Leitsatz (amtlich)
1. Ein Widerruf im Sinne von § 20 Abs. 3 Satz 3 KrWG ist bei funktionaler Betrachtung jede Rückänderung einer in einem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsgebiet geschaffenen Ausschlussregelung.
2. § 20 Abs. 3 Satz 3 KrWG vermittelt einem privaten Entsorgungsunternehmen keinen einfachrechtlichen Drittschutz.
Verfahrensgang
OVG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 30.10.2018; Aktenzeichen 1 K 562/16) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 30. Oktober 2018 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
Rz. 1
Die Antragstellerin, ein im Bereich der Entsorgung von Bau- und Abbruchabfällen tätiges Unternehmen, wendet sich gegen eine Satzung des Antragsgegners über die Abfallwirtschaft. Sie betreibt eine Deponie für nicht gefährliche Abfälle (Deponieklasse I) im Landkreis Rostock und hat den Erlass eines Planfeststellungsbeschlusses für die Errichtung und den Betrieb einer weiteren Deponie der Klasse I in Ramelow im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte beantragt.
Rz. 2
Der Antragsgegner ist im Jahr 2011 aufgrund einer Gebietsreform aus den Landkreisen Nordvorpommern und Rügen sowie der Hansestadt Stralsund als deren Gesamtrechtsnachfolger entstanden. Er ist öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger für sein Gebiet; dort existiert keine Deponie. Bis Ende 2015 bestanden drei Entsorgungsgebiete der früheren Gebietskörperschaften mit jeweils unterschiedlichen Satzungsregelungen fort. In den Entsorgungsgebieten waren in unterschiedlicher Weise zahlreiche Bau- und Abbruchabfälle von der Entsorgung durch öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger ausgeschlossen. Die Satzungen der ehemaligen Landkreise sahen die Wahrnehmung der Entsorgungspflichten durch eigene öffentliche Anlagen oder Eigenbetriebe vor. Zur Aufgabenerfüllung konnten Dritte beauftragt werden; die Antragstellerin war in den Satzungen nicht genannt.
Rz. 3
Der Antragsgegner ist seit Januar 2013 neben den Landkreisen Mecklenburgische Seenplatte und Vorpommern-Greifswald Gesellschafter der Ostmecklenburgisch-Vorpommerschen Verwertungs- und Deponie GmbH (OVVD GmbH), die im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte die Deponie "Rosenow" der Deponieklasse II betreibt. Die Gesellschafter vereinbarten, alle im Rahmen ihrer Entsorgungspflicht aus dem Kreislaufwirtschaftsgesetz anfallenden und für die Entsorgungsanlagen der Gesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft zugelassenen Müllarten der OVVD GmbH anzudienen. Zur Absicherung der Andienungspflicht verpflichteten sich die Gesellschafter zum Erlass von entsprechenden Satzungsregelungen. Der Antragsgegner erließ die streitgegenständliche Satzung über die Abfallwirtschaft im Landkreis Vorpommern-Rügen (AbfS) vom 14. Dezember 2015. § 4 AbfS i.V.m. der Anlage zur Satzung regelt, welche Abfälle von der Abfallentsorgung ausgeschlossen sind, § 5 AbfS das Anschluss- und Benutzungsrecht und § 6 AbfS den Anschluss- und Benutzungszwang. § 18 AbfS listet die vom Landkreis zur Verfügung gestellten und genutzten Abfallentsorgungsanlagen auf.
Rz. 4
Mit Normenkontrollurteil vom 30. Oktober 2018 hat das Oberverwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin, die Abfallsatzung für unwirksam zu erklären, mangels Antragsbefugnis abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Weder seien die Grundrechte der Antragstellerin durch die Satzung betroffen noch habe der Antragsgegner bei Erlass der Satzung ihre Belange berücksichtigen müssen. In die Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin greife die Satzung nicht ein. Die Antragstellerin habe ihren Firmensitz und ihre Deponiestandorte nicht im Satzungsgebiet und könne ihren Beruf als Abfallentsorger ohne Einschränkung weiterhin ausüben. Es sei zwar eine Eigentumsbeeinträchtigung insoweit in Betracht zu ziehen, als die Antragstellerin aufgrund der Satzungsregelungen einen geringeren Umsatz habe; es fehle aber an einem zielgerichteten Eingriff. Die Abfallsatzung habe sich nur an den Grundsätzen der Abfallwirtschaft und insbesondere an den Regelungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes auszurichten. Die Einbeziehung der Bau- und Abbruchabfälle in den Kreis der andienungspflichtigen Abfälle in der Abfallsatzung sei kein Widerruf des Ausschlusses von der Entsorgung. Der Antrag sei zudem unbegründet. Die Abfallsatzung sei ordnungsgemäß zustande gekommen. Die Abfälle der Deponieklasse I dürften in der vorgesehenen Deponie der Klasse II entsorgt werden, wenn eine Deponie der Klasse I im Satzungsgebiet nicht zur Verfügung stehe.
