Entscheidungsstichwort (Thema)
Flugplatz. Flugplatz-Betriebsgesellschaft. gewerbliche Wirtschaft. Industrie- und Handelskammer. Kammerzugehörige. öffentliches Interesse. Pflichtmitgliedschaft. Unterlassungsanspruch. Zwangsverband
Leitsatz (amtlich)
1. Kammerzugehörige können von der Industrie- und Handelskammer verlangen, Tätigkeiten zu unterlassen, die über die ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben hinausgehen (wie Urteil vom 21. Juli 1998 – BVerwG 1 C 32.97 – BVerwGE 107, 169 ≪175≫).
2. Zu den Aufgaben der Industrie- und Handelskammern gehört es nicht, Anlagen und Einrichtungen, die dem (allgemeinen) öffentlichen Interesse dienen, zu begründen, zu unterhalten oder zu unterstützen.
3. Eine Industrie- und Handelskammer kann sich an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die den Betrieb eines Flugplatzes zum Gegenstand hat, beteiligen, um das Interesse der gewerblichen Wirtschaft an der Öffnung militärischer Flugplätze für die zivile Luftfahrt zur Geltung zu bringen, sofern diese Beteiligung nach den Umständen des Einzelfalls die Aufgabe der Interessenwahrnehmung gemäß § 1 Abs. 1 IHKG nicht verlässt.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1; IHKG § 1
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Entscheidung vom 17.11.1999; Aktenzeichen 22 B 99.1063) |
VG München (Entscheidung vom 09.02.1999; Aktenzeichen 16 K 98.1591) |
Tenor
Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. November 1999 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Die Vollversammlung der Beklagten ermächtigte mit Beschluss vom 9. Juli 1992 den Präsidenten und den Hauptgeschäftsführer, eine Stammeinlage in Höhe von 10 % des Stammkapitals von 50 000 DM unter Ausschluss der Verlustabdeckung an einer noch zu gründenden Gesellschaft zu erwerben, die die zivile Mitbenutzung militärischer Flugplätze organisiert und vermittelt. Der Beschluss geht auf eine Vorlage zurück, in der die Schwierigkeit dargestellt wird, Flugzeuge der allgemeinen Luftfahrt unter 2 Tonnen, die zu gewerblichen Zwecken verwendet werden, in der Region München unterzubringen, und die darauf abzielt, die Voraussetzungen für die zivile Mitbenutzung der Militärflugplätze Fürstenfeldbruck und Manching zu gewerblichen Zwecken zu schaffen. Die Gesellschaft wurde 1995 unter dem Namen … Betriebsgesellschaft mbH – im Folgenden: Gesellschaft – gegründet. Unternehmensgegenstand ist die zivile Nutzung oder Mitbenutzung des Militärflughafens Fürstenfeldbruck. Das Stammkapital wird gehalten von der Beklagten (5 000 DM), dem F… e.V. (30 000 DM) und dem A… e.V. (15 000 DM); Nachschüsse sind ausgeschlossen. F… e.V. und A… e.V. geben der Gesellschaft in bestimmtem Rahmen Darlehn. In der Gesellschafterversammlung haben die Beklagte und A… e.V. je 25 Stimmen, auf den F… e.V. entfallen 50 Stimmen.
Die Klägerin, Kammerzugehörige der Beklagten, wandte sich erstmals mit Schreiben vom 15. November 1995 dagegen, dass die Beklagte eine Initiative der Privatflieger unterstützt, auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck Start- und Landeerlaubnisse zu erhalten. Mit Schreiben vom 3. März 1998 forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos auf, die Mitgliedschaft in der Gesellschaft zu beenden.
