat sich auf den veränderten Klageantrag widerspruchslos eingelassen; zudem war die Änderung zweifellos sachdienlich.
b) Die geänderte Klage ist auch zulässig. Insbesondere hat der Kläger ein berechtigtes Interesse an der zuletzt noch begehrten Feststellung, dass die Versagung der amtlichen Prüfungsnummer rechtswidrig gewesen sei (§ 43 Abs. 1 VwGO). Ob dies der Fall ist, hat das Gericht – auch das Revisionsgericht – in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Die Beteiligten streiten vor allem um die Frage, ob einem Wein die amtliche Prüfungsnummer versagt werden darf, wenn bei der Sinnenprüfung der Durchschnitt aller Prüferbewertungen für ein sensorisches Prüfungsmerkmal oder für die Qualitätszahl unter 1,5 Punkten liegt, selbst wenn eine Mehrzahl der Prüfer für jedes sensorische Prüfungsmerkmal und als Qualitätszahl jeweils zumindest die Mindestpunktzahl erteilt hat. Dieser Dissens betrifft – fallübergreifend – die vergangene wie die künftige Verwaltungspraxis der Beklagten; es erscheint nicht als ausgeschlossen, sondern liegt umgekehrt nahe, dass er sich auch in einem künftigen Verfahren zwischen den Beteiligten erneut auswirkt. Der Kläger besitzt mithin ein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Klärung, auch unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr.
3. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger den Nachweis, dass sein Wein – entgegen den Versagungsbescheiden der Beklagten – fehlerfrei gewesen sei, nicht geführt habe und wegen der Veränderlichkeit des Weines nicht mehr führen könne. Hierbei ist es davon ausgegangen, dass die Frage, ob der Wein fehlerfrei ist, der uneingeschränkten richterlichen Überprüfung unterliegt. Das steht mit europäischem Gemeinschaftsrecht und Bundesrecht nicht im Einklang.
a) Nach Art. 54 Abs. 1, Art. 55 Abs. 2 sowie Anhang VI Abschnitt J Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1493/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Wein (ABl Nr. L 179 S. 1) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1795/2003 der Kommission vom 13. Oktober 2003 (ABl Nr. L 262 S. 13) sind die Erzeuger verpflichtet, Weine, für die sie die Bezeichnung Qualitätswein b.A. beanspruchen, einer analytischen und einer organoleptischen Prüfung zu unterwerfen. Die organoleptische Prüfung (sensorische oder Sinnenprüfung) erstreckt sich auf Farbe, Klarheit, Geruch und Geschmack. Nach Art. 8 Abs. 4 der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 1607/2000 der Kommission vom 24. Juli 2000 (ABl Nr. L 185 S. 17) kann ein Wein nur dann als Qualitätswein b.A. eingestuft werden, wenn bei der organoleptischen Prüfung festgestellt wird, dass der Wein die geforderten Eigenschaften aufweist.
Diese gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben greift das deutsche Weinrecht auf. Nach § 19 Abs. 1 des Weingesetzes (WeinG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Mai 2001 (BGBl I S. 985), für den hier maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 8. August 2002 (BGBl I S. 3116), darf abgefüllter inländischer Wein als Qualitätswein b.A. nur bezeichnet werden, wenn für ihn eine amtliche Prüfungsnummer zugeteilt worden ist. Das geschieht nach § 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WeinG nur dann, wenn das Erzeugnis den Vorschriften der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft, dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen entspricht. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Verordnung zur Durchführung des Weingesetzes (Weinverordnung – WeinV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Mai 2002 (BGBl I S. 1583), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 13. April 2007 (BGBl I S. 494), wird eine Prüfungsnummer einem Qualitätswein b.A. zugeteilt, wenn er in Aussehen, Geruch und Geschmack frei von Fehlern ist. Mit “Aussehen” ist Farbe und Klarheit gemeint. Damit weicht die Verordnung nicht von den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben ab; das wäre auch unzulässig.
