Verfahrensgang
OVG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 06.04.2001; Aktenzeichen 4 K 32/00) |
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 6. April 2001 wird auf die Revision des Antragstellers aufgehoben, soweit es § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 der Verordnung über das Führen und Halten von Hunden vom 4. Juli 2000 betrifft.
Die Sache wird in diesem Umfang zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Anschlussrevision wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller wendet sich im Normenkontrollverfahren gegen die vom Antragsgegner erlassene Landesverordnung über das Führen und Halten von Hunden (Hundehalterverordnung – HundehVO M-V) vom 4. Juli 2000 (GVOBl M-V S. 295, berichtigt GVOBl M-V S. 391) – HundehVO M-V –.
Neben allgemeinen Vorschriften über die Hundehaltung (§ 1 Abs. 2 bis 5 HundehVO M-V) normiert die Verordnung für das nichtgewerbsmäßige Züchten, Halten und Führen gefährlicher Hunde ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4 HundehVO M-V). Die Erlaubnis ist u.a. an den Nachweis der Sachkunde, Zuverlässigkeit und körperlichen Eignung gebunden. Gefährliche Hunde werden nach bestimmten gefährdenden Eigenschaften (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 HundehVO M-V), Bissigkeit (Nr. 2) und wiederholt gefährdendem Verhalten (Nr. 3) bestimmt. Bei Zweifeln hinsichtlich der Gefährlichkeit eines Hundes kann das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 HundehVO M-V auf Kosten des Hundehalters festgestellt werden. Bei Hunden der in § 2 Abs. 3 Satz 1 HundehVO M-V aufgelisteten Rassen, zu denen auch die Rasse Bullmastiff zählt (Nr. 5), wird vermutet, dass es sich um gefährliche Hunde im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 HundehVO M-V handelt. Halter und nichtgewerbsmäßige Züchter dieser Hunde können im Einzelfall, insbesondere durch Bescheinigung des Amts- oder eines durch diesen beauftragten Tierarztes, nachweisen, dass der Hund keine gefährdenden Eigenschaften im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 aufweist. Beim Führen dieser Hunde ist die gebührenpflichtige Bescheinigung der Ordnungsbehörde über den Nachweis des Nichtvorliegens gefährdender Eigenschaften mitzuführen; darüber hinaus gelten einige Vorschriften über die Haltung gefährlicher Hunde auch im Falle der Widerlegung der Vermutung (§ 7 Abs. 3 HundehVO M-V). Weitere Vorschriften sehen u.a. die dauerhafte Kennzeichnung und einen Maulkorb- und Leinenzwang für gefährliche Hunde vor. Von den Verboten und Geboten der Verordnung können unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen zugelassen werden (§ 7 Abs. 4 HundehVO M-V).
Der Antragsteller hält einen Hund der Rasse Bullmastiff. Er hat mit dem Ziel der Nichtigerklärung der Verordnung mit Ausnahme der Ordnungswidrigkeitsbestimmung einen Normenkontrollantrag beim Oberverwaltungsgericht gestellt und unter Hinweis auf fachwissenschaftliche Darlegungen insbesondere geltend gemacht, die Verordnung verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG und sei teilweise unbestimmt.
Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat mit Urteil vom 28. März 2001 § 2 Abs. 4 Satz 2, § 4 Abs. 2 Nr. 4 und § 5 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung für nichtig erklärt und den Antrag im Übrigen abgelehnt.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die so genannte Rasseliste des § 2 Abs. 3 Satz 1 HundehVO M-V verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Sie differenziere weder zwischen “Kampfhunden” und anderen Hunden noch beruhe sie auf der pauschalen Annahme einer erhöhten Aggressivität aller Hunde. Auswahlmaßstab sei vielmehr die von den erfassten Hunderassen ausgehende abstrakte Gefahr, die sich darin manifestiere, dass diese Tiere aufgrund ihrer Körpergröße, ihres Körperbaus und zum Teil auch wegen ihrer ursprünglichen Zuchtziele für bestimmte Einsatzfelder, wie Großwildjagd, Bewachung von Herden vor Raubtieren oder Hundekämpfe, einer besonders qualifizierten Haltung bedürften, ohne welche die Möglichkeit erheblicher Verletzungen von Menschen nicht auszuschließen sei.