Am 14. April 1998 hat die Klägerin Klage mit dem Antrag erhoben, festzustellen, dass die Beklagte zur Unterlassung der Beteiligung an der Gesellschaft verpflichtet ist. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Entscheidung geändert und die begehrte Feststellung getroffen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt (GewArch 2000, 60): Die zulässige Feststellungsklage sei begründet. Die Beklagte überschreite mit der strittigen Beteiligung ihren Aufgabenbereich und verletze die Klägerin in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG. Zwar dürfe die Beklagte das Gesamtinteresse der Kammerzugehörigen so bestimmen, dass es für geschäftlich genutzte Kleinflugzeuge der allgemeinen Luftfahrt neue Unterbringungsmöglichkeiten insbesondere auf dem Militärflugplatz Fürstenfeldbruck erfordere. Mit dem Recht zur Interessendefinition gehe jedoch nicht die Befugnis einher, Aufgaben an sich zu ziehen, die Anlagen und Einrichtungen zur Förderung des Gemeinwohls beträfen, selbst wenn bei diesen auch Interessen der gewerblichen Wirtschaft gewahrt würden. Zwar stehe den Industrie- und Handelskammern auch die Beteiligung an Gesellschaften des privaten Rechts offen, doch müsse die Beteiligung in vollem Umfang in dem durch § 1 IHKG bezeichneten Aufgabenbereich liegen. Dies sei nicht der Fall bei der Beteiligung an allgemeinen Infrastruktureinrichtungen, die wie z.B. Verkehrsanlagen vor allem dem Gemeinwohl dienten. Die Gesellschaft bezwecke die Förderung der allgemeinen Luftfahrt mit Kleinflugzeugen durch die Schaffung eines zusätzlichen Landeplatzes. Es gehe dabei nicht nur um Geschäftsflüge, sondern auch in erheblichem Umfang um die private Nutzung von Kleinflugzeugen. Dies folge aus dem Gesellschaftsvertrag und den allgemein gehaltenen Zielen der Mitgesellschafter. Maßgeblich sei insoweit der Gesellschaftszweck und das Verhalten der Gesellschafter, nicht der der Beteiligung zugrunde liegende Beschluss der Vollversammlung vom 9. Juli 1992.
Die Beklagte erstrebt mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision die Zurückweisung der Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil und führt zur Begründung im Wesentlichen aus:
Richtige Klageart sei nicht die Feststellungsklage, sondern die Unterlassungsklage. Der Klägerin stehe weder das erforderliche Feststellungsinteresse noch ein subjektives Recht auf Unterlassung zu. Die Klage sei deshalb unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Das beanstandete Verhalten der Beklagten bringe ihr keinerlei Nachteil. Die allgemeine Betroffenheit als Kammerzugehörige genüge nicht. Die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellte Voraussetzung eines Unterlassungsanspruchs, dass die Aufgabenüberschreitung durch den Verband den mit der Zwangsmitgliedschaft verbundenen Eingriff in die Freiheitssphäre des Mitglieds erweitere bzw. der Gesamtaktivität des Verbandes eine völlig andere Dimension gebe, liege nicht vor. Eine Grundrechtsverletzung unter anderen Aspekten sei nicht ersichtlich.
Der Verwaltungsgerichtshof habe das Betätigungsfeld der Beklagten zu eng gesehen. Das Gesamtinteresse der Kammerzugehörigen bestehe darin, den Flugplatz nutzen zu können, sodass es nicht darauf ankomme, ob er tatsächlich auch privaten Flugbewegungen diene. Im Übrigen entspreche es der Lebenserfahrung, dass sich beim Betrieb von Kleinflugzeugen Privates und Geschäftliches vielfältig überschnitten. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Behauptung, die Einrichtung komme zu einem wesentlichen Teil und überwiegend Nicht-Kammerzugehörigen zugute, in tatsächlicher Hinsicht nicht belegt. Die der Beklagten als Aufgabe zugewiesene Förderung der gewerblichen Wirtschaft beschränke sich nicht auf Anliegen, die nur dieser nützten, sondern erfasse auch solche, in denen Gemeinwohl und wirtschaftliche Interessen parallel lägen. Der vorliegende Bezug zur Standortförderung genüge, um eine Kammeraufgabe zu eröffnen. Die Beteiligung von Kammern sei nicht auf solche Handelsgesellschaften beschränkt, deren Zwecke sich vollständig mit den Aufgaben der Kammer deckten. Nicht entscheidend sei, was die Gesellschaft nach ihrer Satzung tun dürfe, vielmehr komme es darauf an, ob die Beklagte innerhalb dieses Rahmens ihre Aufgaben erfüllen könne, hier etwa indem sie auf die Berücksichtigung der besonderen Fluginteressen der Gewerbetreibenden hinwirke. Die Beklagte könne als Gesellschafterin die Interessen ihrer Angehörigen auf dem zu eröffnenden Flugplatz besser durchsetzen denn als Außenstehende. Daher sei ihre Beteiligung zulässig. Im Übrigen wäre sie an Beschlüsse der Gesellschaft, die ihren Aufgaben zuwiderliefen, nicht gebunden. Die Satzung sei zudem im Sinne des IHK-Gesetzes auszulegen. Ferner könne und müsse die Beschlussfassung der Vollversammlung berücksichtigt werden.
