Verfahrensgang
VG Köln (Urteil vom 17.05.2006; Aktenzeichen 21 K 7091/05) |
VG Köln (Beschluss vom 15.11.2005; Aktenzeichen 21 K 7091/05) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 17. Mai 2006 sowie der Beschluss der Beklagten vom 15. November 2005 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
I
Die Klägerin betreibt ein öffentliches Telekommunikationsnetz. In mehreren Beschlüssen der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation (jetzt Bundesnetzagentur), die am 25. Juni 2004 noch auf der Grundlage des Telekommunikationsgesetzes vom 25. Juli 1996 (BGBl I S. 1120) – TKG 1996 – ergingen, wurde festgestellt, dass die Klägerin auf den Sprachtelefondienstmärkten (Anschlüsse, Inlands- und Auslandsverbindungen) über eine beherrschende Stellung verfügt.
In der Vergangenheit überließ die Klägerin ihren Wettbewerbern, darunter der Beigeladenen, bestehende und neue analoge Telefonanschlüsse und ISDN-Anschlüsse zur gewerblichen Nutzung. Die Wettbewerber zahlten hierfür die genehmigten Endkundenpreise an die Klägerin und erkannten deren “Allgemeine Geschäftsbedingungen Telefondienst” in Verbindung mit den “Zusätzlichen Bedingungen Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit” an. Nachdem im August 2004 Meinungsverschiedenheiten über diese Form der Überlassung aufgetreten waren, teilte die Regulierungsbehörde der Klägerin mit Schreiben vom 1. September 2004 mit, dass es sich bei den genannten Leistungen ihrer Auffassung nach nicht um “Resale-Produkte” handele, da sie nicht zu Großhandelsbedingungen gewährt würden, sondern um eine “reine Übergabe an Dritte”. Die Klägerin machte die Überlassung der fraglichen Anschlüsse nunmehr davon abhängig, dass ihre Wettbewerber sogenannte Duldungsvereinbarungen mit ihr abschlossen, in denen eine Rechtspflicht zur Überlassung ausdrücklich nicht anerkannt wurde.
Daraufhin leitete die Regulierungsbehörde mit Beschluss vom 8. Oktober 2004 von Amts wegen ein missbrauchsaufsichtliches Verfahren gemäß § 42 des mittlerweile in Kraft getretenen Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 (BGBl I S. 1190) – TKG 2004 – zur Untersuchung des möglichen Missbrauchs einer beträchtlichen Marktmacht der Klägerin ein und gab ihr vorläufig auf, ihren Wettbewerbern die umstrittenen Anschlüsse wie bisher zu überlassen. Mit einem auf Antrag der Beigeladenen erlassenen Beschluss vom 15. November 2005 verpflichtete die Beklagte die Klägerin, der Beigeladenen weiterhin analoge Telefonanschlüsse und ISDN-Anschlüsse entsprechend denjenigen Bedingungen, wie sie in ihren derzeit geltenden “Allgemeinen Geschäftsbedingungen Telefondienst” in Verbindung mit den “Zusätzlichen Bedingungen für Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit” geregelt sind, zu den jeweils gültigen Endkunden-AGB-Preisen zu überlassen, ohne dies von dem vorherigen Abschluss einer Duldungsvereinbarung abhängig zu machen.