Dieselben Anforderungen gelten, wenn ein Wein als Qualitätswein mit Prädikat in Verbindung etwa – wie hier – mit dem Begriff Spätlese bezeichnet werden soll. Nach § 20 Abs. 1 WeinG setzt auch dies die Zuteilung einer amtlichen Prüfungsnummer voraus. Damit nimmt das Gesetz die hierfür in § 19 WeinG bestimmten Voraussetzungen in Bezug. Zusätzlich muss einem solchen Wein das Prädikat zuerkannt werden. Die hierfür besonderen Voraussetzungen sind in § 20 WeinG im Einzelnen festgelegt.
b) Die Beurteilung der zuständigen Behörde, ob ein Wein in Aussehen, Geruch und Geschmack frei von Fehlern ist, kann vom Gericht nur eingeschränkt überprüft werden. An seiner im Urteil vom 25. November 1993 – BVerwG 3 C 38.91 – a.a.O.) geäußerten abweichenden Auffassung hält der Senat nach nochmaliger Überprüfung nicht fest.
aa) Allerdings gebietet Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, dass die Gerichte die Verwaltungstätigkeit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht grundsätzlich vollständig nachprüfen (BVerfG, Beschlüsse vom 5. Februar 1963 – 2 BvR 21/60 – BVerfGE 15, 275 ≪282≫, vom 22. Oktober 1986 – 2 BvR 197/83 – BVerfGE 73, 339 ≪373≫ und vom 17. April 1991 – 1 BvR 419/81 u.a. – BVerfGE 84, 34 ≪49≫). Das gilt auch im Anwendungsbereich relativ unbestimmter Gesetzestatbestände und -begriffe. Der Gesetzgeber kann freilich der Verwaltung für bestimmte Fälle einen Beurteilungsspielraum einräumen und damit anordnen, dass sich die gerichtliche Nachprüfung auf die Einhaltung der rechtlichen Grenzen dieses Spielraums zu beschränken habe. Ob das Gesetz eine solche Beurteilungsermächtigung enthält, ist durch Auslegung des jeweiligen Gesetzes zu ermitteln (BVerwG, Urteile vom 7. November 1985 – BVerwG 5 C 29.82 – BVerwGE 72, 195 ≪199≫, vom 10. November 1988 – BVerwG 3 C 19.87 – BVerwGE 81, 12 ≪17≫, vom 25. November 1993 – BVerwG 3 C 38.91 – a.a.O. S. 309 und vom 21. Dezember 1995 – BVerwG 3 C 24.94 – BVerwGE 100, 221 ≪225≫).
Das Bundesverwaltungsgericht hat Gesetzen unter anderem dann eine Beurteilungsermächtigung für die Verwaltung entnommen, wenn der zu treffenden Entscheidung in hohem Maße wertende Elemente anhaften und das Gesetz für sie deshalb ein besonderes Verwaltungsorgan für zuständig erklärt, das weisungsfrei, mit besonderer fachlicher Legitimation und in einem besonderen Verfahren entscheidet; dies zumal dann, wenn es sich um ein Kollegialorgan handelt, das mögliche Auffassungsunterschiede bereits in sich zum Ausgleich bringt und die zu treffende Entscheidung damit zugleich versachlicht (BVerwG, Urteile vom 16. Dezember 1971 – BVerwG 1 C 31.68 – BVerwGE 39, 197 ≪203≫, vom 13. Dezember 1979 – BVerwG 5 C 1.79 – BVerwGE 59, 213 ≪217≫, vom 7. November 1985 – BVerwG 5 C 29.82 – BVerwGE 72, 195 ≪201≫ und vom 26. November 1992 – BVerwG 7 C 20.92 – BVerwGE 91, 211 ≪215 f.≫).
