Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch. Höhe des Anspruchs. Kürzung. Kürzungsbetrag. Kürzungsbeträge. Degression. Anteilsdegression. Gesamtschau. Erbe. Erbengemeinschaft. Gesamthandsgemeinschaft. Gesamthandseigentum. Berechtigter. Geschädigter. unmittelbar Geschädigter. Stichtag. Stichtagsberechtigter. Stichtagsberechtigung
Leitsatz (amtlich)
Berechtigter im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG ist der Inhaber der Wiedergutmachungsansprüche, also nicht nur der unmittelbar Geschädigte. Die Gesamtschau nach § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG setzt voraus, dass mehrere Wiedergutmachungsansprüche bei einem (Anspruchs-) Berechtigten zusammenfallen. Maßgeblicher Stichtag ist das In-Kraft-Treten des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes am 1. Dezember 1994.
Sind mehrere Gesamthandsgemeinschaften berechtigt im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG, handelt es sich auch dann nicht um einen Berechtigten im Sinne dieser Regelung, wenn diese Gesamthandsgemeinschaften personen- und anteilsidentisch sind.
Normenkette
AusglLeistG § 2 Abs. 1 Sätze 2-3; EntschG § 7 Abs. 1, 2 Sätze 1, 4
Verfahrensgang
VG Greifswald (Urteil vom 20.08.2003; Aktenzeichen 5 A 1165/01) |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 20. August 2003 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Kläger begehren die Gewährung einer höheren Ausgleichsleistung für die im Zuge der Bodenreform auf besatzungshoheitlicher Grundlage am 5. September 1945 erfolgte entschädigungslose Enteignung der Güter L. und D.
Das Gut L. stand zum Zeitpunkt der Enteignung im Eigentum von B., der zum 31. Dezember 1945 für tot erklärt wurde. Er wurde zu je ¼ von seiner Ehefrau R. und den drei Klägern beerbt.
Das Gut D. stand zum Zeitpunkt der Enteignung im Eigentum von M., der im Juli 1946 verstarb. M. wurde ebenfalls von R. und den drei Klägern zu je ¼ beerbt. R. verstarb im Januar 2000 und wurde von den Klägern beerbt.
Mit bestandskräftigem (Teil-)Bescheid vom 3. Mai 2001 stellte der Beklagte fest, dass den Klägern als Rechtsnachfolgern von B. für die Enteignung des Gutes L. ein gesamthänderischer Anspruch auf Ausgleichsleistung zustehe. Die Höhe des Anspruchs wurde ausgehend von einem Betrag von 1 384 084,64 DM (Bemessungsgrundlage nach § 3 EntschG abzüglich langfristiger Verbindlichkeiten) nach Kürzung gemäß § 7 Abs. 1 EntschG auf 240 408,46 DM festgesetzt.
Mit dem angegriffenen (Teil-)Bescheid vom 1. Juni 2001 traf der Beklagte die Feststellung, dass den Klägern als Rechtsnachfolgern von M. ein gesamthänderischer Ausgleichsleistungsanspruch für die Enteignung des Gutes D. zustehe. Dessen Höhe setzte er auf 159 353,99 DM fest. Diesen Betrag errechnete der Beklagte, indem er den sich für das Gut D. nach dem Abzug langfristiger Verbindlichkeiten von der Bemessungsgrundlage nach § 3 EntschG ergebenden Betrag in Höhe von 1 593 539,85 DM zu dem entsprechenden Betrag für das Gut L. addierte, diese Summe der Degression unterzog und von dem sich ergebenden Betrag von 399 762,45 DM den für das Gut L. zuerkannten Betrag von 240 408,46 DM subtrahierte. Es liege ein Fall der Gesamtschau nach § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG vor. „Berechtigter” im Sinne dieser Regelung sei der Inhaber des vermögensrechtlichen Anspruchs am 29. September 1990. Dies seien hier die beiden Erbengemeinschaften. Sie seien jedoch personenidentisch, so dass zum Zwecke der Degression eine Zusammenrechnung der Ansprüche zu erfolgen habe.
