Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusatzurlaub für freigestelltes Personalratsmitglied
Leitsatz (amtlich)
Ein Mitglied des Personalrats hat auch während seiner Freistellung von der dienstlichen Tätigkeit Anspruch auf einen Zusatzurlaub, den er vorher als Krankenpfleger in einer psychiatrischen Einrichtung wegen überwiegend unmittelbaren Kontakts mit den Kranken erhalten hat.
Normenkette
BayUrlV § 6 Abs. 1 S. 2 (= § 5 Abs. 1 S. 2 UrlV 1984); BayPVG Art. 46 Abs. 2 S. 1; BPersVG § 107
Verfahrensgang
VG München (Urteil vom 07.02.1984; Aktenzeichen Nr. M 4480 V 83) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 7. Februar 1984 wird aufgehoben.
Ferner werden der Bescheid des Bezirkskrankenhauses Haar vom 28. Dezember 1982 und der Widerspruchsbescheid des Bezirkstagspräsidenten vom 25. August 1983 aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger auch während der Freistellung den Zusatzurlaub nach § 6 Abs. 1 Satz 2 UrlV (= § 5 Abs. 1 Satz 2 UrlV 1984) zu gewähren.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist Abteilungspfleger im Beamtenverhältnis am Bezirkskrankenhaus Haar, einer Einrichtung des Beklagten. Als er als Vorsitzender des Personalrats vom Dienst freigestellt wurde, teilte ihm die Personalstelle des Krankenhauses mit, daß er ab 1. Juni 1982 – dem Tag seiner Freistellung – keinen Anspruch mehr auf den Zusatzurlaub nach § 6 Abs. 1 Satz 2 der Urlaubsverordnung habe, weil er nicht mehr überwiegend in unmittelbarem Kontakt mit Kranken einer psychiatrischen Einrichtung stehe. Auf Gegenvorstellung bestätigte der Direktor des Krankenhauses mit Schreiben vom 28. Dezember 1982 die Auffassung der Personalstelle.
Den Widerspruch des Klägers wies der Bezirkstagspräsident mit Bescheid vom 25. August 1983 zurück.
Mit der Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Streichung des Zusatzurlaubs widerspreche dem personalvertretungsrechtlichen Benachteiligungsverbot.
Er hat beantragt, den Bescheid des Bezirkskrankenhauses aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm während seiner Freistellung als Personalratsmitglied Zusatzurlaub gemäß § 6 der Urlaubsverordnung zu gewähren.
Der Beklagte hat um Abweisung der Klage gebeten.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Nichtgewährung des Zusatzurlaubs bewirke weder eine verbotene Minderung der Dienstbezüge noch beinhalte sie eine Benachteiligung des Klägers in seiner Stellung als Mitglied des Personalrats. Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts.
Er beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 7. Februar 1984 den Bescheid des Beklagten, vom 28. Dezember 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 1983 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger auch während der Freistellung als Personalratsmitglied einen bezahlten Zusatzurlaub von vier Arbeitstagen zu gewähren.
Der Beklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Oberbundesanwalt teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts und meint, die Gewährung dieses Urlaubs würde eine vom Personalvertretungsrecht verbotene Begünstigung herbeiführen.
Die Landesanwaltschaft hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision hat Erfolg. Das angefochtene Urteil hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Dem Kläger steht auch während seiner Freistellung von seiner dienstlichen Tätigkeit als Mitglied des Personalrats gemäß Art. 46 Abs. 3 Satz 1 des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes (BayPVG) vom 29. April 1974 (GVBl. S. 157) der Zusatzurlaub von vier Arbeitstagen nach § 6 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über den Urlaub der bayerischen Beamten und Richter (Urlaubsverordnung – UrlV –) in der Fassung vom 6. April 1981 (GVBl. S. 87) – UrlV 81 – zu (jetzt: § 5 Abs. 1 Satz 2 UrlV i.d.F. vom 3. Mai 1984 ≪GVBl. S. 225≫ – UrlV 84 –).
Dem Verwaltungsgericht ist allerdings darin zuzustimmen, daß sich dieses Ergebnis nicht aus Art. 46 Abs. 2 Satz 1 BayPVG herleiten läßt. Diese Vorschrift, die die Minderung der Dienstbezüge wegen der zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgaben des Personalrates erforderlichen Versäumung von Arbeitszeit verbietet und die wegen ihrer Einwirkung auf die beamtenrechtlichen Ansprüche zum revisiblen Landesrecht nach § 127 Nr. 2 BRRG gehört (s. BVerwGE 68, 189 ≪191≫), erfaßt den vom Kläger geltend gemachten Anspruch nicht. Der Zusatzurlaub gehört nicht zu den Dienstbezügen. Auch bei einer weiten Auslegung des Begriffs der „Dienstbezüge” (s. hierzu BVerwGE 47,23) muß es sich immer um Geldleistungen handeln. Ein Zusatzurlaub ist, auch wenn während seiner Dauer die Dienstbezüge weitergezahlt werden, keine Geldleistung.