Rz. 5
Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Revision macht die Antragstellerin geltend, antragsbefugt zu sein. Mit der angegriffenen Satzung sei ein Widerruf des Ausschlusses von der Entsorgung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 3 KrWG a.F. erfolgt. Diese Norm sei drittschützend; außerdem seien ihre Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG berührt. Die materiellen Voraussetzungen für die Aufhebung des Entsorgungsausschlusses hätten zudem nicht vorgelegen.
Rz. 6
Die Antragstellerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 30. Oktober 2018 die Satzung über die Abfallwirtschaft im Landkreis Vorpommern-Rügen vom 14. Dezember 2015 in der Fassung der Änderungssatzung vom 9. Oktober 2017 für unwirksam zu erklären.
Rz. 7
Der Antragsgegner beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Rz. 8
Der Antragsgegner verteidigt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts und führt ergänzend aus: § 20 Abs. 2 KrWG a.F. sei grundsätzlich nicht drittschützend. Das Ermessen beim Erlass der Abfallsatzung könne nur am Maßstab des Gleichbehandlungsgebots und der Willkürfreiheit ausgeübt werden. Nicht adressierte Dritte, wie die Antragstellerin, könnten keinen Schutz beanspruchen.
Entscheidungsgründe
Rz. 9
Die Revision der Antragstellerin ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass der Antragstellerin die Antragsbefugnis fehlt. Es hat allerdings angenommen, dass die Abfallsatzung des Antragsgegners keinen abfallrechtlichen Widerruf im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) begründe. Das verstößt zwar gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Hierauf beruht das Urteil aber nicht.
Rz. 10
Das Normenkontrollverfahren setzt nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO eine Antragsbefugnis voraus. Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind keine höheren Anforderungen zu stellen als nach § 42 Abs. 2 VwGO. Deshalb genügt es, wenn ein Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in einem eigenen subjektiven Recht verletzt wird (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 9. Januar 2018 - 4 BN 33.17 - juris Rn. 4 m.w.N.). Die Antragsbefugnis fehlt daher nur dann, wenn unter Zugrundelegung des Antragsvorbringens Rechte des Antragstellers offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 5 CN 1.12 - BVerwGE 146, 217 Rn. 16 m.w.N.). Zwischen der angegriffenen Rechtsvorschrift und der behaupteten Rechtsverletzung muss ein Zurechnungszusammenhang bestehen ("durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung"). Die geltend gemachte Rechtsverletzung muss also auf die angegriffene Rechtsvorschrift zurückgehen. Das gilt nicht nur bei unmittelbarer, sondern gegebenenfalls auch bei einer nur mittelbaren Betroffenheit des Antragstellers (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. August 2013 - 9 BN 2.13 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 189 Rn. 4 f. m.w.N.). Bei Anträgen von Personen, die nicht Normadressaten sind, ist das der Fall, wenn die Belange Dritter in einer von den Interessen der Allgemeinheit abgehobenen Weise in den Schutzbereich der der angegriffenen Norm zugrundeliegenden Rechtsvorschriften einbezogen sind und daraus auf ein subjektives Recht dieser Personen auf Berücksichtigung bei der Normgebung zu schließen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. März 2019 - 5 CN 1.18 - juris Rn. 11 f.). So liegt es hier nicht.
Rz. 11
1. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht eine Antragsbefugnis aus § 20 Abs. 2 KrWG a.F./§ 20 Abs. 3 KrWG verneint.