Die Klägerin tritt der Revision entgegen und verteidigt das Berufungsurteil unter Betonung der verfassungsrechtlichen Grenzen, die der Tätigkeit von Zwangsverbänden gesetzt seien.
Der Vertreter des öffentlichen Interesses unterstützt die Revision.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision hat Erfolg. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs steht insoweit nicht mit Bundesrecht im Einklang, als er nicht ausreichend ermittelt hat, ob sich die Beteiligung der Beklagten an der … Betriebsgesellschaft mbH im Rahmen ihrer Aufgabe hält, das Gesamtinteresse der ihr zugehörigen Gewerbetreibenden wahrzunehmen und für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken. Die Sache ist daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
1. Die Feststellungsklage ist zulässig. Sie ist insbesondere nicht gegenüber einer Unterlassungsklage gemäß § 43 Abs. 2 VwGO subsidiär (stRspr; vgl. BVerwGE 77, 207 ≪211≫ m.w.N.). Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Dieses könnte nur dann fehlen, wenn der im Wege des Feststellungsbegehrens geltend gemachte Anspruch der Klägerin offensichtlich und eindeutig nicht zustehen könnte (vgl. BVerwGE 95, 25 ≪27≫ m.w.N.; 102, 12 ≪15≫). Dies ist aus den nachstehenden Gründen nicht der Fall.
2. Die Klage ist nicht bereits deshalb unbegründet, weil Kammerzugehörige, wie die Beklagte meint, nicht ohne weiteres von der Industrie- und Handelskammer verlangen können, bei ihrer Tätigkeit die ihr gesetzlich gesetzten Grenzen einzuhalten. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats kann der einzelne Kammerzugehörige, sollten die Industrie- und Handelskammern über die ihnen zugewiesenen Aufgaben hinaus tätig werden, dem mit einer Unterlassungsklage entgegentreten (vgl. Urteil vom 21. Juli 1998 – BVerwG 1 C 32.97 – BVerwGE 107, 169 ≪174 f.≫ m.w.N.). Die Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, dass das Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG – ggf. i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG – auch davor schützt, durch Zwangsmitgliedschaft von „unnötigen” Körperschaften in Anspruch genommen zu werden, und dass die Zwangsmitgliedschaft nur durch Gesetz angeordnet werden darf. Überschreitet eine Körperschaft, deren Errichtung am Maßstab des Art. 2 Abs. 1 GG zu messen ist und ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung im Wesentlichen in der Repräsentation der Interessen ihrer Mitglieder findet, ihren gesetzlichen Aufgabenbereich, greift sie ohne die erforderliche Rechtsgrundlage in dieses Grundrecht ein. Jeder der Körperschaft Zugehörige kann sich gegen eine derartige rechtswidrige Ausdehnung seiner Zwangsunterworfenheit wehren, ohne dass es darauf ankäme, ob er dadurch einen darüber hinausgehenden rechtlichen oder spürbaren faktischen Nachteil erleidet.
