Entscheidungsstichwort (Thema)
Hauptentschädigung. Zinszuschlag. Rückforderung der Hauptentschädigung. Wertminderung des restituierten Grundstücks. Nichtberücksichtigung der Wertminderung
Leitsatz (amtlich)
1. Die gesetzliche Rückforderung der Lastenausgleichs(haupt)entschädigung bei Wegfall des Schadens wegen Rückübertragung des Schadensobjekts (§ 342 Abs. 3 i.V.m. § 349 Abs. 1 LAG) verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
2. Der Ausschluß der Wertminderungseinrede im Hinblick auf das restituierte Grundstück in § 349 Abs. 3 Satz 2 LAG ist kein unzulässiger Eingriff in Grundrechte der Eigentümer (Art. 3, 14, 20 GG).
Normenkette
LAG § 349 Abs. 3 S. 2, Abs. 5, § 342 Abs. 3, § 349 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Teilurteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 26. Juni 1996 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahren.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Berechtigung, Lastenausgleichsleistungen zurückzuverlangen.
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Mietwohngrundstücks in M., Kreis F./Sachsen. Sie erhielt wegen dessen Wegnahme in der DDR Lastenausgleichsleistungen.
Nachdem ihr das Grundstück gemäß § 3 Vermögensgesetz zurückübertragen worden war, forderte das Landratsamt B.-E. mit Rückforderungsbescheid vom 9. Februar 1995 nach § 349 Lastenausgleichsgesetz (LAG) einen Betrag von 10 638 DM zurück. Darin sind ein Grundbetrag von 5 400 DM und ein Zinszuschlag in Höhe von 5 238 DM enthalten.
Nach erfolglosem Vorverfahren hat die Klägerin Klage mit dem Ziel erhoben, den Bescheid aufzuheben.
Das Verwaltungsgericht hat das den Zinszuschlag betreffende Verfahren abgetrennt und gemäß Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt. Soweit die Klage sich gegen die Rückforderung der Hauptentschädigung richtet, hat es sie durch Teilurteil vom 26. Juni 1996 abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
§ 349 LAG sei im Hinblick auf die Rückforderung des Grundbetrages eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Eingriffsgrundlage. Die Entschädigungsleistung nach dem Lastenausgleichsgesetz falle nicht in den Schutzbereich des Art. 14 GG. Schützenswertes Vertrauen sei wegen des Vorbehaltes der Rückforderung im Falle nachträglichen Schadensausgleichs nicht verletzt. Der Ausschluß des Wertminderungseinwandes durch § 349 Abs. 3 Satz 2 LAG sei mit dem verfassungsmäßigen Gleichheitsgebot vereinbar.
Gegen dieses Teilurteil hat die Klägerin die vom Verwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt, mit der sie die Aufhebung des die Hauptentschädigung betreffenden Rückforderungsbescheides begehrt.
Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts sei § 349 Abs. 3 Satz 3 LAG mit Art. 3 GG nicht zu vereinbaren. Es sei nicht gerechtfertigt, von denjenigen Lastenausgleichsempfängern, die ihr Wirtschaftsgut nur mit erheblich vermindertem Substanzwert zurückerhalten hätten, die Hauptentschädigung in demselben Umfang zurückzufordern, wie von denen, die ihr Eigentum ohne Substanzwerteinbußen wiedererlangt hätten. Der vollständigen Rückforderung der Hauptentschädigung ohne Berücksichtigung der eingetretenen Wertminderungen am restituierten Objekt stehe ebenfalls Art. 14 Abs. 1 GG entgegen. Schließlich werde durch die Rückforderung des Lastenausgleichs auch das verfassungsrechtliche Vertrauensschutzprinzip verletzt.
Die Beklagte nimmt zur Revision nicht Stellung.
Der Vertreter der Interessen des Ausgleichsfonds beim Bundesverwaltungsgericht verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die Teilentscheidung des Verwaltungsgerichts, der Beklagte habe zu Recht die der Klägerin gewährte Hauptentschädigung unter Berücksichtigung eines Restschadens zurückgefordert, verletzt kein Bundesrecht.
