Entscheidungsstichwort (Thema)
Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. Vertrauensschutz. Treu und Glauben. Apothekengewinne. Privatisierung der Apotheken im Beitrittsgebiet. Treuhandschaft der Treuhandanstalt
Leitsatz (amtlich)
1. Die Gewinne der staatlichen Apotheken im Beitrittsgebiet standen im letzten Quartal 1990 der Treuhandanstalt zu.
2. Die Rückforderung der an die Landkreise und kreisfreien Städte ausgezahlten Apothekengewinne des letzten Quartals 1990 verletzt den Grundsatz von Treu und Glauben.
Normenkette
EV Art. 21 Abs. 1-2; ApoG § 28a; HaushaltsG 1990 §§ 7, 9; ApoVO 1984 § 9; ApoVO 1990 §§ 20, 26
Verfahrensgang
Sächsisches OVG (Entscheidung vom 08.12.1998; Aktenzeichen 3 S 680/98) |
VG Dresden (Entscheidung vom 13.11.1997; Aktenzeichen 1 K 2086/94) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. Dezember 1998 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin, die früher die Bezeichnung Treuhandanstalt führte, nimmt den beklagten Landkreis auf Erstattung von Beträgen in Anspruch, die seinen beiden Rechtsvorgängern im letzten Quartal 1990 und später von den dortigen Pharmazeutischen Zentren überwiesen worden sind. Es handelt sich um Gewinne der den Pharmazeutischen Zentren angeschlossenen Apotheken aus der Zeit nach Herstellung der Deutschen Einheit.
Insgesamt hat die Klägerin gegen etwa 70 Landkreise und kreisfreie Städte entsprechende Klagen mit einem Streitwert von rd. 124 Millionen DM erhoben. In weiteren 30 Fällen macht sie solche Ansprüche außergerichtlich geltend.
Die Pharmazeutischen Zentren waren nach § 5 Abs. 2 der Verordnung über die Aufgaben, die Leitung und die Organisation des Apothekenwesens vom 12. Januar 1984 eine dem Rat des Kreises unterstehende Einrichtung des Gesundheitswesens der Deutschen Demokratischen Republik. Nach § 9 Abs. 1 dieser Verordnung waren sie als Haushaltsorganisation durch Zu- und Abführungen nach dem Nettoprinzip mit dem Haushalt des Rates des Kreises verbunden. Nach der Systematik des Staatshaushalts der Deutschen Demokratischen Republik vom 1. August 1984 waren die Einnahmen und Umlaufmittelabführungen der Apotheken in einem besonderen Kapitel (Kapitel 52301) zu planen und abzurechnen.
Am 15. Juni 1990 erließ das Ministerium der Finanzen Aufstellungsgrundsätze zu den Haushaltsplänen der Bezirksverwaltungen sowie der Räte der Kreise für das zweite Halbjahr 1990. Danach sollte zur Umstellung der Haushaltspläne die bisherige Haushaltsgliederung und -systematik beibehalten werden. In dem Entwurf einer von der Fachabteilung an den Vorstand der Treuhandanstalt gerichteten sog. „Information zur Verordnung über das Apothekenwesen vom 1.08.1990” heißt es unter Punkt 4.3: „Erfassung der an die Treuhandanstalt abzuführenden Gewinne der noch zu verkaufenden Apotheken (das Ministerium der Finanzen besteht auf Abführung der Gewinne bis 31.12.1990 – diese sind in den Haushaltsplänen der Kommunen enthalten – für alle bis 31.12.1990 nicht verkauften Apotheken)”. Nach der Niederschrift der Stadtbezirksapothekerberatung der Bezirksapothekeninspektion Berlin vom 11. September 1990 unterrichtete der stellvertretende Leiter der Abteilung Finanzierung der Treuhandanstalt die Teilnehmer dahin, dass die Gewinne weiterhin bis zum Jahresende an den Stadtbezirk abzuführen seien. Solange die bisherigen Strukturen bestünden, wolle die Treuhandanstalt daran nicht rütteln. Die Außenstelle des Bundesministers der Finanzen gab am 22. Oktober 1990 unter anderem den Landräten und den Regierungsbevollmächtigten zur Kenntnis, dass entsprechend § 7 des Haushaltsgesetzes 1990 für den Vollzug der Haushaltspläne sowie für Durchführung und Abrechnung noch die Haushaltssystematik vom 1. August 1984 angewendet werde. Mit Rundschreiben vom 29. Oktober 1990 teilte der Bundesminister der Finanzen mit, dass die neuen Länder ihre Finanzautonomie erst ab Januar 1991 erhalten sollten. Die Haushaltsmittel für 1990 seien noch zentral als Zuweisungen an die Bezirke veranschlagt.