bb) So liegt der Fall hier. Die Entscheidung, ob ein Wein die sensorischen Voraussetzungen für einen Qualitätswein b.A. erfüllt, erfordert hohe Sachkunde, die nur durch fachliche Schulung sowie langjährige Erfahrung gewonnen werden kann. Deshalb kann sie regelmäßig nicht ohne Hinzuziehung von Sachverständigen getroffen werden; das gilt für die Behörde wie für ein Gericht. Auch Sachverständige können ihre Beurteilung von subjektiv-wertenden Elementen nicht völlig freihalten. Das rechtfertigt es – legt es sogar nahe –, die Prüfung nicht einem einzelnen Sachverständigen, sondern einem mehrköpfigen Gremium anzuvertrauen, damit Subjektivismen weitgehend neutralisiert werden und die Entscheidung insgesamt versachlicht wird. Schließlich mögen subjektive Wertungen auch von der Funktion oder Rolle abhängig sein, die der einzelne Sachverständige im Weinmarkt einnimmt, indem er sich eher den Erzeugern, den Verbrauchern oder der staatlichen Aufsicht zugehörig fühlt. Mit Rücksicht hierauf empfiehlt sich, das Sachverständigenkollegium entsprechend pluralistisch zusammenzusetzen.
Ersichtlich im Anschluss an solche Erwägungen schreibt Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1607/2000 vor, dass mit der organoleptischen Prüfung Kommissionen zu beauftragen sind, in denen die interessierten Parteien angemessen vertreten sein müssen. Dementsprechend ermächtigt § 25 Abs. 2 WeinV die Länder, für die Sinnenprüfung Kommissionen vorzusehen. Angesichts der zwingenden gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe steht es – entgegen dem Wortlaut dieser Vorschrift – nicht im Belieben der Länder, von der Bestellung derartiger Kommissionen abzusehen. So werden im Land Rheinland-Pfalz für die Durchführung der Sinnenprüfung Kommissionen gebildet, denen einzeln bestellte Sachverständige aus der Wein- und Schaumweinwirtschaft, der öffentlichen Verwaltung, der Weinbauberatung und dem Kreis der Verbraucherinnen und Verbraucher angehören (Ziff. 3.3 der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau vom 28. April 2003, MinBl S. 338 – im Folgenden: VwV-Weinprüfung).
Das geltende Recht weist den Kommissionen die Entscheidung, ob der Wein hinsichtlich Aussehen (Farbe und Klarheit), Geruch und Geschmack frei von Fehlern ist, selbst zu. Die Kommissionen erstatten nicht lediglich ein Gutachten für die Entscheidung der Behörde. Auch dies ergibt sich schon aus dem Gemeinschaftsrecht. Nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1607/2000 müssen die in den Mitgliedstaaten gebildeten Kommissionen mit der organoleptischen Prüfung “beauftragt werden”. Damit wäre nicht vereinbar, wenn die eigentliche Prüfungsentscheidung nicht den Kommissionen, sondern der zuständigen Verwaltungsbehörde obläge. Das deutsche Weinrecht kann und muss so ausgelegt werden, dass es mit diesen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben übereinstimmt. Zwar obliegt die Entscheidung, ob die amtliche Prüfungsnummer zugeteilt wird, der nach dem Landesrecht zuständigen Stelle (§ 25 Abs. 1 Satz 1 WeinV), in Rheinland-Pfalz der Beklagten, und damit einer Verwaltungsbehörde. Diese erlässt den Verwaltungsakt nach außen gegenüber dem Antragsteller. Sie trifft ihre Entscheidung jedoch – neben den anderen (formalen und analytischen) Voraussetzungen – nach dem Ergebnis der Sinnenprüfung (§ 24 Abs. 1 Satz 2 WeinV). Sie ist damit insoweit an die Entscheidung der Prüfungskommission gebunden und darf dem Wein bei negativem Prüfungsergebnis die amtliche Prüfungsnummer nicht erteilen, bei positivem Prüfungsergebnis nicht mit der Begründung versagen, die sensorischen Voraussetzungen lägen nicht vor.