Rechtsgrundlage für die Rückforderung der Hauptentschädigung in dem von der Klägerin angegriffenen Bescheid ist § 349 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 Lastenausgleichsgesetz (LAG) i.V.m. § 342 Abs. 3, § 349 Abs. 3 Satz 2 LAG in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 1993 (BGBl I S. 1389; geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 1993, BGBl I S. 2118, 2121).
1. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Rückforderung der streitbefangenen Ausgleichsleistung sind erfüllt. Was als Zuvielleistung an früherem Lastenausgleich im Sinne des § 349 Abs. 1 LAG anzusehen ist, ist durch die Bezugnahme auf die folgenden Absätze festgelegt und auf den nachträglichen Schadenswegfall bezogen (§ 342 Abs. 2 Satz 2 LAG). Dem kann nicht entgegengehalten werden, § 1 LAG gebiete im Hinblick auf die dort umschriebene sozialpolitische Funktion des Lastenausgleichs eine andere Auslegung. Es fehlt schon an der für eine Auslegung im Sinne der Auffassung der Klägerin notwendigen Mehrdeutigkeit der Bestimmung. Darüber hinaus läßt die Formulierung in § 1 LAG, in der neben der Abgeltung von Schäden auch von Verlusten die Rede ist, nicht den Schluß zu, daß bei Schadenswegfall ohne Erwähnung auch des Verlustes der Gesetzgeber einen Anteil der früheren Lastenausgleichsleistung dem Empfänger belassen wollte. Wenn die Rückforderungsregelung zu stark an fiskalischen Gesichtspunkten orientiert sein und soziale Aspekte vernachlässigen sollte – wie die Klägerin meint – so ist das Ausdruck einer rechtspolitischen Überzeugung, die nicht von der Anwendung der eindeutigen gesetzlichen Regelung entbindet.
2. Entgegen der Auffassung der Klägerin begegnet die Gültigkeit der Rückforderungsvorschrift keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
a) Wie der Senat bereits im Beschluß vom 1. Februar 1996 (– BVerwG 3 B 49.95 – Mitt. BAA 1996, S. 52) ausgeführt hat, kommt ein schützenswertes Vertrauen, die Hauptentschädigung auch bei späterer Rückgabe des weggenommenen Wirtschaftsgutes behalten zu dürfen, hier nicht in Betracht. Die Voraussetzungen für einen aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden verfassungsmäßigen, vom Gesetzgeber zu beachtenden Vertrauensschutz liegen nicht vor. Der Empfänger von Lastenausgleichsleistungen hat nicht die dafür notwendige vorbehaltlos verliehene Rechtsposition (vgl. Bundesverfassungsgericht, stRspr, z.B. BVerfGE 51, 356 ≪362≫). Das ergibt sich bereits aus dem im Lastenausgleichsgesetz geregelten Wiederaufnahmeverfahren für den Fall des späteren Schadenswegfalls (§ 342 Abs. 2 LAG).
b) Der von der Klägerin gerügte Verstoß der Rückforderungsregelung gegen Art. 14 GG liegt ebenfalls nicht vor. Zwar mag die lastenausgleichsrechtliche Entschädigung jedenfalls nach ihrer Bewilligung und Auszahlung eine durch Art. 14 GG geschützte Rechtsposition darstellen. Auch für sie gilt aber, daß nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt und Schranken des Eigentums durch die Gesetze bestimmt werden. Die der Klägerin gewährte Rechtsstellung enthielt von vornherein die Einschränkung, daß die Entschädigung bei Rückgabe des entzogenen Wirtschaftsgutes zurückgefordert werden könne. Diese Regelung war ihrerseits eigentumsrechtlich schon deshalb unbedenklich, weil sie letztlich wegen der Begrenzung der Rückforderung durch den Wert der Schadensausgleichsleistung (§ 349 Abs. 4 Satz 4 LAG) das Vermögen des Betroffenen nicht beeinträchtigt. Die Rückforderung greift hiernach nicht in den durch die Eigentumsgarantie geschützten Bereich ein.