Mit Schreiben vom 14. Dezember 1990 erteilte die Treuhandanstalt – Außenstelle Chemnitz – unter dem Betreff: „Vorgaben für die Auflösung der Pharmazeutischen Zentren” den Direktoren der Zentren eine Reihe von Weisungen. Darin heißt es u.a.: „Die noch entstehenden reduzierten Überschüsse (Gewinne) der Pharmazeutischen Zentren erhalten, wie vorgesehen, die Kreise bzw. der Rat der Stadt bis 31.12.1990”. Ebenso teilte die Niederlassung Neu-Brandenburg der Treuhandanstalt dem Landkreis Demmin am 3. Januar 1991 mit, dass die für 1990 geplanten Gewinnabführungen aus den bisher staatlichen Apotheken in geplanter Höhe an den örtlichen Haushalt erfolgen könnten.
Dementsprechend führten praktisch alle Pharmazeutischen Zentren die bis zum Ende des Jahres 1990 entstandenen Gewinne der Apotheken an die Landkreise bzw. kreisfreien Städte im Beitrittsgebiet ab.
In der zweiten Hälfte des Jahres 1991 begann die Treuhandanstalt, die Frage aufzuwerfen, ob diese Gewinnabführungen rechtmäßig gewesen seien. Unter dem 2. September 1991 bat sie das Bundesministerium für Gesundheit um Prüfung, ob dort Unterlagen über das seinerzeit beabsichtigte Vorgehen vorhanden seien. Hilfsweise bat sie um Entscheidung, ob die abgeführten Gewinne zurückgefordert werden sollten. Dazu verwies sie darauf, schon vor dem 3. Oktober 1990 solle eine Vereinbarung zwischen dem Ministerium für Gesundheitswesen der Deutschen Demokratischen Republik einerseits und der Treuhandanstalt andererseits getroffen worden sein, dass die Überschüsse noch bis zum Jahresende an die bisherigen Empfänger abzuführen seien, die auch entsprechend für das Haushaltsjahr 1990 geplant hätten. Diese Aussage sei von zwei Mitarbeitern des Bundesgesundheitsministeriums und der Klägerin bestätigt worden. Einen Niederschlag in den Akten der Klägerin habe diese Regelung jedoch nicht gefunden. In seinem Antwortschreiben vom 17. September 1991 bestätigte das Bundesministerium für Gesundheit, dass im Vorfeld der Inkraftsetzung der Verordnung über das Apothekenwesen vom 1. August 1990 zwischen der Treuhandanstalt, dem Ministerium der Finanzen und dem Ministerium für Gesundheitswesen der Deutschen Demokratischen Republik Abstimmungen zur Gewinnabführung der ab 10. August 1990 in Treuhandschaft der Treuhandanstalt befindlichen ehemals staatlichen Apotheken geführt worden seien. Das Ministerium der Finanzen habe dabei darauf bestanden, dass die Apothekengewinne bis 31. Dezember 1990 an die Kreise abzuführen seien, da sie einnahmeseitiger Bestandteil der kreislichen Haushaltspläne wären. Diese Position sei auch vom Ministerium für Gesundheitswesen unterstützt worden. Die Treuhandanstalt habe letztlich dieser Verfahrensweise zugestimmt. Ein Mitarbeiter der Klägerin habe diesen Sachverhalt bei Rücksprachen auf Arbeitsebene bestätigt. Schriftliche Unterlagen seien beim Bundesministerium für Gesundheit nicht vorhanden. Zu der von der Klägerin erbetenen Entscheidung sei das Bundesministerium nicht zuständig. In der Folgezeit forderte die Klägerin die Rechtsvorgänger des Beklagten erfolglos zur Rückzahlung der streitigen Apothekengewinne auf.