Die Aussparung anderer Hunderassen, von denen nach den maßgeblichen Kriterien Größe, Kampfbereitschaft, Beißkraft und Angriffsverhalten eine vergleichbare abstrakte Gefahr ausgehe, sei nicht zu beanstanden. Das im Ordnungsrecht geltende Opportunitätsprinzip zwinge den Verordnungsgeber nicht zur flächendeckenden Gefahrenabwehr, wenn er – wie hier – sachliche Gründe für die unterschiedliche Vorgehensweise bei gleich gearteter abstrakter Gefahr anführen könne. Der Verordnungsgeber habe sich zunächst auf diejenigen Hunderassen beschränkt, für die “durch einschlägige Rechtsprechung zu Normen der Gefahrenabwehr” entschieden worden sei, dass sie als gesetzlich vermutete gefährliche Hunderassen eingestuft werden könnten. Die Nichterfassung anderer Hunderassen mit größerem Verbreitungsgrad, insbesondere Deutscher Schäferhund, Rottweiler, Boxer und Dobermann, sei sachlich gerechtfertigt, weil Züchter und Halter dieser Rassen in Mecklenburg-Vorpommern über eine jahrzehntelange Erfahrung im Umgang mit diesen Tieren verfügten und die Menschen die von ihnen ausgehende Gefahr als Teil des allgemeinen Lebensrisikos jedenfalls gegenwärtig noch hinnähmen. Eine entsprechende soziale Akzeptanz könnten die auf der Rasseliste aufgeführten Hunderassen schon deswegen nicht für sich in Anspruch nehmen, weil es sich um in Deutschland entweder selten gehaltene oder erst seit kurzem vorhandene Rassen handele, auf die sich die breite Bevölkerung nicht eingestellt habe. Als weitere sachliche Differenzierungskriterien seien anzuerkennen, dass der Verordnungsgeber eine grundlegende Kehrtwende in der ordnungsrechtlichen Behandlung der Hundehaltung habe vermeiden wollen und dass er mit Blick auf die praktische Durchsetzbarkeit der Verordnung und auf die eigene Verwaltungskapazität von einer Aufnahme der in Deutschland weit verbreiteten und sozial akzeptierten Hunderassen in die Liste des § 2 Abs. 3 Satz 1 HundehVO M-V abgesehen habe.
Das Gebot der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt, weil die Vermutung der Gefährlichkeit für alle erfassten Hunde durch einen so genannten Wesenstest widerleglich und keine Zuchtverbote oder Tötungsanordnungen an die Enumeration der Rassen gekoppelt sei.
Die Vorschrift über die zusätzliche Kennzeichnung gefährlicher Hunde mit dem Großbuchstaben “G” (§ 2 Abs. 4 Satz 2 HundehVO M-V) sei ungültig, weil nicht erkennbar sei, wie hierdurch eine Gefahrenabwehr erreicht werden solle.
Der Antragsteller führt zur Begründung der vom Normenkontrollgericht zugelassenen Revision, mit der er nur noch die Nichtigerklärung des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 HundehVO M-V anstrebt, im Wesentlichen aus, der Bullmastiff sei in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts zum Schutz vor Wilddieben gezüchtet worden und werde heute sowohl als Polizei- wie auch als Familienhund genutzt. Das angegriffene Urteil behandele die Rechtmäßigkeit der so genannten Rasseliste des § 2 Abs. 3 Satz 1 HundehVO M-V nur allgemein und ohne Bezug auf den Bullmastiff. Die Hundehalterverordnung sei insgesamt nichtig, da sie den räumlichen Geltungsbereich nicht erkennen lasse. Ferner sei von Verstößen gegen das Tierschutzgesetz und den Datenschutz auszugehen. § 2 Abs. 3 Satz 1 HundehVO M-V sei weder mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar; daraus resultiere die Gesamtnichtigkeit des die Rasseliste betreffenden Verordnungsteils. Der Antragsteller ist der Auffassung, “zwingende Folge” der Erfassung eines Hundes in der Rasseliste seien Eingriffe in die Freiheitssphäre des Halters durch das verhaltensregelnde Verordnungsregime. Der Verordnungsgeber habe gleichheitswidrig zwischen Hunden der in § 2 Abs. 3 Satz 1 HundehVO M-V aufgelisteten Rassen und nicht erfassten Rassen, wie z.B. Schäferhund, Rottweiler, Boxer und Dobermann, die über ein vergleichbares Gefahrenpotenzial verfügten, differenziert. Der Gesichtspunkt der praktischen Durchführbarkeit der Verordnung und der Bekanntheitsgrad bestimmter Rassen seien ebenso wenig sachliche Differenzierungskriterien wie das Argument der fehlenden Verwaltungskapazität. Für die abstrakte Beurteilung des Gefahrenpotenzials sei unerheblich, ob eine Gefahr bekannter sei als die andere.
Der Antragsgegner beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Ferner beantragt er im Wege der Anschlussrevision,
das angefochtene Urteil zu ändern und den Normenkontrollantrag des Antragstellers auch insoweit abzulehnen, als er § 2 Abs. 4 Satz 2 der Hundehalterverordnung des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 4. Juli 2000 betrifft.
Der Antragsteller beantragt,
die Anschlussrevision zurückzuweisen.
Zur Begründung seiner Anschlussrevision trägt der Antragsgegner vor, die aufgehobene Regelung sei von erheblicher Bedeutung für die Gefahrenabwehr. Die in § 2 Abs. 4 Satz 1 HundehVO M-V normierte Befugnis der Ordnungsbehörde zur unveränderlichen Kennzeichnung gefährlicher Hunde genüge nicht, gefährliche Hunde zu kennzeichnen.
Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich zur Frage der Rechtmäßigkeit von Rasselisten in Rechtsvorschriften zur Bekämpfung gefährlicher Hunde geäußert.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Revision des Antragstellers, welche die Ablehnung seines Normenkontrollantrags gegen § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 HundehVO M-V betrifft, ist begründet und führt in diesem Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Das angefochtene Urteil beruht insoweit auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Eine Entscheidung in der Sache erfordert die Auslegung des Landesrechts, die dem Oberverwaltungsgericht überlassen wird (§ 173 VwGO, § 563 Abs. 4 ZPO).
a) Die Aufnahme bestimmter Hunderassen in die Liste des § 2 Abs. 2 HundehVO M-V und die Behandlung der Hunde dieser Rassen als “gefährliche Hunde” im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 HundehVO M-V lassen sich nicht als Maßnahmen zur Abwehr der von solchen Hunden ausgehenden Gefahren rechtfertigen. Die gegenteilige Ansicht des Oberverwaltungsgerichts verstößt gegen Bundesrecht.