Die unter Hinweis auf Äußerungen im Schrifttum vorgebrachten Einwendungen der Revision überzeugen nicht. Die Zugehörigkeit zu Gemeinden und Gemeindeverbänden ist nicht vergleichbar mit der Mitgliedschaft in Zwangsverbänden wie Industrie- und Handelskammern, sodass Erwägungen nicht durchgreifen, die auf eine Gleichbehandlung abzielen. Erstere bestehen kraft Verfassung (Art. 28 Abs. 2 GG) als Teil der Staatsverwaltung, der der Einzelne insgesamt unterworfen ist, ohne dass darin allein ein Grundrechtseingriff läge (vgl. Urteil vom 21. Juli 1998, a.a.O., S. 172). Daher berühren Zuständigkeitsüberschreitungen nur die innerstaatliche Kompetenzverteilung, nicht aber als solche den Einzelnen in seiner Freiheitssphäre. Demgegenüber verkürzt eine Ausdehnung der Aufgaben einer Zwangskörperschaft unmittelbar den Freiheitsbereich des Einzelnen. Fehlt das dafür erforderliche und vor Art. 2 Abs. 1 GG gerechtfertigte (vgl. dazu Urteil vom 21. Juli 1998, a.a.O., S. 173 m.w.N.) Gesetz, liegt ein Eingriff in dieses Grundrecht vor, den der Einzelne mit der verwaltungsgerichtlichen Unterlassungsklage abwehren kann. Dem kann nicht entgegengehalten werden, mit dieser Klage werde eine dem System des Verwaltungsrechtsschutzes fremde Popularklage eröffnet, denn diese Klagemöglichkeit ist, wie ausgeführt, aus Gründen des Individualrechtsschutzes geboten. Im Übrigen sind Klagen, mit denen wie hier eine Überschreitung der der Körperschaft zugewiesenen Aufgaben gerügt wird, von solchen zu unterscheiden, mit denen Mitglieder geltend machen, die Körperschaft habe eine ihr zustehende Aufgabe nicht ordnungsgemäß wahrgenommen, obwohl sie davon nicht selbst betroffen sind.
Entgegen der Ansicht der Revision sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine weiteren Voraussetzungen entwickelt worden, unter denen das Mitglied von einem Zwangsverband verlangen kann, sich nicht mit Aufgaben zu befassen, die ihm der Gesetzgeber nicht zugewiesen hat (vgl. BVerwGE 34, 69 ≪74≫; 59, 231; 59, 242 ≪245≫; 64, 115 ≪117≫; 64, 298 ≪301≫). Anderes ergibt sich namentlich nicht aus dem Urteil des erkennenden Senats vom 10. Juni 1986 – BVerwG 1 C 9.86 – (Buchholz 430.1 Kammerrecht Nr. 14 S. 31 = NJW 1987, 337), in dem ausgeführt wird, ein Abwehrrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG bestehe „jedenfalls” in den Fällen, in denen die Aufgabenüberschreitung den mit der Zwangsmitgliedschaft verbundenen Eingriff in die Freiheitssphäre des Mitglieds erweitere.
Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Juni 1988 – 1 BvR 1301/86 – (BVerfGE 78, 320 ≪330 f.≫) stützt die Rechtsauffassung der Revision ebenfalls nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat dort dargelegt, dass die erwähnte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht ohne weiteres auf alle anderen öffentlich-rechtlichen Zwangsverbände übertragen werden könne, und die Frage, ob einem Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung eine Klagemöglichkeit gegen die Erweiterung der sozialversicherungsrechtlichen Leistungen bei Schwangerschaftsabbrüchen verfassungsrechtlich verbürgt ist, unter Hinweis darauf verneint, dass das Mitglied nur in seinem Vermögen als Beitragspflichtiger betroffen werde. In diesen Ausführungen kommt zum Ausdruck, dass die Pflichtmitgliedschaft in einer öffentlich-rechtlichen Versicherung und diejenige in einer berufsständischen Kammer unterschiedliche Zwecke verfolgen und die Abwehrrechte der Zwangsmitglieder dementsprechend nicht übereinzustimmen haben. Die Beschränkung der Abwehrrechte eines Mitglieds der gesetzlichen Krankenversicherung besagt also nichts darüber, in welchem Umfang Kammerzugehörige durchsetzen können, dass die Industrie- und Handelskammern die gesetzlichen Grenzen ihres Aufgabenbereichs einhalten.