Rz. 12
Es hat danach gefragt, ob der Antragsgegner beim Erlass seiner Satzung die Belange der Antragstellerin in ihre Abwägung hätte einstellen müssen. Soweit die Abfallsatzung die Regelung enthält, Bau- und Abbruchabfall nicht von der Entsorgung auszuschließen, beruht diese Entscheidung auf § 20 Abs. 2 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) vom 24. Februar 2012 (BGBl. I S. 212). Diese Norm entspricht § 20 Abs. 3 KrWG in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes vom 23. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2232). Nach § 20 Abs. 2 Satz 3 KrWG a.F. können die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger den Ausschluss von der Entsorgung nach den Sätzen 1 und 2 mit Zustimmung der zuständigen Behörde widerrufen, soweit die dort genannten Voraussetzungen für einen Ausschluss nicht mehr vorliegen.
Rz. 13
a) Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts regelt die streitgegenständliche Abfallsatzung einen Widerruf im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 3 KrWG a.F. Ein solcher Widerruf im abfallrechtlichen Sinne scheidet nicht deshalb aus, weil es in den vormaligen drei Landkreisen zuvor keine einheitliche Regelung zum Ausschluss der Entsorgung gegeben hatte. Der neu gegründete Landkreis des Antragsgegners ist im Hinblick auf das Abfallrecht gemäß § 10 Abs. 1 und 2 des Gesetzes zur Neuordnung der Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Landkreisneuordnungsgesetz - LNOG MV) vom 12. Juli 2010 (GVOBl. MV 2010, 366) bzw. - im Hinblick auf die Hansestadt Stralsund - aufgrund des Vertrags nach § 12 Abs. 1 LNOG MV Rechtsnachfolger der in ihm aufgegangenen bzw. in ihm eingekreisten Gebietskörperschaften. Das bisherige Recht zum Entsorgungsausschluss galt gemäß § 21 Abs. 1 LNOG MV zunächst fort und ist durch die Satzung des Antragsgegners ersetzt worden (§ 26 Abs. 2 der Abfallsatzung). Ein Widerruf im abfallrechtlichen Sinne ist bei funktionaler Betrachtung jede Rückänderung einer in einem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsgebiet geschaffenen Ausschlussregelung als Anpassungsakt an veränderte Verhältnisse (vgl. Schoch, in: Jarass/Petersen, Kreislaufwirtschaftsgesetz, 2014, § 20 Rn. 89). Eine solche Anpassung ist gegeben. Die Verhältnisse in dem neu geschaffenen Landkreis hatten sich aufgrund des Zusammenschlusses von drei Landkreisen als Gesellschafter der OVVD GmbH geändert. Folge war die Schaffung der streitgegenständlichen Abfallsatzung, mit der der bis dato bestehende, in den drei Rechtsvorgängern jedoch uneinheitlich ausgestaltete Entsorgungsausschluss teilweise aufgehoben wurde.
Rz. 14
b) § 20 Abs. 2 KrWG a.F./§ 20 Abs. 3 KrWG stellt in den Sätzen 1 und 3 die Entscheidung über den Entsorgungsausschluss und dessen Widerruf jeweils in das Ermessen der Behörde. Auch wenn man mit der Antragstellerin der Auffassung ist, dass jedenfalls die Entscheidung über den Widerruf des Entsorgungsausschlusses nicht nur im öffentlichen Interesse liege, sondern auch die Belange der Abfallerzeuger und Abfallbesitzer berücksichtigen müsse (vgl. Beckmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand August 2020, § 20 KrWG Rn. 58), vermittelt § 20 Abs. 2 Satz 3 KrWG a.F./§ 20 Abs. 3 Satz 3 KrWG dem privaten Entsorgungsunternehmen einfachrechtlich keine eigene Rechtsposition.
Rz. 15
aa) Für die Annahme von Drittschutz ist es erforderlich, dass ein Verstoß gegen eine Schutznorm, d.h. eine Vorschrift geltend gemacht wird, die den von ihrem Regelungsgehalt Betroffenen nach dem in ihr enthaltenen Entscheidungsprogramm zu schützen bestimmt ist und ihm die Rechtsmacht verleiht, eine Verletzung der Norm insbesondere vor Gericht geltend zu machen. Fehlt es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Normierung, setzt dies voraus, dass sich aus individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit hinreichend unterscheidet. Aus dem Schutzzweck der Norm muss zudem folgen, dass sie unmittelbar (auch) dem rechtlichen Interesse dieses Personenkreises zu dienen bestimmt ist und nicht nur tatsächlich, also reflexartig, seine Rechte berührt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. September 2018 - 7 C 23.16 - Buchholz 451.224 § 17 KrWG Nr. 3 Rn. 14 zur fehlenden Klagebefugnis eines öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers; Wahl/Schütz, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2020, § 42 Abs. 2 Rn. 116).