Das Verwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen, da die angefochtene missbrauchsaufsichtliche Verfügung zu Recht auf § 42 TKG 2004 gestützt worden sei. Die dafür erforderliche Feststellung der beträchtlichen Marktmacht der Klägerin werde durch die entsprechende, noch nach altem Recht ergangene Feststellung ersetzt. Die marktmächtige Klägerin behindere durch ihr beanstandetes Verhalten andere Unternehmen, ohne dass sie sich hierfür auf schutzwürdige eigene Belange stützen könne. Die Klägerin sei grundsätzlich verpflichtet, nicht nur Endkunden, sondern auch ihre Wettbewerber mit den hier nachgefragten Leistungen zu beliefern. Sie dürfe diese Belieferung nur von Bedingungen abhängig machen, die ihrerseits sachlich gerechtfertigt seien. Dies sei bei den von der Klägerin entworfenen Klauseln, die auf der Annahme einer fehlenden eigenen Rechtspflicht beruhten und auch in weiteren Punkten zumindest missverständlich seien, nicht der Fall.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Anfechtungsbegehren weiter. Sie macht geltend, die angegriffene Verfügung könne schon deshalb nicht auf § 42 TKG 2004 gestützt werden, weil Regulierungsmaßnahmen neuen Rechts unter der aufschiebenden Bedingung der Marktdefinition und Marktanalyse ständen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 17. Mai 2006 und den Beschluss der Beklagten vom 15. November 2005 aufzuheben.
Die Beklagte und die Beigeladene verteidigen demgegenüber das angefochtene Urteil und verweisen ergänzend auf den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 23. Juni 2006, in dem festgestellt wurde, dass die Klägerin auf den bundesweiten Märkten für den Zugang zum öffentlichen Telefonnetz und für öffentliche Inlandsgespräche an festen Standorten über beträchtliche Marktmacht verfügt, und ihr bestimmte Regulierungsverpflichtungen auferlegt wurden.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts und des angegriffenen Beschlusses der Regulierungsbehörde. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht und stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen, denn die angefochtene Verfügung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
1. Das Verwaltungsgericht meint, die angefochtene Verfügung könne auf § 42 TKG 2004 gestützt werden, der bereits vor einer Marktregulierung neuen Rechts anwendbar sei; die gemäß § 42 Abs. 1 TKG 2004 erforderliche Feststellung der beträchtlichen Marktmacht werde durch die noch auf altem Recht beruhende Feststellung der marktbeherrschenden Stellung ersetzt, die gemäß § 150 Abs. 1 TKG 2004 wirksam geblieben sei. Dies ist unvereinbar mit den Grundsätzen, die der Senat in seinem Urteil vom 18. April 2007 – BVerwG 6 C 21.06 – (DVBl 2007, 706 LS; juris), das allerdings erst nach Erlass des Urteils des Verwaltungsgerichts ergangen ist, dem Wortlaut, der Systematik, der Entstehungsgeschichte und dem Normzweck der Marktregulierungsvorschriften des neuen Rechts einschließlich des § 42 TKG 2004 entnommen hat. Danach setzt der Erlass einer auf diese Norm gestützten Missbrauchsverfügung regelmäßig – und auch unter den hier gegebenen Umständen – voraus, dass zuvor der betroffene Telekommunikationsmarkt nach § 10 TKG 2004 als regulierungsbedürftig definiert und die beträchtliche Marktmacht des in Anspruch genommenen Unternehmens im Wege einer Marktanalyse nach § 11 TKG 2004 festgestellt worden ist (a.a.O. Rn. 17 ff.).
An diesen Erwägungen hält der Senat fest. Aus ihnen folgt zugleich, dass die im Rahmen des § 42 Abs. 1 TKG 2004 erforderliche Feststellung der beträchtlichen Marktmacht nicht durch eine gemäß § 150 Abs. 1 TKG 2004 wirksam gebliebene Feststellung der marktbeherrschenden Stellung der Klägerin ersetzt werden kann. Denn das der Bundesnetzagentur nach neuem Recht im Interesse der Marktregulierung zur Verfügung gestellte Eingriffsinstrumentarium – unter Einschluss der besonderen Missbrauchsaufsicht – bildet ein in sich geschlossenes System, das auf dem Ergebnis eines Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahrens aufbaut; dies schließt die Anwendung der neuen Regulierungsinstrumente im Übergangszeitraum vor der erstmaligen Durchführung dieser Verfahren aus (Urteil vom 18. April 2007 a.a.O. Rn. 32 unter Hinweis auf den Beschluss des Senats vom 17. Mai 2006 – BVerwG 6 C 14.05 – BVerwGE 126, 74 Rn. 49 = Buchholz 442.066 § 150 TKG Nr. 1).