3. Die Frage, ob sich die Beklagte mit der umstrittenen Gesellschaftsbeteiligung im Rahmen der ihr zugewiesenen Aufgaben hält, lässt sich nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht abschließend beurteilen.
a) Maßgebliche Rechtsgrundlage ist § 1 Abs. 1 und 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern vom 18. Dezember 1956 (BGBl I S. 920), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Juli 1998 (BGBl I S. 1887) – IHKG –. Nach § 1 Abs. 1 IHKG haben die Kammern die Aufgabe, das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen. Dabei obliegt es ihnen insbesondere, durch Vorschläge, Gutachten und Berichte die Behörden zu unterstützen und zu beraten sowie für die Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken. Nach § 1 Abs. 2 IHKG können sie, soweit hier von Belang, Anlagen und Einrichtungen, die der Förderung der gewerblichen Wirtschaft oder einzelner Gewerbezweige dienen, begründen, unterhalten und unterstützen (zu den weiteren Aufgaben vgl. Urteil vom 21. Juli 1998, a.a.O., S. 174 m.w.N.).
Die in § 1 Abs. 1 IHKG genannte Aufgabe lässt sich als Vertretung der Interessen der gewerblichen Wirtschaft im weitesten Sinn umschreiben. Da sehr viele öffentliche und staatliche Aufgaben die gewerbliche Wirtschaft berühren, ist diese Aufgabe kaum exakt eingrenzbar. Selbst dort, wo Belange der gewerblichen Wirtschaft nur am Rande berührt sind, ist es den Industrie- und Handelskammern grundsätzlich gestattet, das durch sie repräsentierte Gesamtinteresse zur Geltung zu bringen. Demgegenüber sind die Voraussetzungen enger, unter denen die Industrie- und Handelskammern Anlagen oder Einrichtungen begründen, unterhalten oder unterstützen dürfen. § 1 Abs. 2 IHKG lässt dies nur zu, wenn die Anlagen oder Einrichtungen der Förderung der gewerblichen Wirtschaft oder einzelner Gewerbezweige dienen. Darunter ist zu verstehen, dass die Anlage oder Einrichtung auf ein spezifisches Interesse der gewerblichen Wirtschaft ausgerichtet und von diesem gefordert ist. Der Nutzen einer solchen Anlage oder Einrichtung für das Gemeinwohl ergibt sich als Reflex der Förderung der Wirtschaft. Dient hingegen eine Anlage oder Einrichtung dem allgemeinen Wohl, darf sich eine Industrie- und Handelskammer nicht an ihrer Begründung, Unterhaltung oder Unterstützung beteiligen. Dies gilt auch, wenn die jeweilige Anlage oder Einrichtung zugleich der gewerblichen Wirtschaft von Nutzen ist.
Dieses Verständnis des § 1 Abs. 2 IHKG wird bereits von seinem Wortlaut nahe gelegt. Die Wendung „der Förderung .. dienen” in § 1 Abs. 2 IHKG steht der erkennbar weiteren in § 1 Abs. 1 IHKG gegenüber („für die Förderung .. zu wirken”). Die Vorschrift des § 1 Abs. 2 IHKG nimmt auch nicht etwa lediglich auf § 1 Abs. 1 IHKG Bezug, was für die Absicht des Gesetzgebers spräche, klarzustellen, dass die Kammeraufgaben die Begründung, Unterhaltung und Unterstützung von Anlagen und Einrichtungen im Rahmen des § 1 Abs. 1 IHKG umfassten. Da Anlagen und Einrichtungen – im Gegensatz zu den interessenwahrenden Tätigkeiten nach § 1 Abs. 1 IHKG – typischerweise verfestigt und auf Dauer angelegt sind, verbindet sich mit der Verwendung des Begriffs des „Dienens” vielmehr die Vorstellung einer gewissen Nachhaltigkeit, die nur dann erzielt wird, wenn die jeweilige Anlage oder Einrichtung gerade und in erster Linie das Interesse der gewerblichen Wirtschaft oder einzelner Gewerbezweige fördert.
