Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfallbeseitigung. Besitzer. Abfallbesitzer. Besitzbegriff. wilder Müll. aufgedrängter Abfall. unzulässige Abfallagerung. Maßnahmen gegenüber Verursacher. Stillegung von Mülldeponie. Inhaber einer Abfallbeseitigungsanlage
Leitsatz (amtlich)
1. Der tatsächlichen Sachherrschaft des Grundstückseigentümers und damit der Begründung von Abfallbesitz an aufgedrängtem Abfall steht regelmäßig nicht entgegen, daß auch durch Maßnahmen zur Sicherung des Grundstücks das unerlaubte Fortwerfen „wilden Mülls” nicht wirksam unterbunden werden kann.
2. Die Heranziehung des Abfallbesitzers zum überlassen oder Beseitigen ihm aufgedrängten Abfalls kann ermessensfehlerhaft sein, wenn entsprechende Anordnungen gegenüber dem Verursacher der unzulässigen Abfallagerung möglich sind.
Normenkette
AbfG § 3 Abs. 1, 4, § 4 Abs. 1, § 10 Abs. 2
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Urteil vom 19.03.1987; Aktenzeichen 7 OVG A 75/86) |
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 19.03.1987; Aktenzeichen 7 OVG A 75/86) |
VG Schleswig-Holstein (Urteil vom 16.04.1986; Aktenzeichen 12 A 196/85) |
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein vom 19. März 1987 wird aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 16. April 1986 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Tatbestand
I.
Der Kläger wendet sich gegen eine Anordnung des Beklagten, sein Grundstück „Am Tonberg” in der Gemeinde Ascheberg von dort lagerndem „wildem Müll” zu räumen. Das Grundstück ist eine in Ortsnähe gelegene ehemalige Sandabbaugrube, die seit Jahrzehnten auch zur Ablagerung von Abfällen benutzt wird. Seit den sechziger Jahren betrieb die Gemeinde Ascheberg mit Genehmigung des Beklagten auf einem Teil des Grundstücks eine öffentliche Müllkippe. Die Gemeinde hatte das Gelände zu diesem Zweck gepachtet, zuletzt durch einen Vertrag mit dem Kläger, der seit 1972 Eigentümer des Grundstücks ist. In den Jahren 1976 und 1977 verfügte der Beklagte gegenüber dem beigeladenen Amt, daß auf der Deponie nur noch Erdaushub, Bauschutt, pflanzliche Abfälle und Tonspülungen abgelagert werden dürfen. Gleichwohl wurden immer wieder – teils unerlaubt, teils mit Billigung der Gemeinde und auch des Beklagten – andere Materialien wie Autowracks, Autoteile, Hausmüll und hausmüllähnliche Gegenstände auf das Gelände gebracht. Ab dem 1. Juli 1978 stellte die Gemeinde ihren Deponiebetrieb ein; der Kläger ließ das Gelände durch seinen Verwalter sperren. Mit Schreiben vom 5. Januar 1979 teilte der Kläger dem Beklagten mit, daß er die Deponie im bisherigen Rahmen fortführen wolle, und stellte vorsorglich einen Genehmigungsantrag. Der Beklagte erklärte sich in einem Schreiben vom 18. April 1979 mit der Fortführung einverstanden und erteilte verschiedene Auflagen, z. B. zur Einzäunung des Geländes, zur Bestellung eines Platzwartes und zur Anfertigung eines Rekultivierungsplanes.
Als sich Beschwerden über unerlaubte Ablagerungen von nicht zugelassenem Abfall häuften, gab der Beklagte dem Kläger mit dem angefochtenen Bescheid vom 26. November 1984 auf, als Eigentümer und Abfallbesitzer im Sinne von § 3 Abs. 1 AbfG diesen „wilden Müll” unverzüglich, spätestens bis zum 31. Dezember 1984, der abfallbeseitigungspflichtigen Körperschaft (Gemeinde Ascheberg) unter Beachtung der satzungsrechtlichen Bestimmungen zur Abfuhr bereitzustellen sowie den von § 3 Abs. 3 AbfG erfaßten Abfall gemäß § 3 Abs. 4 AbfG selbst in einer zugelassenen Abfallbeseitigungsanlage zu beseitigen. In dem den Widerspruch des Klägers zurückweisenden Bescheid vom 31. Juli 1985 benannte der Beklagte das beigeladene Amt als die zuständige abfallbeseitigungspflichtige Körperschaft.