2. Das angefochtene Urteil stellt sich im Hinblick auf den vom Verwaltungsgericht als Grundlage der Missbrauchsverfügung herangezogenen § 42 TKG 2004 auch nicht deshalb im Ergebnis als richtig dar, weil am 23. Juni 2006, mithin nach Erlass der angegriffenen Verfügung und auch nach Erlass des angefochtenen Urteils erster Instanz, eine auf einem abgeschlossenen Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahren aufbauende Regulierungsverfügung ergangen ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestimmt sich der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts in erster Linie nach dem einschlägigen materiellen Recht. Sind diesem keine Anhaltspunkte zu entnehmen, ist bei Verwaltungsakten ohne Dauerwirkung im Zweifel die Sachlage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich, während bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung – je nach dem zeitlichen Umfang des Aufhebungsbegehrens – regelmäßig auch spätere Veränderungen der Sachlage bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts zu berücksichtigen sind (Urteil des Senats vom 25. April 2001 – BVerwG 6 C 6.00 – BVerwGE 114, 160 ≪166≫ = Buchholz 442.066 § 33 TKG Nr. 1 S. 4 m.w.N.). Rechtsänderungen, die während des Revisionsverfahrens eintreten, hat das Revisionsgericht im gleichen Umfang zu beachten, wie sie die Vorinstanz berücksichtigen müsste, wenn sie jetzt entschiede (Urteil vom 24. Juni 2004 – BVerwG 2 C 45.03 – BVerwGE 121, 140 ≪144≫ = Buchholz 237.0 § 9 BaWüLBG Nr. 1 S. 4 m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen kann der Senat die Regulierungsverfügung vom 23. Juni 2006 nicht in seine Bewertung einbeziehen. Denn der nachträgliche Erlass eines Verwaltungsakts stellt sich nicht als eine Änderung der Rechtslage, sondern als eine Änderung der Sachlage dar, die jedenfalls dann, wenn sie erst nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts eintritt, nach den oben dargelegten Grundsätzen für das Revisionsgericht unbeachtlich ist. Zwar soll ein unstreitiger, erst während des Revisionsverfahrens eingetretener Umstand ausnahmsweise dann berücksichtigt werden können, wenn dieser nicht weiter beweisbedürftig ist, seine Verwertung einer endgültigen Streiterledigung dient und schützenswerte Interessen der Beteiligten dadurch nicht berührt werden (Urteil vom 23. Februar 1993 – BVerwG 1 C 16.87 – Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 64 S. 22). Die Voraussetzungen dieses der Prozessökonomie geschuldeten Ausnahmefalles liegen hier aber jedenfalls deshalb nicht vor, weil die Einbeziehung der Regulierungsverfügung vom 23. Juni 2006 in das vorliegende Revisionsverfahren eine endgültige Beilegung des Streits um die Missbräuchlichkeit der fraglichen Duldungsvereinbarungen nicht fördern würde. Abgesehen davon, dass die von der Bundesnetzagentur nunmehr definierten Märkte (Zugang zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten; öffentliche Inlandsgespräche an festen Standorten) mit den Sprachtelefondienstmärkten, auf die sich die noch nach altem Recht am 25. Juni 2004 ergangene Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung der Klägerin bezog, nicht deckungsgleich, sondern allenfalls teilidentisch sind, kann schon wegen der zeitlichen Abfolge die genannte Regulierungsverfügung nicht Grundlage des vorangegangenen missbrauchsaufsichtlichen Einschreitens der Beklagten gegen die Klägerin sein. Vielmehr hat sie mit der gleichzeitigen Bekanntgabe der ihr zugrunde liegenden Ergebnisse der Marktdefinition und Marktanalyse (§ 13 Abs. 3 TKG 2004) lediglich den Weg frei gemacht für den künftigen Erlass einer Missbrauchsverfügung gemäß § 42 TKG 2004, sofern dessen Voraussetzungen erfüllt sind.