Vor allem aber leitet sich die dargelegte Auslegung des § 1 Abs. 2 IHKG aus der Aufgabenstellung ab, die die – mit einer Beitragspflicht verbundene (vgl. dazu Urteil vom 21. Juli 1998, a.a.O., S. 176) – Pflichtmitgliedschaft in den Industrie- und Handelskammern rechtfertigt. Der erkennende Senat hat die Industrie- und Handelskammern im Urteil vom 21. Juli 1998 als durch den Staat institutionalisierte, auf die Gesamtbelange der erfassten Wirtschaftszweige ausgerichtete und als Selbstverwaltungseinrichtung der Wirtschaft organisierte Interessenvertretung auch und gerade gegenüber dem Staat charakterisiert (a.a.O., S. 174 f.). Die Industrie- und Handelskammern haben die vom (allgemeinen) öffentlichen Interesse zu unterscheidenden (besonderen) Interessen der gewerblichen Wirtschaft zu fördern und zu vertreten. Daraus folgt, dass die Industrie- und Handelskammern nicht legitimiert sind, Anlagen und Einrichtungen zu begründen, zu unterhalten und zu unterstützen, die dem (allgemeinen) öffentlichen Interesse dienen. Staatsrechtlichen Bedenken, die mit einer („ständestaatlichen”) Ausweitung der Kammeraufgaben in Richtung auf die Wahrnehmung (allgemeiner) öffentlicher Interessen verbunden sein könnten, ist nicht weiter nachzugehen, weil eine derartige Entwicklung bereits mit dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG nicht in Einklang stünde.
b) Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt: Nach den das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs bezweckt die Gesellschaft den Betrieb einer allgemeinen Infrastruktureinrichtung, nämlich die Förderung der allgemeinen Luftfahrt mit Kleinflugzeugen durch die Schaffung eines zusätzlichen Landeplatzes. Gegenstand des Unternehmens der Gesellschaft ist die zivile Nutzung oder Mitbenutzung des Militärflugplatzes Fürstenfeldbruck (§ 3 Abs. 1 der Satzung). Die Beteiligung an einer auf den Zweck, einen Flugplatz zu schaffen und zu nutzen, gerichteten Gesellschaft mit beschränkter Haftung kann, ohne dass es hier näherer Begriffsbestimmungen bedarf, die Begründung, Unterhaltung oder Unterstützung einer Anlage oder Einrichtung darstellen. Sie wäre der beklagten Industrie- und Handelskammer gemäß § 1 Abs. 2 IHKG verwehrt, wenn mit der Beteiligung nicht ein spezifisches Interesse der von der Beklagten vertretenen gewerblichen Wirtschaft verfolgt wird. Der Verwaltungsgerichtshof hat ein solches Interesse nicht für gegeben erachtet, sondern in der Gesellschaftsbeteiligung eine Maßnahme der Beklagten zum Betrieb einer Verkehrsanlage im Interesse der Allgemeinheit gesehen. Er hat jedoch nicht ausreichend geprüft, ob die Beklagte sich an der Gesellschaft in der von ihr gewählten Weise beteiligen durfte, um so Interessen der gewerblichen Wirtschaft gemäß § 1 Abs. 1 IHKG zu vertreten.