Der im ersten Rechtszug erfolglosen Klage gab das Oberverwaltungsgericht statt und hob die angefochtenen Bescheide des Beklagten auf. In den Gründen des Berufungsurteils ist ausgeführt: Soweit die Anordnung des Beklagten die auf dem Gelände abgelagerten Kühlschränke und Gefriertruhen betreffe, sei sie unabhängig von der Frage des Abfallbesitzes zumindest ermessensfehlerhaft, weil vorrangig die für die verbotswidrige Ablagerung verantwortliche Firma B. hätte herangezogen werden müssen. Für einen Teil der abgelagerten Kraftfahrzeugteile und Autoreifen lasse sich das Vorbringen des Klägers nicht widerlegen, daß diese Gegenstände noch vor dem 1. Juli 1978 mit Billigung der Gemeinde und des Beklagten auf die Deponie verbracht worden seien; insoweit sei die Gemeinde für die Wiederherstellung ordnungsgemäßer Zustände verantwortlich. Für die übrigen gegen seinen Willen abgelagerten Abfälle entfalle eine Verantwortlichkeit des Klägers, weil er nicht Abfallbesitzer im Sinne von § 3 Abs. 1 AbfG geworden sei. Ihm sei nicht zu widerlegen, daß er die Deponie zu keinem Zeitpunkt in eigener Regie betrieben habe. Er habe auch alles ihm Mögliche getan, um verbotswidrige Ablagerungen zu verhindern. Bei einer solchen atypischen Sachlage könne nicht von einem Mindestmaß an tatsächlicher Sachherrschaft im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts über die von Dritten verbotswidrig fortgeworfenen Abfälle gesprochen werden. Angesichts der allgemein bekannten Schwierigkeit, jahrzehntelang betriebene öffentliche Mülldeponien nach Stillegung gegen wilde Ablagerungen zu sichern, und angesichts der grundsätzlich bestehenden Beseitigungspflicht der zuständigen öffentlichen Körperschaft sei die Inanspruchnahme eines Eigentümers in Fällen wie diesem nicht sozialadäquat.
Mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision rügt der Beklagte, das Berufungsurteil habe den Begriff des Abfallbesitzers im Sinne von § 3 Abs. 1 AbfG verkannt und zu Unrecht angenommen, daß die vom Bundesverwaltungsgericht dargelegten Voraussetzungen für die Begründung von Abfallbesitz hier nicht gegeben seien. Die angefochtene Verfügung sei auch nicht ermessensfehlerhaft ergangen. Der Kläger hält das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht. Der Bescheid des Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig. Deshalb ist das Urteil des Oberverwaltungsgerichts unter Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils aufzuheben (§ 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO).
Rechtsgrundlage der Verfügung ist die allgemeine ordnungsbehördliche Ermächtigung der §§ 170, 171, 173 des schleswig-holsteinischen Landesverwaltungsgesetzes in der Fassung vom 19. März 1979 (GVBl. S. 181). Zutreffend ist der Beklagte davon ausgegangen, daß der Kläger eine von ihm zu verantwortende Störung der öffentlichen Sicherheit zu beseitigen hat. Das ordnungswidrige Verhalten des Klägers besteht in einem Verstoß gegen § 3 Abs. 1 und 4 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des hier in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Januar 1977 (BGBl. I S. 41) anzuwendenden Abfallbeseitigungsgesetzes – AbfG –. Der Kläger hat Abfälle, die von Dritten unerlaubt auf die für derartige Materialien nicht zugelassene Mülldeponie verbracht worden sind, nicht der Beigeladenen als beseitigungspflichtiger Körperschaft überlassen und die von der öffentlichen Abfallbeseitigung gemäß § 3 Abs. 3 AbfG ausgeschlossenen Abfälle nicht selbst beseitigt. Dazu war er entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts verpflichtet, weil er Besitzer dieser Abfälle geworden war.