aa) Die Hundehalterverordnung ist auf die gesetzliche Verordnungsermächtigung in § 17 Abs. 1 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (Sicherheits- und Ordnungsgesetz – SOG M-V) in der Fassung vom 25. März 1998 (GVOBl M-V S. 335) gestützt. Danach können u.a. die Landesordnungsbehörden zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung Verordnungen erlassen (Verordnungen über die öffentliche Sicherheit oder Ordnung). Bundesrecht gebietet, den in § 17 Abs. 1 SOG M-V verwendeten Begriff der Abwehr von Gefahren in dem das Polizei- und Ordnungsrecht der Länder der Bundesrepublik Deutschland prägenden, überkommenen Sinn auszulegen. Mit diesem Inhalt entspricht die Vorschrift dem aus dem Grundgesetz folgenden Gebot der Bestimmtheit von Verordnungsermächtigungen, das aber zugleich auf die Grenzen der Ermächtigung nach Maßgabe des Urteils des Senats vom 3. Juli 2002 – BVerwG 6 CN 8.01 – (DVBl 2002, 1562) führt:
Aus dem rechtsstaatlichen und demokratischen Verfassungssystem (Art. 20 Abs. 1 und 3, Art. 28 Abs. 1 GG) folgt, dass in einem Gesetz, durch das die Exekutive zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt wird, Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmt werden. Das Parlament soll sich seiner Verantwortung als gesetzgebende Körperschaft nicht dadurch entäußern können, dass es einen Teil der Gesetzgebungsmacht der Exekutive überträgt, ohne die Grenzen dieser Kompetenzen bedacht und diese nach Tendenz und Programm so genau umrissen zu haben, dass schon aus der Ermächtigung erkennbar und vorhersehbar ist, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll. Das Erfordernis hinreichender Bestimmtheit stellt die notwendige Ergänzung und Konkretisierung des aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip folgenden Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes dar. Welche Bestimmtheitsanforderungen im Einzelnen erfüllt sein müssen, hängt von den Besonderheiten des jeweiligen Regelungsgegenstandes sowie der Intensität der Maßnahme, namentlich der Grundrechtsrelevanz der Regelung ab (vgl. BVerfGE 58, 257, 277 f.; BVerwGE 110, 253, 255 f.).
Die Verwendung der polizeilichen Generalklauseln als Grundlage sicherheitsbehördlicher Verordnungen ist unter den genannten verfassungsrechtlichen Aspekten unbedenklich, wenn und soweit sie in jahrzehntelanger Entwicklung durch Rechtsprechung und Lehre nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend präzisiert, in ihrer Bedeutung geklärt und im juristischen Sprachgebrauch verfestigt sind (vgl. BVerfGE 54, 143, 144). § 17 Abs. 1 SOG M-V ermächtigt die darin genannten Stellen zum Erlass von Verordnungen zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Dabei handelt es sich, wie aus der Ermächtigung zum Erlass einer normativen Regelung ohne weiteres folgt und vom Oberverwaltungsgericht auch in seiner Entscheidung vorausgesetzt worden ist (UA S. 17), um abstrakte Gefahren. Eine abstrakte Gefahr ist nach herkömmlichem Verständnis, das dem angefochtenen Urteil ersichtlich zugrunde liegt, immer dann anzunehmen, wenn mit bestimmten Lebenssachverhalten nach den Gesetzen der Erfahrung generell mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung verbunden sind.
Der klassische Gefahrenbegriff, der auch § 17 Abs. 1 SOG M-V zugrunde liegt, ist dadurch gekennzeichnet, dass “aus gewissen gegenwärtigen Zuständen nach dem Gesetz der Kausalität gewisse andere Schaden bringende Zustände und Ereignisse erwachsen werden” (vgl. Urteil des PrOVG vom 15. Oktober 1894, PrVBl 16, 125, 126). Schadensmöglichkeiten, die sich deshalb nicht ausschließen lassen, weil nach dem derzeitigen Wissensstand bestimmte Ursachenzusammenhänge weder bejaht noch verneint werden können, begründen keine Gefahr, sondern lediglich einen Gefahrenverdacht oder ein “Besorgnispotenzial” (vgl. Urteil vom 19. Dezember 1985 – BVerwG 7 C 65.82 – BVerwGE 72, 300, 315). Das allgemeine Gefahrenabwehrrecht bietet keine Handhabe, derartigen Schadensmöglichkeiten im Wege der Vorsorge zu begegnen. Die Befugnisse und Ermächtigungen der Verwaltungsbehörden nach dem Sicherheits- und Ordnungsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern umfassen Vorsorgemaßnahmen nicht.
