Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufenthaltserlaubnis. Aufenthaltsbefugnis. Aufenthaltszweck. gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft. Familiennachzug. dringende humanitäre Gründe
Leitsatz (amtlich)
Der ausländische Partner einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung nach §§ 17, 18, 22, 23 AuslG (wie Urteil vom 27. Februar 1996 – BVerwG 1 C 41.93 – BVerwGE 100, 287).
In derartigen Fällen kann § 28 Abs. 3 AuslG der Ermessensentscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 15 i.V.m. § 7 Abs. 1 AuslG entgegenstehen, wenn dem Ausländer zuvor eine Aufenthaltsbewilligung für einen anderen Zweck erteilt worden war.
Eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG setzt stets die unanfechtbare Ausreisepflicht des Ausländers voraus.
Dringende humanitäre Gründe im Sinne des § 30 Abs. 2 AuslG sind namentlich auch unter Berücksichtigung des Art. 2 GG und des Art. 8 EMRK zu ermitteln.
Normenkette
GG Art. 2-3, 6 Abs. 1; AuslG § § 17 ff., § 28 Abs. 3; EMRK Art. 8 Abs. 1
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Entscheidung vom 14.03.2000; Aktenzeichen 10 B 99.2101) |
VG Ansbach (Entscheidung vom 05.05.1999; Aktenzeichen 9 K 99.216) |
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. März 2000 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Kläger erstreben für den Kläger zu 1 eine Aufenthaltsgenehmigung zum Zwecke der Führung einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft. Der am 28. August 1970 in Brasilien geborene Kläger zu 1 ist brasilianischer Staatsangehöriger. Er reiste am 14. Dezember 1992 mit einem bis zum 13. März 1993 gültigen Visum zum Zwecke der Teilnahme an einem Deutschlehrgang in die Bundesrepublik Deutschland ein. Auf seinen Antrag vom 15. Dezember 1992 erhielt er am 22. März 1993 eine Aufenthaltsbewilligung bis zum 1. Juli 1993, die u.a. mit der Nebenbestimmung versehen war, dass sie nur zum Zwecke des Deutschkurses gültig sei. Am 22. Juni 1993 beantragte der Kläger zu 1 die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung, um eine Lehre als Frisör zu beginnen. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab, wurde jedoch mit Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 21. Juli 1994 verpflichtet, über den Antrag erneut zu entscheiden. Der Beklagte erteilte dem Kläger zu 1 daraufhin am 25. Juli 1995 eine bis zum 24. Juli 1996 gültige Aufenthaltsbewilligung mit der Nebenbestimmung, dass sie mit Beendigung der Beschäftigung bei einem bestimmten Frisör erlösche. Die Aufenthaltsgenehmigung wurde am 22. Juli 1996 bis zum 24. Juli 1997 und sodann am 27. Oktober 1997 bis zum 31. Juli 1998 mit unveränderter Nebenbestimmung verlängert. Der Kläger zu 1 wurde darauf hingewiesen, dass ein weiterer Aufenthalt nicht gestattet werde.