Mit ihrer am 5. Oktober 1994 erhobenen Klage hat die Klägerin den Beklagten zunächst auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 487 182,75 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit in Anspruch genommen und diesen Betrag später auf 1 750 000 DM erhöht. Dazu hat sie sich auf einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch berufen. Sie hat vorgetragen, spätestens seit dem 3. Oktober 1990 hätten ihr die Gewinne der Pharmazeutischen Zentren zugestanden, da diese durch § 28 a des Apothekengesetzes (ApoG) in der Fassung des Einigungsvertrages in ihre Treuhandschaft überführt worden seien. Ein Rechtsgrund für die Auszahlung dieser Gewinne an die Landkreise und kreisfreien Städte habe nicht bestanden. Auf einen Wegfall der Bereicherung oder Vertrauensschutz könnten sich die Empfänger als öffentlich-rechtliche Körperschaften nicht berufen.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat vorgetragen, nach der im letzten Quartal 1990 bestehenden Rechtslage sei die Abführung der Gewinne an seine Rechtsvorgänger rechtmäßig gewesen. Dies habe der seinerzeit allgemein im Beitrittsgebiet geübten Praxis und der Überzeugung aller Beteiligten entsprochen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 13. November 1997 mit der Begründung abgewiesen, die Rechtsvorgänger des Beklagten seien durch die Gewinnauszahlung nicht bereichert worden, weil sich in gleicher Höhe ihr Anspruch auf Finanzzuweisungen gegen die Bundesrepublik Deutschland vermindert habe. Im Übrigen verstoße das Verhalten der Klägerin gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.
Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht durch Urteil vom 8. Dezember 1998 zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, der Klägerin stehe der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht zu, weil nicht sie sondern die Bundesrepublik Deutschland an die Rechtsvorgänger des Beklagten geleistet habe. Die Gewinnabführung der Pharmazeutischen Zentren sei eine Leistung der Bundesrepublik Deutschland auf ihre Verpflichtung zur Unterstützung der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften mit finanziellen Zuweisungen gewesen. Mit In-Kraft-Treten des Einigungsvertrages hätten die Landkreise im Beitrittsgebiet einen Anspruch auf Unterstützung mit finanziellen Zuweisungen nach dem Bedarfsdeckungsprinzip gegen die Bundesrepublik gehabt. Dieser Anspruch habe sich aus § 9 Abs. 1 Haushaltsgesetz 1990 ergeben, der als Abschnitt B des Bundeshaushalts 1990 fortgegolten habe. Bei verständiger Würdigung hätten sich die abgeführten Gewinne systemkonform als Anzahlungen auf die Bundeszuweisungen dargestellt. Das folge u.a. aus § 7 Abs. 1 Haushaltsgesetz 1990, der die Fortgeltung der Haushaltssystematik 1984 angeordnet habe. Nur auf der Grundlage dieser Systematik sei der Haushalt im zweiten Halbjahr 1990 realisierbar gewesen. In der Systematik seien die Gewinne aus den Apotheken ausdrücklich als Einnahmen der Räte der Kreise aufgeführt. Diese Auslegung habe der gemeinsamen Überzeugung aller seinerzeit beteiligten Stellen entsprochen. Die Vielzahl derartiger Äußerungen von Stellen der Klägerin lasse den Schluss zu, dass sich auch ihre vertretungsberechtigten Organe mit diesem Vorgehen einverstanden erklärt hätten. Auch die Rechtsvorgänger des Beklagten hätten davon ausgehen müssen, dass die Treuhandanstalt aufgrund der mit dem Bundesministerium für Finanzen getroffenen Vereinbarungen Leistungen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne von § 9 Abs. 1 HaushaltsG 1990 erbringe.
Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Gewinnabführung sei eine Leistung in einem Dreiecksverhältnis gewesen, scheitere schon am Fehlen jeder Feststellung, dass die Rechtsvorgänger des Beklagten die Zahlungen als Leistung der Bundesrepublik Deutschland gewertet hätten. Außerdem sei auch die Annahme unrichtig, die Rechtsvorgänger des Beklagten hätten einen entsprechenden Rechtsanspruch gegen die Bundesrepublik gehabt. Haushaltsrecht begründe keine materiellrechtlichen Ansprüche Dritter. Darüber hinaus habe § 9 HaushaltsG 1990 keine Pflicht zur vollständigen Abgeltung anderweitig ausfallender Einnahmen der Kreise begründet. Schließlich sei § 7 Abs. 1 HaushaltsG 1990 durch Art. 2 des Dritten Nachtragshaushaltsgesetzes 1990 außer Kraft gesetzt worden. Das Berufungsgericht habe seine Pflicht zur Sachaufklärung verletzt, indem es allein aus den vorliegenden schriftlichen Dokumenten das Vorliegen einer Abstimmung zwischen der Klägerin, dem Ministerium der Finanzen der Deutschen Demokratischen Republik und dem Bundesministerium der Finanzen hergeleitet habe, obwohl sich angesichts des Vortrages der Klägerin weitere Ermittlungen dazu aufgedrängt hätten.
Der Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren. Er wendet sich gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Gewinnabführungen der Treuhandanstalt seien eine Leistung der Bundesrepublik Deutschland gewesen. Insoweit bestünden insbesondere deshalb Bedenken, weil sich aus § 9 Abs. 1 HaushaltsG 1990 kein Anspruch der Landkreise auf Unterstützung durch die Bundesrepublik nach dem Bedarfsdeckungsprinzip ergeben habe.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, die Klägerin könne vom Beklagten nicht die Erstattung der an seine Rechtsvorgänger ausgezahlten Apothekengewinne aus der Zeit nach Herstellung der deutschen Einheit verlangen, steht in Einklang mit dem Bundesrecht. Zwar sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des mit der Klage geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs – entgegen der Annahme des Berufungsgerichts – erfüllt (1.). Die Geltendmachung des Anspruchs ist jedoch ausgeschlossen, weil sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt (2.).
1. Auch im öffentlichen Recht gilt – ebenso wie nach den §§ 812 ff. BGB im bürgerlichen Recht –, dass Leistungen ohne Rechtsgrund und sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht werden müssen. Der Verwirklichung dieses Grundsatzes dient der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch. Seine Geltung ist heute allgemein anerkannt (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. März 1985 – BVerwG 7 C 48.82 – BVerwGE 71, 85, 87, und vom 30. November 1995 – BVerwG 7 C 56.93 – BVerwGE 100, 56, 59 f. m.w.N.; Erichsen in Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl., § 29 Rn. 19). Ebenso ist anerkannt, dass die Anspruchsvoraussetzungen denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs entsprechen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 1985, a.a.O., S. 88). Das Bestehen des Anspruchs der Klägerin hängt mithin davon ab, ob die Rechtsvorgänger des Beklagten die Apothekengewinne durch eine unmittelbare Vermögensverschiebung zu Lasten der Klägerin ohne Rechtsgrund erlangt haben. Das ist der Fall.
1.1 Der Beklagte hat dem Begehren der Klägerin entgegengehalten, in Bezug auf die staatlichen Apotheken sei ihr nur ein Recht zur Privatisierung und ein Anspruch auf den daraus resultierenden Veräußerungserlös eingeräumt worden; dagegen habe sie keine allgemeine Rechtszuständigkeit erlangt, so dass ihr auch die laufenden Betriebsgewinne bis zur Reprivatisierung nicht zugestanden hätten. Wäre dies richtig, so hätten die Rechtsvorgänger des Beklagten die streitigen Gewinne nicht zu Lasten der Klägerin erlangt.