Maßgebliches Kriterium zur Feststellung einer Gefahr ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (vgl. Urteil vom 26. Februar 1974 – BVerwG 1 C 31.72 – BVerwGE 45, 51, 57). Das trifft nicht nur für die “konkrete” Gefahr zu, die zu Abwehrmaßnahmen im Einzelfall berechtigt, sondern auch für die den sicherheitsrechtlichen Verordnungen zugrunde liegende “abstrakte” Gefahr. Die abstrakte Gefahr unterscheidet sich von der konkreten Gefahr nicht durch den Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, sondern durch den Bezugspunkt der Gefahrenprognose oder, wie der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 26. Juni 1970 – BVerwG 4 C 99.67 – (DÖV 1970, 713, 715) gesagt hat, durch die Betrachtungsweise: Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn in dem zu beurteilenden konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann; eine abstrakte Gefahr ist gegeben, wenn eine generell-abstrakte Betrachtung für bestimmte Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen zu dem Ergebnis führt, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden im Einzelfall einzutreten pflegt und daher Anlass besteht, diese Gefahr mit generell-abstrakten Mitteln, also einem Rechtssatz zu bekämpfen; das hat zur Folge, dass auf den Nachweis der Gefahr eines Schadenseintritts im Einzelfall verzichtet werden kann (vgl. auch Beschluss vom 24. Oktober 1997 – BVerwG 3 BN 1.97 – Buchholz 418.9 TierSchG Nr. 10). Auch die Feststellung einer abstrakten Gefahr verlangt mithin eine in tatsächlicher Hinsicht genügend abgesicherte Prognose: Es müssen – bei abstrakt-genereller Betrachtung – hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sein, die den Schluss auf den drohenden Eintritt von Schäden rechtfertigen. Dabei liegt es im Wesen von Prognosen, dass die vorhergesagten Ereignisse wegen anderer als der erwarteten Geschehensabläufe ausbleiben können. Von dieser mit jeder Prognose verbundenen Unsicherheit ist die Ungewissheit zu unterscheiden, die bereits die tatsächlichen Grundlagen der Gefahrenprognose betrifft. Ist die Behörde mangels genügender Erkenntnisse über die Einzelheiten der zu regelnden Sachverhalte und/oder über die maßgeblichen Kausalverläufe zu der erforderlichen Gefahrenprognose nicht im Stande, so liegt keine Gefahr, sondern – allenfalls – eine mögliche Gefahr oder ein Gefahrenverdacht vor. Zwar kann auch in derartigen Situationen ein Bedürfnis bestehen, zum Schutz der etwa gefährdeten Rechtsgüter, namentlich höchstrangiger Rechtsgüter wie Leben und körperlicher Unversehrtheit von Menschen, Freiheitseinschränkungen anzuordnen. Doch beruht ein solches Einschreiten nicht auf der Feststellung einer Gefahr; vielmehr werden dann Risiken bekämpft, die jenseits des Bereichs feststellbarer Gefahren verbleiben. Das setzt eine Risikobewertung voraus, die – im Gegensatz zur Feststellung einer Gefahr – über einen Rechtsanwendungsvorgang weit hinausgeht und mehr oder weniger zwangsläufig neben der Beurteilung der Intensität der bestehenden Verdachtsmomente eine Abschätzung der Hinnehmbarkeit der Risiken sowie der Akzeptanz oder Nichtakzeptanz der in Betracht kommenden Freiheitseinschränkungen in der Öffentlichkeit einschließt, mithin – in diesem Sinne – “politisch” geprägt oder mitgeprägt ist (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats – 3. Kammer – vom 28. Februar 2002 – 1 BvR 1676/01 – DVBl 2002, 614). Eine derart weit reichende Bewertungs- und Entscheidungskompetenz steht den Polizei- und Ordnungsbehörden aufgrund der Verordnungsermächtigungen nach Art des § 17 Abs. 1 SOG M-V nicht zu. Denn es wäre mit den dargelegten Grundsätzen der Bestimmtheit gesetzlicher Ermächtigungen zu Rechtsverordnungen der Exekutive und des Vorbehalts des Gesetzes nicht vereinbar, wenn die Exekutive ohne strikte Bindung an den überlieferten Gefahrenbegriff kraft eigener Bewertung über die Notwendigkeit oder Vertretbarkeit eines Verordnungserlasses entscheiden könnte. Die rechtsstaatliche und demokratische Garantiefunktion der sicherheitsrechtlichen Verordnungsermächtigungen wäre in Frage gestellt, könnte die Exekutive nach diesen Vorschriften bereits einen mehr oder minder begründeten Verdacht zum Anlass für generelle Freiheitseinschränkungen nehmen. Vielmehr ist es Sache des zuständigen Gesetzgebers, sachgebietsbezogen darüber zu entscheiden, ob, mit welchem Schutzniveau (vgl. hierzu Urteil vom 19. Dezember 1985, a.a.O., S. 316) und auf welche Weise Schadensmöglichkeiten vorsorgend entgegengewirkt werden soll, die nicht durch ausreichende Kenntnisse belegt, aber auch nicht auszuschließen sind (vgl. Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 2002, S. 65 m.w.N.). Allein der Gesetzgeber ist befugt, unter Abwägung der widerstreitenden Interessen die Rechtsgrundlagen für Grundrechtseingriffe zu schaffen, mit denen Risiken vermindert werden sollen, für die – sei es aufgrund neuer Verdachtsmomente, sei es aufgrund eines gesellschaftlichen Wandels oder einer veränderten Wahrnehmung in der Bevölkerung – Regelungen gefordert werden. Das geschieht üblicherweise durch eine Absenkung der Gefahrenschwelle in dem ermächtigenden Gesetz von der “Gefahrenabwehr” zur “Vorsorge” gegen drohende Schäden (vgl. etwa § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG, § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, § 6 Abs. 2 GenTG, § 7 BBodSchG). Demgegenüber ist in § 17 Abs. 1 SOG M-V ausschließlich von “Abwehr von Gefahren”, nicht hingegen von “Vorsorge” oder “Vorbeugung” die Rede. Auch darin zeigt sich positivrechtlich, dass dem Gefahrenbegriff nicht aus sich heraus eine Erstreckung auf die Aufgabe der Risiko- oder Gefahrenvorsorge innewohnt.