Rz. 16
bb) Eine solche Rechtsposition wird dem privaten Entsorgungsunternehmen nicht eingeräumt. § 20 Abs. 2 Satz 1 KrWG a.F./§ 20 Abs. 3 Satz 1 KrWG dient zwar nicht nur der Entlastung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, sondern will auch eine Anreizwirkung gegenüber Abfallerzeugern und -besitzern entfalten, indem die zur Entsorgung verpflichteten Abfallerzeuger und -besitzer (vor allem im industriellen und gewerblichen Bereich) zu Maßnahmen der Abfallvermeidung und Abfallverwertung veranlasst werden (vgl. Schoch, in: Jarass/Petersen, Kreislaufwirtschaftsgesetz, 2014, § 20 Rn. 66 und 87). Damit besteht insoweit ein von der Allgemeinheit hinreichend abgrenzbarer Personenkreis, dessen Interessen bei einem Widerruf zu berücksichtigen sind. Eine drittschützende Position folgt hieraus für ein privates Abfallentsorgungsunternehmen ebenso wenig wie aus der Erwähnung des "Dritten" in § 20 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 KrWG a.F./§ 20 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 KrWG. Diese Regelung dient dazu, bereits vorhandene Entsorgungsinfrastrukturen von privaten Entsorgungsträgern oder Dritten möglichst optimal zu nutzen und auszulasten und damit dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger die Möglichkeit einzuräumen, angesichts dieser bereits vorhandenen Infrastrukturen von der Schaffung eigener Kapazitäten und Anlagen abzusehen. Zudem setzt der Ausschluss voraus, dass die Sicherheit der umweltverträglichen Abfallbeseitigung im Einklang mit den Abfallwirtschaftsplänen der Länder gewährleistet ist, und zwar durch einen anderen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger oder Dritten. Der "Dritte" wird hier also als Garant der Sicherheit der umweltverträglichen Abfallentsorgung und somit ausschließlich mit Blick auf dieses Allgemeininteresse angesprochen, nicht hingegen auch mit Rücksicht auf seine individuellen - insbesondere wirtschaftlichen - Interessen an der Durchführung der Abfallentsorgung. Für einen Widerruf nach § 20 Abs. 2 Satz 3 KrWG a.F./§ 20 Abs. 3 Satz 3 KrWG als actus contrarius des Entsorgungsausschlusses gilt insoweit nichts Anderes. Weiteres folgt auch nicht aus § 22 Satz 1 KrWG. Diese Norm bestätigt den Abfallerzeugern und -besitzern sowie den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG, dass sie zur Einschaltung von Dritten bei der Erfüllung ihrer Pflichten berechtigt sind (vgl. Beckmann, a.a.O., § 20 KrWG Rn. 1). Aus dem Wortlaut ("kann") ergibt sich, dass Dritte grundsätzlich keinen Anspruch auf Beauftragung haben (vgl. Dippel, in: BeckOK Giesberts/Reinhardt, Umweltrecht, Stand Januar 2021, § 20 Rn. 7).
Rz. 17
2. Eine Antragsbefugnis folgt auch nicht aus den Grundrechten der Antragstellerin.
Rz. 18
a) Ein unmittelbarer Eingriff in die Berufs- und Eigentumsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG) liegt schon deswegen nicht vor, weil sich die Abfallsatzung mit dem darin enthaltenen Widerruf nicht an die Antragstellerin richtet, sondern ausschließlich die Abfallentsorgung im Landkreis und damit allein das Rechtsverhältnis zwischen Abfallbesitzern und -erzeugern sowie dem Landkreis als öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger regelt.
Rz. 19
b) Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht auch eine mittelbare Grundrechtsbeeinträchtigung verneint.
Rz. 20
aa) Der abfallrechtliche Widerruf betrifft keine eigentumsrechtlich geschützte Position nach Art. 14 Abs. 1 GG. Unter den Schutz der Eigentumsgarantie fallen grundsätzlich alle vermögenswerten Rechte, die Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass sie die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zum privaten Nutzen ausüben dürfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2020 - 1 BvR 1679/17 u.a. - juris Rn. 74). Der Kundenstamm bildet indes kein Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG. Geschützt ist allein das Recht auf Fortsetzung des Betriebs im bisherigen Umfang nach den schon getroffenen betrieblichen Maßnahmen, wobei bestehende Geschäftsbeziehungen und der erworbene Kundenstamm als solche nicht erfasst sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom Beschluss 6. Oktober 1987 - 1 BvR 1086/82 u.a. - BVerfGE 77, 84 ≪118≫). So liegt es hier.
