Entscheidungsstichwort (Thema)
Bau oder wesentliche Änderung einer öffentlichen Straße. Verkehrszunahme auf einer anderen, vorhandenen Straße. Verkehrslärm. Lärmschutz. Immissionsgrenzwerte. Orientierungswerte. Abwägung. gemeindlicher Belang. kommunale Planungshoheit als –
Leitsatz (amtlich)
§ 41 BImSchG und die 16. BImSchV erfassen nur den Lärm, der von der zu bauenden oder zu ändernden Straße selbst ausgeht.
Nimmt als Folge des Straßenbauvorhabens der Verkehr auf einer anderen, vorhandenen Straße zu, ist der von ihr ausgehende Lärmzuwachs im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG zu berücksichtigen, wenn er mehr als unerheblich ist und ein eindeutiger Ursachenzusammenhang zwischen dem planfestgestellten Straßenbauvorhaben und der zu erwartenden Verkehrszunahme auf der anderen Straße besteht.
Sind von dem Lärmzuwachs ausgewiesene Baugebiete betroffen, können Gemeinden ihr Interesse an der Bewahrung der in der Bauleitplanung zum Ausdruck gekommenen städtebaulichen Ordnung vor nachhaltigen Störungen als eigenen abwägungserheblichen Belang geltend machen.
Für die Abwägung bieten die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV eine Orientierung. Werden die in § 2 Abs. 1 Nr. 3 der 16. BImSchV für Dorf- und Mischgebiete festgelegten Werte eingehalten, sind in angrenzenden Wohngebieten regelmäßig gesunde Wohnverhältnisse (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BauGB a.F./§ 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB n.F.) gewahrt und vermittelt das Abwägungsgebot keinen Rechtsanspruch auf die Anordnung von Lärmschutzmaßnahmen.
Normenkette
BayVwVfG Art. 73 Abs. 2, 4, Art. 74 Abs. 2 S. 2; BImSchG § 41 Abs. 1, § 43; 16. BImSchV § 1; 16. BimSchV § 2 Abs. 1; FStrG § 17 Abs. 1 S. 2
Tenor
Der Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Gewährung von Lärmschutz unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger und der Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Tatbestand
I.
Der Kläger wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberfranken für den Bau der Bundesautobahn A 73 “Suhl-Lichtenfels” im Abschnitt “Ebersdorf b. Coburg (Bundesstraße 303) bis Lichtenfels (Bundesstraße 173)” vom 20. März 2002.
Bei dem Kläger handelt es sich um eine zwischen Bamberg und Staffelstein gelegene Gemeinde. Über das Gemeindegebiet verläuft die vierspurig ausgebaute Bundesstraße 173 (“Frankenschnellweg”), die u.a. das nördliche Teilstück der A 73, das zwischen Staffelstein und Lichtenfels enden wird, mit dem südlichen Teilstück verbindet, das von Bamberg nach Nürnberg führt. Die Entfernung von der nördlichen Gemeindegrenze des Klägers bis zur Verknüpfung der A 73 mit der B 173 bei Lichtenfels beträgt etwa 7 km.
Während des Planfeststellungsverfahrens für die A 73 verlangte der Kläger Lärmschutzmaßnahmen an der B 173 mit der Begründung, mit der Freigabe des nördlichen Teilstücks der A 73 für den Verkehr werde sich die Belastung der B 173 signifikant erhöhen und dazu führen, dass die angrenzenden Wohngebiete in den Gemeindeteilen Zapfendorf, Lauf und Unterleiterbach sowie der Weiler Weihersmühle und das Anwesen am Babenberg unzumutbar verlärmt würden. Auf Ersuchen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern wies die Planfeststellungsbehörde die Forderung des Klägers im Planfeststellungsbeschluss zurück: Ein Fall des § 1 der 16. BImSchV liege nicht vor, da an der B 173 außerhalb des Bereichs der Einmündung der A 73 keine wesentlichen baulichen Veränderungen vorgenommen würden. Lärmschutzmaßnahmen nach den §§ 41 ff. BImSchG und der 16. BImSchV seien ausschließlich auf den räumlichen Bereich des planfestzustellenden Vorhabens einschließlich seiner akustischen Ausstrahlungsbereiche auf die Nachbarschaft beschränkt. Verkehrszunahmen auf der B 173 in Bereichen, in denen im direkten Zusammenhang mit dem hier planfestgestellten Autobahnabschnitt keine baulichen Maßnahmen im Sinne von § 1 der 16. BImSchV vorgenommen würden, lösten deshalb keine Ansprüche auf Lärmvorsorgemaßnahmen nach den §§ 41 ff. BImSchG aus. Ein Rückgriff auf die Bestimmungen des Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG oder auf allgemeine Abwehransprüche sei ebenfalls ausgeschlossen.