bb) Das Oberverwaltungsgericht hat hinsichtlich der in § 2 Abs. 2 HundehVO M-V aufgezählten Hunderassen eine abstrakte Gefahr im Sinne des § 17 Abs. 1 SOG M-V für gegeben erachtet, ohne die Voraussetzungen einer solchen Gefahr in Abgrenzung von denjenigen einer bloßen Gefahrenvorsorge ordnungsgemäß festzustellen. Es hat hierzu ausgeführt (UA S. 17), Maßstab für die Aufnahme einer Rasse in die Aufzählung des § 2 Abs. 3 Satz 1 HundehVO M-V sei die von den dort aufgeführten Hunderassen ausgehende abstrakte Gefahr für den Menschen bzw. andere Tiere. Diese abstrakte Gefahr manifestiere sich darin, dass die Hunde aufgrund ihrer Körpergröße, ihres Körperbaus und zum Teil auch wegen ihrer ursprünglichen Zuchtauswahl für bestimmte Einsatzfelder einer besonders qualifizierten Haltung bedürften. Anderenfalls sei “nicht auszuschließen”, dass diese Hunde aufgrund ihrer Veranlagung Menschen und andere Tiere anfielen und aufgrund ihrer Körper- und Beißkraft diesen erhebliche Verletzungen zufügten. Diese Erwägungen überschreiten den der Verordnungsermächtigung zugrunde liegenden herkömmlichen Gefahrenbegriff. Dass der Eintritt von Schäden nicht ausgeschlossen werden kann, reicht zur Annahme einer Gefahr im polizeirechtlichen Sinne nicht aus. Der Hundehalterverordnung liegt auch ein derartiges Verständnis ersichtlich nicht zugrunde, denn sie knüpft die hier in Rede stehenden Beschränkungen der Hundehaltung nicht an die Haltung von Hunden allgemein, sondern an die Haltung bestimmter, von ihr als “gefährliche Hunde” bezeichneter Tiere an, denen sie in § 2 Abs. 3 Satz 1 HundehVO M-V grundsätzlich alle Hunde der dort aufgezählten Rassen zurechnet. Ein Beleg dafür, dass allein die Zugehörigkeit zu einer der Rassen des § 2 Abs. 3 Satz 1 HundehVO M-V dem jeweiligen Hund eine “über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft, Angriffslust, Schärfe oder eine andere in ihrer Wirkung vergleichbare Mensch oder Tier gefährdende Eigenschaft” verleiht (§ 2 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 3 Satz 2 HundehVO M-V) lässt sich den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts nicht entnehmen. Im Gegenteil gelangt das Gericht auch unter Berücksichtigung der rassespezifischen Merkmale der in der Regelung angesprochenen Hunde lediglich zu der Erkenntnis, dass sich Schäden nicht ausschließen lassen. Hinzu kommt, dass das Oberverwaltungsgericht die nicht auszuschließende Gefahr an die ungenügende Haltung der Hunde geknüpft hat. Damit hat es zwei mögliche Ursachen für eine Schädigung von Rechtsgütern nebeneinander erwähnt. Das zeigt, dass nach seinen Feststellungen die Zugehörigkeit zu einer Rasse allein den maßgeblichen Gefahrentatbestand nicht zu begründen vermag.
Die vom Oberverwaltungsgericht angenommene Gefährdungslage weicht demnach nicht von derjenigen ab, von der der erkennende Senat in seinem bereits erwähnten Urteil vom 3. Juli 2002 – BVerwG 6 CN 8.01 – (a.a.O.) zur niedersächsischen Gefahrtier-Verordnung ausgegangen ist. Danach lässt sich aus der Zugehörigkeit zu einer Hunderasse allein nach dem Erkenntnisstand der Fachwissenschaft nicht ableiten, dass von den Hundeindividuen Gefahren ausgehen. Zwar besteht der Verdacht, dass Hunde bestimmter Rassen ein genetisch bedingtes übersteigertes Aggressionsverhalten aufweisen. Es ist jedoch in der Wissenschaft umstritten, welche Bedeutung diesem Faktor neben zahlreichen anderen Ursachen – Erziehung und Ausbildung des Hundes, Sachkunde und Eignung des Halters sowie situative Einflüsse – für die Auslösung aggressiven Verhaltens zukommt. Insbesondere liegen dazu weder aussagekräftige Statistiken oder sonstiges belastbares Erfahrungswissen noch genetische Untersuchungen vor. Dementsprechend hat sich das Oberverwaltungsgericht bei der Erörterung der einzelnen in § 2 Abs. 3 Satz 1 HundehVO M-V aufgezählten Rassen und ihrer Abgrenzung von anderen, nicht berücksichtigten Rassen (UA S. 19 f.) nicht auf gesicherte Erkenntnisse über besonders gefährliche Hunderassen stützen können, sondern – gewissermaßen ersatzweise – (auch) auf Gesichtspunkte der Akzeptanz oder Nichtakzeptanz von Rassen in der Bevölkerung zurückgegriffen, die für die Feststellung einer Gefahr im Sinne des allgemeinen Rechts der Gefahrenabwehr ohne Belang sind.