c) Entgegen der Auffassung der Klägerin begründet die Nichtberücksichtigung von Wertveränderungen zurückübertragener Grundstücke in § 349 LAG keine Unvereinbarkeit dieser Bestimmung mit Art. 3 GG. Nach § 349 Abs. 3 Sätze 1 und 2 LAG gilt bei der Rückgabe von Vermögenswerten im Gebiet der ehemaligen DDR der für den Lastenausgleich festgestellte Schaden als in voller Höhe ausgeglichen. „Wertminderungen sowie das Fehlen von Zubehör oder Inventar werden nicht berücksichtigt” (§ 349 Abs. 3 Satz 2 LAG). Richtig ist, daß damit die Bemessung der Rückforderung Eigentümer zwischenzeitlich herabgewirtschafteter Vermögenswerte härter trifft als diejenigen, die gut erhaltene Vermögenswerte zurückbekommen haben. Das Gesetz sieht hier nur ein begrenztes Regulativ als „Schutzvorschrift” der Betroffenen (vgl. BTDrucks 12/2170 zu Nr. 3 ≪§ 349≫, S. 12) vor, wonach der Rückforderungsbetrag den Wert der erlangten Schadensausgleichsleistung nicht übersteigen darf.
Die Regelung ist jedoch verfassungsrechtlich unbedenklich. Das Lastenausgleichsgesetz knüpft in § 349 Abs. 3 an die Schadensausgleichsregelungen des Vermögensgesetzes an. § 7 des Vermögensgesetzes (in der hier gültigen Fassung des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes vom 14. Juli 1992 ≪BGBl I S. 1275≫) sieht keinen Ausgleich für Wertminderungen mehr vor (anders noch die Fassung vom 23. September 1990 ≪BGBl II S. 885, 1159≫). Sind diese aber nach der abschließenden Schadensausgleichsregelung des Vermögensgesetzes nicht zu berücksichtigen, so würde eine Berücksichtigung bei der Rückforderung von LAG-Leistungen mittelbar für die Empfänger von Lastenausgleichsleistungen einen generell vom Gesetzgeber nicht gewollten Schadensausgleich herbeiführen. Da für eine derartige Bevorzugung des Kreises früherer Leistungsempfänger kein sachlich einleuchtender Grund zu sehen ist, käme der von der Klägerin gerügte Verstoß gegen Art. 3 GG überhaupt nur in Betracht, wenn auch die Regelung des Vermögensgesetzes den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügte. Das ist jedoch nicht der Fall. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Gesetzgeber bei der Regelung der Wiedergutmachung früheren, von einer anderen Staatsgewalt zu verantwortenden Unrechts allgemein einen besonders weiten Spielraum (vgl. BVerfGE 13, 39 ≪43≫; 27, 253 ≪272, 283≫; 41, 126 ≪150, 153≫). Dies gilt sowohl hinsichtlich des Umfangs als auch der Art der Wiedergutmachung (vgl. BVerfGE 84, 90 ≪126≫). Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Wiedergutmachung auf die Naturalrestitution ohne Ausgleich individueller Wertminderung zu beschränken, ist bei Berücksichtigung der massenhaft anfallenden Verfahren, des angesichts der Substanzeinbußen zu DDR-Zeiten verbreiteten Renovierungsbedarfs und der hohen finanziellen Belastung durch aus dem Entschädigungsfonds zu erbringende Leistungen in diesem Rahmen offensichtlich sachlich begründet. Es sind auch keine Anhaltspunkte erkennbar, wonach eine Differenzierung der betroffenen Gruppen vorgenommen worden wäre, die den Gleichheitssatz des Art. 3 GG verletzen könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Pagenkopf, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel
Fundstellen
Haufe-Index 1422481 |
BVerwGE |
BVerwGE, 106 |
ZAP-Ost 1998, 35 |