Der Kläger hat am 14. Mai 2002 Klage erhoben. Nachdem das Straßenbauamt Bamberg zugesichert hatte, die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens für bereits angelaufene Arbeiten zum Anbau von Standstreifen an der B 173 zu beantragen und in diesem Verfahren die strittige Lärmschutzfrage zu prüfen und zu entscheiden, hat der Senat das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Im Planfeststellungsverfahren für den Ausbau der B 173 hat der Kläger allerdings keinen Lärmschutz erhalten, weil die Planfeststellungsbehörde in ihrem Beschluss vom 18. Oktober 2004 verneint hat, dass die den Gegenstand des Verfahrens bildenden Maßnahmen des Standstreifenanbaus und der Oberbauverstärkung zu zusätzlichen Lärmschutzmaßnahmen verpflichteten. Hiergegen ist eine Klage beim 9. Senat des erkennenden Gerichts anhängig (BVerwG 9 A 61.04). Auf den Hinweis im Planfeststellungsbeschluss vom 18. Oktober 2004, dass Lärmschutzforderungen, die ihren Grund im Bau der A 73 hätten, Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses vom 20. März 2002 seien, hat der Kläger das ruhende Verfahren mit Schriftsatz vom 22. November 2004 wieder aufgerufen.
Er rügt als Formfehler, dass er entgegen Art. 73 BayVwVfG nicht am Verfahren beteiligt worden sei. Materiell sei der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig, weil dieser an einem Abwägungsausfall zu seinen, des Klägers, Lasten leide. Die Planfeststellungsbehörde habe zu Unrecht nicht in Rechnung gestellt, dass durch den zu erwartenden Lärmzuwachs auf der B 173 bestehende Wohngebiete sowie die gemeindliche Planungshoheit wesentlich beeinträchtigt würden. Betroffen seien die Ansiedlungen Müller und Weihersmühle sowie die als Wohngebiete ausgewiesenen Baugebiete Zapfendorf Nord I und Nord II, Zapfendorf Ost III, Zapfendorf Süd, Kirchschlettner Straße, Lauf und Unterleitersbach. Dort würden die in der 16. BImSchV genannten Grenzwerte überschritten.
Der Kläger beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberfranken vom 20. März 2002 aufzuheben,
hilfsweise,
den Beklagten zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss vom 20. März 2002 um Lärmschutzanordnungen zu seinen Gunsten zu ergänzen.
Der Beklagte verteidigt den Planfeststellungsbeschluss und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage hat insoweit Erfolg, als der Kläger verlangen kann, dass die Planfeststellungsbehörde über seinen Antrag auf Anordnung von Lärmschutzmaßnahmen an der B 173 erneut entscheidet. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
1. Der mit dem Hauptantrag verfolgte Anspruch auf Kassation des umstrittenen Planfeststellungsbeschlusses steht dem Kläger nicht zu. Der Planfeststellungsbeschluss leidet an keinem Mangel, der zu seiner Aufhebung führt. Zu Unrecht macht der Kläger geltend, dass er als Behörde, deren Aufgabenbereich von dem Vorhaben berührt werde, nach Art. 73 Abs. 2 BayVwVfG von der Anhörungsbehörde zur Stellungnahme hätte aufgefordert werden müssen. In ihrer Eigenschaft als Träger der gemeindlichen Planungshoheit sind Gebietskörperschaften nicht im Rahmen der Behördenanhörung zu beteiligen, sondern müssen, wie jeder andere in eigenen Rechten Betroffene auch, ihre Einwendungen im Rahmen der Anhörung nach Art. 73 Abs. 4 BayVwVfG erheben (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Februar 1997 – BVerwG 11 A 62.95 – BVerwGE 104, 79 ≪81≫). Im Übrigen wäre ein Verstoß gegen Art. 73 Abs. 2 BayVwVfG unbeachtlich, weil sich die vom Kläger vermisste Einholung seiner Stellungnahme auf die Entscheidung in der Sache nicht ausgewirkt haben kann (vgl. zum Erfordernis der Kausalität zwischen Verfahrensfehler und konkreter Planungsentscheidung: BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1996 – BVerwG 4 A 27.95 – NVwZ 1996, 1011 ≪1012≫). Der Kläger hat im Planaufstellungsverfahren von sich aus an dem Vorhaben Kritik geübt und darauf im Planfeststellungsbeschluss eine Antwort erhalten. Es ist nichts dafür ersichtlich, wenn nicht gar ausgeschlossen, dass die Einwendung des Klägers anders ausgefallen wäre und zu einer anderen Planungsentscheidung geführt hätte, wenn sie nicht aus eigenem Antrieb vorgebracht, sondern von der Anhörungsbehörde veranlasst worden wäre.