Auch der vom Antragsgegner angesprochene Grundsatz, dass im Hinblick auf die Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter – Leben und körperliche Unversehrtheit von Menschen – bereits die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts zur Begründung einer (abstrakten) Gefahr ausreichen kann, rechtfertigt die Annahme einer (erhöhten) Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen nicht. Richtig ist, dass der Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, der für die Annahme einer Gefahr erforderlich ist, von der Größe und dem Gewicht des drohenden Schadens abhängt: Die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts muss umso größer sein, je geringer der möglicherweise eintretende Schaden ist, und sie darf umso kleiner sein, je schwerer der etwa eintretende Schaden wiegt (vgl. Urteil vom 2. Juli 1991 – BVerwG 1 C 4.90 – BVerwGE 88, 348, 351). Gleichwohl muss auch dann, wenn ein schwerwiegender Schaden befürchtet wird, aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung oder den Erkenntnissen fachkundiger Stellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Eintritt dieses Schadens sprechen. Von solchen (echten) Gefahrenlagen sind diejenigen Fälle zu unterscheiden, in denen – wie hier – wegen erheblicher Erkenntnislücken lediglich ein Gefahrenverdacht besteht. In diesen Fällen kommen nach dem allgemeinen Recht der Gefahrenabwehr in erster Linie Maßnahmen zur weiteren Erforschung des Sachverhaltes in Betracht. Dagegen sind Maßnahmen, die über die Abklärung des Verdachts hinaus auf die Abwehr der vermuteten Gefahr gerichtet sind, ohne spezialgesetzliche Ermächtigung zur Gefahrenvorsorge grundsätzlich nicht zulässig, und zwar auch dann nicht, wenn höchstrangige Rechtsgüter auf dem Spiel stehen. Zwar setzt die Feststellung einer Gefahr nicht notwendig die genaue Kenntnis der zum Schadenseintritt führenden Kausalverläufe voraus; vielmehr lässt sich ein bestehender Ursachenzusammenhang und damit die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts – namentlich wenn es um die Feststellung abstrakter Gefahren geht – auch indirekt mit Hilfe statistischer Methoden nachweisen. Doch liegen, wie bereits erwähnt, hinsichtlich der erhöhten Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen derzeit weder aussagekräftige Statistiken noch sonstige gesicherte Erkenntnisse vor, auf die der Antragsgegner sich beim Erlass der Hundehalterverordnung hätte stützen können.
b) Gleichwohl ist die vom Antragsteller angegriffene Bestimmung des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 HundehVO M-V nicht wegen Fehlens einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für nichtig zu erklären. Denn es erscheint nicht ausgeschlossen, dass die Rasseliste in § 2 Abs. 3 Satz 1 HundehVO M-V vom Oberverwaltungsgericht unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen des Senats sowie in Anbetracht der den Hundehaltern in § 2 Abs. 3 Satz 2 HundehVO M-V eingeräumten Möglichkeit, die Eigenschaft ihres Hundes als gefährlicher Hund zu widerlegen, abweichend von seinem bisher geäußerten Normverständnis nicht als eine Regelung zur Gefahrenabwehr, sondern als eine Regelung zur Gefahrerforschung ausgelegt wird und dass sie als solche Bestand hat.
Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 HundehVO M-V wird die Eigenschaft der von der Rasseliste erfassten Hunde als gefährliche Hunde lediglich “vermutet”. Demgemäß ist in § 2 Abs. 3 Satz 2 HundehVO M-V bestimmt, dass der Hundehalter der örtlichen Ordnungsbehörde im Einzelfall, insbesondere durch eine Bescheinigung des Amts- oder eines durch diesen beauftragten Tierarztes, nachweisen kann, dass sein Hund keine gesteigerte Kampfbereitschaft, Angriffslust, Schärfe oder andere vergleichbare Eigenschaft aufweist. In diesen Fällen stellt die Ordnungsbehörde gemäß § 2 Abs. 3 Satz 4 HundehVO M-V über den Nachweis des Nichtvorliegens gefahrdrohender Eigenschaften eine Bescheinigung aus. Ein derartiger Hund wird nicht länger als ein gefährlicher Hund angesehen, sondern unterliegt grundsätzlich nur den Regelungen, die für Hunde allgemein gelten (§ 1 Abs. 2 bis 5 HundehVO M-V).
Die Widerlegungsmöglichkeit nach § 2 Abs. 3 Satz 2 HundehVO M-V hat, sofern der Hundehalter seinen Interessen entsprechend den Hund dem Tierarzt vorführt, regelmäßig zur Folge, dass die mit der Zugehörigkeit des Hundes zu einer bestimmten Rasse ausgelöste Vermutung der Gefährlichkeit des Hundes in der einen oder anderen Richtung, d.h. im Sinne des Nichtvorliegens oder des Vorliegens der vermuteten Eigenschaft geklärt wird: Stellt sich bei der Überprüfung des Hundes heraus, dass er nicht die befürchtete Aggressivität besitzt, so besteht kein Grund, ihn den für gefährliche Hunde geltenden Bestimmungen (§§ 3 ff. HundehVO M-V) zu unterwerfen. Bestätigt sich der Verdacht hingegen, so ist der Hund tatsächlich gefährlich und den entsprechenden Bestimmungen zu Recht unterworfen. Die Regelung ähnelt daher – jedenfalls im Ergebnis – einer dem Hundehalter durch Verordnung auferlegten Verpflichtung, seinen Hund zwecks Erforschung eines bestehenden Gefahrenverdachts beim Tierarzt vorzuführen, welche von der Behörde nötigenfalls im Wege des Verwaltungszwangs durchgesetzt wird.