Der angefochtene Bescheid ist nicht wegen mangelnder Bestimmtheit rechtswidrig. Die vom Oberverwaltungsgericht angedeuteten Bedenken sind nicht berechtigt. Sowohl aus der Ausgangsverfügung als auch aus dem Widerspruchsbescheid geht deutlich hervor, daß die Aufforderung zur Überlassung bzw. Beseitigung des „wilden Mülls” alle diejenigen Abfälle erfaßt, die nicht zu den zuletzt mit Bescheid vom 18. April 1979 noch zugelassenen Abfallarten „Erdaushub, Bauschutt und pflanzliche Abfälle” gehören. Da sich hinreichend sicher feststellen läßt, welche Gegenstände zu diesen Abfallarten zählen, war aufgrund eines Umkehrschlusses ohne weiteres zu bestimmen, welche Abfälle abgeräumt werden sollten.
Der erkennende Senat hat im Urteil vom 11. Februar 1983 – BVerwG 7 C 45.80 – (BVerwGE 67, 8 ≪11 f.≫) die Voraussetzungen näher dargelegt, unter denen der Eigentümer oder Besitzer eines Grundstücks auch Besitzer der darauf ohne oder gegen seinen Willen verbrachten Abfälle ist und damit die Pflichten aus § 3 Abs. 1 und 4 AbfG erfüllen muß (zustimmend der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts, Urteil vom 2. September 1983 – BVerwG 4 C 5.80 – Buchholz 451.22 AbfG Nr. 15 sowie BGH, UPR 1985, 240). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Auszugehen ist davon, daß das Abfallbeseitigungsgesetz die Verantwortung für die ordnungsgemäße Abfallbeseitigung grundsätzlich auf zwei Schultern verteilt. Die eigentliche Abfallbeseitigung im Sinne des Einsammelns, Beförderns, Behandelns, Lagerns und Ablagerns der Abfälle (vgl. § 1 Abs. 2 AbfG) obliegt – vom Sonderfall des § 3 Abs. 3 und 4 AbfG abgesehen – der öffentlichen Hand, nämlich den nach Landesrecht zuständigen Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 3 Abs. 2 AbfG). Nur auf diese Weise sieht das Gesetz eine wirksame und den Anforderungen der Umweltverträglichkeit (§ 2 AbfG) gerecht werdende Beseitigung der Abfälle gewährleistet. Auf der Stufe vor der eigentlichen Abfallbeseitigung wird dagegen der Bürger als Besitzer von Abfällen in die Pflicht genommen, indem er die Abfälle dem Beseitigungspflichtigen „überlassen”, d. h. zusammentragen und entsprechend den maßgebenden satzungsrechtlichen Bestimmungen so zur Verfügung stellen muß, daß der Beseitigungspflichtige sie ohne weiteren Aufwand einsammeln kann. Neben Gründen der Praktikabilität und Effektivität ist diese Überlassungspflicht Ausdruck der gesetzgeberischen Wertung und Entscheidung, daß der einzelne als Mitglied einer Abfälle in großen Mengen produzierenden Gesellschaft seinen Teil zur Lösung dieses bedeutsamen Umweltproblems beitragen soll und nicht alle dafür notwendigen Maßnahmen der Allgemeinheit überlassen darf. Bei besonders aufwendig und schwierig zu beseitigenden Abfällen darf dem Besitzer sogar die gesamte Abfallbeseitigung auferlegt werden (vgl. § 3 Abs. 3 und 4 AbfG).
