Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhegehaltfähige Dienstbezüge eines Beamten, der unmittelbar in ein Beförderungsamt berufen worden war und aus diesem vor Ablauf der Wartefrist in den Ruhestand getreten ist
Leitsatz (amtlich)
Die Bestimmung der Höhe der Versorgungsbezüge eines Beamten, der vor dem Beförderungsamt, aus dem er in den Ruhestand versetzt wurde, kein anderes Amt bekleidet hat, liegt nicht im Ermessen der Festsetzungsbehörde. Die in § 5 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 BeamtVG Fassung 1990 vorgeschriebene Obergrenze der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge ist eine Kappungsgrenze.
Normenkette
BeamtVG § 5 Abs. 3 Fassung 1990-10-24
Verfahrensgang
OVG Mecklenburg-Vorpommern (Entscheidung vom 09.06.1999; Aktenzeichen 2 L 148/97) |
VG Schwerin (Entscheidung vom 27.02.1997; Aktenzeichen 1 A 1873/94) |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 9. Juni 1999 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung ihrer Versorgungsbezüge. Sie war von Mitte Dezember 1991 bis zu ihrer Versetzung in den einstweiligen Ruhestand Anfang April 1992 im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit im Range einer Ministerialdirigentin – Besoldungsgruppe B 6 BBesO – Regierungssprecherin und Leiterin der Presseabteilung der Staatskanzlei eines Landes. Im Angestelltenverhältnis war sie mit dieser Aufgabe schon seit Anfang Dezember 1990 betraut. In dieser Zeit erhielt sie eine Vergütung in Anlehnung an die Besoldung nach B 6 BBesO. Vor ihrer Beschäftigung in der Staatskanzlei war die Klägerin als Journalistin bei einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt angestellt. Nach ihrer Versetzung in den einstweiligen Ruhestand setzte der Beklagte die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge der Klägerin auf der Grundlage der Besoldungsgruppe A 13 BBesO fest. Ihr hiergegen gerichteter Widerspruch blieb erfolglos.
Mit der Klage hat die Klägerin die Verpflichtung des Beklagten begehrt, ihr Ruhegehalt nach der Besoldungsgruppe B 6 BBesO festzusetzen. Hilfsweise hat sie die Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung beantragt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Hauptantrag abgewiesen und dem Hilfsantrag stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Die oberste Dienstbehörde habe gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge der dort genannten Beamten nach pflichtgemäßem Ermessen festzusetzen. Sie habe den Leistungsgrundsatz zu beachten, der es erfordere, eine dienstliche Tätigkeit zu berücksichtigen, die der Beamte vor seiner Berufung in das Beamtenverhältnis wahrgenommen und sodann als Beamter fortgesetzt habe. Ebenfalls in den Blick zu nehmen sei eine berufliche Vortätigkeit, wenn sie für die Übertragung des Amtes ursächlich gewesen sei. Wenn die Klägerin als Journalistin bereits eine Vergütung entsprechend A 16 bzw. B 2 BBesO erhalten habe, bedürfe die Zuerkennung ruhegehaltfähiger Dienstbezüge lediglich nach A 13 BBesO einer besonderen Begründung. Nicht entscheidend sei, ob die Klägerin aus ihrer früheren Berufstätigkeit Rentenanwartschaften erworben habe, die ihrer Höhe nach der beamtenrechtlichen Versorgung entsprächen. Auch der Grund ihrer Zurruhesetzung sei nicht relevant, weil er auf kein Leistungsmerkmal zurückzuführen sei. Die angefochtenen Bescheide seien schließlich auch deshalb ermessensfehlerhaft, weil der Beklagte Versorgungsentscheidungen, die er im Falle ebenfalls in den einstweiligen Ruhestand versetzter ehemaliger Staatssekretäre getroffen habe, ohne sachlichen Grund vergleichend herangezogen habe.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht der Beklagte die Verletzung materiellen Rechts geltend. Er beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 9. Juni 1999 und des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 27. Februar 1997 aufzuheben, soweit der Klage stattgegeben worden ist, und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht hält einen Ermessensspielraum der obersten Dienstbehörde für gegeben, bei dem der Leistungsgedanke, die Dauer der Dienstzeit des Beamten, die Art und Dauer der Vortätigkeit und die fachliche Qualifikation, nicht jedoch eine durch Vortätigkeiten erreichte Rentenanwartschaft zu berücksichtigen seien.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Der Beklagte ist zur Neubescheidung der Klägerin nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts verpflichtet.
Da die Klägerin vor dem 1. Januar 1999 in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurde, finden die einschlägigen Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung Anwendung (vgl. § 69 c Abs. 1 Satz 1 BeamtVG in der Fassung des Versorgungsreformgesetzes vom 29. Juni 1998, BGBl I S. 1666). Daraus folgt, dass die Klägerin Ruhegehalt erhält, obwohl sie weniger als fünf Jahre Dienst geleistet hat (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a.F.). Hingegen wird die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 3 BeamtVG a.F. nicht durch § 5 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG a.F. ausgeschlossen. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Dienstherr erstmals eine Planstelle für ein Beförderungsamt einrichtet und besetzt. Maßgeblich ist vielmehr, ob ein neues Beförderungsamt im statusrechtlichen Sinne geschaffen wird. Das Amt eines Ministerialdirigenten existierte bereits, bevor die Klägerin ernannt worden ist. Unerheblich ist, dass der Klägerin mit diesem Status das in dem betreffenden Bundesland erstmals eingerichtete Amt der Regierungssprecherin übertragen worden ist.