Da die Erwägungen, die für die Notwendigkeit einer spezialgesetzlichen Grundlage für Maßnahmen der Gefahrenvorsorge sprechen, auf Maßnahmen der Gefahrerforschung nicht zutreffen, hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 3. Juli 2002 – 6 CN 8.01 – (a.a.O.) die Aufstellung eines verordnungsrechtlichen Gefahrermittlungsprogramms auf der Grundlage der polizeirechtlichen Generalermächtigung nach Art des § 17 Abs. 1 SOG M-V für bundesrechtlich zulässig erachtet. Daran wird festgehalten. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die Regelung in § 2 Abs. 3 HundehVO M-V in § 17 Abs. 1 SOG M-V eine ausreichende Rechtsgrundlage findet, sofern sie als ein Gefahrermittlungsprogramm ausgelegt werden kann. Ob eine solche Auslegung möglich ist, hat das Oberverwaltungsgericht bislang nicht geprüft. Ebenso wenig hat es geprüft, ob die Ermächtigung zum Erlass von Verordnungen zur Gefahrenabwehr in § 17 Abs. 1 SOG M-V den Verordnungsgeber zugleich auch dazu ermächtigt, abstrakt-generelle Regelungen zur Gefahrermittlung zu treffen. Beide Fragen betreffen das Landesrecht, auf dessen Verletzung die Revision gemäß § 137 Abs. 1 VwGO nicht gestützt werden kann. Der Senat überlässt daher die Beantwortung dieser durch die vorliegende Entscheidung aufgeworfenen Fragen dem hierfür vorrangig zuständigen Oberverwaltungsgericht und sieht von einer eigenen Auslegung des Landesrechts gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 563 Abs. 4 ZPO in Ausübung des ihm insoweit zustehenden Ermessens ab.
c) Die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Oberverwaltungsgericht erübrigt sich nicht deswegen, weil über den Normenkontrollantrag der Antragsteller unabhängig von dem zuvor erörterten Ermächtigungsmangel aus einem anderen Grunde abschließend zu Gunsten des Antragstellers entschieden werden könnte (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).
aa) Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers stößt die Regelung über gefährliche Hunde in der Hundehalterverordnung (§ 1 Abs. 1, §§ 2 ff.), deren Bestandteil die Rasseliste gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 HundehVO M-V ist, aus der Sicht des Bundesrechts nicht auf grundsätzliche Bedenken.
Gemäß § 1 Abs. 1 HundehVO M-V ist die nichtgewerbliche Zucht, Haltung und Führung von gefährlichen Hunden verboten, wenn keine Erlaubnis nach § 4 vorliegt. Das Land war nicht durch Bundesrecht gehindert, Regelungen über das Halten, nichtgewerbliche Züchten und Führen von Hunden zu erlassen. Die Gesetzgebungskompetenz folgt aus Art. 70 Abs. 1 GG. Die Hundehalterverordnung dient nicht dem Tierschutz (Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG) und betrifft wegen der Herausnahme der gewerblichen Zucht auch nicht das Gewerberecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG). Ob eine Erstreckung der Regelungen auf die gewerbliche Zucht möglich gewesen wäre, ist hier ohne Bedeutung. Die Herausnahme der gewerblichen Zucht aus dem Anwendungsbereich der Verordnung findet vor Art. 3 Abs. 1 GG seine Rechtfertigung darin, dass die gewerbsmäßige Zucht und Haltung von Wirbeltieren bereits nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 TierSchG der Erlaubnis bedarf.
Bundesrecht verbietet grundsätzlich nicht, durch Rechtsverordnung ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zu begründen. Eine die Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) einschränkende Vorschrift, als die sich das genannte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt darstellt, bedarf einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage. Wenn ein Gesetz die Ausübung von Handlungsbefugnissen durch die Einführung eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt regelt, muss der Gesetzgeber die Voraussetzungen für die Erlaubniserteilung selbst regeln und darf sie nicht dem Ermessen der Verwaltung anheim geben (BVerfGE 80, 137, 161). Das schließt die Einführung eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt durch eine Rechtsverordnung nicht grundsätzlich aus, wenn die jeweilige Rechtsgrundlage dies zulässigerweise dem Verordnungsgeber überantwortet (vgl. BVerwGE 45, 331, 332 ff.). Die Einführung eines Präventivverbots mit Erlaubnisvorbehalt gehört zu den herkömmlichen polizeirechtlichen Maßnahmen (vgl. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl. 1995, Rn. 603). Als eine solche Maßnahme kann ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt durch die allgemeine polizeirechtliche Verordnungsermächtigung gedeckt sein, was das Oberverwaltungsgericht in Bezug auf § 17 Abs. 1 SOG M-V gleichfalls bislang nicht geprüft hat.