Am 27. Juli 1998 beantragte der Kläger zu 1 die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung zur Führung einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft mit dem Kläger zu 2 und führte aus, die Kläger lebten seit Ende 1992 zusammen. Das Einkommen des Klägers zu 2 sei ausreichend, um den Lebensunterhalt beider zu sichern. Krankenversicherung und ausreichender Wohnraum seien gegeben. Es bestehe auch die Bereitschaft zur Unterzeichnung einer Verpflichtungserklärung und zum Abschluss eines notariellen Partnerschaftsvertrages. In Brasilien könne eine gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft nicht geführt werden; der Kläger zu 2 habe zudem seine Existenzgrundlage in Deutschland.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung mit Bescheid vom 1. Oktober 1998 ab, forderte den Kläger zu 1 auf, das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bis spätestens 1. Dezember 1998 zu verlassen und drohte für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung nach Brasilien an. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger Widerspruch ein. Nachdem darüber nicht entschieden worden war, haben sie Klage mit dem Ziel der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, hilfsweise einer Aufenthaltsbewilligung für den Kläger zu 1 erhoben. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 5. Mai 1999 abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die von ihm zugelassene Berufung mit Urteil vom 14. März 2000 aus folgenden Gründen zurückgewiesen:
Die Klage sei zulässig. Auch der Kläger zu 2 sei klagebefugt, da er sich insbesondere auf den in Art. 8 Abs. 1 EMRK verbürgten Anspruch auf Achtung des Privatlebens berufen könne. Die Klage sei jedoch unbegründet. Der Kläger zu 1 habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung. Art. 8 Abs. 1 EMRK begründe keine unmittelbaren Ansprüche auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung. Das folge aus der weiten legislativen Gestaltungsfreiheit der Konventionsstaaten auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass bestimmte Eingriffe in gleichgeschlechtliche Beziehungen das Recht auf Achtung des Privatlebens beeinträchtigen könnten. Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung folge auch nicht aus den Vorschriften der §§ 17 ff. AuslG. Diese seien ausdrücklich auf Familienangehörige beschränkt. Der Gesetzgeber habe den Zuzug grundsätzlich nur solchen Ausländern zubilligen wollen, die zu einem anderen Ausländer oder zu einem deutschen Staatsangehörigen in einer vom Schutzbereich des Art. 6 GG gedeckten ehelichen oder familiären Beziehung stünden. Dies treffe auf eine gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft nicht zu. Dem Kläger zu 1 könne auch nicht nach § 15 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 AuslG eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt werden. Dem stehe § 28 Abs. 3 Satz 2 AuslG entgegen. Danach könne einem Ausländer, der im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung ist, eine Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck nicht vor Ablauf eines Jahres seit der Ausreise erteilt werden. Dies gelte nur dann nicht, wenn ein gesetzlicher Anspruch gegeben sei oder die Erteilung im öffentlichen Interesse liege. Beides sei nicht der Fall.
Der Kläger zu 1 habe auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis. Die Anwendung des § 30 Abs. 3 AuslG scheitere bereits daran, dass der Kläger nicht unanfechtbar ausreisepflichtig sei. Dazu sei ein die Ausreisepflicht selbständig begründender oder feststellender Verwaltungsakt erforderlich. Daran fehle es.
Der Kläger zu 1 befinde sich aufgrund seines rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrags gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG rechtmäßig im Bundesgebiet. Deshalb komme grundsätzlich die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 2 AuslG in Betracht. Auch dessen Voraussetzungen lägen jedoch nicht vor. Dringende humanitäre Gründe seien nur gegeben, wenn sich der Kläger zu 1 in einer Sondersituation befände, die es rechtfertigen würde, ihn im Gegensatz zu anderen Ausländern in vergleichbarer Lage aufzunehmen. Eine solche Situation sei nicht gegeben, da es dem Kläger zu 1 zugemutet werden könne, das Bundesgebiet für den Zeitraum eines Jahres zu verlassen. Die Trennungszeit könne durch gegenseitige Besuche überbrückt werden.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren Klageantrag weiter. Sie machen die Verletzung von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK sowie der § 28 Abs. 3, § 30 Abs. 2 und 3 AuslG geltend und führen dies näher aus.
Die Beklagte und der Oberbundesanwalt treten der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil steht mit revisiblem Recht in Einklang. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil mit Recht zurückgewiesen.
1. Das Berufungsgericht hat zutreffend die Klage für zulässig erachtet. Auch der Kläger zu 2 ist im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt (Urteil vom 27. Februar 1996 – BVerwG 1 C 41.93 – BVerwGE 100, 287 ≪299≫).