Nach § 28 a des Apothekengesetzes (ApoG) in der Fassung des Einigungsvertrages (EV) wurden die staatlichen öffentlichen Apotheken und die Pharmazeutischen Zentren im Beitrittsgebiet in die Treuhandschaft der Treuhandanstalt mit dem Ziel ihrer Privatisierung überführt. Hiernach war die Privatisierung zwar das Ziel, das mit der Übertragung auf die Treuhandanstalt verfolgt wurde. Ungeachtet dessen wurden die Apotheken vorbehaltlos in die Treuhandschaft der Treuhandanstalt überführt. Die Einräumung der Treuhandschaft beschränkte sich mithin nicht auf die Wahrnehmung einer Veräußerungsbefugnis. Sie umfasste vielmehr auch die Fortführung des Betriebs bis zu einer etwaigen Privatisierung einschließlich der Übernahme der sich daraus ergebenden finanziellen Folgen. Im Einklang hiermit hat das Bundesverwaltungsgericht die der Klägerin durch § 28 a ApoG eingeräumte Rechtsstellung an den staatlichen Apotheken als „treuhänderisches Eigentum” bezeichnet (vgl. Urteil vom 12. Februar 1997 – BVerwG 7 C 49.96 – Buchholz 428 § 37 VermG Nr. 13).
Die in Art. 21 Abs. 1 und 2 EV getroffene Regelung über die Zuordnung von Verwaltungsvermögen an bestimmte Träger öffentlicher Verwaltung führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese Bestimmungen sind hier nämlich schon deshalb nicht einschlägig, weil die staatlichen Apotheken und Pharmazeutischen Zentren bei Wirksamwerden des Beitritts kein Verwaltungsvermögen mehr waren. § 20 der Verordnung über das Apothekenwesen vom 1. August 1990 (ApoVO 1990) hatte die Apotheken und Pharmazeutischen Zentren bereits mit dem In-Kraft-Treten der Verordnung am 10. August 1990 unter die Treuhandschaft der Klägerin gestellt. Schon dies erfolgte mit dem Ziel der Privatisierung und mit der Verpflichtung, die hierzu erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Damit wurde die apothekenmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln ihres Charakters als Staatsaufgabe entkleidet. Zugleich verloren die Apotheken ihren Status als Verwaltungsvermögen. Der Eintritt dieser Rechtsfolge geschah unmittelbar und war nicht von der tatsächlichen Privatisierung der einzelnen Apotheke abhängig. Damit waren die Pharmazeutischen Zentren, soweit bei ihnen zum Beitrittszeitpunkt noch von Vermögen der Deutschen Demokratischen Republik im Sinne des Art. 21 Abs. 1 EV zu sprechen sein sollte, Finanzvermögen, welches im Sinne des Art. 22 Abs. 1 Satz 1 EV „der Treuhandanstalt übertragen” war.
1.2 Die den Rechtsvorgängern des Beklagten zugeflossenen Apothekengewinne gehörten hiernach zum Vermögen der Klägerin. Gleichwohl vertritt das Berufungsgericht die Auffassung, im Rechtssinne sei nicht die Klägerin durch die Auszahlung entreichert worden, weil es sich bei verständiger Würdigung der Rechtslage um eine Leistung der Bundesrepublik Deutschland gehandelt habe. Aus der Sicht der Rechtsvorgänger des Beklagten wie auch aus der Sicht aller übrigen Beteiligten habe sich die Auszahlung als Abschlagszahlung auf den aus § 9 HaushaltsG 1990 herzuleitenden Anspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland auf bedarfsgerechte Finanzzuweisungen dargestellt. Damit greift das Berufungsgericht auf die Rechtsfigur der Leistungskondiktion im Dreiecksverhältnis zurück. Dem tritt die Revision zu Recht entgegen.
Es kann hier offen bleiben, ob die Landkreise im Beitrittsgebiet gegen die Bundesrepublik den vom Berufungsgericht angenommenen strikten Rechtsanspruch auf bedarfsgerechte Finanzzuweisungen hatten. Die von der Klägerin und vom Oberbundesanwalt hiergegen erhobenen Bedenken sind angesichts des Wortlauts und des Regelungsgehalts des § 9 HaushaltsG 1990 nicht von der Hand zu weisen. Darauf kommt es aber nicht an, weil die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen jedenfalls keine hinreichende Grundlage für die Annahme bieten, die Klägerin habe die streitigen Zahlungen zur Erfüllung einer solchen der Bundesrepublik obliegenden Schuld geleistet. Die in diesem Zusammenhang herangezogene Bestimmung des § 7 Satz 1 HaushaltsG 1990 über die Anwendung der Haushaltssystematik vom 1. August 1984 bis zum 31. Dezember 1990 trägt schon deshalb nicht, weil diese Bestimmung durch das 3. Nachtragshaushaltsgesetz 1990 vom 2. November 1990 (BGBl I S. 4202) rückwirkend zum 3. Oktober 1990 außer Kraft gesetzt worden ist. Durch Art. 2 dieses Gesetzes ist das Haushaltsgesetz 1990 neu gefasst worden. In der Neufassung hat § 7 Satz 1 HaushaltsG 1990 weder wörtlich noch seinem Sinngehalt nach Aufnahme gefunden.
Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen auch nicht seine Annahme, zwischen der Klägerin und dem Bundesminister der Finanzen habe Einigkeit darüber bestanden, dass die abgeführten Apothekengewinne auf die finanziellen Bundeszuweisungen aus dem Bundeshaushalt angerechnet werden sollten, so dass sie nicht als Leistungen der Klägerin, sondern als Leistungen der Bundesrepublik Deutschland anzusehen seien. Diese Feststellungen belegen allenfalls eine Einigung dahin, dass die Klägerin mit der weiteren Abführung der Apothekengewinne an die Landkreise entsprechend der zuvor geübten Praxis einverstanden war. Für eine Einigung dahin, dass damit eine Schuld der Bundesrepublik getilgt werden sollte, fehlt aber jeder Anhaltspunkt.
1.3 In einer Reihe von Parallelverfahren hat das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (Urteile vom 4. Juni 1999 – 3 L 243/98 – u.a.) einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Klägerin mit der Begründung verneint, die Zahlungen seien mit Rechtsgrund erfolgt. Die Rechtsgrundlage sieht das Gericht in erster Linie in § 9 Abs. 1 der Verordnung über die Aufgaben, die Leitung und Organisation des Apothekenwesens vom 12. Januar 1984 (GBl I S. 17) über die Verbindung des Pharmazeutischen Zentrums mit dem Haushalt des jeweiligen Rats des Kreises. Auf diese Bestimmung kann die Gewinnabführung im letzten Quartal 1990 jedoch schon deshalb nicht gestützt werden, weil sie bereits mit Wirkung vom 10. August 1990 durch die Verordnung über das Apothekenwesen vom 1. August 1990 (GBl I S. 1236) außer Kraft gesetzt worden ist. Nach § 26 Abs. 3 Nr. 1 dieser Verordnung traten die entgegenstehenden Bestimmungen der Apothekenverordnung 1984 außer Kraft. Es kann offen bleiben, ob damit von vornherein eine ausnahmslose Aufhebung der alten Apothekenverordnung gemeint war. Jedenfalls steht außer Frage, dass die haushaltsmäßige Verknüpfung der Pharmazeutischen Zentren und der in ihnen verbundenen Apotheken mit der Übertragung der Treuhandschaft auf die Treuhandanstalt in § 20 ApoVO 1990 nicht zu vereinbaren war. Durch diese Regelung sollten die Apotheken gerade aus ihrer Staatsgebundenheit gelöst werden. Der Fortbestand ihrer haushaltsmäßigen Verknüpfung mit den Landkreisen wäre damit nicht vereinbar gewesen.
Erst recht fehlt für eine Weitergeltung des § 9 Abs. 1 ApoVO 1984 über den 3. Oktober 1990 hinaus jede Grundlage. Der Einigungsvertrag hat diese Vorschrift nicht als fortgeltend aufgenommen. § 28 a ApoG in der Fassung des Einigungsvertrages bietet weder nach seinem Wortlaut noch nach seinem Inhalt Grund zu der Annahme, die Vorschrift habe die Fortgeltung des § 9 Abs. 1 ApoVO 1984 anordnen wollen.