Diese Vorstellung des Gesetzgebers von einer Arbeitsteilung zwischen einzelnem und Allgemeinheit legt ein eher weites Verständnis des Besitzbegriffs nahe. Deshalb ist, wie im Urteil des Senats vom 11. Februar 1983, a.a.O. S. 12, ausgeführt, nicht der bürgerlich-rechtliche, sondern ein öffentlich-rechtlicher Besitzbegriff zugrunde zu legen. Insbesondere bedarf es keines Besitzbegründungswillens. Der Annahme von Abfallbesitz steht also nicht notwendig entgegen, daß Abfälle ohne oder gegen den Willen des Grundstückseigentümers(-besitzers) auf das Grundstück gelangt sind oder daß sich der Eigentümer selbst des Besitzes von auf seinem Grundstück befindlichen beweglichen Sachen entledigen will. Ausreichend, aber auch erforderlich ist ein „Mindestmaß” an Sachherrschaft an dem Grundstück, das zugleich die tatsächliche Gewalt über die dort lagernden Gegenstände vermittelt. Dieses Mindestmaß ist vor allem dann nicht gegeben, wenn der Eigentümer sein Grundstück rechtlich und tatsächlich dem Zugriff oder Zutritt der Allgemeinheit nicht entziehen kann. Legt die Rechtsordnung einem Grundstückseigentümer im Allgemeininteresse die Last der freien Zugänglichkeit auf, z. B. durch naturschutz- oder waldrechtliche Betretungsrechte, so trifft nicht ihn, sondern die Allgemeinheit in Gestalt der beseitigungspflichtigen Körperschaft die Verpflichtung zum Zusammentragen der dort unerlaubt fortgeworfenen Abfälle. Der hier zu beurteilende Sachverhalt gibt keine Veranlassung, über die im Urteil vom 11. Februar 1983, a.a.O., genannten Beispiele der Grundstücke in Wald und Flur hinaus abschließend zu entscheiden, in welchen Fällen unter Beachtung der Verkehrsauffassung von einer allgemeinen Zugänglichkeit eines Grundstückes mit der Folge auszugehen ist, daß die tatsächliche Gewalt des Grundstückseigentümers(-besitzers) über die dort lagernden Abfälle nicht mehr angenommen werden kann. Im vorliegenden Fall sind jedenfalls die Voraussetzungen des Abfallbesitzes erfüllt.
Das Grundstück „Am Tonberg” ist weder rechtlich noch tatsächlich frei zugänglich. Ein allgemeines Betretungsrecht nach naturschutzrechtlichen oder anderen Bestimmungen besteht nicht. Das Gelände ist eingezäunt und mit Toren versperrt; Schilder verbieten den Zutritt Unbefugter. Damit ist das in Ortsnähe gelegene Grundstück eindeutig als ein umfriedeter, der Allgemeinheit verschlossener Bereich anzusehen. Das Berufungsgericht mißversteht den Begriff des Abfallbesitzes, wenn es den Besitz verneint, weil der Kläger trotz der von ihm ergriffenen Sicherungsmaßnahmen (Einzäunung, Verschließen des Zufahrtstores, Verbotsschilder, Bestellung eines Platzwartes, Wiederherstellung beschädigter Zäune) die unerlaubten Ablagerungen nicht habe verhindern können. Maßstab für die Sachherrschaft kann grundsätzlich nicht der rechtsuntreue Dritte sein, der Rechte anderer nicht respektiert; nicht einmal der – unter engeren Voraussetzungen stehende – Besitz einer Sache in bürgerlich-rechtlichem Sinne wird dadurch ausgeschlossen, daß sich andere rechtswidrig über die tatsächliche Gewalt des Besitzers hinwegsetzen können. Ob in besonders gelagerten Fällen fehlender tatsächlicher Abwehrmöglichkeiten etwas anderes zu gelten hätte, kann hier offenbleiben. Schließlich wird die Tatsache, daß der Kläger Besitzer des wilden Mülls geworden ist, noch dadurch untermauert, daß er bei Erlaß der angefochtenen Verfügung nicht nur Eigentümer und Besitzer des Grundstücks, sondern sogar – wie noch auszuführen ist – Inhaber einer darauf betriebenen, zumindest rechtlich nicht stillgelegten Abfallbeseitigungsanlage war.