Rz. 21
Aufgrund der Ausschlussentscheidungen in den vormaligen Satzungen der früheren Landkreise hatte sich für die Antragstellerin ein Erwerbsfeld eröffnet, das es ohne die Entscheidungen so nicht gegeben hätte. Den daraus erwachsenen Kundenstamm hatte sie aber aufgrund der Möglichkeit des Widerrufs nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz von vornherein ohne Schutz auf Bestand erworben (vgl. zum Abfallbeseitigungsgesetz BVerwG, Urteil vom 27. Mai 1981 - 7 C 34.77 - BVerwGE 62, 224 ≪227≫). Soweit die Antragstellerin auf ihre Investitionen zur Planfeststellung einer neuen Klasse I-Deponie verweist, die sie im Hinblick auf die vormalige Satzungslage getätigt habe, handelt es sich dabei um Investitionen in Wahrnehmung von Erwerbschancen. Die Antragstellerin musste sich bei ihrer Investitionspolitik auf den unsicheren Fortbestand ihres Unternehmens im Hinblick auf den potenziellen Wegfall ihrer Kunden von vornherein einrichten (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 1981 - 7 C 34.77 - BVerwGE 62, 224 ≪229≫). Daran können Anhörungs- und Erörterungstermine im Planfeststellungsverfahren nichts ändern. Verfestigte, eigentumsrelevante Rechtspositionen haben sich hieraus nicht ergeben.
Rz. 22
bb) Ein rechtlich geschütztes Interesse ergibt sich im vorliegenden Zusammenhang auch nicht aus der Berufsfreiheit. Art. 12 Abs. 1 GG schützt vor solchen Beeinträchtigungen, die gerade auf die berufliche Betätigung bezogen sind, indem sie eine Berufstätigkeit unmittelbar unterbinden oder beschränken (stRspr, BVerfG, Beschlüsse vom 12. April 2005 - 2 BvR 1027/02 - BVerfGE 113, 29 ≪48≫ und vom 30. Juni 2020 - 1 BvR 1679/17 - juris Rn. 95 ff.). Als Eingriffe in die Berufsfreiheit sind danach etwa Vorschriften anzusehen, die eine berufliche Tätigkeit grundsätzlich verbieten und nur unter dem Vorbehalt behördlicher Einzelzulassung erlauben. Hingegen schützt die Berufsfreiheit nicht gegen jede Regelung, die Rahmenbedingungen der unternehmerischen Tätigkeit beeinflusst (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 - 1 BvF 1/13 - BVerfGE 148, 40 Rn. 27≫; BVerwG, Urteil vom 29. August 2019 - 7 C 29.17 - BVerwGE 166, 233 Rn. 43). Der Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG richtet sich nicht gegen jedwede auch nur mittelbar wirkende Beeinträchtigung des Berufs. Aus Art. 12 Abs. 1 GG folgt in der freien Wettbewerbswirtschaft im Grundsatz kein subjektives Recht auf Erhaltung eines bestimmten Geschäftsumfangs und auf Sicherung weiterer Erwerbsmöglichkeiten (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1985 - 3 C 34.84 - BVerwGE 71, 183 ≪193≫).