Mit ihrer Klage begehren die Kläger die Festsetzung der Ausgleichsleistung für Gut D. auf 261 353,99 DM. Eine Gesamtschau nach § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG sei nicht vorzunehmen, wenn mehrere Entschädigungsansprüche aus mehreren Erbquellen zusammenträfen. Die Degression nach § 7 Abs. 1 EntschG müsse hier demnach getrennt für die beiden Güter erfolgen.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Bemessungsgrundlagen für die Güter D. und L. seien zum Zwecke der Degression nicht zu addieren. Die Gesamtschau nach § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG sei nicht anzuwenden, wenn der Empfänger der Ausgleichsleistung seinen Anspruch aus der Schädigung verschiedener Rechtsvorgänger herleite. Berechtigter im Sinne dieser Vorschrift sei der Geschädigte selbst. Der Wortlaut sei zwar nicht eindeutig. Immerhin sei in § 7 Abs. 2 Sätzen 3 und 4 EntschG der Begriff des Berechtigten mit dem des Geschädigten identisch, und es sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber einen Begriff in einer Norm einheitlich verwende. Hierfür spreche vor allem die systematische Auslegung. Die Anwendung von § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG in Fällen wie hier ergebe zudem kein systemgerechtes Ergebnis. § 7 Abs. 2 Satz 4 EntschG führe zwingend dazu, dass eine Gesamtschau nach § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG nicht erfolgen könne, wenn der Leistungsempfänger zugleich alleiniger Rechtsnachfolger nach einem Geschädigten und in Erbengemeinschaft Rechtsnachfolger nach einem weiteren Geschädigten sei. Das gelte auch, wenn der Miterbenanteil 99/100 betrage und damit einer Alleinberechtigung nahe komme. Dann aber sei nicht vertretbar, § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG anzuwenden, wenn der Leistungsempfänger zweifacher Alleinerbe sei.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Revision eingelegt. Zur Begründung trägt er vor: Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, die beiden Güter hätten im Schädigungszeitpunkt verschiedenen Eigentümern gehört. Aus dem Bescheid des Ausgleichsamtes vom 18. September 1972, der dem Verwaltungsgericht vor der mündlichen Verhandlung vorgelegen habe, ergebe sich, dass das Ausgleichsamt davon ausgegangen sei, beide Güter hätten im Schädigungszeitpunkt B. gehört. Das Ausgleichsamt habe die Eigentümerstellung von B. aus den von den Klägern vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen, dem notariellen Erbvertrag von 1943 sowie der Bankbescheinigung über die Zahlung der Erbschaftsteuer am 17. April 1944 erschließen können. Schon wegen dieses Doppeleigentums hätte das Verwaltungsgericht zur Gesamtschau nach § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG kommen müssen. Doch selbst wenn das Gut D. im Schädigungszeitpunkt M. gehört hätte, sei § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG anwendbar. Nach dieser Regelung sei die Gesamtschau nicht davon abhängig, dass die zu entschädigenden Vermögenswerte im Schädigungszeitpunkt einem Geschädigten gehörten. „Berechtigter” im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG sei ebenso wie in § 2 Abs. 1 VermG und in § 1 Abs. 1 AusglLeistG der Leistungsempfänger. Ein solches Verständnis des Begriffs entspreche dem Prinzip des Entschädigungsrechts, dass am ehesten dort gekürzt werden könne, wo jemand vergleichsweise viel Entschädigung erhalte.
Die Kläger treten der Revision entgegen. Zur Frage, wem Gut D. im Schädigungszeitpunkt gehört habe, sei vom Beklagten erstmals im Revisionsverfahren der Nachweis über die Bezahlung der Schenkungssteuer vorgelegt worden. Es handele sich um unbeachtlichen neuen Tatsachenvortrag. Auch sonst habe sich dem Verwaltungsgericht ein Übergang des Eigentums am Gut D. auf B. nicht aufdrängen müssen. Nach § 245 LAG ergingen im Lastenausgleichsrecht, auch wenn eine Person Erbe zweier unmittelbar Geschädigter sei, gesonderte, auf die Person des unmittelbar Geschädigten abgestellte Bescheide, eine Zusammenrechnung erfolge nicht. Diesem Prinzip entsprächen § 7 Abs. 2 Sätze 3 und 4 EntschG. Hier seien ebenfalls die Eigentumsverhältnisse zum Zeitpunkt der Schädigung maßgeblich. Für den im gleichen Absatz enthaltenen Satz 1 müsse dasselbe gelten. In § 7 Abs. 2 EntschG habe nicht von der LAG-Regelung abgewichen werden sollen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren. Er hält das Urteil des Verwaltungsgerichts für unzutreffend. Berechtigter