Hiergegen kann nicht eingewendet werden, dass die Behörde eine andere Einstufung als die beantragte vornehmen (§ 24 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 WeinV) und eine nochmalige oder eine weitergehende Untersuchung veranlassen kann (§ 24 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 WeinV). Die Ermächtigung, eine andere Einstufung als die beantragte vorzunehmen, betrifft wiederum nur das Außenverhältnis zum Antragsteller; zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen dies zulässig ist und welche Stelle diese Voraussetzungen zu prüfen hat, ist damit nichts gesagt. Und dass die Behörde eine nochmalige oder eine weitergehende Untersuchung veranlassen kann, spricht nicht gegen die hier vertretene Auslegung, sondern bestätigt sie gerade. Die Behörde muss prüfen, ob die Sinnenprüfung durch die Kommission nach sachlicher Grundlage, Methode und Verfahren fehlerfrei durchgeführt wurde. Ihre Nachprüfungspflicht deckt sich insofern mit dem Umfang der gerichtlichen Überprüfbarkeit (vgl. unten c). Bietet diese Nachprüfung Anlass zur Beanstandung, so hat die Behörde eine nochmalige Untersuchung zu veranlassen. Sie hat die nochmalige Sinnenprüfung nicht etwa selbst vorzunehmen, sondern kann die Sache nur an dieselbe Sachverständigenkommission zurückgeben oder einer anderen unterbreiten. Das entspricht auch der Praxis der Beklagten. Wird ein Wein von der Kommission als fehlerhaft abgelehnt, so überprüft sie nach ihrem Bekunden unter anderem, ob die eingereichte Flaschenprobe für die Gesamtmenge Weines repräsentativ war oder an einem untypischen Fehler (etwa Korkgeschmack) leidet. Damit sucht sie nicht die Sinnenprüfung der Kommission selbst nachzuvollziehen, sondern prüft lediglich, ob die Entscheidung der Kommission auf einer zureichenden sachlichen Grundlage beruht.
cc) Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1607/2000 ist gültiges Recht. Die Zweifel, die der Senat in seinem Urteil vom 25. November 1993 (a.a.O. S. 312 f.) gegen die Gültigkeit der Vorgängerbestimmung des Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2236/73 vom 16. August 1973 (ABl Nr. L 229 S. 26) erhoben hatte, lassen sich auf das hier anzuwendende Recht nicht übertragen. Die Verordnung (EWG) Nr. 2236/73 war bei ihrem Erlass gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 817/70 des Rates vom 28. April 1970 zur Festlegung besonderer Vorschriften für Qualitätsweine bestimmter Anbaugebiete (ABl Nr. L 99 S. 20). An deren Stelle ist später die Verordnung (EWG) Nr. 823/87 des Rates vom 16. März 1987 (ABl Nr. L 84 S. 59) getreten. Nach deren Art. 13 Abs. 1 sind die Erzeuger verpflichtet, Weine, auf welche die Bezeichnung Qualitätswein b.A. angewandt werden soll, einer analytischen und einer organoleptischen Prüfung zu unterwerfen. Nach Art. 13 Abs. 2 können die in Absatz 1 genannten Prüfungen durch die von den Mitgliedstaaten bestimmten zuständigen Stellen in Form von Stichproben durchgeführt werden, bis der Rat mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission geeignete Bestimmungen über ihre systematische und allgemeine Durchführung erlassen hat. Hieraus hat der Senat im Urteil vom 25. November 1993 gefolgert, dass der Verordnung (EWG) Nr. 2236/73 die nötige Ermächtigungsgrundlage fehle, weil sie nicht vom Rat, sondern von der Kommission erlassen worden war. Diese Bedenken treffen auf das neue Recht nicht mehr zu. An die Stelle der Verordnung (EWG) Nr. 2236/73 ist mit Wirkung vom 1. August 2000 die Verordnung (EWG) Nr. 1607/2000 getreten. Auch diese Verordnung ist von der Kommission erlassen worden. Die Zuständigkeit der Kommission lässt sich aber nicht länger bezweifeln. Die Befugnis zum Erlass von Durchführungsbestimmungen ergibt sich nunmehr aus Art. 58 der Verordnung (EG) Nr. 1493/1999 der Rates, die mit Wirkung vom 1. August 2000 unter anderem die Verordnung (EWG) Nr. 823/87 abgelöst hat. Hiernach werden die Durchführungsbestimmungen zu dem Titel “Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete” und dem zugehörigen Anhang VI nach dem Verfahren des Artikels 75, also von der Kommission nach vorheriger Beteiligung des Verwaltungsausschusses für Wein festgelegt (vgl. Art. 202 dritter Spiegelstrich, Art. 211 vierter Spiegelstrich EG).
