Entscheidungsstichwort (Thema)

Baugerüst. Gerüstsystem. Layher-Allround-Gerüst. Bauprodukt. Bauarten. Bauartenzulassung. allgemeine baurechtliche Zulassung. herstellerneutrale Zulassung. produktbezogene Zulassung. Herstellerbindung. Ersthersteller. Zweithersteller. Patentschutz. Produktsicherheit. herstellerbezogene Auflage. präventive Gefahrenabwehr. Vermarktungschance. Eigentumsgrundrecht. Berufsfreiheit. Allgemeinwohlbelang

 

Leitsatz (amtlich)

Der Schutz vor Gefahren unerprobter Bauarten stellt einen vernünftigen Allgemeinwohlbelang dar, der es rechtfertigt, neue Baustoffe und Bauarten einer Zulassungspflicht zu unterwerfen.

Grundrechtlich geschützte Interessen des Erstherstellers gebieten eine Beschränkung der Bauartzulassung auf von ihm hergestellte Baustoffe nicht.

 

Normenkette

LBO 1983 (Ba.-Wü.) § 22; LBO 1995 (Ba.-Wü.) § 77; GG Art. 12 Abs. 1, 14

 

Verfahrensgang

VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 12.11.1993; Aktenzeichen 3 S 1449/91)

VG Stuttgart (Entscheidung vom 06.02.1991; Aktenzeichen 7 K 2747/88)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 12. November 1993 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin produziert und vertreibt Baugerüstsysteme, die sie selbst entwickelt hat. Der Beklagte, eine durch Länderabkommen errichtete rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, ist kraft Übertragung für die Erteilung allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassungen (auch) nach der baden-württembergischen Landesbauordnung zuständig. Die Klägerin möchte erreichen, daß die vom Beklagten für das „Layher-Allround-Gerüst” ausgesprochene allgemeine bauaufsichtliche Zulassung als herstellerbezogene Zulassung ausgestaltet wird.

Auf Antrag der Rechtsvorgängerin der Klägerin wurde das „Layher-Allround-Gerüst” erstmals im Jahre 1977 befristet zugelassen. Wegen umfangreicher Änderungen und Verbesserungen beantragte die Klägerin 1986 eine umfassende Neuzulassung ihres „Allround-Gerüst-Systems”. Dabei regte sie im Rahmen von Gesprächen mit dem Beklagten an, die Zulassung auf sie als Herstellerin zu beschränken. Hintergrund dieser Forderung war, daß andere Hersteller zunehmend Bauteile anboten, die mit dem „Layher-Allround-Gerüst” kompatibel waren. Der Beklagte sprach sich gegen eine auf die Klägerin beschränkte Zulassung aus.

Mit Bescheid vom 11. November 1987 wurde das Gerüstsystem „Layher-Allround-Gerüst” vom Beklagten allgemein bauaufsichtlich zugelassen. Die Zulassung umfaßt die Verwendung des Gerüstsystems und die Herstellung der Bauteile. Die Verbindung der Bauteile erfolgt über den sog. „Layher-Gerüst-Knoten”, der eigenständig zugelassen wurde und nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits ist. Die Zulassung war zunächst bis zum 31. März 1989 befristet und wurde später durch weitere Bescheide verlängert, zuletzt mit Bescheid vom 16. Dezember 1996 bis Ende 1997.

Die Klägerin legte wegen einzelner Fragen der Zulassung Widerspruch ein. Insbesondere beantragte sie, den Bescheid dahin zu ergänzen, daß die Zulassung nur die von ihr selbst hergestellten Gerüste umfasse. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 19. August 1988 zurück. Er führte aus, die neuen Landesbauordnungen sähen eine herstellerbezogene Zulassung nicht mehr vor. Solche Beschränkungen seien zwar nach § 22 Abs. 5 Satz 3 LBO im Ermessenswege zulässig; sie seien jedoch im vorliegenden Fall aus Sicherheitsgründen nicht erforderlich. Gegen diesen Widerspruchsbescheid legte die Klägerin vorsorglich Widerspruch ein, soweit darin die begehrte Beschränkung auf den Ersthersteller abgelehnt worden war, weil der Widerspruchsbescheid hinsichtlich der Einschränkung möglicherweise als Erstbescheid angesehen werden könne; der Beklagte hat über den Widerspruch nicht entschieden, weil er den Erlaß eines weiteren Widerspruchsbescheids nicht für erforderlich hielt.