2. Der Kläger zu 1 hat keinen Anspruch auf die beantragte Aufenthaltsgenehmigung.
a) Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung ergibt sich nicht aus §§ 17, 18, 22 und 23 AuslG. Der Senat hat in seinem Urteil vom 27. Februar 1996 (a.a.O.) ausführlich begründet, dass die genannten Bestimmungen ausdrücklich auf Familienangehörige beschränkt sind. Dabei hat der Hinweis in § 17 Abs. 1 AuslG auf Art. 6 GG auch begrenzende Funktion. Der Gesetzgeber wollte einen Zuzug grundsätzlich nur solchen Ausländern zubilligen, die zu einem anderen Ausländer oder zu einem deutschen Staatsangehörigen in einer vom Schutzbereich des Art. 6 GG gedeckten ehelichen oder familiären Beziehung stehen. Soweit über diesen grundrechtlich geschützten Bereich hinaus der Zuzug auch für sonstige Familienangehörige vorgesehen ist, soll dies der Vermeidung außergewöhnlicher Härten dienen. Ausländer, die keine nach der Rechtsordnung anerkannte verwandtschaftliche oder familiäre Beziehung zu in Deutschland bleibeberechtigten Personen aufweisen, sollen von einem Zuzug nach diesen Vorschriften erkennbar ausgeschlossen werden. Art. 6 Abs. 1 GG gilt nicht für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. In dem vorbezeichneten Urteil hat sich der Senat eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, ob die von der Revision in den Vordergrund ihrer Überlegungen gestellten Verfassungsbestimmungen eine erweiternde Auslegung der §§ 17 ff. AuslG erfordern. Er hat diese Frage verneint. Das Revisionsvorbringen gibt keinen Anlass, hiervon abzurücken. Das gilt namentlich für den Hinweis auf Art. 3 GG. Die Beschränkung der Geltung der §§ 17 ff. AuslG auf Familienangehörige trägt der Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG Rechnung. Dies gilt auch dann, wenn berücksichtigt wird, dass auch bei einer Gleichbehandlung von Familienangehörigen und gleichgeschlechtlichen Partnern im Zusammenhang mit dem Zuzug Familienangehörige in anderen Zusammenhängen günstiger behandelt werden könnten. Art. 3 GG verbietet dem Gesetzgeber nicht, Einreise und Aufenthalt Familienangehörigen leichter zu ermöglichen als Partnern einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft. Denn Art. 3 GG hebt die Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG insoweit nicht auf. Erst nach einer entsprechenden Gesetzesänderung könnte dem Anliegen der Kläger Rechnung getragen werden.
b) Die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung an einen Ausländer zum Zwecke der Führung einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft ist nicht generell ausgeschlossen, sondern kann nach Ermessen gemäß § 15 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 AuslG erteilt werden (Urteil vom 27. Februar 1996, a.a.O.). Hier steht jedoch der Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung in der Form der Aufenthaltserlaubnis nach den genannten Vorschriften die Regelung des § 28 Abs. 3 AuslG entgegen. Danach kann einem Ausländer, dem eine Aufenthaltsbewilligung erteilt worden ist, in der Regel vor seiner Ausreise die Aufenthaltsbewilligung nicht für einen anderen Aufenthaltszweck erneut erteilt oder verlängert werden; eine Aufenthaltserlaubnis kann vor Ablauf eines Jahres seit der Ausreise des Ausländers nicht erteilt werden; dies gilt nicht