dd) Die Annahme eines gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar.
Ein Verstoß gegen primäres Gemeinschaftsrecht ist nicht ersichtlich. Nach Art. 6 Abs. 2 EUV achtet die Europäische Union die Grundrechte, wie sie in der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben. Art. 6, 13 EMRK gewährleisten einen Anspruch jedes Gemeinschaftsbürgers auf effektiven Rechtsschutz. Deshalb müssen Entscheidungen, die die Behörden der Mitgliedstaaten treffen, mit einem gerichtlichen Rechtsbehelf anfechtbar sein, der es erlaubt, die Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht zu überprüfen (Calliess/Ruffert, Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 2. Aufl. 2002, Rn. 198 ff. zu Art. 6 EUV m.w.N.). Das ist hier zweifelsfrei gewährleistet, weil sich der Beurteilungsspielraum im Kern bereits aus dem Gemeinschaftsrecht selbst ergibt. Inwiefern sich aus dem Gemeinschaftsgrundrecht auf effektiven Rechtsschutz auch Schranken für den Gemeinschaftsgesetzgeber selbst ergeben, ist bislang nicht geklärt. Deswegen braucht die Sache aber nicht dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt zu werden. Die Gemeinschaftsgrundrechte speisen sich vor allem aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten (Art. 6 Abs. 2 EUV). Es spricht daher alles dafür, dass das Gemeinschaftsgrundrecht auf effektiven Rechtsschutz jedenfalls nicht weiter reicht als das deutsche Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG.
Die Einräumung eines gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums für die Sinnenprüfung von Wein (allein) durch den deutschen Gesetzgeber wäre aber mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar. Wie gezeigt, gebietet Art. 19 Abs. 4 GG die grundsätzlich vollständige gerichtliche Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Dieser Grundsatz ist jedoch Ausnahmen zugänglich (BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1999 – 1 BvR 385/90 – BVerfGE 101, 106 ≪124≫). Dabei ist freilich zu beachten, dass der Gesetzgeber eine Beurteilungsermächtigung nur in engen Grenzen und nur aus guten Gründen vorsehen darf (BVerfG, Beschlüsse vom 28. Juni 1983 – 2 BvR 539/80 u.a. – BVerfGE 64, 261 ≪279≫ und vom 17. April 1991 – 1 BvR 419/81 – a.a.O. S. 50).