Die Klägerin erhob ferner Klage mit dem Antrag festzustellen, daß die Zulassung in dem Bescheid vom 11. November 1987 nur für von ihr hergestellte Gerüste gelte; hilfsweise begehrte sie, den Beklagten zu verpflichten, den Zulassungsbescheid auf von ihr hergestellte Gerüste zu beschränken. Sie machte geltend, die Zulassung müsse aus Sicherheitsgründen auf sie beschränkt werden. Der Nachbau bestimmter Gerüstbauteile durch Dritte beeinträchtige die Sicherheit des Gerüstsystems. Zugleich ergäben sich Wettbewerbsverzerrungen zu ihren Lasten, weil sie ein aufwendiges Zulassungsverfahren habe durchlaufen müssen.

Der Beklagte trat der Klage entgegen. Nach seiner Auffassung ist die Zulassung nicht hersteller-, sondern produktbezogen. Die Herstellung des besonders empfindlichen und gesondert zugelassenen „Gerüst-Knotens” unterliege amtlicher Überwachung. Im übrigen sei eine Beschränkung auf den Hersteller aus Sicherheitsgründen nicht erforderlich. Dem gewerblichen Rechtsschutz diene das Zulassungsverfahren nicht.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Auch die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt: Der Feststellungsantrag sei unbegründet, weil der streitige Zulassungsbescheid produktbezogen ausgestaltet sei. Auch der hilfsweise gestellte Verpflichtungsantrag sei unbegründet. Die Zulassung nach § 22 Abs. 1 LBO werde „allgemein” für bestimmte neue Baustoffe, Bauteile und Bauarten erteilt; sie sei ein dinglicher Verwaltungsakt in Gestalt einer Allgemeinverfügung, die gegenüber „jedem, den es angeht”, wirke. Nach ihrem Schutzzweck diene die Zulassung ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit beim Einsatz neuer Bauprodukte. Sie sei deshalb wettbewerbsneutral gefaßt, während der Schutz der wirtschaftlichen Stellung der Klägerin durch das Zivilrecht sichergestellt werde. Zwar ermögliche § 22 Abs. 5 Satz 3 LBO grundsätzlich auch herstellerbezogene Auflagen. Auch diese Vorschrift bezwecke jedoch nicht den Schutz des Erstherstellers vor dem zulassungskonformen Nachbau einzelner Bauteile durch Dritthersteller, sondern diene nur der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit. Eine Beschränkung der Zulassung auf die Klägerin sei hier aus Sicherheitsgründen nicht erforderlich. Die Grundrechte der Klägerin aus Art. 12, Art. 14, Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG seien nicht verletzt.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision hat die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Sie hat hierzu ein Gutachten des Universitätsprofessors Dr. W. H. vorgelegt.

Die Klägerin beantragt:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 6. Februar 1991 – 7 K 2747/88 – und das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 12. November 1993 – 3 S 1449/91 – sowie der Widerspruchsbescheid vom 19. August 1988 werden aufgehoben.

Es wird festgestellt, daß die mit dem Bescheid vom 11. November 1987 in der Fassung der Bescheide vom 8. März 1990, vom 30. Juli 1992, vom 12. Dezember 1994, vom 26. Januar 1996 und vom 16. Dezember 1996 erfolgte Zulassung des Layher-Allround-Gerüsts nur für Gerüste gilt, die aus von der Klägerin hergestellten Bauteilen zusammengesetzt sind.

hilfsweise:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 6. Februar 1991 – 7 K 2747/88 – und das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 12. November 1993 – 3 S 1449/91 – sowie der Widerspruchsbescheid vom 19. August 1988 und der Bescheid vom 11. November 1987 in der Fassung der Bescheide vom 8. März 1990, vom 30. Juli 1992, vom 12. Dezember 1994, vom 26. Januar 1996 und vom 16. Dezember 1996 werden geändert.

Der Beklagte wird verpflichtet, die Zulassung für das Layher-Allround-Gerüst dahin zu beschränken, daß diese nur für Gerüste gilt, die ausnahmslos aus von der Klägerin hergestellten Bauteilen zusammengesetzt sind.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er verteidigt die Entscheidung des Berufungsgerichts.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Berufungsurteil verstößt nicht gegen Bundesrecht.