2. Soweit der Kläger mit seinem Hilfsantrag den Anspruch verfolgt, die Planfeststellungsbehörde zu verpflichten, den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss um Lärmschutzanordnungen zu Gunsten des Gemeindegebietes zu ergänzen, muss der Klage ebenfalls der Erfolg versagt bleiben.
a) Die 16. BImSchV gibt zu Gunsten des Klägers nichts her. Nach deren § 2 Abs. 1 ist bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung von öffentlichen Straßen sicherzustellen, dass der Beurteilungspegel einen der dort genannten Immissionsgrenzwerte nicht überschreitet. Dabei kommt es, wie sich aus § 1 der 16. BImSchV und der Entstehungsgeschichte der Verordnung ergibt, allein auf den Verkehrslärm an, der von dem zu bauenden oder zu ändernden Verkehrsweg ausgeht (BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 – BVerwG 4 C 9.95 – BVerwGE 101, 1 ≪6≫). Lärm, der nicht gerade auf der zu bauenden oder zu ändernden Strecke entsteht, wird von der Verkehrslärmschutzverordnung nicht berücksichtigt (BVerwG, Beschluss vom 11. November 1996 – BVerwG 11 B 65.96 – NVwZ 1997, 394).
b) Der Anspruch lässt sich auch nicht unmittelbar auf § 41 Abs. 1 BImSchG stützen, wonach u.a. bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung öffentlicher Straßen sicherzustellen ist, dass durch diese keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Der Tatbestand der Vorschrift reicht nicht weiter als die 16. BImSchV, die nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG zur Durchführung des § 41 und des § 42 Abs. 1 und 2 BImSchG erlassen worden ist. Dafür spricht bereits ihr Wortlaut. Die Formulierung, dass die Verpflichtung zum Immissionsschutz “bei” dem Bau oder der wesentlichen Änderung öffentlicher Straßen zu erfüllen ist, lässt erkennen, dass der erforderliche Lärmschutz im Rahmen und als Bestandteil des in Rede stehenden Vorhabens realisiert werden soll und Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes nur in den Grenzen der jeweiligen Planung und Planfeststellung zu treffen sind (Czajka in: Feldhaus, BImSchR, § 41 BImSchG, Rn. 59). Auch ergibt sich aus der Zusammenschau von § 41 Abs. 1 und § 43 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, dass der Schutz vor Lärm, der infolge eines neuen oder geänderten Verkehrsweges entsteht, auf dessen Nachbarschaft beschränkt sein soll. Anlieger an anderen, vorhandenen Straßen, auf denen sich infolge der Baumaßnahme das Verkehrsaufkommen erhöht, lassen sich regelmäßig nicht zur Nachbarschaft der neuen oder geänderten Strecke zählen. Hinzu kommt die Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG. Die in ihr enthaltene Einschränkung, dass die Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes für den Bau öffentlicher Straßen und Schienenwege nur “nach Maßgabe der §§ 41 bis 43” gelten, bedeutet eine Abkehr von dem für genehmigungsbedürftige Anlagen geltenden Grundsatz, dass eine solche Anlage nicht errichtet oder betrieben werden darf, wenn unter Einbeziehung der Vorbelastung durch bereits vorhandene Anlagen schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden können (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG). Anders als für gewerbliche Anlagen regelt das BImSchG den Immissionsschutz für Verkehrsanlagen nicht umfassend, sondern nur für einen Teilausschnitt (BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 – BVerwG 4 C 9.95 – a.a.O. ≪8≫).
c) Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG, der die Planfeststellungsbehörde verpflichtet, dem Träger des Vorhabens Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen aufzuerlegen, die zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich sind, verhilft dem Hilfsantrag ebenfalls nicht zum Erfolg. Nach der Entscheidung des Senats vom 9. Februar 1995 – BVerwG 4 C 26.93 – (BVerwGE 97, 367 ≪371≫) kommt neben dem Lärmschutzsystem, das in den §§ 41 ff. BImSchG normiert ist, ein Rückgriff auf die allgemeine Regelung des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG inhaltlich (materiell) lediglich nach Maßgabe des § 42 Abs. 2 Satz 2 BImSchG in Betracht. Dies gilt auch dann, wenn § 41 Abs. 1 BImSchG nur deshalb nicht anzuwenden ist, weil seine tatbestandlichen Voraussetzungen zu verneinen sind. In der Entscheidung hat der Senat seine bis dahin praktizierte Rechtsprechung, Lärmschutzmaßnahmen trotz § 41 Abs. 1 BImSchG nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG (oder nach § 17 Abs. 4 FStrG in der Fassung bis zum In-Kraft-Treten des Dritten Rechtsbereinigungsgesetzes vom 28. Juni 1990 ≪BGBl I S. 1221≫, der § 74 Abs. 2 Sätze 2 und 3 VwVfG weitgehend entsprach) zu beurteilen, mit der Begründung als überholt bezeichnet, dass sich die Rechtslage, die dieser Auffassung zugrunde lag, in ihren wesentlichen Voraussetzungen geändert habe. Das erfasst auch den vom Kläger angeführten Senatsbeschluss vom 9. Februar 1989 – BVerwG 4 B 234.88 –, wonach der Träger der Straßenbaulast nach § 17 Abs. 4 FStrG a.F. ausnahmsweise verpflichtet werden konnte, Anlagen zum Schutz vor solchen Immissionen zu errichten, die infolge der vom festgestellten Vorhaben beeinflussten Benutzung bestehender Straßen auftreten.
d) Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass der Verkehr auf der B 173 nach dem Bau und der In-Dienst-Stellung des nördlichen Abschnitts der A 73 erheblich zunehmen und sich die Lärmbelastung entlang der B 173 mehr als nur unwesentlich erhöhen wird. Das ist in der Abwägung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG zu berücksichtigen. Es entspricht nämlich dem Zweck des Abwägungsgebots, wie es in der Rechtsprechung des Senats entwickelt worden ist, dass der Kreis der von dem Vorhaben “berührten” öffentlichen und privaten Belange nicht eng gezogen wird. Sie beschränken sich insbesondere nicht auf allein diejenigen Belange, in die zur Verwirklichung des Straßenbauvorhabens unmittelbar eingegriffen werden muss, sondern umfassen auch solche Belange, auf die sich das Straßenbauvorhaben als eine in hohem Maße raumbedeutsame Maßnahme auch nur mittelbar auswirkt (BVerwG, Urteil vom15. April 1977 – BVerwG 4 C 100.74 – BVerwGE 52, 237 ≪245≫). Das ist u.a. dann der Fall, wenn – wie hier – ein eindeutiger Ursachenzusammenhang zwischen dem Straßenbauvorhaben und der zu erwartenden Verkehrszunahme auf einer anderen Straße besteht. Wenn nicht kommunale Einrichtungen betroffen sind, ist das Interesse an der Verhinderung einer zusätzlichen Verlärmung des Gemeindegebiets ein gemeindlicher Belang allerdings nur im Fall der Beeinträchtigung der Planungshoheit. Diese ist jedenfalls dann tangiert, wenn sich die Lärmzunahme nicht nur auf einzelne benachbarte Grundstücke, sondern auf wesentliche Teile von Baugebieten auswirkt, die in Bebauungsplänen ausgewiesen sind. Dabei ist nicht erforderlich, dass die nachteiligen Wirkungen für das betroffene Gebiet – blieben sie ohne Schutzmaßnahmen unbewältigt – die Gemeinde zur Umplanung zwängen. Schon das Interesse an der Bewahrung der in der Bauleitplanung zum Ausdruck gekommenen städtebaulichen Ordnung vor nachhaltigen Störungen ist ein schutzwürdiger kommunaler Belang (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juli 1988 – BVerwG 4 C 49.86 – BVerwGE 80, 7 ≪13 f.≫). Einen Anspruch auf die Anordnung von Lärmschutzmaßnahmen vermittelt er freilich nur dann, wenn jede andere Entscheidung als die Gewährung von Lärmschutz abwägungsfehlerhaft ist. Das ist hier nicht der Fall.