Dem Berufungsgericht ist zuzugeben, daß in manchen Fällen die aus dem Besitz an aufgedrängtem Abfall folgenden Pflichten unangemessen erscheinen mögen. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn bekannt ist oder ermittelt werden kann, wer die Abfälle verbotswidrig fortgeworfen hat, oder wenn der Abfall durch einen Unglücksfall auf das Grundstück gelangt, wie in dem vom Oberverwaltungsgericht gebildeten Beispiel des Müllfahrzeugs, dessen Transportgut infolge eines Verkehrsunfalls auf ein Wohngrundstück entleert wird. Die Möglichkeit solcher und ähnlicher Fallkonstellationen zwingt aber nicht zu einem einzelfallorientierten Verständnis des Besitzbegriffs ohne feste Konturen und allein nach dem Maßstab der Zumutbarkeit oder Sozialadäquanz. Vielmehr ist in solchen Fällen ein sachgerechtes Ergebnis dadurch zu erzielen, daß sich die Heranziehung des Abfallbesitzers als ermessensfehlerhaft erweisen kann, wenn ein anderer Verantwortlicher für den nach § 4 Abs. 1 AbfG rechtswidrigen Zustand vorranig zu dessen Beseitigung verpflichtet werden kann oder muß. In den meisten Bundesländern enthalten die Landesabfallgesetze, in den übrigen Ländern die allgemeinen Polizei- und Ordnungsgesetze entsprechende Rechtsgrundlagen für Maßnahmen gegenüber Personen, die in unzulässiger Weise Abfälle behandeln, lagern oder ablagern. Der Senat hat bereits entschieden, daß derartige landesrechtliche Eingriffsermächtigungen bundesrechtlich unbedenklich sind, sofern sie die durch § 3 AbfG getroffene bundesrechtliche Regelung der Beseitigungspflicht respektieren (vgl. Urteil vom 11. Februar 1983 – BVerwG 7 C 168.81 – und Beschluß vom 30. Oktober 1987 – BVerwG 7 C 87.86 – Buchholz 451.22 AbfG Nr. 12 und 24). So ist es mit Bundesrecht vereinbar, daß das Landesrecht gegenüber dem Verursacher der unzulässigen Abfallagerung zu der Anordnung ermächtigt, unter Wiederaufnahme des unerlaubt aufgegebenen Abfallbesitzes die Überlassungs- oder Beseitigungspflicht des Besitzers gemäß § 3 Abs. 1 oder Abs. 4 AbfG zu erfüllen.
Die Heranziehung des Klägers war aber nicht in diesem Sinne ermessensfehlerhaft. Dies gilt zunächst im Verhältnis zur Gemeinde Ascheberg als der früheren Betreiberin der Mülldeponie. Allerdings kann es in Fällen, in denen jemand das Gelände einer stillgelegten Abfallbeseitigungsanlage erwirbt, geboten sein, nicht diesen, sondern vorrangig den bisherigen Anlageninhaber zu verpflichten, für ordnungsgemäße Zustände zu sorgen, wenn das Gelände infolge seiner früheren Zweckbestimmung weiterhin als Anziehungspunkt für wilde Müllablagerungen dient. Dabei kann es sich um unmittelbar auf § 10 Abs. 2 AbfG gestützte Verfügungen, aber auch um solche Anordnungen handeln, die notwendig werden, wenn der Anlageninhaber die ihm nach § 10 Abs. 2 AbfG aufgegebenen Rekultivierungsmaßnahmen oder sonstigen Vorkehrungen nicht ordnungsgemäß durchführt und deshalb die Anlage nach wie vor einen Anreiz bietet, dort Abfälle fortzuwerfen. Es gehört gerade zu den mit der Ermächtigung des § 10 Abs. 2 AbfG verfolgten Zielen, ein derartiges faktisches Fortwirken der Deponieeigenschaft soweit wie möglich zu verhindern.