1. Der Hauptantrag, mit dem die Feststellung begehrt wird, daß die mit dem Bescheid vom 11. November 1987 erfolgte Zulassung des Layher-Allround-Gerüsts nur für Gerüste gelte, die aus von der Klägerin hergestellten Bauteilen zusammengesetzt sind, ist zulässig. Er ist auf die Klärung des durch den Zulassungsbescheid geschaffenen Rechtsverhältnisses im Hinblick auf den begünstigten Adressatenkreis gerichtet. Diese Frage kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein.

Der Antrag ist jedoch unbegründet. Das Berufungsgericht hat ohne Verstoß gegen – dem revisiblen Recht angehörige – Auslegungsregeln im einzelnen ausgeführt, daß der streitige Zulassungsbescheid nicht auf Gerüstteile der Klägerin beschränkt, sondern „herstellerneutral” ausgestaltet sei. Es hat den Erklärungsgehalt des Bescheids, wie er sich aus Sicht der Adressaten darstellt, vor allem anhand der im Bescheid formulierten Auflagen ermittelt. Dabei hat es sich auf die Ansicht gestützt, die Zulassungsentscheidung nach § 22 der Landesbauordnung für Baden-Württemberg vom 28. November 1983 (GBl S. 770, LBO 1983) sei ein herstellerneutral ausgestalteter, dinglich-produktbezogener Verwaltungsakt. Es hat weiter angenommen, der Beklagte als Urheber der streitgegenständlichen Zulassungsentscheidung habe dies auch so verstanden. Gegen dieses Vorgehen ist revisionsgerichtlich nichts zu erinnern. Ob die dem zugrundeliegende Auslegung des nicht revisiblen Landesrechts zutrifft oder gegen höherrangiges Recht verstößt, hat das Revisionsgericht an dieser Stelle nicht zu überprüfen.

2. Auch der Hilfsantrag ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf herstellerbezogene Beschränkung des Zulassungsbescheids ohne Verstoß gegen Bundesrecht verneint. Seine Auslegung der maßgeblichen Rechtsgrundlage – § 22 LBO 1983 – steht mit revisiblem Recht in Einklang; und auch die Anwendung dieser Vorschrift im entschiedenen Fall läßt Rechtsfehler nicht erkennen.

2.1. Das Berufungsgericht legt § 22 LBO 1983 als Vorschrift aus, die nur dem öffentlichen Interesse an präventiver Gefahrenabwehr im Hinblick auf die Schutzgüter des § 3 LBO 1983, nicht dagegen dem Schutz der Hersteller von Bauprodukten vor Konkurrenz oder anderen individuellen Interessen diene. Zwar ermögliche § 22 Abs. 5 Satz 3 LBO 1983 eine personale Beschränkung der Zulassung auf den Hersteller. Auch dies diene aber nicht dem Schutz eines Erstherstellers vor dem zulassungskonformen Nachbau des zugelassenen Produkts durch andere Hersteller.