Mit welchen Mitteln die Industrie- und Handelskammern die ihnen gemäß § 1 Abs. 1 IHKG gestellte Aufgabe erfüllen, steht in ihrem Ermessen. Sie sind insbesondere grundsätzlich nicht gehindert, sich an Gesellschaften mit beschränkter Haftung zu beteiligen. Eine derartige Beteiligung kommt auch in Betracht, wenn es wie hier im Interesse der gewerblichen Wirtschaft liegt, die Errichtung einer bestimmten Infrastruktureinrichtung vorzubereiten, zu planen und in anderer Weise zu fördern. Nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls kann ausnahmsweise auch die Beteiligung an einer Betriebsgesellschaft in Betracht kommen, wenn die Industrie- und Handelskammer auf diese Weise das ihr obliegende Interesse wirksam zur Geltung bringen kann und feststeht, dass sich ihre Beteiligung in der Interessenwahrnehmung erschöpft, also keine nach § 1 Abs. 2 IHKG unzulässige Tätigkeit vorliegt. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs steht einer solchen Beteiligung nicht entgegen, dass die Mitgesellschafter Interessen verfolgen, die mit denen der Industrie- und Handelskammer nicht identisch sind. Es genügt vielmehr, dass die Interessen der Gesellschafter in Bezug auf das Vorhaben gleichgerichtet sind. Unter dieser Voraussetzung kann auch eine Minderheitsbeteiligung der Industrie- und Handelskammer ein zulässiges Mittel der Interessenvertretung sein.
Dies ist hier in Betracht zu ziehen. Die Beklagte ist an der Gesellschaft lediglich mit 5 000 DM unter Ausschluss der Verlustabdeckung beteiligt. Nach dem Beschluss der Vollversammlung vom 9. Juli 1992 verfolgt die Beklagte das Ziel, die zivile Mitbenutzung militärischer Flugplätze zu organisieren und zu vermitteln, nicht aber selbst Flugplätze zu betreiben. Nach der Beschlussvorlage geht es der Beklagten darum, den „Rahmen” für einen zivilen Flugbetrieb auf Militärflugplätzen zu schaffen, indem sie sich dem Bundesministerium der Verteidigung als Ansprechpartner für die zu treffenden Vereinbarungen zur Verfügung stellt. Die Beklagte hat zudem vorgetragen, sich – ebenso wie bei ihrer Beteiligung im Falle des Militärflugplatzes Manching – aus der Gesellschaft zurückzuziehen, sobald der Flugplatz Fürstenfeldbruck für die allgemeine Luftfahrt geöffnet ist. Somit spricht einiges dafür, dass die Beklagte mit ihrer Gesellschaftsbeteiligung den zivilen Flugbetrieb in Fürstenfeldbruck lediglich im Sinne der ihr nach § 1 Abs. 1 IHKG zustehenden Aufgabe „anschieben” will. Andererseits stellt sich die Frage, aus welchen Gründen sie zu diesem Zweck mit zwei privaten Fliegervereinigungen eine Gesellschaft gegründet hat, deren Zweck weit gefasst ist und jedenfalls keinen ausdrücklichen Bezug zu dem genannten Beschluss der Vollversammlung aufweist. Damit bedarf es weiterer – dem Berufungsgericht vorbehaltener – Aufklärung, ob die umstrittene Beteiligung, worauf die äußere gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung hindeutet, auf den Betrieb eines Flugplatzes gerichtet ist oder sich – unbeschadet des weit gefassten Gesellschaftszwecks – in Wirklichkeit darauf beschränkt, mit ihrer Hilfe die zivile Nutzung des Flugplatzes „auf den Weg” zu bringen. Wie bereits erwähnt, stünde letzterem nicht entgegen, wenn die Mitgesellschafter vorrangig den Interessen der Hobbyflieger und nicht derjenigen verpflichtet sind, die aus beruflichen Gründen Kleinflugzeuge benutzen. Welche Bedeutung dem vom Verwaltungsgerichtshof angeführten Umstand zukommt, dass die Gesellschaft unter fortdauernder Beteiligung der Beklagten genehmigungsrechtliche Schritte eingeleitet hat und sich darum bemüht, eine Zufahrt zum Flugplatz zu schaffen, bedarf näherer Aufklärung, da die Maßnahmen noch der Vorbereitung des Flugplatzbetriebs („Anschubphase”) dienen oder bereits diesem selbst zuzurechnen sein können.
4. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Unterschriften
Meyer, Mallmann, Hahn, Groepper, Gerhardt
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 19.09.2000 durch Wichmann Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BVerwGE, 69 |
NVwZ-RR 2001, 93 |
NVwZ 2001, 434 |
GewArch 2001, 161 |
JA 2001, 464 |
JuS 2001, 823 |
DVBl. 2001, 139 |