Der Senat hat im Urteil vom 18. April 2007 entschieden und hält daran fest, dass “die Ex-Post-Missbrauchskontrolle regelmäßig in der Weise an eine bereits abgeschlossene Marktdefinition und -analyse anknüpft, dass auf einem hiernach als regulierungsbedürftig erkannten und regulierten Markt ein Missbrauch festgestellt wird, dem mit einer entsprechenden Verfügung begegnet werden soll” (a.a.O. Rn. 27; Hervorhebung nur hier). Nur eine bereits zuvor durchgeführte Marktdefinition und Marktanalyse kann also Basis für die sich daran anschließende Bekämpfung eines Missbrauchs auf dem regulierten Markt sein. Damit verträgt sich nicht die Vorstellung, dass eine zuvor ohne oder auf anderer Rechtsgrundlage erlassene Missbrauchsverfügung in die Rechtmäßigkeit gemäß § 42 TKG 2004 gewissermaßen “hineinwächst” oder diese gar rückwirkend erlangt. Dies wäre auch mit dem Rechtsgedanken des § 150 Abs. 1 Satz 1 TKG 2004 unvereinbar. Danach bleiben Verpflichtungen, die an altrechtliche Feststellungen marktbeherrschender Stellungen anknüpfen, so lange wirksam, bis sie durch neue Entscheidungen nach Teil 2 des Telekommunikationsgesetzes 2004, zu dem auch § 42 zählt, ersetzt werden. Auch missbrauchsaufsichtliche Verpflichtungen, die noch aus der Zeit vor einer Marktregulierung nach neuem Recht stammen, sind also auf ihre Ersetzung durch neue regulatorische Verpflichtungen (unter Einschluss solcher der besonderen Missbrauchsaufsicht) angelegt, nicht aber darauf, dass sie nach der Regulierung des Marktes für unbestimmte Zeit fortbestehen.
3. Die angefochtene missbrauchsaufsichtliche Verfügung findet ihre Rechtsgrundlage schließlich auch nicht in § 33 Abs. 2 TKG 1996.
Zwar bleiben nach § 150 Abs. 1 Satz 1 TKG 2004 nicht nur die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes getroffenen Feststellungen marktbeherrschender Stellungen, sondern auch die daran anknüpfenden Verpflichtungen wirksam, bis sie durch neue Entscheidungen nach Teil 2 des Telekommunikationsgesetzes 2004 ersetzt werden. Der erkennende Senat hat diese Bestimmung nach nationalem Recht dahin ausgelegt, dass nicht nur durch Verwaltungsakt konkret auferlegte Verpflichtungen, die an eine marktbeherrschende Stellung anknüpfen, sondern auch entsprechende gesetzliche Verpflichtungen übergangsweise wirksam bleiben; die Vereinbarkeit dieser Auslegung mit Gemeinschaftsrecht ist Gegenstand eines Ersuchens auf Vorabentscheidung an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (s. Beschluss vom 17. Mai 2006 a.a.O. Rn. 58 ff.). Unter der Voraussetzung, dass sich die genannte Auslegung des nationalen Rechts als gemeinschaftskonform erweist, kann und muss auf die Eingriffsbefugnisse des alten Rechts zurückgegriffen werden, soweit das neue Recht noch nicht anwendbar ist. Denn § 150 Abs. 1 Satz 1 TKG 2004 erlegt den betroffenen Unternehmen im Übergangszeitraum (auch) die Pflicht auf, sich den im alten Recht vorgesehenen Verwaltungsakten der Regulierungsbehörde zu unterwerfen, deren es zur Durchsetzung der fortbestehenden gesetzlichen Verpflichtungen bedarf (so – für das nationale Recht – Beschluss vom 15. November 2006 – BVerwG 6 C 18.05 – Buchholz 442.066 § 150 TKG Nr. 2 Rn. 20).