Das Revisionsgericht ist darauf beschränkt, diese Auslegung an Normen des höherrangigen revisiblen Rechts zu messen, weil § 22 LBO 1983 dem irrevisiblen Landesrecht angehört. Eine in dieser Weise eingeschränkte Prüfung läßt keinen Rechtsverstoß des Berufungsgerichts erkennen. Maßstab hierfür ist Art. 12 Abs. 1 GG. Die im Berufungsurteil als Regelfall angenommene Herstellerneutralität der behördlichen Zulassung neuer Baustoffe und Bauarten berührt die Freiheit der Berufsausübung des Erstherstellers und der weiteren Hersteller des zugelassenen Produkts. Zwar mag – vor allem hinsichtlich des Erstherstellers – auch der Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts betroffen sein, da die in der Entwicklung eines neuen Produkts und in der für die Antragstellung erforderlichen Durchführung aufwendiger Testverfahren zum Ausdruck kommende geistige Leistung eine vermögenswerte Rechtsposition darstellt. In ihrem Schwerpunkt zielen die Regelungen des § 22 LBO 1983 indes nicht auf ein bereits erworbenes vermögenswertes Ergebnis gewerblicher Tätigkeit, sondern gestalten den Spielraum der gewerblichen Tätigkeit selbst, also den Vorgang des Erwerbs von Vermögenspositionen (vgl. BVerfG, Beschluß vom 16. März 1971 – 1 BvR 52/66 – BVerfGE 30, 292, 334 ≪Erdölbevorratung≫; Beschluß vom 14. November 1989 – 1 BvL 14/85 – BVerfGE 81, 70, 95 ≪Mietwagen≫). Die Bauartzulassung und die darin enthaltene Entscheidung über eine Herstellerbindung begrenzt nicht in erster Linie die Innehabung oder Verwendung eines bereits erworbenen „statischen” Vermögensgutes, sondern bestimmt die Position von Ersthersteller und weiteren Herstellern auf dem Markt in ihrem Verhältnis zueinander. Vermarktungschancen sind jedoch nicht durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 11. März 1997 – BVerwG 1 C 26.96 – GewArch 1997, 287 ≪290≫). Die Erstherstellerin kann das von ihr entwickelte Gerüstsystem unabhängig davon produzieren, vertreiben und verwenden, ob die Zulassung herstellerbezogen ausgestaltet ist oder nicht, doch wird ihre gewerbliche Tätigkeit dadurch erschwert, daß sich Konkurrenten unter Ausnutzung von Kostenvorteilen mit zulassungskonformen Produkten auf dem Markt bewegen können, wenn sie ihrerseits nicht zuvor ein kostenaufwendiges Zulassungsverfahren durchlaufen müssen. Die Art und Weise, wie eine Bauartzulassung ausgestaltet wird, wirkt damit vor allem auf den zukunftsgerichteten, dynamischen Aspekt der Unternehmerfreiheit.

Gemessen am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG begegnet die Auslegung des § 22 LBO BW durch das Berufungsgericht keinen Bedenken. Der Schutz vor unerprobten und daher möglicherweise gefährlichen, dauerhafte Arbeitsergebnisse nicht gewährleistenden Bauarten stellt einen vernünftigen Allgemeinwohlbelang dar, der es rechtfertigt, neue Baustoffe und Bauarten einer Zulassungspflicht zu unterwerfen (vgl. BVerfG, Urteil vom 11. Juni 1958 – 1 BvR 596/56 – BVerfGE 7, 377, 405 ≪Apotheken≫; Beschluß vom 14. Juli 1987 – 1 BvR 362/79 – BVerfGE 76, 196, 207 ≪Werbeverbot≫). Es sind jedoch keine grundrechtlichen Positionen erkennbar, die eine im Regelfall hinzutretende Herstellerbindung dieser Zulassung erzwingen müßten, auch wenn eine derartige Regelung möglicherweise verfassungsrechtlich zulässig wäre. Dies gilt zunächst für den vom Berufungsgericht in den Mittelpunkt gestellten Aspekt der Produktsicherheit. Wenn nämlich nur eine Herstellerbindung den Schutz der Verwender und der Öffentlichkeit vor den Gefahren unerprobter Bauarten und Bauprodukte gewährleisten kann, ist dies durch Beifügung einer Auflage auf der Grundlage des § 22 Abs. 5 Satz 3 LBO 1983 möglich. Doch auch die grundrechtlich geschützten Interessen des Erstherstellers g e b i e t e n eine Herstellerbindung der Bauartzulassung nicht. Zwar ist nicht zu verkennen, daß die gewerbliche Tätigkeit des Erstherstellers durch die Möglichkeit von Konkurrenten, zulassungskonforme Produkte ohne eigenen Aufwand für Entwicklung und Prüfung anbieten zu können, jedenfalls nach Ablauf des Patentschutzes erschwert wird. Auch mag es sein, daß eine für den Regelfall vorgesehene Herstellerbindung das Ziel der Bauproduktzulassung – die Gefahrenabwehr – ebenso gut erreichen könnte wie § 22 LBO 1983 in der Auslegung des Berufungsgerichts. Dennoch durfte sich der Gesetzgeber auf die von ihm getroffene Regelung, so wie sie das Berufungsurteil versteht, beschränken. Hierfür sind zwei Gründe maßgeblich:

Zum einen wird das Interesse des Erstherstellers an der Ausnutzung der von ihm erarbeiteten geistigen Leistung durch das geltende Patentrecht jedenfalls in einem zeitlich begrenzten Maß geschützt. Während der Laufzeit der der Klägerin eingeräumten Patente waren Zweithersteller unabhängig von Fragen der Bauartzulassung daran gehindert, in Konkurrenz zur Klägerin identische Produkte anzubieten. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, daß dieser Schutz – etwa wegen besonders langer Entwicklungszeiträume oder besonders hoher Entwicklungskosten, wie sie beispielsweise im Arzneimittelrecht üblich sind – derart unzureichend ist, daß ein Ersthersteller auf dem Markt für Bauprodukte und Bauarten regelmäßig an einer wirtschaftlich sinnvollen Ausnutzung der von ihm entwickelten Produkte gehindert wäre. Im Gegenteil hat das Berufungsgericht festgestellt, daß die Klägerin auf dem Sektor der Bausystemgerüste Marktführerin ist. Daß eine über das mit Hilfe des Patentrechts gewährleistete Maß an Konkurrenzschutz hinausreichende dauerhafte Sicherung des Erstherstellers vor Nachahmerprodukten grundrechtlich zwingend geboten wäre, läßt sich nicht begründen, da der Kostennachteil des Erstherstellers im Laufe der Zeit an Gewicht verliert. Auch der Umstand, daß aufgrund der Notwendigkeit einer periodischen Verlängerung der befristet erteilten bauaufsichtlichen Zulassung auf den Ersthersteller als Antragsteller regelmäßig die Kosten der entsprechenden neuerlichen Antragsverfahren zukommen, ändert an dieser Einschätzung nichts. Auch dieser Kostennachteil wird nämlich in gewisser Weise relativiert: Der Ersthersteller mag auf diese Weise seine Position als Marktführer festigen oder – ohne in ein Verlängerungsverfahren zu investieren – abwarten, bis er sich seinerseits auf eine von einem Konkurrenten erwirkte verlängerte bauaufsichtliche Zulassung berufen kann. Im übrigen darf der Zweithersteller, der die einem Ersthersteller erteilte Zulassung ausnutzen möchte, nur Produkte anbieten, die mit den Vorgaben des Zulassungsbescheids vollständig übereinstimmen.

Zum anderen sprechen grundrechtlich geschützte Interessen des Zweitherstellers und der Verwender des fraglichen Produkts gegen eine Auslegung des § 22 LBO 1983, die einen Herstellerbezug der Zulassung als Regelfall erforderte. Würde nämlich die Zulassung einer Bauart oder eines Bauprodukts stets auf den Antragsteller und Hersteller beschränkt, so müßte jeder mit diesem konkurrierende weitere Hersteller seinerseits ein vollständiges Zulassungsverfahren durchlaufen, bevor er das von ihm in Ausübung seiner grundrechtlich geschützten gewerblichen Tätigkeit hergestellte Produkt als marktgängig vertreiben könnte. Ein neuerliches Zulassungsverfahren, das ebenso einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Zweitherstellers darstellt wie dies für das Erstzulassungsverfahren in Bezug auf den Ersthersteller gilt, ließe sich indes nicht in gleicher Weise mit dem öffentlichen Interesse am Schutz vor nicht bewährten Bauarten oder Bauprodukten rechtfertigen wie das Verfahren der Erstzulassung. Diesem Interesse ist mit der Prüfung des neu entwickelten Produkts im Erstzulassungsverfahren vollständig genügt. Wer lediglich für sich in Anspruch nehmen möchte, das bereits geprüfte und für sicher befundene Produkt in identischer Ausführung und Qualität ebenfalls herzustellen, müßte unter dem Aspekt der Produktsicherheit nur den Nachweis erbringen, daß das von ihm hergestellte Produkt mit dem zugelassenen wirklich identisch ist. Diesem Erfordernis läßt sich, wie der angegriffene Bescheid zeigt, durch die Beifügung von herstellungsbezogenen Auflagen im Bescheid der Erstzulassung genügen. Einer erneuten vollständigen und kostenaufwendigen Begutachtung und Prüfung des Nachahmerprodukts bedarf es insoweit nicht. Aus demselben Grund erzwingen auch rechtlich geschützte Interessen von Verwendern oder anderen Personen, die mit den zugelassenen Bauprodukten in Berührung kommen, eine im Regelfall herstellerbezogen ausgestaltete Produktzulassung nicht. Sie könnten nur durch eine Zulassung, die die Produktsicherheit nicht vollständig gewährleistet, in rechtlich relevanter Weise betroffen werden. Gerade unter diesem Aspekt ist indes die herstellerbezogene Ausgestaltung der Zulassungsentscheidung nur in Ausnahmefällen notwendig und dann auch möglich. Die Frage, ob der Landesgesetzgeber angesichts der Bundeszuständigkeit für das Patent- und Urheberrecht (Art. 73 Nr. 9 GG) überhaupt die rechtliche Möglichkeit gehabt hätte, auch auf Landesebene Regelungen zu treffen, wie sie die Klägerin in § 22 LBO 1983 sehen möchte, kann vor diesem Hintergrund offenbleiben.