Die auch vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern herangezogene Vorschrift des § 7 Abs. 1 HaushaltsG 1990 führt ebenfalls nicht zur Bejahung eines Rechtsgrundes für die Leistungen. Wie bereits ausgeführt, ist diese Vorschrift Anfang November 1990 rückwirkend zum 3. Oktober 1990 aufgehoben worden. Die vom Oberverwaltungsgericht zur Bestätigung seiner Auslegung bemühte allgemeine Praxis der Gewinnabführung im letzten Quartal 1990 an die Landkreise und kreisfreien Städte und die diese Praxis bestätigenden Äußerungen von Mitarbeitern der Klägerin und des Bundesministeriums der Finanzen können die hiernach fehlende Rechtsnorm, die den Rechtsvorgängern des Beklagten einen Anspruch auf die Gewinnabführung eingeräumt hätte, nicht ersetzen.
1.4 Auf einen Wegfall der Bereicherung kann sich der Beklagte nicht berufen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts findet § 818 Abs. 3 BGB im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs weder zugunsten von Behörden noch von Bürgern Anwendung (vgl. Urteil vom 12. März 1985, a.a.O., S. 89).
2. Das Klagebegehren scheitert aber an dem Grundsatz von Treu und Glauben. Dieser in § 242 BGB niedergelegte Grundsatz, dass Leistungen so zu bewirken sind, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern, prägt die gesamte Rechtsordnung und gilt auch im öffentlichen Recht. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts begrenzt er auch den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch (vgl. Urteile vom 18. Dezember 1973 – BVerwG I C 34.72 – Buchholz 451.52 § 19 MuFG Nr. 2, vom 13. Dezember 1984 – BVerwG 3 C 5.82 – Buchholz 451.90 Nr. 50, und vom 8. März 1990 – BVerwG 3 C 15.84 – BVerwGE 85, 24, 32, sowie Beschluss vom 5. März 1998 – BVerwG 4 B 3.98 – Buchholz 406.421 Garagen- und Stellplatzrecht Nr. 8). Auf ihn kann sich nicht nur der Bürger, sondern auch der Staat berufen (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Dezember 1973, a.a.O., und vom 13. Dezember 1984, a.a.O., sowie Beschluss vom 5. März 1998, a.a.O.).
Zu Unrecht beruft sich die Klägerin demgegenüber auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage des Vertrauensschutzes im Verkehr zwischen Behörden. Zwar können nach dieser Rechtsprechung öffentlich-rechtliche Körperschaften wie die Kommunen nicht in gleicher Weise wie der Bürger Vertrauensschutz für sich in Anspruch nehmen (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. September 1970 – BVerwG II C 48.68 – BVerwGE 36, 108, 113, und vom 12. März 1985 – BVerwG 7 C 48.82 – BVerwGE 71, 85, 89). Die öffentliche Hand ist dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verpflichtet. Ihr Interesse muss daher im Allgemeinen darauf gerichtet sein, eine ohne Rechtsgrund eingetretene Vermögensverschiebung zu beseitigen und den rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen. Dies entbindet den Staat aber nicht generell von dem Gebot, sich so zu verhalten, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es gebieten. Auch öffentlich-rechtliche Körperschaften haben einen Anspruch darauf, dass der Staat sich im Umgang mit ihnen an dieses Gebot hält. Rechtsmissbrauch und treuwidriges Verhalten können in diesem Verhältnis ebenso wenig hingenommen werden wie im Verhältnis des Staates zum Bürger (vgl. OVG NW, Urteil vom 17. November 1983 – 4 A 1791/82 – DVBl 1984, 1081, 1083 = NVwZ 1985, 118 f.).
Unter Berücksichtigung aller Umstände, die insoweit unstreitig sind und von den Verfahrensrügen der Klägerin nicht betroffen werden, stellt sich das Rückerstattungsverlangen der Klägerin als rechtsmissbräuchlich dar. Dies ist im Übrigen auch bei aller Unterschiedlichkeit der rechtlichen Ansätze der gemeinsame Tenor, der das erstinstanzliche wie das Berufungsurteil, die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern und eine Vielzahl weiterer erstinstanzlicher Urteile in dieser Angelegenheit prägt.