bb) Die Aufstellung einer Liste von Hunderassen mit dem Ziel, die Hunde dieser Rassen Maßnahmen der Gefahrerforschung zu unterwerfen und sie in dem hiernach erforderlichen Umfang als gefährliche Hunde zu behandeln, ist nicht von vornherein mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Wie sich aus den vorangegangenen Ausführungen zu 1. a) bb) ergibt, besteht bei bestimmten Hunderassen, namentlich mit Blick auf die zugrunde liegende Zuchtauswahl, nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft zwar keine gesicherte Erkenntnis, wohl aber – immerhin – der Verdacht, dass die betreffenden Hunde ein genetisch bedingtes übersteigertes Aggressionsverhalten aufweisen. Daher ist der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt, wenn nach dem Willens des Verordnungsgebers Hunde, die einer solcherart mit Grund verdächtigten Rasse angehören, im Unterschied zu anderen Hunden daraufhin überprüft werden, ob sie in der befürchteten Weise gefährlich sind oder nicht. Dasselbe gilt für die Behandlung derartiger Hunde als gefährliche Hunde, wenn sich bei ihrer Überprüfung der Verdacht eines übersteigerten Aggressionsverhaltens bestätigt. Welche einzelnen Hunderassen der Verordnungsgeber ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in eine der Gefahrerforschung dienende Liste aufnehmen und welche er unberücksichtigt lassen darf, hängt demnach vom Bestehen eines begründeten Gefahrenverdachts ab. Die Feststellung eines solchen Verdachts setzt für jede in Betracht kommende Rasse die Feststellung objektiver Anhaltspunkte voraus, die auf ein rassespezifisches übersteigertes Aggressionsverhalten hindeuten können. Derartige Feststellungen können nicht durch allgemeine Erwägungen zur Nichtaktzeptanz oder Akzeptanz der jeweiligen Rasse in der Bevölkerung ersetzt werden, wie sie das Oberverwaltungsgericht bei der Erörterung der einzelnen in die Liste nach § 2 Abs. 3 Satz 1 HundehVO M-V aufgenommenen Hunde angestellt hat. Das Oberverwaltungsgericht muss sich vielmehr, wenn und soweit dies zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich ist, Gewissheit darüber verschaffen, ob hinsichtlich der aufgelisteten Rassen im Verhältnis zu anderen Rassen ein erhöhtes Verdachtspotential besteht.
2. Das Oberverwaltungsgericht wird bei der im weiteren Verfahren in erster Linie vorzunehmenden Prüfung, ob die Regelung in § 2 Abs. 3 HundehVO M-V als Gefahrermittlungsprogramm Bestand hat, sein Augenmerk auch auf die Vorschrift des § 7 Abs. 3 HundehVO M-V richten müssen. Danach sind die Vorschriften des § 2 Abs. 4 Satz 1 (Pflicht zur Kennzeichnung gefährlicher Hunde), des § 3 Abs. 1 (Verbot der Mitnahme gefährlicher Hunde an bestimmte Orte) und des § 3 Abs. 5 (Überlassung gefährlicher Hunde an Dritte) auch auf die Hunde der Rasseliste gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 anzuwenden, bei denen die Vermutung der Gefährlichkeit im Einzelfall widerlegt wurde. Da die Hundehalterverordnung mit dieser Bezugnahme auf die für gefährliche Hunde geltenden Vorschriften offenkundig Zwecke verfolgt, die über das Ziel der Gefahrerforschung hinausgehen und unmittelbar der Gefahrenabwehr dienen, wird sich dem Oberverwaltungsgericht, sofern es in § 17 Abs. 1 SOG M-V eine ausreichende gesetzliche Ermächtigung zur Normierung eines Gefahrermittlungsprogramms erblickt, die Frage stellen, ob § 7 Abs. 2 HundehVO M-V die Annahme eines solchen in § 2 Abs. 3 HundehVO M-V verwirklichten Gefahrermittlungsprogramms hindert oder ob im Interesse einer möglichst weitgehenden Normerhaltung angenommen werden kann, dass § 2 Abs. 3 HundehVO M-V auch ohne die – in der amtlichen Überschrift zu § 7 als “Ausnahmeregelung” bezeichnete – Vorschrift des § 7 Abs. 2 HundehVO M-V Bestand hat.
3. Die Anschlussrevision, die die Kennzeichnungspflicht nach § 2 Abs. 4 Satz 2 HundehVO M-V betrifft, ist unbegründet. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts beruht insoweit nicht auf einer Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat diese Vorschrift als ungültig angesehen, weil sie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße. Mit dieser Beurteilung hat das Oberverwaltungsgericht kein Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Im hier bestehenden Regelungszusammenhang ist die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch Landesrecht, nämlich in § 15 SOG M-V, angeordnet. Daher muss in Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass das Oberverwaltungsgericht seine Prüfung an der bereichsspezifischen landesrechtlichen Norm ausgerichtet und § 2 Abs. 4 Satz 2 HundehVO M-V in Anwendung dieser Norm für ungültig erklärt hat. Unter diesen Umständen liegt eine Verletzung von Bundesrecht selbst dann nicht vor, wenn der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach § 15 SOG M-V denselben Inhalt hat, wie er sich für den hier in Rede stehenden Regelungsbereich aus dem bundesrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergibt.
4. Die Entscheidung über die Kosten kann nur einheitlich getroffen werden. Sie muss daher auch hinsichtlich der Anschlussrevision der das Verfahren beendenden Schlussentscheidung vorbehalten bleiben.
Unterschriften
Bardenhewer, Hahn, Gerhardt, Graulich, Vormeier
Fundstellen