im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG sei der Inhaber des vermögensrechtlichen Anspruchs am 29. September 1990 (Stichtagsberechtigter). Aus § 245 LAG ergäben sich keine Rückschlüsse für § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG. § 7 Abs. 2 Sätze 3 und 4 EntschG ließen den in Abs. 2 Satz 1 vorangestellten abweichenden Berechtigtenbegriff unberührt. Der Gesetzgeber habe bei § 7 EntschG durchgängig auf die wirtschaftliche Situation der Leistungsempfänger in Folge der Wiedergutmachungsleistung abgestellt und die Degression an deren Leistungsfähigkeit orientiert. Deshalb sei es unerheblich, ob sich das Volumen der Wiedergutmachung aus Ansprüchen nach einer oder nach mehreren Personen ergebe.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das angegriffene Urteil verletzt zwar Bundesrecht, soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, Berechtigter im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG sei (nur) der Geschädigte selbst und die Gesamtschau nach § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG sei nicht anwendbar, wenn der Empfänger der Ausgleichsleistung seinen Anspruch aus der Schädigung verschiedener Rechtsvorgänger herleite. Das Urteil stellt sich jedoch aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Anwendung der Gesamtschau nach § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG setzt Ansprüche eines Berechtigten für mehrere Vermögenswerte voraus. Im vorliegenden Fall sind Inhaber der Ansprüche auf Ausgleichsleistung für die beiden enteigneten Güter jedoch zwei Erbengemeinschaften. Auch wenn diese Erbengemeinschaften personen- und anteilsidentisch sind, handelt es sich rechtlich um zwei verschiedene Berechtigte.
1. Die Verfahrensrüge des Beklagten, mit der er geltend macht, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, die beiden Güter hätten zum Zeitpunkt der Enteignung verschiedenen Eigentümern gehört, bleibt ohne Erfolg. Der Beklagte, der einen von den Feststellungen des Verwaltungsgerichts abweichenden Sachverhalt erstmals mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend macht, war in seinen Bescheiden und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren selbst von einer getrennten Eigentümerstellung ausgegangen. Etwas anderes musste sich dem Verwaltungsgericht auch aufgrund des Bescheides des Ausgleichsamtes vom 18. September 1972 und des zwischen M. und B. 1943 geschlossenen Erbvertrages nicht aufdrängen. In einem ebenfalls in den Verwaltungsakten enthaltenen Vermerk des Beklagten wird festgestellt, dass weder eine Genehmigung des Vertrages noch eine Eintragung von B. im Grundbuch erfolgt seien.
2. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, Berechtigter im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG sei nur der Geschädigte selbst und § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG sei auf die Fälle nicht anwendbar, in denen der Empfänger seinen Anspruch aus der Schädigung verschiedener Rechtsvorgänger herleite, steht nicht im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG ist, wenn ein Berechtigter Ansprüche auf Entschädigung oder auf Ausgleichsleistung nach dem Ausgleichsleistungsgesetz für mehrere Vermögenswerte hat, Absatz 1 auf deren Summe anzuwenden.
a) „Berechtigter” im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG ist der Inhaber der Wiedergutmachungsansprüche. Dies kann der unmittelbar Geschädigte selbst, aber auch sein Rechtsnachfolger sein.
Gegenstand der Zusammenrechnung bei der Gesamtschau nach § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG sind die Ansprüche auf Entschädigung oder auf Ausgleichsleistung. Dies wird durch die Parallelregelung in § 2 Abs. 1 Satz 3 AusglLeistG bestätigt, wonach beim Zusammentreffen von Ansprüchen auf Ausgleichsleistung mit Entschädigungen nach dem Vermögensgesetz die einzelnen Ansprüche vor Anwendung des § 7 des Entschädigungsgesetzes zusammenzurechnen sind. Schon dies legt es nahe, in diesen Ansprüchen zugleich den Bezugspunkt der genannten Berechtigung zu sehen. „Berechtigter” im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG ist somit der Leistungs- oder Anspruchsberechtigte. Auf eine solche Auslegung führt ebenso die Gesetzesbegründung. Der Gesetzgeber hatte den Leistungsempfänger im Blick, wenn er die Gesamtschau nach § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG damit begründet, dass demjenigen, dem vergleichsweise viel zustehe, am ehesten eine Kürzung zugemutet werden könne (BTDrucks 12/4887 S. 36).
Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 22. November 2000 – 1 BvR 2307/94 – findet die Auffassung des Verwaltungsgerichts keine Stütze. Das Bundesverfassungsgericht hatte dort die Rüge, dass § 2 Abs. 1 Satz 3 AusglLeistG und § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstießen, mit dem Argument zurückgewiesen, diese Regelungen stellten die Gleichbehandlung von Berechtigten, die einen wertvollen Vermögensgegenstand verloren hätten, und solchen, denen mehrere, wertmäßig dem einen Vermögensgegenstand entsprechende Vermögensobjekte entzogen worden seien, sicher (BVerfGE 102, 254 ≪331 f.≫). Zwar wurde insoweit der Begriff des Berechtigten im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG und der des Geschädigten deckungsgleich verwendet. Damit hat das Bundesverfassungsgericht jedoch nur auf die einfachste Variante einer Berechtigung abgestellt, dass nämlich der unmittelbar Geschädigte zugleich auch der Anspruchsteller ist. Damit ist aber nicht gesagt, dass beides stets deckungsgleich sein muss. Vielmehr haben, wie sich aus § 1 Abs. 1 EntschG i.V.m. § 2 Abs. 1 VermG für das Entschädigungs- sowie aus § 1 Abs. 1 AusglLeistG für das Ausgleichsleistungsrecht ergibt, neben den unmittelbar Geschädigten auch deren Rechtsnachfolger einen Anspruch auf Wiedergutmachung und können damit „Berechtigte” im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG sein.
Aus § 245 Satz 1 LAG ergibt sich gleichfalls nichts anderes. Nach dieser Regelung werden im Lastenausgleichsrecht für die Bemessung der Hauptentschädigung die festgestellten Schäden des unmittelbar Geschädigten (§ 243) zu einem Schadensbetrag zusammengefasst. Damit stellt § 245 LAG für die Zusammenrechnung zwar nur auf die Schäden des unmittelbar Geschädigten ab. Es ist für § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG jedoch weder dem Wortlaut – dort ist nicht vom unmittelbar Geschädigten, sondern vom „Berechtigten” die Rede – noch den Gesetzesmaterialien zu entnehmen, dass für die Gesamtschau das Gleiche gelten soll. Soweit in der Gesetzesbegründung zu § 7 EntschG auf das Vorbild des Lastenausgleichs abgestellt wird, bezieht sich dies auf § 7 Abs. 1 EntschG und das dort übernommene Prinzip einer gestuften Degression für höhere Entschädigungsbeträge (BTDrucks 12/4887 S. 36), nicht jedoch auf den Begriff des Berechtigten im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG.
Allerdings weicht damit der Begriff des „Berechtigten” im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 EntSchG von dem in § 7 Abs. 2 Sätze 3 und 4 EntschG ab. Wie der Senat im Urteil vom 16. September 2004 (– BVerwG 3 C 32.03 – Buchholz 428.41 § 7 EntschG Nr. 1) bereits entschieden hat, ist Berechtigter im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 3 EntschG derjenige, der durch die den Entschädigungsanspruch oder den Anspruch auf Ausgleichsleistung auslösende Maßnahme unmittelbar geschädigt wurde. Doch regeln die Sätze 3 und 4 andere Sachverhalte als Satz 1.
b) Auch ein genereller Ausschluss der Gesamtschau nach § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG in den Fällen, in denen der Empfänger der Ausgleichsleistung seinen Anspruch aus der Schädigung verschiedener Rechtsvorgänger herleitet, steht nicht im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
Aus dem Wortlaut der Norm lässt sich eine solche Beschränkung nicht entnehmen. § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG stellt allein auf das Bestehen einer Mehrzahl von Ansprüchen für mehrere Vermögenswerte ab, seien es solche auf Entschädigung oder solche auf Ausgleichsleistung, nicht aber auf deren Herkunft. Die vom Verwaltungsgericht angenommene Beschränkung ist auch mit dem Sinn und Zweck der Gesamtschau nach § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG nicht vereinbar. Obgleich dem Wiedergutmachungsberechtigten sowohl bei einem als auch bei zwei Rechtsvorgängern vor Degression nach § 7 Abs. 1 EntschG dieselbe Wiedergutmachungsleistung zustehen würde und der Umfang der Leistung der Maßstab für die Degression sein soll, wäre nach der Auslegung durch das Verwaltungsgericht nur im ersten Fall eine Gesamtschau mit entsprechend schärferen Einschnitten durchzuführen.