Dies ergibt sich schon daraus, dass nicht angenommen werden kann, in den beplanten Wohngebieten des Klägers, die vom Lärmzuwachs auf der B 173 betroffen sind, seien gesunde Wohnverhältnisse (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BauGB a.F./§ 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB n.F.) nicht mehr gewahrt. Selbst der höchste prognostizierte Nachtwert von 53,9 dB(A) liegt noch unter dem Lärmschutzniveau, das dem Immissionsgrenzwert für Dorf- und Mischgebiete in § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV entspricht. Auch wenn die 16. BImSchV vorliegend tatbestandlich nicht eingreift, bietet sie doch eine Orientierung für die Abwägung, weil sie der gesetzgeberischen Wertung Rechnung trägt, dass Dorf- und Mischgebiete neben der Unterbringung von (nicht wesentlich) störenden Gewerbebetrieben auch dem Wohnen dienen und die hierauf zugeschnittenen Immissionsgrenzwerte für den Regelfall gewährleisten, dass die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse gewahrt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 1999 – BVerwG 4 C 6.98 – BVerwGE 109, 314 ≪323≫). Die prognostizierten Tagwerte halten sogar die Grenzwerte ein, die die 16. BImSchV für reine und allgemeine Wohngebiete vorsieht.
3. Die Planfeststellungsbehörde muss über den Antrag des Klägers auf Anordnung von Lärmschutzmaßnahmen an der B 173 aber nochmals entscheiden, weil sie ihn nicht zum Gegenstand ihrer Abwägungsentscheidung gemacht hat. Die Gesamtabwägung zum Bereich Lärmschutz im Kapitel 8.2.3 des Planfeststellungsbeschlusses erfasst nicht den Problembereich Lärmschutz an der bestehenden B 173, der erst im nachfolgenden Kapitel 8.2.4 behandelt worden ist. Darin ist die Planfeststellungsbehörde bei dem Befund stehen geblieben, dass der Kläger auf die Anordnung von Lärmschutzmaßnahmen keinen Rechtsanspruch hat.
Der Mangel ist nicht nach § 17 Abs. 6c Satz 1 FStrG unerheblich. Er ist offensichtlich, weil auch die Aufstellungsvorgänge keinen Fingerzeig dafür enthalten, dass die Planfeststellungsbehörde die Lärmschutzbelange des Klägers in ihre Abwägungsentscheidung einbezogen hat. Für eine Umsetzung des Hinweises im Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 21. Januar 2002, die verkehrlichen Auswirkungen des Baues der A 73 auf die bestehende B 173 und das nachgeordnete Straßennetz seien ein in der Abwägung zu berücksichtigender Belang, findet sich kein Anhalt. Der Mangel ist auch auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen. Nach den Umständen des Falles besteht die konkrete Möglichkeit, dass ohne den Mangel die Planung anders ausgefallen und dem Kläger Lärmschutz zugesprochen worden wäre. Die Planfeststellungsbehörde hat sich in ihrem Bericht an das Bayerische Staatsministerium des Innern vom 14. September 2001 für Lärmschutzmaßnahmen an der B 173 stark gemacht. Der Belehrung im Antwortschreiben vom 21. Januar 2002, dass der Kläger solche Maßnahmen nicht beanspruchen könne, hat sie sich gebeugt. Wäre sie auch dem einleitenden Hinweis auf die Abwägungserheblichkeit der verkehrlichen Auswirkungen des Baus der A 73 auf die vorhandene B 173 gefolgt und nicht der damit schwerlich vereinbaren abschließenden Bemerkung, im Planfeststellungsverfahren für die A 73 sei eine Entscheidung über etwaige Lärmschutzmaßnahmen an der B 173 weder erforderlich noch möglich, wäre die Planungsentscheidung unter Umständen zu Gunsten des Klägers ausgefallen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Unterschriften
Dr. Paetow, Halama, Gatz, Dr. Jannasch, Dr. Philipp
Fundstellen
Haufe-Index 1369208 |
BVerwGE 2006, 152 |
BauR 2005, 1611 |
BauR 2005, 1816 |
NuR 2005, 652 |
BayVBl. 2006, 52 |
DVBl. 2005, 1044 |
GV/RP 2006, 624 |
Städtetag 2005, 37 |
UPR 2005, 348 |
BBB 2005, 50 |
EurUP 2005, 136 |
FSt 2006, 506 |
FuBW 2006, 99 |
FuHe 2006, 207 |
FuNds 2006, 226 |