Die vorliegende Konstellation ist durch eine Vielzahl von Umständen gekennzeichnet, die sich aus der ganz besonderen Situation im unmittelbaren Anschluss an die Wiederherstellung der deutschen Einheit ergaben. Dazu zählt zunächst die Feststellung, dass die sachgerechte Finanzausstattung der Kommunen im letzten Quartal 1990 außerordentlich schwierig war. Die Kommunen verfügten noch nicht über eigene Einnahmequellen. Der Finanzausgleich auf Landesebene funktionierte nicht, weil die Länder im Beitrittsgebiet noch keine Finanzhoheit hatten. Die Deckung des Finanzbedarfs der Kommunen durch den Bund war eine Hilfskonstruktion, die den ansonsten geltenden föderalen Strukturen zuwiderlief.
Angesichts dieser Umbruchsituation fällt zusätzlich ins Gewicht, dass die Rechtslage hinsichtlich des Anspruchs auf die Apothekengewinne aus damaliger Sicht jedenfalls nicht offen zutage lag. Die Frage, welchen Inhalt die der Klägerin in § 28 a ApoG eingeräumte Treuhandschaft hatte, warf ebenso Fragen auf wie die Fortgeltung der unter Einbeziehung der Apothekengewinne aufgestellten Haushalte der Kommunen für das zweite Halbjahr 1990 und die jedenfalls zunächst angeordnete Weitergeltung der Haushaltssystematik von 1984.
Unter diesen Umständen wirkte sich die von der Leitung der Klägerin zumindest zugelassene und von zahlreichen Regionalstellen ausdrücklich gebilligte weitere Abführung der Apothekengewinne an die Landkreise und kreisfreien Städte dahin aus, dass die Kommunen die Überzeugung gewannen, diese Gelder stünden ihnen zu. In dieser Überzeugung wurden sie durch entsprechende Äußerungen staatlicher Verwaltungsstellen bestärkt. Da sie erst dabei waren, eine rechtsstaatliche Verwaltung aufzubauen, lag die richtige Einschätzung der Rechtslage praktisch außerhalb ihrer Möglichkeiten. Zugleich wurden sie aber abgehalten, in Höhe dieser Mittel Bedarfsanmeldungen gegenüber der Bundesrepublik vorzunehmen und dadurch ggf. für eine anderweitige Bedarfsdeckung zu sorgen.
Es kann hier offen bleiben, ob die Klägerin seinerzeit verpflichtet gewesen wäre, für eine Unterbindung der Zahlungen an die Kommunen zu sorgen. Das mag zweifelhaft sein, weil die Klägerin selbst ebenfalls noch im Aufbau war und eine Vielzahl von Aufgaben in kürzester Zeit zu bewältigen hatte. Es musste sich ihr aber infolge der ihr durch die Apothekenverordnung 1990 sowie § 28 a ApoG zugeordneten Treuhandschaft über die Pharmazeutischen Zentren aufdrängen, dass die Abführung der Apothekengewinne an die Kommunen jedenfalls rechtlich zweifelhaft war und dass die Kommunen einen schweren Schaden erleiden würden, wenn sie später auf Rückzahlung in Anspruch genommen würden, ohne dann noch für eine anderweitige Bedarfsdeckung sorgen zu können. In dieser Situation hätten es Treu und Glauben zwingend geboten, die Landkreise und kreisfreien Städte auf die Zweifelhaftigkeit der Gewinnabführung hinzuweisen und einen entsprechenden Rückforderungsvorbehalt deutlich zu machen. Dann hätten diese die Möglichkeit gehabt, gegenüber der Bundesrepublik eine Klärung der Verhältnisse herbeizuführen. Indem die Klägerin solche Maßnahmen unterließ, ließ sie jede Rücksichtnahme auf die Belange der Kommunen vermissen. Ihr jetziges Rückzahlungsverlangen zielt darauf, allein ihre eigenen Interessen wahrzunehmen und die Kommunen mit den schädlichen Folgen der damaligen Versäumnis zu belasten. Dies kann nicht hingenommen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel, Dr. Brunn
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 18.01.2001 durch Dallügge Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BVerwGE, 351 |
NVwZ 2001, 1056 |
LKV 2001, 367 |
NJ 2001, 437 |
DVBl. 2001, 991 |
ApoR 2001, 44 |
VA 2001, 159 |