Solche guten Gründe liegen hier vor. Die behördliche Entscheidung, ob ein Wein den sensorischen Anforderungen entspricht, wäre im gerichtlichen Verfahren in ihrem sachlich-fachlichen Kern ohnehin nicht überprüfbar. Zum einen gilt der Umstand, dass die Behörde die eigentliche Prüfungsentscheidung aus zwingenden sachlichen Gründen nicht selbst treffen kann, sondern einem Sachverständigen (oder einer Sachverständigenkommission) überlassen muss, in gleicher Weise für das Gericht: Auch das Gericht könnte, wenn der zuständige Richter nicht zufällig selbst Weinkenner ist, die eigentliche Prüfungsentscheidung nicht selbst treffen oder auch nur selbst nachvollziehen, sondern müsste sie einem (oder mehreren) Sachverständigen anvertrauen; der Grundsatz des Prozessrechts, dass die Beweisaufnahme dem Gericht selbst obliegt und dass ein Sachverständigengutachten dem Gericht lediglich die Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen vermittelt, ließe sich hier nicht einmal ansatzweise verwirklichen. Zum anderen ist in Rechnung zu stellen, dass Wein sich verändert. Die behördliche Prüfungsentscheidung lässt sich daher mit zunehmendem zeitlichem Abstand immer weniger nachvollziehen. Auch aus diesem Grunde könnte die behördliche Entscheidung in ihrem sachlich-fachlichen Kern im Prozess nur bedingt – und mit zunehmender Prozessdauer immer weniger – nachgeprüft werden.
Nach allem erscheint die Verkürzung des Rechtsschutzes durch hinlängliche Gründe gerechtfertigt. Ihre Verhältnismäßigkeit kann umso weniger bezweifelt werden, als der Wein, wenn ein Antrag auf Zuteilung einer Prüfungsnummer abgelehnt oder mit Auflagen beschieden wurde, gemäß § 22 Abs. 3 WeinV nach Ablauf der Widerspruchs- oder Klagefrist erneut zur Qualitätsprüfung angestellt werden darf. Einem erneuten Antrag kann mithin die Bestandskraft eines Ablehnungsbescheides nicht entgegengehalten werden. Dabei versteht sich von selbst, dass ein erneuter Antrag nach Ablauf der Widerspruchs- oder Klagefrist auch dann gestellt werden darf, wenn der Antragsteller innerhalb dieser Frist Widerspruch eingelegt oder Klage erhoben hat. § 22 Abs. 3 WeinV besagt nicht, dass die erneute Sinnenprüfung erst nach der Unanfechtbarkeit des ersten Bescheides zulässig ist. Eine solche Regelung wäre mit der Rechts weggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG schwerlich zu vereinbaren; denn sie zwänge den Antragsteller, auf Rechtsbehelfe gegen die erste Entscheidung zu verzichten, um überhaupt innerhalb angemessener Zeit eine erneute Prüfung zu erreichen. Da die Entscheidungen auf den Zeitpunkt der jeweiligen Sinnenprüfung fixiert sind, drohen durch eine parallele erneute Antragstellung auch keine sich widersprechenden Entscheidungen.
c) Die behördliche Entscheidung, dass ein Wein den Anforderungen an Aussehen, Geschmack und Geruch nicht entspricht, unterliegt mithin nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Das Gericht hat zu überprüfen, ob die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten worden sind, ob die Behörde bzw. ihre Prüfungskommission von einem richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs ausgegangen ist, ob sie ferner den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt hat, ob sie sich des weiteren bei der eigentlichen Beurteilung an allgemein gültige Wertungsmaßstäbe gehalten und schließlich das Willkürverbot nicht verletzt hat (stRspr; vgl. zusammenfassend Urteile vom 26. Juni 1980 – BVerwG 2 C 8.78 – BVerwGE 60, 245 ≪246 f.≫ und vom 3. März 1987 – BVerwG 1 C 16.86 – BVerwGE 77, 75 ≪85≫ sowie Beschlüsse vom 24. Januar 1995 – BVerwG 1 WB 68.94 – BVerwGE 103, 200 ≪204≫ und vom 25. September 2002 – BVerwG 1 WB 27.02 – BVerwGE 117, 81 ≪82≫, jeweils m.w.N.). Auf die – vom Berufungsgericht verneinte – Frage, ob der Kläger den Nachweis der sensorischen Fehlerfreiheit des Weins führen kann, kommt es daher nicht an.