c) Für die Anwendung von § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG kommt es auf die Sachlage zum Zeitpunkt der Entstehung der Wiedergutmachungsansprüche mit dem In-Kraft-Treten des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes am 1. Dezember 1994 an. Demgegenüber kann nicht auf das In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes am 29. September bzw. 3. Oktober 1990 abgestellt werden. Hiergegen spricht insbesondere, dass § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG auch den Fall eines Zusammentreffens von/mit Ausgleichsleistungen nach dem Ausgleichsleistungsgesetz regelt, diese Ansprüche aber erst mit dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes entstanden sind. Ebenso wurden die Ansprüche auf Entschädigung erst mit dem gleichzeitigen In-Kraft-Treten des Entschädigungsgesetzes in der erforderlichen Weise konkretisiert.
3. Das Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Waren nämlich die Kläger zusammen mit ihrer zwischenzeitlich verstorbenen Mutter R. jeweils in ungeteilter Erbengemeinschaft nach den beiden unmittelbar Geschädigten B. und M. berechtigt im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG, so kann eine Zusammenrechnung nach dieser Vorschrift gleichwohl nicht erfolgen; denn es handelt sich nicht um ein Zusammentreffen mehrerer Ansprüche bei einem Berechtigten.
Zwei Erbengemeinschaften sind zwei verschiedene Berechtigte. Das gilt auch dann, wenn die beiden Erbengemeinschaften personen- und anteilsgleich sind. Dieser Umstand ist rein zufällig. Eine Erbengemeinschaft wird nicht durch ihre Mitglieder sondern durch den Nachlass definiert, hinsichtlich dessen sie besteht. Der Nachlass nach B. ist aber nicht identisch mit dem Nachlass nach M.
Eine Zusammenrechnung kann auch nicht dadurch erfolgen, dass statt auf die Erbengemeinschaft auf deren Mitglieder abgestellt wird (so aber Kuhlmey in: Kimme, Offene Vermögensfragen, Rn. 35 zu § 7 EntschG). Der Wiedergutmachungsanspruch steht der Erbengemeinschaft zur gesamten Hand zu, nicht jedoch ihren einzelnen Mitgliedern (vgl. Urteil vom 27. Februar 1997 – BVerwG 7 C 22.96 – Buchholz 428 § 2a VermG Nr. 3). Der einzelne Miterbe ist mit seiner Quote nicht an jedem einzelnen Nachlassgegenstand, sondern nur an dem Nachlass als solchem beteiligt. Ihm kann daher auch kein Anteil an dem zum Nachlass gehörenden Wiedergutmachungsanspruch zugeordnet werden. Vollends kann ein solcher Anteil an dem Wiedergutmachungsanspruch nicht mit etwaigen weiteren Wiedergutmachungsansprüchen des Miterben zusammengezählt und insgesamt der Degression nach § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG unterworfen werden. Eine solche auf den einzelnen Miterben statt auf die Erbengemeinschaft abstellende Degression würde die Auseinandersetzung des Nachlasses – etwa die Teilauseinandersetzung, beschränkt auf den Wiedergutmachungsanspruch – voraussetzen. Das ordnet § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG aber gerade nicht an. Die Bedeutung des § 7 EntschG beschränkt sich auf die Berechnung des Wiedergutmachungsanspruchs; die materielle Rechtslage wird nicht verändert.
Aus dem Urteil des Senats vom 16. September 2004 (– BVerwG 3 C 32.03 – Buchholz 428.41 § 7 Nr. 1 S. 2 f.) ergibt sich nichts anderes. Dort wird festgestellt, dass § 7 Abs. 2 Satz 3 EntschG die Gesamthandsgemeinschaft zum Zwecke der Berechnung von Entschädigung und Ausgleichsleistung „auflöst”. Damit wird der Wiedergutmachungsanspruch aber dem (ungeteilten) Nachlass nicht entzogen, es wird keine Teilauseinandersetzung nur für den Wiedergutmachungsanspruch angeordnet. Vielmehr wird die gesamthänderische Bindung nur zum Zwecke der Berechnung der Degression ausgeblendet. Der so berechnete Wiedergutmachungsanspruch bleibt ein (ungeteilter) Anspruch in Händen der Erbengemeinschaft, er wird nicht in mehrere Wiedergutmachungsansprüche jeweils in Händen der Miterben aufgeteilt.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Dette, Liebler, Prof. Dr. Rennert
Fundstellen