in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs oder wenn es im öffentlichen Interesse liegt. Der Regelung des § 28 Abs. 3 AuslG liegt der Gedanke zu Grunde, dass eine Verfestigung des Aufenthalts vermieden werden soll, wenn er nur zu einem vorübergehenden Zweck genehmigt worden ist. Der Kläger zu 1 war im Besitz der mehrfach, zuletzt bis zum 31. Juli 1998 verlängerten Aufenthaltsbewilligung vom 25. Juli 1995, die zur Ausbildung bei einem Frisör erteilt worden war. Nunmehr erstrebt er eine Aufenthaltsgenehmigung zum Zweck der Führung einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft, also für einen anderen Aufenthaltszweck. Für ein öffentliches Interesse am Aufenthalt des Klägers zu 1 in Deutschland ist nichts ersichtlich. Ein gesetzlicher Anspruch im Sinne des § 28 Abs. 3 Satz 2 AuslG ist nicht gegeben. Ein derartiger Anspruch liegt nur vor, wenn das Gesetz die Behörde unmittelbar verpflichtet, bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Auch dies hat der Senat bereits mehrfach entschieden (Urteile vom 24. Januar 1995 – BVerwG 1 C 2.94 – BVerwGE 97, 301 ≪312≫, vom 22. Februar 1995 – BVerwG 1 C 11.94 – BVerwGE 98, 31 ≪43≫ und vom 4. Juni 1997 – BVerwG 1 C 9.95 – BVerwGE 105, 35 ≪38≫). Das Revisionsvorbringen gibt keinen Anlass, diese Rechtsprechung zu revidieren. Gegen die Regelung des § 28 Abs. 3 Satz 2 AuslG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wie der Senat ebenfalls bereits entschieden hat (Beschluss vom 3. März 1998 – BVerwG 1 B 27.98 – Buchholz 402.240 § 28 AuslG 1990 Nr. 9, S. 16).
c) Aus Art. 8 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 686, 953/1954 II S. 14) – EMRK – ergibt sich kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung. Nach dieser Bestimmung hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Aus Art. 8 Abs. 1 EMRK folgt grundsätzlich kein Recht des Ausländers, in ein bestimmtes Land einzureisen und sich dort aufzuhalten. Der Ausschluss einer Person von einem Land, in dem nahe Angehörige leben, kann aber das Recht aus Art. 8 Abs. 1 EMRK verletzen. Bei der Bestimmung der zur Erfüllung des Begriffs der Achtung des Familienlebens notwendigen Schritte haben die Vertragsstaaten mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und Mittel der Gemeinschaft und der Individuen einen weiten Ermessensspielraum (EGMR, EuGRZ 1985, 567 ≪569≫). Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 27. Februar 1996 (a.a.O.) darauf hingewiesen, dass die Europäische Kommission für Menschenrechte entschieden hat, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen nicht unter den Schutz des Rechts auf Achtung des Familienlebens fallen. Dabei hat er weiter bemerkt, dass der Begriff des Familienlebens nicht ein für alle Mal feststeht. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und die Europäische Kommission für Menschenrechte legen ihn zeitbezogen aus und berücksichtigen dabei die Fortentwicklung des innerstaatlichen Rechts der Europaratsstaaten. Gesetzgeberische Maßnahmen zugunsten gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften in einzelnen Mitgliedstaaten haben aber bisher nicht zu einer allgemeinen europäischen Rechtsüberzeugung geführt, dass der Anspruch auf Achtung des Familienlebens auf derartige Gemeinschaften auszudehnen wäre.