4. Auch im Rahmen der hiernach nur eingeschränkten Nachprüfung musste das Berufungsgericht allerdings feststellen, ob die behördlichen Entscheidungen sowie die ihnen zugrunde liegenden Prüfungsentscheidungen der beiden befassten Sachverständigenkommissionen auf einem fehlerfreien Verfahren beruhen. Das hat das Berufungsgericht bejaht. Namentlich hat es für rechtmäßig erachtet, dass die Prüfungskommission ihre Gesamtbeurteilung in Anwendung von Ziff. 4.2.6.2 zweiter Spiegelstrich der Verwaltungsvorschrift des Landes Rheinland-Pfalz (VwV-Weinprüfung) nach dem Durchschnitt der Einzelbeurteilungen aller ihrer Mitglieder gebildet hat. Das steht mit Bundesrecht und europäischem Gemeinschaftsrecht im Einklang.
a) Das europäische Gemeinschaftsrecht enthält zum Verfahren der Weinprüfungskommissionen keine Vorschriften, sondern überlässt dies den Mitgliedstaaten. Auch das Bundesrecht trifft insofern keine ausdrückliche Regelung. Zwar enthält die Weinverordnung in Anlage 9 Abschnitt II. Bestimmungen zur Bewertung der Sinnenprüfung. Diese legen aber nur die Prüfungsmerkmale und die möglichen Bewertungen einschließlich der jeweils zu erreichenden Mindestbewertung fest, stellen aber nicht in Rechnung, dass die Bewertung einer Mehrzahl von Prüfern obliegt, und enthalten demzufolge keine Bestimmung darüber, auf welche Weise die Bewertungen der einzelnen Prüfer zur Bewertung der Kommission zusammenzuführen sind.
b) Allerdings ist die Bewertung nach dem Gemeinschaftsrecht einer Kommission als einem Kollegium übertragen. Die Kommission muss daher eine Kollegialentscheidung treffen. Diese darf sich grundsätzlich nicht darin erschöpfen, die Bewertungen der einzelnen Prüfer bloß rechnerisch zusammenzufassen. Die Entscheidung obliegt nicht den einzelnen Prüfern je für sich; sie sind vielmehr Teile des Kollegiums und nur als solche zur Bewertung des Weines berufen. Die Bewertungen der einzelnen Prüfer müssen deshalb in sachgemäßer Weise zu einer einheitlichen – wenn auch nicht notwendig einstimmigen – Entscheidung der Kommission integriert werden. Sofern nicht gute Gründe ausnahmsweise anderes rechtfertigen, setzt dies für den Regelfall voraus, dass die Bewertung des Weines in der Kommission erörtert wird.
Das greifen die Bestimmungen über den Ablauf der Bewertung auf. Ziff. 2.b der Anlage 9 Abschnitt II. WeinV sieht vor, dass jedes der drei Prüfmerkmale einzeln zu bewerten und seine Punktzahl niederzuschreiben ist, dass aber nach Bewertung aller Prüfmerkmale die niedergeschriebenen Punktzahlen noch korrigiert werden dürfen. Jeder Prüfer soll sich also zunächst möglichst unbeeinflusst ein vorläufiges Urteil bilden und Punktzahlen für jedes Prüfmerkmal niederschreiben; er soll darauf aber nicht festgelegt sein, sondern sein Urteil später noch ändern dürfen. Die Vorschrift setzt voraus, dass Anlass zu einer solchen Korrektur besteht, und lässt Raum für die Auslegung, dass diesen Anlass eine Erörterung im Kollegium bildet; die Prüfer sollen ihre Werte gerade unter dem Eindruck der Erörterung noch korrigieren dürfen, wie dies etwa in Bayern ausdrücklich vorgesehen ist (§ 11 Abs. 2 der Bekanntmachung der Regierung von Unterfranken betr. die Geschäftsordnung der Qualitätsweinprüfstelle i.d.F. vom 27. Mai 2002, RABl. S. 181) und wie es auch in Rheinland-Pfalz – jedenfalls wenn ein Wein die Mindestpunktzahl verfehlt – nach der Bekundung der Beklagten in gängiger Verwaltungsübung geschieht. Erörterung und Korrektur dienen dazu, die Bewertungen der einzelnen Prüfer abzugleichen und Fehlbeurteilungen auszuschließen und auf dieser Grundlage zu der Bewertung der Kommission zu gelangen.