2.2. Das Berufungsgericht hat schließlich ohne Verstoß gegen revisibles Recht angenommen, daß es im konkreten Fall nicht geboten war, von der Möglichkeit einer Auflage nach § 22 Abs. 5 Satz 3 LBO 1983 Gebrauch zu machen und auf dieser Grundlage eine Herstellerbindung der Zulassungsentscheidung zu erreichen. Ob dies ohne Ermessensfehler möglich gewesen wäre, muß nicht entschieden werden.

Die Entscheidung ist allein auf die Vorschriften der Landesbauordnung für Baden-Württemberg vom 28. November 1983 (GBl S. 770, LBO 1983) und nicht auf die inzwischen in Kraft getretene Landesbauordnung für Baden-Württemberg vom 8. August 1995 (GBl S. 617, LBO 1995) zu stützen. Maßgeblich ist die Rechtslage, auf die das Berufungsgericht abzustellen hätte, wenn es zu diesem Zeitpunkt entschiede (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 1990 – BVerwG 1 C 30.86 – NJW 1990, 2768 m.w.N.; Urteil v. 20. August 1992 – BVerwG 4 C 54.89 – NVwZ-RR 1993, 65). Danach scheidet die Anwendung der Landesbauordnung 1995 aus. § 77 Abs. 1 LBO 1995 ordnet nur für noch nicht abgeschlossene Verwaltungsverfahren unter bestimmten Voraussetzungen die Anwendung neuen Rechts an. Aus § 77 Abs. 3 bis 7 LBO 1995 ergibt sich, daß dort, wo ein Verwaltungsverfahren mit Erteilung eines Zulassungsbescheids abgeschlossen worden ist, weiterhin die LBO 1983 zur Anwendung kommt.

Nach § 22 Abs. 5 Satz 3 LBO 1983 kann die Zulassung einer Bauart oder eines Baustoffs bzw. Bauteils unter Auflagen erteilt werden, die sich u.a. auf die Herstellung beziehen. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler einen Anspruch der Klägerin auf Beifügung einer herstellerbezogenen Auflage verneint. Es hat festgestellt, daß Sicherheitsaspekte eine solche Auflage nicht erforderlich erscheinen lassen, da die erteilte Zulassung in technischer Hinsicht ausreichend detailliert sei und eine Kombination von Gerüstteilen der Klägerin mit anderen, nicht zulassungskonformen Gerüstteilen nicht erlaube. Ein Sachverständigengutachten hat es für entbehrlich gehalten, ohne daß die Revision hiergegen Einwände erhoben hätte.

Die Beifügung einer Auflage ist auch nicht mit dem Argument einer verfassungsrechtskonformen Anwendung der Vorschrift im Einzelfall geboten; denn die Klägerin ist, wie das Berufungsgericht – für den Senat bindend – festgestellt hat, Marktführerin für die von ihr entwickelten Produkte. Es kann deshalb ausgeschlossen werden, daß die Ausnutzung der ihr eingeräumten Patentrechte so unzureichend gewesen ist, daß das Fehlen einer Herstellerbindung in der Zulassung einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihre Berufsausübungsfreiheit darstellen könnte.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 2 VwGO.

 

Unterschriften

Gaentzsch, Hien, Lemmel, Heeren, Halama

 

Fundstellen

Haufe-Index 1422536

BauR 1998, 200

BRS 1997, 445

BRS 1998, 445

DVBl. 1998, 60

UPR 1998, 146

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