Im vorliegenden Fall durfte der Beklagte aber ermessensfehlerfrei von einer Heranziehung der Gemeinde absehen. Denn der Kläger hat die nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 AbfG als zugelassen geltende Abfallbeseitigungsanlage nach Aufgabe des Betriebes durch die Gemeinde im Jahre 1978 ausdrücklich zum Zwecke der Fortführung im bisher zugelassenen Rahmen übernommen, dafür vorsorglich beim Beklagten eine „Genehmigung” beantragt und diese auch – insoweit nur deklaratorisch – durch den mit Auflagen versehenen Bescheid vom 18. April 1979 erhalten. Eine Anzeige gemäß § 10 Abs. 1 AbfG, daß er die Anlage stillegen wolle, hat der Kläger nie erstattet. Auch wenn ihm nach Auffassung des Berufungsgericht nicht zu widerlegen ist, daß er die Deponie zu keinem Zeitpunkt tatsächlich in eigener Regie betrieben hat, war er jedenfalls rechtlich bei Erlaß der angefochtenen Verfügung, und damit seit mehr als sechs Jahren, Inhaber der Anlage. Er hat in dieser Zeit die meisten der ihm erteilten Auflagen nicht erfüllt und mangels Stillegungsanzeige den Beklagten auch nicht in die Lage versetzt, Anordnungen nach § 10 Abs. 2 AbfG zu erlassen. Damit trifft den Kläger die wesentliche Verantwortung dafür, daß sich ein ungeordneter Zustand entwickeln und verfestigen konnte, der Anreiz zur Nutzung des Geländes als wilde Müllkippe bot. Zwar mag bei Ergehen der Verfügung auch noch eine gewisse Verantwortlichkeit der Gemeinde für die Entstehung des ordnungswidrigen Zustandes bestanden haben, weil schon während des in ihrer Regie erfolgten Deponiebetriebes Verstöße vorgekommen sind und teilweise sogar von ihr gebilligt wurden. Doch lag dieser Beitrag zu der im Jahre 1984 bestehenden Situation des Grundstücks zeitlich schon so lange zurück, daß es für den Beklagten rechtlich nicht geboten war, dies bei der Ausübung seines Ermessens zugunsten des Klägers und zu Lasten der Gemeinde zu berücksichtigen. Eine andere, hier nicht zu entscheidende Frage ist es, ob der Kläger von der Gemeinde im Innenverhältnis, etwa aufgrund des Pachtvertrages, eine Beteiligung an den Kosten der Abräumung verlangen kann.
Auch soweit es um einzelne von der angefochtenen Verfügung erfaßte Gegenstände geht, ist ein Ermessensfehler entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht erkennbar. Dies gilt zunächst für den Teil der Kraftfahrzeugabfälle, der nach der Annahme des Berufungsgerichts möglicherweise noch aus der Zeit vor dem 1. Juli 1978 stammt. Der Beklagte war nicht gehalten, bei der großen Menge wilden Mülls im einzelnen zu untersuchen, ob bestimmte Gegenstände möglicherweise schon mehr als sechs Jahre dort lagerten und deshalb schon von der Gemeinde als damaliger Betreiberin nicht zur Ablagerung hätten zugelassen werden dürfen. Eine solche Differenzierung wäre nicht nur unpraktikabel, sondern führte auch zu einer Überforderung der Ordnungsbehörde. Bezüglich der Kühlschränke, Kühlschrankteile und Reste von Gefriertruhen ist zwar nach den Feststellungen des Berufungsurteils davon auszugehen, daß die Firma B. derartige Gegenstände abgelagert hat und deshalb auch mit einem Bußgeld belegt worden ist. Dagegen steht nicht fest, welche Kühlschränke und Gefriertruhen, die sich bei Erlaß der angefochtenen Verfügung auf dem Grundstück befanden, von der genannten Firma herrührten. Deshalb ist der Revision zuzustimmen, daß eine auf konkrete Gegenstände bezogene Verfügung gegenüber der Firma B. nicht möglich oder jedenfalls mit solchen Ermittlungsschwierigkeiten verbunden gewesen wäre, daß sich der Beklagte in vertretbarer Weise allein an denjenigen halten durfte, der als Abfallbesitzer auch zur Entfernung des gesamten übrigen wilden Mülls verpflichtet war. Daß der Beklagte ermessensfehlerfrei den Kläger als Abfallbesitzer in Anspruch genommen hat, schließt übrigens etwaige Ansprüche des Klägers auf Kostenersatz gegen Dritte nicht aus, die unerlaubt Abfälle auf dem Grundstück abgekippt haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Prof. Dr. Sendler, Seebass, Dr. Gaentzsch, Dr. Paetow, Dr. Bardenhewer
Fundstellen
Haufe-Index 845591 |
DVBl. 1989, 522 |