Des weiteren kann der Kläger zu 1 aus seinem Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung herleiten. Zwar können bestimmte Eingriffe in gleichgeschlechtliche Beziehungen das Recht auf Achtung des Privatlebens beeinträchtigen; ein Anspruch auf Aufenthalt und Einreise ist daraus jedoch nicht abzuleiten. Art. 8 EMRK enthält keinen Tatbestand mit einer zwingenden Rechtsfolge. Der Senat hat in dem bereits angeführten Urteil vom 27. Februar 1996 (a.a.O.) offen gelassen, ob in Ausnahmefällen ein entsprechender Anspruch anzuerkennen sein sollte. Jedenfalls unter den hier gegebenen Umständen ist ein unmittelbar aus Art. 8 Abs. 1 EMRK folgender Anspruch nicht anzuerkennen, weil dem Anliegen dieser Konventionsbestimmung durch das nationale Recht ausreichend Rechnung getragen wird. Denn das Gesetz über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern im Bundesgebiet (Ausländergesetz – AuslG) vom 9. Juli 1990 (BGBl I S. 1354), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999 (BGBl I S. 1618), stellt Rechtsgrundlagen zur Verfügung, welche zur Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen für ausländische Partner einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft führen können. Die nach dem Ausländergesetz gegebene Begrenzung des Aufenthalts zur Erreichung eines bestimmten Aufenthaltszwecks (§ 28 Abs. 3 AuslG) darf allerdings grundsätzlich nicht durch die Anwendung des Art. 8 EMRK hinfällig gemacht werden. Die mit § 28 Abs. 3 AuslG verfolgte Vermeidung einer Verfestigung des zu einem zeitlich befristeten Zweck gestatteten Aufenthalts führt nach dem Gesamtsystem des Ausländergesetzes nicht zu nicht hinnehmbaren Folgen, die dem Maßstab des Art. 8 EMRK nicht gerecht werden. Denn mit der Aufenthaltsbefugnis stellt das Ausländergesetz eine Art der Aufenthaltsgenehmigung zur Verfügung, die dem Gebot der Achtung des Privatlebens Rechnung tragen kann. Deshalb ist es nicht geboten, § 28 Abs. 3 AuslG von seinem Wortlaut abweichend anzuwenden. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass eine Maßnahme zur tatsächlichen Beendigung des Aufenthalts hier nicht zur Prüfung steht.
d) Gemäß § 30 Abs. 3 AuslG kann einem Ausländer, der unanfechtbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltsbefugnis abweichend von § 8 Abs. 1 AuslG erteilt werden, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 AuslG für eine Duldung vorliegen, weil seiner freiwilligen Ausreise und seiner Abschiebung Hindernisse entgegenstehen, die er nicht zu vertreten hat. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind schon deshalb nicht erfüllt, weil der Kläger zu 1 nicht unanfechtbar ausreisepflichtig ist. Mit dem Merkmal der unanfechtbaren Ausreisepflicht wird an einen die Ausreisepflicht selbständig begründenden oder feststellenden Verwaltungsakt angeknüpft (Urteil vom 3. Juni 1997 – BVerwG 1 C 7.96 – Buchholz 402.240 § 18 AuslG 1990 Nr. 1, S. 6). Die bloße Vollziehbarkeit eines solchen Verwaltungsaktes reicht nicht aus. Sie ist nicht in derselben Weise beständig wie die Unanfechtbarkeit. Erst mit Bestandskraft des Bescheides vom 1. Oktober 1998 wäre der Kläger zu 1 unanfechtbar ausreisepflichtig. Die Bestandskraft dieses Bescheides setzt die Erfolglosigkeit seiner Klage voraus. Die Unanfechtbarkeit des die Ausreisepflicht begründenden Verwaltungsaktes tritt erst mit Verkündung des vorliegenden Urteils ein. Diese Wirkung kann nicht schon in diesem Verfahren anspruchsbegründend vorweggenommen werden. Abgesehen davon, dass die Entscheidung nach § 30 Abs. 3 AuslG im Ermessen der Behörde steht und dass bei Erfüllung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen allenfalls in Fällen eindeutiger Ermessensreduzierung „auf Null” ein Rechtsanspruch bestehen könnte, hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 1. Februar 2000 – BVerwG 1 C 14.99 – (Buchholz 402.240 § 69 AuslG Nr. 5, S. 3) entschieden, dass der Zweck des § 30 Abs. 3 AuslG es rechtfertigt, ausnahmslos die Unanfechtbarkeit der Ausreisepflicht zu fordern. Es besteht keine Notwendigkeit, von dem Regelungsmechanismus des § 30 Abs. 3 AuslG dahin abzuweichen, dass schon vor Unanfechtbarkeit des die Ausreisepflicht begründenden oder feststellenden Verwaltungsaktes ein Ermessen eröffnet sein müsse. Der Hinweis auf § 55 Abs. 2, § 30 Abs. 3 AuslG in dem Beschluss vom 3. März 1998 (a.a.O.) bedeutet nicht, dass die Aufenthaltsbefugnis außerhalb des rechtlichen Rahmens der genannten Bestimmungen erteilt werden darf. Der Ausländer ist demnach darauf verwiesen, die Aufenthaltsbefugnis nach Unanfechtbarkeit des die Ausreisepflicht bestimmenden oder feststellenden Verwaltungsaktes zu erwirken. Die Rechtskraft des die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis versagenden Urteils steht einer solchen Entscheidung über einen erneuten Antrag nicht entgegen, weil der Eintritt der Rechtskraft gerade die Sach- und Rechtslage verändert.