c) Hieraus lässt sich aber nicht folgern, nach welchen Regeln die Entscheidung der Kommission gebildet werden muss, wenn sich ihre Mitglieder nicht auf eine einheitliche Bewertung verständigen können. Zwar liegt nahe, dass bei Ja-Nein-Entscheidungen, wie sie für die sensorischen Vorbedingungen vorgesehen sind (Ziff. 1 der Anlage 9 Abschnitt II. WeinV), das Mehrheitsprinzip zu gelten hat. Ist hingegen eine Bewertung im Rahmen einer Punkteskala verlangt (Ziff. 2.b der Anlage 9 Abschnitt II. WeinV), so lässt sich die gebotene Integration zu einer einheitlichen Kollegialentscheidung sowohl nach dem Mehrheits- wie nach dem Durchschnittsprinzip bewerkstelligen. Gegen die Wahl des Mehrheitsprinzips ließe sich nicht einwenden, dass dieses mit der Bewertung im Rahmen einer Punkteskala unvereinbar sei; das Mehrheitsprinzip ließe sich nämlich in der Weise anwenden, dass die höchste Punktzahl erteilt ist, die die Mehrzahl der Prüfer mindestens erteilen will. Und gegen die Wahl des Durchschnittsprinzips lässt sich nicht anführen, damit werde einem einzigen Prüfer die Möglichkeit eröffnet, einen Wein scheitern zu lassen, dem alle anderen Prüfer – nur, aber immerhin – die Mindestpunktzahl geben wollen. Es kommt eben nicht auf die Entscheidungen der einzelnen Prüfer, sondern auf die Entscheidung der Kommission an; und bei Geltung des Durchschnittsprinzips ist die Mindestpunktzahl erst erteilt, wenn sie im Durchschnitt der Einzelbewertungen erreicht ist.
Für das Mehrheitsprinzip lässt sich auch nicht anführen, dass die Urteilsfähigkeit eines jeden Prüfers zur Zeit der sensorischen Prüfung vorübergehend beeinträchtigt sein kann. Dem kann zwar dadurch begegnet werden, dass ein Wein erst dann beanstandet wird, wenn mehrere Sachverständige die Beanstandung befürworten (Koch, Weinrecht, Kommentar, Stand 2006, Art. Sensorik, Nr. 6.1), was im Rahmen des Mehrheitsprinzips zwanglos erreicht würde. Doch könnte dem Bedenken auch bei grundsätzlicher Geltung des Durchschnittsprinzips etwa dadurch Rechnung getragen werden, dass Extrembewertungen nur einzelner Prüfer – negative wie positive – außer Ansatz gelassen werden. Die beschriebene Gefahr kann auch gänzlich ohne Einfluss auf das Verfahren der Entscheidungsbildung in der Kommission bleiben, obliegt es doch ohnehin der Behörde, Anhaltspunkten für eine vorübergehende Beeinträchtigung der Urteilsfähigkeit eines Prüfers nachzugehen und die Beurteilung gegebenenfalls wiederholen zu lassen.
Unterschriften
Kley, van Schewick, Dr. Dette, Liebler, Prof. Dr. Rennert
Fundstellen
Haufe-Index 1779447 |
BVerwGE 2008, 27 |
DÖV 2007, 797 |
GewArch 2008, 46 |
ZLR 2007, 611 |
DVBl. 2007, 1119 |
LKRZ 2007, 347 |
UPR 2007, 444 |
AuUR 2007, 337 |
StoffR 2007, 188 |