Rz. 23
Unter bestimmten Voraussetzungen können jedoch auch Normen, die sich nicht unmittelbar auf die Berufstätigkeit beziehen, in die Berufsfreiheit eingreifen. So entfaltet Art. 12 Abs. 1 GG seine Schutzwirkung auch gegenüber Normen, die eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben (etwa BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2020 - 1 BvR 1679/17 - juris Rn. 96 f.). Nur wenn der Staat zielgerichtet gewisse Rahmenbedingungen verändert, um zu Lasten bestimmter Unternehmen einen im öffentlichen Interesse erwünschten Erfolg herbeizuführen, handelt es sich um grundrechtsspezifische Maßnahmen und nicht mehr um die Veränderung sozialer Bedingungen als bloßer Reflex staatlicher Maßnahmen. Im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 GG sind das Maßnahmen, die eindeutig auf einen auf Seiten des Unternehmens eintretenden nachteiligen Effekt abzielen und diesen Effekt nicht lediglich als Begleiterscheinung mit sich bringen (BVerwG, Urteil vom 18. April 1985 - 3 C 34.84 - BVerwGE 71, 183 ≪193 f.≫). Entsprechendes gilt, wenn Normen, die zwar selbst die Berufstätigkeit nicht unmittelbar berühren, aber Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändern, in ihrer Zielsetzung und ihren mittelbar-faktischen Wirkungen einem Eingriff als funktionales Äquivalent gleichkommen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2019 - 7 C 29.17 - BVerwGE 166, 233 Rn. 44). Solche Umstände hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt. Vielmehr hat der Antragsgegner nach der Kreisreform und dem Zusammenschluss in der OVVD GmbH aus Gründen der Sicherstellung der Entsorgungssicherheit gehandelt. Eine objektiv berufsregelnde Tendenz der Abfallsatzung im Sinne einer einem Eingriff in die Berufsfreiheit gleichkommenden Zielgerichtetheit und Wirkung der Satzung hat die Antragstellerin nicht vorgetragen und ist nicht ersichtlich.
Rz. 24
cc) Allgemeine und verfassungsrechtlich nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG abgesicherte Vertrauensschutzgesichtspunkte sind ebenfalls nicht gegeben. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG enthält ein allgemeines Vertrauensschutzgebot. Allgemeiner Vertrauensschutz ist damit nicht nur objektivrechtlich durch das Rechtsstaatsprinzip garantiert, sondern zugleich eine subjektivrechtliche Grundrechtsverbürgung. Grundrechtlicher Vertrauensschutz kann seine Garantiefunktion insbesondere gegenüber Rechtsänderungen entfalten. Allerdings wirft bei weitem nicht jede Rechtsänderung, die aus Sicht von Grundrechtsträgern Nachteile mit sich bringt, verfassungsrechtliche Vertrauensschutzfragen auf (stRspr, BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2020 - 1 BvR 1679/17 - juris Rn. 123 f.).
Rz. 25
Ist eine Rechtsänderung konkret vorhersehbar, ist ein Vertrauen in den Fortbestand des Rechts von vornherein unberechtigt und verfassungsrechtlich nicht weiter schutzwürdig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2010 - 1 BvL 11/06 u.a. - BVerfGE 126, 369 ≪393 f.≫). Auch wenn eine Rechtsänderung nicht konkret vorhersehbar ist, muss aber im Grundsatz mit Rechtsänderungen gerechnet werden. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht nicht so weit, die Adressaten grundsätzlich vor Enttäuschungen ihrer in die Dauerhaftigkeit der Rechtslage gesetzten Erwartungen zu bewahren. Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Auch ein in umfangreichen Dispositionen betätigtes besonderes Vertrauen in den Bestand des geltenden Rechts begründet grundsätzlich noch keinen abwägungsresistenten Vertrauensschutz. Eine Garantie der Erfüllung aller Investitionserwartungen besteht nicht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20 Rn. 189 und vom 30. Juni 2020 - 1 BvR 1679/17 - juris Rn. 124 f.). Aufschluss darüber, ob besondere Momente der Schutzwürdigkeit des Vertrauens bestehen, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, kann das Kriterium der Rückwirkung geben. Entfaltet ein Gesetz Rückwirkung, ist dies ein Hinweis darauf, dass doch schutzwürdige Stabilitätserwartungen enttäuscht sein könnten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2020 - 1 BvR 1679/17 - juris Rn. 126).
Rz. 26
Unstreitig hat die Abfallsatzung nicht in einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen. Eine echte Rückwirkung liegt damit nicht vor. Soweit sich die Revision auf das Vertrauen in die Fortgeltung des bisherigen Abfallrechts beruft und insoweit eine unechte Rückwirkung geltend macht, verfängt ihr Vorbringen nicht. Eine abändernde Regelung ist mit der Verfassung vereinbar, wenn das Vertrauen in den Fortbestand der bisherigen günstigen Rechtslage nicht generell schutzwürdiger erscheint als das öffentliche Interesse an einer Änderung. Es bedarf daher des Nachweises eines besonderen Vertrauenstatbestandes für die in Anspruch genommene Fortgeltung der rechtlichen Verhältnisse (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 16. Dezember 1981 - 1 BvR 898/79 u.a. - BVerfGE 59, 128 ≪164 ff.≫, vom 14. Januar 1987 - 1 BvR 1052/79 - BVerfGE 74, 129 ≪155 ff.≫ und vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 5/08 - BVerfGE 135, 1 Rn. 106).