Die vorstehenden Erwägungen bedürfen im vorliegenden Fall aber deshalb keiner weiteren Vertiefung, weil die Voraussetzungen eines missbrauchsaufsichtlichen Einschreitens gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 TKG 1996 schon in formeller Hinsicht nicht vorliegen. Abweichend von dem geltenden § 42 Abs. 4 TKG 2004 war das Verfahren nach § 33 Abs. 2 TKG 1996 zweistufig ausgestaltet: Bevor die Regulierungsbehörde einem Anbieter, der unter missbräuchlicher Ausnutzung seiner marktbeherrschenden Stellung gegen seine Verpflichtungen aus § 33 Abs. 1 TKG 1996 verstieß, ein Verhalten auferlegen oder untersagen konnte (§ 33 Abs. 2 Satz 1), hatte sie den Missbrauch zu beanstanden (§ 33 Abs. 2 Satz 2). Bei dem der eigentlichen missbrauchsaufsichtlichen (Beseitigungs-)Verfügung zwingend vorgeschalteten Beanstandungsbescheid handelte es sich um eine gesetzlich angeordnete Abmahnung des marktbeherrschenden Anbieters. Diese sollte nicht nur im Sinne einer Anhörung dem Adressaten die Möglichkeit eröffnen, das missbräuchliche Verhalten zu beenden, bevor eine Verfügung nach § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG 1996 erging; sonst wäre die in § 33 Abs. 2 Satz 2 TKG 1996 getroffene Regelung neben der Anhörungsvorschrift in § 75 dieses Gesetzes überflüssig gewesen. Vielmehr stellte die Beanstandung regelnd (§ 35 VwVfG) fest, dass ein bestimmtes Verhalten die Voraussetzungen eines Missbrauchs beträchtlicher Marktmacht erfüllte und deshalb ein aufsichtsbehördliches Einschreiten rechtfertigte (Urteil vom 25. April 2001 a.a.O. S. 162 bzw. S. 2 f.).
Da es hier an einem ausdrücklichen Beanstandungsbescheid fehlt, bleibt nur zu klären, ob eine andere dem Erlass der Missbrauchsverfügung vorangegangene Äußerung der Regulierungsbehörde in diesem Sinne ausgelegt oder umgedeutet (§ 47 VwVfG) werden kann. Dies ist aber nicht der Fall. Das Schreiben der Regulierungsbehörde vom 1. September 2004, in dem diese der Klägerin mitteilte, “dass es sich bei den genannten Leistungen um die reine Übergabe an Dritte und nicht um Resale-Produkte (…) handelt”, kommt insoweit nicht in Betracht, weil es erkennbar keinen Regelungscharakter hatte. Ebenso wenig lässt sich der mit einer einstweiligen Anordnung verbundene Einleitungsbeschluss der Regulierungsbehörde vom 8. Oktober 2004 als Beanstandungsbescheid deuten. Zwar lässt sich schon aus der Begründung dieses Beschlusses entnehmen, dass die Regulierungsbehörde das umstrittene Verhalten der Klägerin als missbräuchlich beurteilte. Auch unter Berücksichtigung dessen war aber der Einleitungsbeschluss, den auch das alte Recht zur Eröffnung des missbrauchsaufsichtlichen Verfahrens vorsah (§ 74 Abs. 1 TKG 1996), nicht auf das gleiche Ziel gerichtet, wie der damals zusätzlich vorgeschriebene, hier aber fehlende Beanstandungsbescheid. Denn anders als dieser stellt der Einleitungsbeschluss den Missbrauch nicht in einer der Bestandskraft fähigen Weise fest und erfüllt deshalb nicht den Normzweck des § 33 Abs. 2 Satz 2 TKG 1996. Schon aus dem formalen Grund der fehlenden vorangegangenen Beanstandung kann somit die angefochtene Missbrauchsverfügung auf der Grundlage des § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG 1996 nicht rechtmäßig sein.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Dr. Bardenhewer, Dr. Hahn, Dr. Graulich, Vormeier, Dr. Bier
Fundstellen