Da die Klägerin nach einer Dienstzeit von weniger als zwei Jahren in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden ist, kann sie keine Versorgung nach Maßgabe der Dienstbezüge des bekleideten Amtes einer Ministerialdirigentin der Besoldungsgruppe B 6 BBesO beanspruchen. Hat ein Beamter die Dienstbezüge des zuletzt bekleideten Amtes nicht mindestens zwei Jahre lang erhalten, sind nach § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG a.F. ruhegehaltfähig nur die Dienstbezüge aus dem vorher bekleideten Amt. Daran anknüpfend regelt § 5 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 BeamtVG a.F. die Versorgung eines Beamten, der – wie die Klägerin – unmittelbar in einem Beförderungsamt einer Laufbahn angestellt worden ist und vor Ablauf von zwei Jahren in den (einstweiligen) Ruhestand tritt. Da in diesem Fall die Versorgung nicht nach den Bezügen eines vorletzten Amtes bemessen werden kann, setzt nach § 5 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG a.F. die oberste Dienstbehörde im Einvernehmen mit dem für das Beamtenversorgungsrecht zuständigen Minister die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge bis zur Höhe der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge der nächstniedrigeren Besoldungsgruppe fest. Diese Obergrenze stellt eine Kappungsgrenze dar. Sie schließt eine versorgungsrechtliche Besserstellung des anderen Bewerbers gegenüber dem Laufbahnbeamten aus. Die nächstniedrige Besoldungsgruppe im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG a.F. ist diejenige des besoldungsrechtlich unterhalb des bekleideten Beförderungsamtes nächsten Amtes, das der Beamte in seiner Laufbahn und in seiner Verwaltung bekleidet hätte, wenn er nicht unmittelbar in dem Beförderungsamt eingestellt worden, sondern in dieses Amt im Wege der Beförderung gelangt wäre. Im Falle der Klägerin ist die nächstniedrigere Besoldungsgruppe B 5 BBesO, da es im Bereich des betreffenden Landes das dieser Besoldungsgruppe zugeordnete Amt des Ministerialdirigenten gab.
§ 5 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG a.F. räumt der obersten Dienstbehörde entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kein Ermessen ein. Auch bei der nach dieser Vorschrift festzusetzenden Versorgung handelt es sich um eine lediglich durch die Kappungsgrenze eingeschränkte angemessene Alimentation. Der Beamte, der vor dem zuletzt bekleideten Beförderungsamt kein anderes Amt inne hatte, wird versorgungsrechtlich einem entsprechend beförderten Laufbahnbeamten gleichgestellt. Bis zur Höhe der Kappungsgrenze sind seine ruhegehaltfähigen Dienstbezüge nach den Einkünften aus der Vortätigkeit zu bestimmen, die zu der Berufung in das Beamtenverhältnis geführt hat. Maßgebend ist nach § 5 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG a.F. die auf einem Vergleich beruhende Einordnung des früheren Einkommens in die Besoldungsordnung. Wurde die Vortätigkeit des Beamten innerhalb oder außerhalb des öffentlichen Dienstes nach abstrakten, insbesondere durch Tarifvertrag festgelegten Merkmalen vergütet, kann die jeweilige Tarifgruppe einer Besoldungsgruppe zugeordnet werden, um die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge zu ermitteln.
Dass die Klägerin vor ihrer Ernennung zur Ministerialdirigentin als Angestellte die Aufgaben der Regierungssprecherin und Leiterin einer Abteilung der Staatskanzlei wahrgenommen hatte, führt nicht dazu, ihre ruhegehaltfähigen Dienstbezüge auf der Grundlage der Vergütung dieser Tätigkeit nach der Besoldungsgruppe B 6 BBesO festzusetzen. Das Angestelltenverhältnis und das anschließende Beamtenverhältnis erreichten insgesamt nicht die für eine Versorgung aus dem letzten Amt geforderte Mindestdienstzeit von zwei Jahren. Dies schließt einen Rückgriff auf die Besoldungsgruppe des Beförderungsamtes aus. Voraussetzung der Versorgung aus dem letzten Amt soll ein gesetzlich festgelegtes Mindestmaß an nachhaltiger diesem Amt entsprechender Dienstleistung sein (vgl. Beschluss vom 11. Oktober 1995 – BVerwG 2 B 17.95 – Buchholz 239.1 § 5 BeamtVG Nr. 13 S. 4 ≪5≫, m.w.N.). Auch der Beamte, der vor dem Beförderungsamt kein Amt bekleidet hat, kann dementsprechend nur beanspruchen, dass sein Einkommen, das er in einem früheren Beruf mehr als zwei Jahre lang erzielt und das seinen Lebensstandard bestimmt hat, bei der Festsetzung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge berücksichtigt wird.
Der Beklagte wird bei der erneuten Bescheidung der Klägerin die Höhe ihres Einkommens bei der Rundfunkanstalt festzustellen haben. Sodann wird er unter Berücksichtigung der Unterschiede zwischen der Vergütung einer Angestellten und der Besoldung eines Beamten bestimmen müssen, welchen Amtsbezügen dieses Einkommen seiner Höhe nach zugeordnet werden muss. Übersteigt das Einkommen die Amtsbezüge der nächstniedrigen Besoldungsgruppe, im Fall der Klägerin also der Besoldungsgruppe B 5 BBesO, so sind die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge nach der Besoldungsgruppe B 5 BBesO festzusetzen. Bleibt die Höhe des früheren Einkommens der Klägerin unterhalb dieser Grenze, so sind die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge nach dem Amt festzusetzen, dessen zugehörige Bezüge der Höhe nach diesem Einkommen entsprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Silberkuhl, Dawin, Dr. Kugele, Groepper, Dr. Bayer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 19.07.2001 durch Schütz Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
NWB 2002, 20 |
ZAP 2002, 11 |
ZBR 2003, 46 |
ZTR 2002, 247 |
DVBl. 2002, 198 |
NPA 2002, 0 |