e) Der Kläger zu 1 hat auch keinen Anspruch auf eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 2 AuslG. Dringende humanitäre Gründe i.S. dieser Vorschrift, die namentlich unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben auch des Art. 2 GG sowie der Regelung des Art. 8 EMRK zu ermitteln sind, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt. Nach seinen Ausführungen bedeutet das Verlassen des Bundesgebietes für den Kläger zu 1 auch nicht aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles eine außergewöhnliche Härte. Eine solche Härte läge vor, wenn es dem Ausländer wegen einer besonderen, für andere Ausländer in vergleichbarer Lage nicht gegebenen Situation nicht zuzumuten wäre, die Beziehungen zu dem Kläger zu 2 durch Ausreise für ein Jahr zu unterbrechen (vgl. auch Urteil vom 4. Juni 1997 – BVerwG 1 C 9.95 – BVerwGE 105, 35 ≪44≫). Aufgrund der tatsächlichen und rechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs, an die das Revisionsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist, sind die Kläger jedoch nicht derart aufeinander angewiesen, dass eine vorübergehende Trennung unzumutbar wäre; zudem kann die Trennung durch gegenseitige Besuche überbrückt werden. Wie auch Ehepartnern vielfach eine Trennung, etwa bei Auslandseinsätzen oder Versetzung, zugemutet wird, müssen grundsätzlich auch Partner einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft einen solchen Trennungszeitraum hinnehmen.
3. Die Abschiebungsandrohung beruht auf § 50 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 42 Abs. 1 und 2, § 49 Abs. 1 AuslG. Etwaige Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe nach den §§ 51 und 53 bis 55 AuslG stehen gemäß § 50 Abs. 3 AuslG dem Erlass der Androhung nicht entgegen.
4. Erweist sich die Verpflichtungsklage als unbegründet, kann auch die unselbständige Anfechtung des ablehnenden Bescheides keinen Erfolg haben.
5. Die Verpflichtungsklage des Klägers zu 2 ist schon deshalb unbegründet, weil eine Aufenthaltsgenehmigung grundsätzlich nur derjenige beanspruchen kann, der sie für seine Einreise oder seinen Aufenthalt selbst benötigt (Urteil vom 27. Februar 1996, a.a.O., S. 299). Die vom Senat in dem vorgenannten Urteil für möglich gehaltene Ausnahmesituation im Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 GG ist im Falle einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft nicht gegeben. Die Anfechtung des gegenüber dem Kläger zu 1 ergangenen ablehnenden Bescheides muss daher schon deshalb ohne Erfolg bleiben.
6. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Meyer ist infolge Eintritts in den Ruhestand verhindert, seine Unterschrift beizufügen. Gielen, Gielen, Hahn, Groepper, Gerhardt
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 19.09.2000 durch Wichmann Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 558188 |
NVwZ-RR 2001, 132 |
InfAuslR 2001, 72 |
ZAR 2001, 36 |
AuAS 2001, 38 |
DVBl. 2001, 223 |