Rz. 27
Ein solches Vertrauen konnte vorliegend bereits aufgrund der Widerrufsoption des Kreislaufwirtschaftsgesetzes nicht entstehen. Die Antragstellerin ist ein privat tätiges Unternehmen, das im Entsorgungsgebiet des Antragsgegners und der OVVD GmbH unter den Einschränkungen des Kreislaufwirtschaftsrechts ihre Leistungen anbietet. Sie hat weder ihren Firmensitz noch ihren Deponiestandort im Satzungsgebiet. Vielmehr betreibt sie ihre Deponie der Klasse I im Landkreis Rostock, also außerhalb des Gebiets des Antragsgegners und auch des Gebiets der in der OVVD GmbH zusammengeschlossenen Gebietskörperschaften. Durch den Antragsgegner oder die Vorgänger-Gebietskörperschaften wurden keine gezielten Anreize für die Antragstellerin gesetzt. Sie hatte nie eine besondere Verantwortung für die Abfälle aus dem konkreten Entsorgungsgebiet, sondern wurde nur durch einzelne Abfallerzeuger und -besitzer für die Entsorgung beauftragt. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Antragstellerin im Abfallwirtschaftsplan Mecklenburg-Vorpommern ohne besondere Heraushebung mit ihren verbliebenen Deponiekapazitäten nur aufgelistet wird (dort Seite 40). Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht herausgestellt, dass ein Kooperationsverhältnis zwischen öffentlicher und privater Wirtschaft nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz nicht besteht, und angenommen, der Antragsgegner folge einem öffentlichen Interesse an der Änderung der bestehenden Satzungslage, weil ein Bedürfnis für eine Homogenisierung unterschiedlicher Altsatzungen nach einer Kreisgebietsreform bestehe. Ferner ist seine Annahme zutreffend, der Antragsgegner entspreche einem öffentlichen Bedürfnis, wenn er von weiteren Verträgen absieht, die eine Entsorgung durch Dritte sicherstellen, und stattdessen die von ihm gemeinsam mit anderen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern errichtete und kontrollierte OVVD GmbH mit der Entsorgung befasst. Mit dem Zusammenschluss mit zwei weiteren Landkreisen hat der Antragsgegner von der vom Landesgesetzgeber in § 7 Abs. 1 Satz 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes für Mecklenburg-Vorpommern (AbfWG M-V) geschaffenen Möglichkeit der Zusammenarbeit von öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern oder ihres Zusammenschlusses zu einem Zweckverband zur Erfüllung ihrer Aufgaben Gebrauch gemacht. Dies ist auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass möglicherweise höhere Gebühren zu erwarten sind, weil eine Entsorgung in einer Klasse I-Deponie unterbleiben wird. Hierauf könnten sich allein die von den Gebühren Betroffenen berufen, die die Gebührensatzung einer gerichtlichen Kontrolle unterziehen können. Zudem reicht die bloße Möglichkeit höherer Gebühren nicht aus, um das öffentliche Bedürfnis in Frage zu stellen; es müssten konkrete Hinweise hierauf dargetan werden, die nicht ersichtlich sind.
Rz. 28
dd) Soweit die Antragstellerin Parallelwertungen aus dem Gesetz zur Entwicklung und Förderung der Windenergie auf See vom 13. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2258, 2310 - WindSeeG) und der dortigen gesetzgeberischen Entscheidung für einen Vertrauensschutz zugunsten geplanter Vorhaben (§§ 26 ff. WindSeeG) ziehen will, ist ihren Ausführungen nichts Konkretes zu entnehmen. Es handelt sich bei den gesetzlichen Wertungen um spezielles Recht, so dass damit jedenfalls über die vorangestellten allgemeinen Vertrauensschutz- und Rückwirkungsgrundsätze hinaus nichts herzuleiten ist. Dies gilt auch für das Vorbringen zu den Überleitungsvorschriften des § 245a BauGB in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat.
Rz. 29
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Fundstellen
Haufe-Index 14624209 |
BVerwGE 2022, 37 |
JZ 2021, 571 |
MuA 2021, 464 |
VR 2021, 358 |
ZUR 2021, 554 |
UPR 2021, 374 |