Der Anspruch auf Zusatzurlaub während der Freistellung zur Erfüllung personalvertretungsrechtlicher Aufgaben wird aber durch die unmittelbar für die Länder geltende Vorschrift des § 107 des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) vom 15. März 1974 (BGBl. I S. 693) aufrechterhalten. Das Verwaltungsgericht hat die umfassende Bedeutung und die damit verbundene Tragweite dieser Vorschrift verkannt. Sie schließt Begünstigungen und Benachteiligungen von Personen aus, die Aufgaben und Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnehmen: Begünstigungen deshalb, weil das Amt eines Personalratsmitgliedes als Ehrenamt zu führen ist (Art. 46 Abs. 1 BayPVG; § 100 Abs. 1 BPersVG) und das Mitglied keine Vorteile aus dieser Tätigkeit erlangen soll, die seine Unabhängigkeit beeinträchtigen könnten; Benachteiligungen deshalb, weil ein Beschäftigter, der sich zur Wahrnehmung von im Interesse der Dienststellengemeinschaft liegenden Aufgaben bereit findet, so behandelt werden soll, wie wenn er seine vor der Freistellung ausgeübte Tätigkeit weiterführte und weil er Einbußen jeder Art gegenüber seiner bisherigen Dienst- oder Arbeitsleistung wegen seiner Personalratstätigkeit nicht hinnehmen soll. Aus dieser Sicht sind Art. 46 Abs. 2 Satz 1 BayPVG ebenso wie andere Vorschriften nur eine – teilweise – Konkretisierung des § 107 BPersVG, der – soweit eine Konkretisierung nicht vorliegt – umfassender Auffangtatbestand ist. Ausgehend von dem Grundsatz, daß der für den Personalrat tätige Beschäftigte so behandelt werden soll, als übe er seine bisherige Dienstleistung noch aus, hat er deshalb Anspruch auf alles, was ihm zur Abgeltung seiner Dienstleistung gewährt worden ist. Dazu gehört auch der Zusatzurlaub.
Das Argument des Beklagten, der Kläger könne deshalb den Zusatzurlaub während seiner Freistellung nicht erhalten, weil er nicht mehr mit den in § 5 Abs. 1 Satz 2 UrlV 84 genannten Kranken in unmittelbarem Kontakt stehe, hat nach dem bereits Gesagten kein rechtliches Gewicht. Anknüpfungspunkt der in § 107 BPersVG enthaltenen Verbote ist nicht die personalvertretungsrechtliche Tätigkeit, sondern die bisher erbrachte Dienstleistung. So erhält ein freigestelltes Personalratsmitglied auch die mit seiner bisherigen Dienstleistung verbundenen und ihrer Abgeltung dienenden Zulagen weiter, so z.B. Schmutzzulagen, Erschwerniszulagen u.a. Das hat der Senat bereits im Urteil vom 11. September 1984 – BVerwG 2 C 58.81 – (Buchholz 238.37 § 42 Nr. 5) ausgesprochen.
Bei dem Zusatzurlaub, den der Kläger auf Grund seiner früheren Dienstleistung als Abteilungspfleger fordert, handelt es sich um eine Erschwernisregelung besonderer Art, die die mit dieser Dienstleistung verbundene Erschwernis nicht in Geld, sondern durch Gewährung von Freizeit abgilt. Davon geht auch das Bayerische Staatsministerium der Finanzen aus, das in seinem Erlaß vom 6. März 1984 – 21 – P 1120 – 16/4 – 11 055 – ausdrücklich sagt, daß während der Freistellung „diese Erschwernisse” nicht vorliegen.
Entgegen der vom Beklagten und auch vom Oberbundesanwalt vertretenen Auffassung liegt eine im Falle der Freistellung nicht weiterzugewährende Entschädigung für einen besonderen Aufwand nicht vor. Zwar bringt die Dienstleistung als Krankenpfleger einen erhöhten Aufwand an Arbeit mit sich. Das ist aber kein Aufwand, der durch eine Entschädigung oder in sonstiger Form abgegolten wird. Erwachsen einem Beschäftigten bei der Dienstleistung Aufwendungen, die zu tragen ihm nicht zuzumuten ist, so ist die dafür gezahlte pauschalierte Entschädigung, wie der Senat in dem genannten Urteil ausgeführt hat, während der Freistellung nicht zu gewähren, weil dem Beschäftigten diese Aufwendungen nicht mehr erwachsen und er bei Weitergewährung im Vergleich zu den anderen Beschäftigten, die diese Aufwendungen weiterhin machen, einen nach § 107 BPersVG verbotenen Vorteil erhielte. Der mit der Dienstleistung verbundene Aufwand an Arbeit hat mit Aufwendungen, die Gegenstand einer Aufwandsentschädigung sein können, schon deshalb nichts zu tun, weil es dabei um die Dienstleistung als solche und die mit ihr verbundenen Erschwernisse geht. Der Mehraufwand an Arbeit wird durch die Dienstbezüge und sonstige Leistungen und Vergünstigungen abgegolten. Eine Erstattung wie bei der Aufwandsentschädigung scheidet schon begrifflich aus.
Der Senat folgt damit der bereits vom Bundesarbeitsgericht vertretenen Auffassung, daß ein freigestelltes Personalratsmitglied Anspruch auf Gewährung des Zusatzurlaubs hat (BAG NJW 1982, 1348 = AP Nr. 2 zu § 49 BAT). Die gegen dieses Urteil geäußerten Bedenken von Meisel (s. Anmerkung zu AP a.a.O.) teilt der Senat nicht, weil sie die weitreichende Bedeutung des § 107 BPersVG unberücksichtigt lassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Fischer, Dr. Franke, Dr. Lemhöfer, Sommer, Dr. Müller
Fundstellen